Diomin WorldbookAls eines der ersten erschienenen Kampagnensettings für D20, geht Diomin als Underdog an den Start. Während auf der einen Seite die bereits etablierten Settings, wie die Forgotten Realms, Greyhawk oder auch Kalamar nur den Weg in das neue Zeitalter beschreiten müssen, kommt Diomin ohne große Geschichte und mächtige Verwandtschaft daher. Auch die berühmte Romanvorlage (und das bereits bestehende System) der Sturmbringer-Saga rund um Elric von Melnibóne bleibt Diomin versagt. Somit kann man Diomin als erstes wirklich neues und unabhängiges Kampagnensetting der D20-Generation ansehen. Umso interessanter ist die Frage, ob ein solches Produkt eines vergleichsweise kleinen Verlages es mit den großen, teilweise langjährig etablierten Konkurrenten aufnehmen kann.
Auf den ersten Blick fällt das Buch zunächst durch sein eher schmales Format auf. Ist man mittlerweile eher Werke in Atlantenstärke gewohnt, muten die 112 Seiten im Softcovereinband eher leichtgewichtig an. Das Cover selbst zeigt eine für ein Fantasyprodukt eher untypische Aufmachung, da die Covergrafik offensichtlich größtenteils im Computer entstanden ist. Der Diomin-Schriftzug wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich pixelig und kann seine digitale Herkunft nicht verleugnen. Schlägt man das Buch auf, fällt vor allem das ungewöhnlich lockere Layout der Seiten ins Auge, was reichlich Platz auf den einzelnen Seiten hinterläßt, bei dem man sich schon fragt, wieso hier so viel weiße Fläche verschwendet wird. Der Font ist ebenfalls ungewöhnlich groß für ein solches Buch, was unweigerlich dazu führt, daß den Käufer das Gefühl beschleicht, relativ wenig Information für sein Geld erhalten zu haben. Die Illustrationen im Innenbereich lassen einen einheitlichen Stil deutlich vermissen und rangieren von ausreichend bis hin zu wirklich schlecht. Die schlechte Druckqualität tut ihr Übriges, so daß einige Illustrationen kaum noch als solche zu erkennen sind. Die in Graustufen gedruckten Karten von Diomin sind von ungewöhnlich schlechter Qualität und wurden mit dem Campaign Cartographer II von Profantasy Ltd. erstellt, wobei die im Cartographer enthaltenen Tutorial Karten eine bessere Qualität aufweisen und ein geübter Anwender mit dem Programm innerhalb weniger Stunden in der Lage sein sollte, deutlich bessere Resultate zu erzielen.
Betrachtet man den Aufbau des Buches, so erhält man auf den ersten Seiten zunächst einen historischen Abriß über die Geschehnisse auf Diomin, vor allem über die Schöpfung der Welt und die einzelnen Völker. Anschließend werden auf einem Drittel des Buches die neuen Rassen vorgestellt, wobei jeweils die spielrelevanten Teile als Open Content auch für andere Veröffentlichungen zur Verfügung stehen. Es folgt eine Abhandlung über die Rollen der typischen D20-Klassen, wobei der Schamane als neue Charakterklasse eingeführt wird. In der Sektion für den Spielleiter wird dann noch kurz das Gildensystem erläutert, ein paar Zeilen über die Götter verloren und ein Überblick über die wichtigsten Figuren der Welt vermittelt. Den Abschluß bildet ein Einstiegsabenteuer, welches knapp ein Viertel des Buches einnimmt und sein Finale in dem ersten Folgeprodukt Into The Darkness findet.
Die Welt von Diomin versucht bewußt, ein wenig außerhalb der Klischees klassischer Fantasykampagnen zu wandeln, was zum Teil auch gelingt. Die typischen Spielerrassen, wie Elfen, Zwerge, Gnome, Orks oder Halblinge sind auf Diomin nicht zu finden. Stattdessen bietet die Welt eine ganze Reihe neuer Rassen, die jedoch größtenteils recht blaß bleiben und sich nur so geringfügig von normalen Menschen unterscheiden, daß die Bezeichnung »Volksstamm« den Umständen wohl eher Rechnung tragen würde. Einzig die Hearthom (Wesen aus Stein) und die Gadianti (Tigermenschen) unterscheiden sich zumindestens merklich von den übrigen Menschenrassen. Der Aufbau einer wirklich eigenen Identität für die verschiedenen Völker wird jedoch bereits im Keim erstickt, indem meistens in den einleitenden Worten die irdische Entsprechung der jeweiligen Kultur angeführt wird. Obwohl die Distanzierung zu den üblichen Klischees gerade im Bereich der Rassen mehr als deutlich wird, ist der Aufbau der Welt im Kern jedoch so klassisch, wie kaum ein anderes Setting.
Vor Urzeiten kommt es zum Zwist zwischen den Göttern, da einige von ihnen mit den Entscheidungen und Handlungen des Gottvaters unzufrieden sind ? es folgt der Kampf zwischen Licht und Finsternis, bei dem der Anführer der dunklen Mächte vernichtend geschlagen wird und sich verstecken muß. Seine Anhänger führen die niederen Völker in die schützende Dunkelheit der Unterwelt, wo sie ihrer erneuten Erstarkung harren. So wie die Götter in zwei Lager gespalten sind, lassen sich auch die Rassen jeweils einer Gesinnung zuordnen, sind also per se böse oder gut. Einige Götter stehen zwischen den Parteien und nehmen eine neutrale Position ein, was die Polbildung jedoch nur noch weiter verstärkt. In ihre Rollen gezwängt, versuchen die Rassen es ihren Göttern gleich zu tun. Der bekannte Kontinent Diomin ist relativ rund, klein und in sich abgeschlossen, wobei jede der Rassen einen Teil vom Kuchen für sich beansprucht. Durch die klare Lagerbildung, die jeder Rasse ihren eigenen Landstrich überstellt, wirkt die ganze Welt extrem konstruiert und künstlich.
Die Beschreibungen im Buch sind durchweg sehr knapp gehalten und auf stimmungsvolle Einleitungstexte wurde fast vollständig verzichtet, so daß beim Lesen des Buches nur wenig Atmosphäre aufzukommen vermag. Während man in den meisten Kampagnenwerken einleitende Worte von wichtigen Personen der Welt präsentiert bekommt, bietet Diomin Passagen aus dem Buch Genesis oder Songs von Peter Gabriel. Die deskriptiven Texte sind größtenteils als schnörkellose Aufzählungen von Fakten verfaßt und erinnern eher an eine aktuelle Ausgabe des Geo Magazins als an einen Kampagnenband, welcher die Stimmung einer ganzen Welt portieren muß.
Das Fazit zum ersten echten eigenständigen D20-Kampagnenband ist leider relativ ernüchternd. Die Aufmachung des Buches ist schlichtweg mißlungen, die Illustrationen sind schlecht und gipfeln in den für ein Weltenbuch unwürdigen Karten. Inhaltlich bietet das Buch zwar einige neue Rassen, die jedoch die endgültige Innovation vermissen lassen. Neben ein wenig Geschichte und ein paar Worten zu den Göttern erfährt man praktisch nur etwas über die Rassen, die Diomin bevölkern. Beschreibungen von Städten oder Reiche fehlen gänzlich, so daß der gesamte Band leider kaum mehr als Stückwerk darstellt.
Hinweis: Dieser Artikel wurde auch im Dragon 15 veröffentlicht und erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors. [Anm.d.Red.] |
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