Das Buch Berlin für das Shadowrun-Setting ist das erste Buch, das komplett von Pegasus stammt und keine Übersetzung ist. Diese Rezension behandelt die unlimitierte Version, die jetzt erschienen ist. Im Gegensatz zur limitierten Version besitzt diese Variante weder Wendecover noch Silberschnitt, aber ansonsten ist alles enthalten, was das Runnerherz begehrt, wenn es keine der limitierten Ausgaben bekommen konnte oder wollte.
Design & ArtworkDas Buch wurde mit einem ganz passablen Cover geschmückt. Diejenigen, die die limitierte Version kennen, werden feststellen, dass es das Cover der Konzernseite ist. Das Cover der Alternativseite ist im Buch als Schwarz-Weiß-Motiv enthalten. Womit wir auch schon beim Dauerkritikpunkt angelangt sind, nämlich dass die Illustrationen in Schwarz-Weiß gehalten sind. Dafür besitzen sie fast immer einen Zusammenhang im Text und stellen entweder Ingame-Werbung dar, oder eine Illustration aus einem Werbeprospekt, so dass man voll in die Atmosphäre eines Forenberichtes eintauchen kann. Außerdem wurde der Zeichenstil auf diese Farbgebung ausgelegt, was diese Kritik fast ausgleicht. Besonders amüsant fand ich die Karte der alternativen Bezirke, die handgekritzelt wurde und die Überschrift „Wer haut dir wo auf die Fresse?“ trägt. Die Qualität der Illustrationen schwankt zwischen gut bis extrem gut. Ich kann hier nur loben und ich liebe diesen Zeichenstil. Das Papier ist wie immer angenehm dick und stabil und das Lesebändchen ist selbstverständlich auch wieder dabei.
InhaltIm Gegensatz zur limitierten Version gibt es hier, wie bereits erwähnt, kein Wendecover, stattdessen wurde der Inhalt, wie die Stadt, in zwei Teile getrennt, den Konzernteil und den Alternativteil. Jeder Teil besitzt sieben Kapitel, die sich allerdings nicht immer ganz entsprechen.
Berlin beginnt mit dem Konzernteil und das erste Kapitel schafft passenderweise auch erst einmal einen Überblick über diesen Teil von Berlin. Wie kommt man hinein? Wie bewegt man sich darin? Und natürlich darf eine Geschichtslektion, wie es mit Berlin überhaupt so weit kommen konnte, wie es sich nun darstellt, nicht fehlen. Hier fiel mir besonders der große Linienplan für die Berliner Magnetschwebebahn positiv auf. „Große Politik“ beschäftigt sich dann auch schon mit der doch recht unorthodoxen Regierungsform des Berliner Rats, wie er sich aufbaut und natürlich, warum man ein solch seltsames Konstrukt von Regierung überhaupt haben wollte. Die Anarchisten haben dabei natürlich eine gewichtige Rolle gespielt. Wenn es um Politik geht, dürfen natürlich die Meinungsmacher nicht fehlen und daher werden hier auch noch die größten politischen Gruppierungen vorgestellt. Die Konzerne machen auch jede Menge Politik und sind nebenbei Antagonisten und Geldgeber der Shadowrunner, deshalb widmet sich das folgende Kapitel auch diesen Giganten. Wer hängt in Berlin mit drin? Was genau tun sie in Berlin? Diese und andere Fragen werden hier geklärt, ebenso wie der Sternschutz nochmals etwas genauer vorgestellt wird und seine berlineigene Sondereinheit SST, mit der sich, glaube ich, kein Runner gerne anlegt. „Leben unterm Logo“ stellt die Lebensweise der heutigen Berliner dar, soweit das möglich ist. Hier ist natürlich nur der Konzernbürger erfasst. In diesem Kapitel wird auch das VolksKOMM vorgestellt, ein Kommlink, das für Berliner Bürger eingeführt wurde und als Werkzeug zur Überwachung und Manipulation dient. Also ganz im Sinne der Konzerne. Dazu kommen noch eine Beschreibung der aktuellen Modetrends, der beliebtesten Sportarten und ein paar andere Aktivitäten, wie Krav-Chi oder AIRobic. Auf einer „Rundreise“ durch die Konzerngebiete Berlins werden diese vorgestellt. Dazu gehört ebenso eine Übersichtskarte wie eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Viertel mit den Hotspots für Mundane, Erwachte und Matrixbegabte. Besonders hier fällt auf, dass man als kluger SL selbst die anfangs sinnlos wirkende Werbung auch nutzen kann, denn hier wird eine Designerschutzkleidung beworben und die regeltechnischen Werte geschickt eingebunden. „Hinter den Kulissen“ beleuchtet die Schatten der Konzernseite. Die Besonderheiten in Berlin werden vorgestellt, insbesondere die Antisprawlaufträge, die gegen die Alternativen Gruppierungen durchgeführt werden. Aber auch andere Möglichkeiten werden nicht vernachlässigt. So ist es zum Beispiel sehr beliebt, antike Gegenstände, die während der anarchistischen Zeit Berlins aus den Museen gestohlen wurden, wieder zu beschaffen. Das Kapitel „Spielinformationen“ schließlich, wirft den Leser ohne jegliche Einführung in eine Auflistung von Locations, die ausgiebig beschrieben und mit Karten, NSC- und Abenteuer-Vorschlägen ausgearbeitet sind. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Locations, mit wenigen Anpassungen, auch außerhalb von Berlin benutzt werden können, so zum Beispiel die Sternschutz-Wachstation. Auch die NSCs wurden komplett, inklusive Werten, ausgearbeitet. Zum Abschluss werden dann noch zwei grob skizzierte Runs vorgestellt, die so im Konzernberlin stattfinden können. Abgesehen von der fehlenden Einleitung in diesem Kapitel, kann ich es nur loben. Die Karten sind sehr detailliert und im Text sind die wirklich wichtigen Details der Location, die man als SL schnell mal während des Runs im Buch nachschlagen muss, fett markiert. So fallen sie praktisch sofort ins Auge.
Nun folgt der Alternativteil und auch hier schafft das erste Kapitel erst einmal einen Überblick über diesen Teil der Stadt. Wie komme ich in die Stadt, ohne von den Konzernen mit Kontrollen belästigt zu werden? Wie bekommen die Leute hier ohne Konzerne Strom und Wasser? Wie bekomme ich hier eine Wohnung, wenn kaum jemand an Geld interessiert ist? Und wie lebt es sich hier überhaupt? Neben den Antworten auf diese Fragen, bietet „Überblick“ auch einige „Freeruns“, die man erledigt, ohne Geld dafür zu bekommen, aber dafür den Schutz des Kiezes, in dem man lebt. Immerhin hat man für Strom oder Wasser oder sonst irgendwie für das Allgemeinwohl gesorgt. Verdammt praktisch in einer Stadt, in der fast jeder eine Waffe hat und man aufpassen muss, auf welcher Seite man steht - oder zumindest welcher Seite die Leute glauben, dass man steht. „Machtgruppen“ stellt die Unterwelt und die Schatten der alternativen Bezirke vor. Die Tätigkeiten der Syndikate (hauptsächlich Vory v Zakone), der Gangs und natürlich der Sprawlguerilla, die gegen die Macht der Konzerne den Aufstand probt, werden erklärt und mit möglichen Aufhängern für Runs aufgelockert. „Leben ohne Logo“ stellt, wie man sich als Leser dieser Rezension sicher vorstellen kann, das Leben der Alternativen vor. Wie im Konzernteil gehören auch hier die aktuellen Trends, sowie eine Beschreibung der Lebensweisen und der Matrix dazu. Auch in den alternativen Bezirken wird eine „Rundreise“ unternommen, interessante Orte besucht und Veranstaltungen vorgestellt, die sich geradezu anbieten im Spiel verwendet zu werden. Hier findet man auch die bereits erwähnte handgekritzelte Skizze von Berlin, die zwar nicht sehr nützlich ist, aber dafür umso amüsanter. Es hat nur etwas gestört, das man in den Konzernteil zurückblättern musste, um die Lage der Viertel herausfinden, die hier beschrieben sind. Mittlerweile stehen die Karten für Berlin aber auf der Pegasus-Seite online. Sogar eine in Farbe. „Alternative Schatten“ beschreibt auf wenigen Seiten die Besonderheiten, die man als Runner in Berlin beachten sollte. Schließlich ist alles etwas anders, wenn keine Konzerne da sind, die einem um die Ecke mal schnell die nötige Ausrüstung verkaufen. Mit „Rund um Berlin“ handelt es sich um ein Kapitel, das die letzten Teile der Stadt nachliefert. Es wird der Untergrund von Berlin vorgestellt, das umliegende Land und einige urbane Mythen. Gerade der Teil über den Untergrund bietet sozusagen Narrenfreiheit für den SL, da er dahin so ziemlich alles stecken kann, was er nur möchte. Beendet wird der Alternativteil ebenfalls mit einem Kapitel „Spielinformationen“. Zunächst wird hier über die Einzigartigkeit Berlins geredet, bevor eine spieltechnische Beschreibung des VolksKOMMS und einiger Orte für den Untergrund geliefert werden. Schließlich werden hier Locations geliefert, die man in Berlin und einige davon auch in anderen Städten einsetzen kann. Auch werden voll ausgearbeitete NSCs und skriptartige Szenarien geliefert, die die Arbeit auf ein Minimum reduzieren. Einzige Wermutstropfen sind die fehlenden Abenteuerideen für die Insel Eiswerder und dass bei Ausrüstungsgegenständen aus anderen Büchern als dem Grundregelwerk, die entsprechenden Seitenzahlen schön gewesen wären.
Fazit:Berlin ist so ziemlich der beste Shadowrun-Quellenband, den ich bisher gelesen habe. Die Autoren von Pegasus haben sich richtig ins Zeug gelegt und ein Werk geschaffen, das seinesgleichen sucht. Berlin wurde zu einem einzigartigen Schauplatz an dem sich Runner aller Art austoben können (auch wenn es nicht unbedingt gesund ist, das auch zu tun). Ich kann hier nur auf hohem Niveau meckern. Die wenigen Kritikpunkte sind die fehlende Einleitung im Kapitel „Spielinformationen“ des Konzernteils, sowie einige fehlende Seitenzahlen bei der Ausrüstung der NSCs. Der Band ist stimmungsvoll, innovativ, einzigartig, schön illustriert und steckt voller Ideen und Materialien, die sofort verwendet werden wollen – auch außerhalb Berlins. Nicht einmal das Schwarz-Weiß stört mich, da der Zeichenstil einfach nur perfekt darauf ausgelegt wurde. Und das alles zu einem erschwinglichen Preis. Oder um es im Slang der sechsten Welt zu sagen: Das Buch ist absolut wiz! Nach der Lektüre von Berlin wünschte ich, Pegasus würde alle Bücher für Shadowrun schreiben. Zum Schluss bleibt nur zu sagen: Absolute Kaufempfehlung!
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