Links zur Rezension Famine in Far-Go heißt das erste Erweiterungsset für das D&D Gamma World-Rollenspiel. Der Name dürfte einigen bekannt vorkommen, und tatsächlich ist er eine Hommage an das uralte Gamma World-Modul von TSR. Doch der Ruhm der Ahnen zählt nicht, die gelbe Box mit mutierten Hünen-Hähnen darauf muss schon mit eigenem Inhalt überzeugen. Werfen wir einen Blick hinein.
Inhalt der BoxDie Pappschachtel enthält, obwohl sie kleiner und dünner ist als die Grundbox, beinahe ebenso viele Materialien wie die Letztere: Zwei doppelseitige Kampfpläne in gewohnter Qualität, die erfreulicherweise auch ein paar urbane Areale darstellen, ganze vier feste Pappbögen mit Tokens für Spielercharaktere und Monster, darunter auch ein paar praktische Blanko-Tokens, das eigentliche Abenteuer- und Regelheft, auf das ich weiter unten eingehe, und schließlich zehn besondere Karten, die die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geheimbündnis repräsentieren und auch spieltechnische Auswirkungen haben. Diese Karten, vom gleichen Format wie jene mit alpha mutations und omega tech, unterstützen einen neuen (optionalen) Regelmechanismus, der im Heft vorgestellt wird. Viel mehr gibt es über das praktische und hübsche Zubehör nicht zu sagen, weiter geht’s also mit dem Heftlein.
Der Regel-/AbenteuerbandBunt ist das Heft allemal, wie es sich für Gamma World gehört – allerdings fällt es auf, dass es nicht so viele Illustrationen enthält wie das Grundregelwerk, und manche Bilder sogar aus diesem recycelt wurden. Natürlich ist das nicht weiter schlimm, wirkt nur etwas seltsam. Inhaltlich gliedert sich das Regelwerk in fünf Kapitel. Das erste und zum Teil das zweite bieten neue Optionen für Spieler, der Rest gehört in Spielleiterhände.
Kapitel 1 – Character Options Nach einer kurzen, würzigen Einleitung geht es mit Charakteroptionen los. Moment, so viel hat man als Spieler in Gamma World doch nicht auszuwählen, oder? Eigentlich doch nur die Herkunftselemente (origins) – genau da bietet Famine in Far-Go Neues. Die zwanzig neuen Herkünfte, mit einer erweiterten Generierungstabelle versehen, sind bunt, verrückt und weitgehend originell. Mit von der Partie sind: KI, Außerirdisch, Arachnoid, Kryokinet, Ektoplasmisch, Entropisch, Explosiv, Pilz, Gallert, Magnetisch, Mythisch, Albtraum, Seuchenträger, Gummimensch, Hellseher, Wiedergänger, Gestaltwandler, Primat, Zeitreisender und Auf Rädern. Eine fröhliche Mischung also, lediglich KI und Hellseher finde ich etwas redundant angesichts der im GRW vorhandenen Herkunftskomponenten. Bei den Kräften sind mir keine Balance-Schnitzer aufgefallen. Mehr irre Mutanten ahoi! Weiterhin enthält das Kapitel einige neue Ausrüstungsgegenstände – keine heiß begehrte omega tech, aber immerhin ein paar nützliche (und nutzlose) Dinge aus der Zeit der Alten, wie etwa Kompass, Bolzenschneider, Motorrad oder auch Superkleber oder Bier. Zum zufälligen Generieren von Fundstücken oder erweiterter Startausrüstung gibt es natürlich Würfeltabellen. Insgesamt nichts Weltbewegendes, aber eine nette Ergänzung.
Kapitel 2 – Cryptic Alliances Hier fängt es an, richtig interessant zu werden. Die Geheimbündnisse wurden im GRW bereits angerissen, in Famine in Far-Go werden sie im Detail beleuchtet: ihre Ziele, Leitsprüche, Beziehungen zu anderen Allianzen und sogar Beispielmitglieder. All dies ist eine sehr schöne Ideensammlung und Inspirationsquelle für den Spielleiter, die außerdem hilft, sich die zerrissene postapokalyptische Welt von Gamma Terra besser und lebendiger vorzustellen. Die Bündnisse unterteilen sich in solche, die ausschließlich für NSC gedacht sind und solche, in denen eine SC-Mitgliedschaft möglich ist. Das Kapitel liefert außerdem Ansätze, wie diese in die Kampagne integriert werden kann. Entweder gehört die gesamte Gruppe einer Allianz an oder aber jeder SC arbeitet insgeheim für seine eigene Organisation und schürt damit Paranoia in der Gruppe. An dieser Stelle kommen auch die Bündnis-Karten ins Spiel, denn wenn mit der Verschwörungs-Option gespielt wird, erhält jeder Spieler zu Beginn der Sitzung eine Karte, die er verdeckt hält, bis er seine wahre Loyalität offenbart – dann tritt die Kartenwirkung ein, von der der entsprechende Spieler profitiert; der begeisterte Rest der Gruppe muss jedoch für die Dauer der Szene einen kleineren Nachteil in Kauf nehmen. Diese neue Spielmechanik ist natürlich optional, mag das Spiel aber bereichern. Ein dicker Pluspunkt für dieses Kapitel also.
Kapitel 3 – Monsters Neue Monster – wer hätte das gedacht? Das erste Erweiterungsset zu D&D Gamma World Roleplaying Game wartet mit beinahe fünfzig neuen Widersachern auf, einer bizarrer als der andere. Unterbesetzte Gegnerrollen aus dem GRW werden hier aufgefüllt, ebenso wie der höherstufige Bereich. Ein paar Kreaturen sind sogar als Reittiere geeignet – wer wollte nicht schon immer einen Pferdekaktus reiten? Insgesamt bietet das Kapitel eine hübsche Monsterauswahl, die die Monstersammlung des GRW gut ergänzt und für mehr Lachtränen am Spieltisch sorgt.
Kapitel 4 – Far-Go Das vierte Kapitel beinhaltet wieder etwas Leckeres – ein kleines Setting, sprich einen ausgearbeiteten Landstrich mitsamt Siedlungen, der zum einen den Schauplatz des nachfolgenden Abenteuers darstellt und zum anderen generell einen Happen Plotaufhänger und interessanter Orte bietet. Auch die wichtigsten NSC der Umgebung werden (wenn auch knapp) vorgestellt, sodass der Spielleiter am Ende eine kleine lebendige Spielwiese mit genug Raum für etliche Abenteuer in die Hände bekommt. Auch hier punktet Famine in Far-Go in meinen Augen.
Kapitel 5 – Famine in Far-Go (Vorsicht Spoilergefahr!) Etwa ein Drittel des Erweiterungsbandes nimmt das gleichnamige Abenteuer mitsamt detaillierten Begegnungen ein. Dem Städtchen Far-Go, in dem Menschen und Mutanten weitgehend friedlich zusammenleben, droht eine Hungersnot, denn das Getreide hat nicht mehr vor sich verspeisen zu lassen und zieht lieber in die Schlacht gegen die verängstigten Bewohner der Umgebung. Dem ein Ende zu setzen und herauszufinden, was das Ganze mit der automatischen Hühnchenfabrik und dem in der Nähe abgestürzten UFO zu tun hat, ist die Aufgabe der SC, die mit Stufe 3 ins Geschehen tauchen und am Ende Stufe 6 erreichen sollten. Dabei können die Charaktere mit verschiedenen Spuren anfangen und müssen neben Scharmützeln auch Nichtkampfbegegnungen bestehen, die sich der aus D&D 4E bekannten skill challenge-Mechanik bedienen. Damit hält die Letztere Einzug ins D&D Gamma World Roleplaying Game und stockt die Möglichkeiten des Spielleiters wieder etwas auf. Letztendlich kann das Abenteuer auf unterschiedliche Weisen gelöst werden – beinahe friedlich und gar nicht friedlich. Auf dem Weg dahin stellen die Helden sich jedoch der halben Monsterliste aus Kapitel 3 entgegen. Zuweilen wirkt das etwas krampfhaft und manche der Begegnungen etwas aufgezwungen – nichts, was ein erfahrener Spielleiter nicht problemlos anpassen kann, doch alles in allem macht das Abenteuer einen eher durchschnittlichen, etwas ‚ausgestopften’ Eindruck. Schlecht ist es keinesfalls – doch von der Topliga ist es ebenfalls weit entfernt.
Fazit:Würde ich also für D&D Gamma World – Famine in Far-Go eine Kaufempfehlung aussprechen? Ja, allemal. Auch wenn das namensgebende Abenteuer nichts Besonderes ist, ist es dennoch kein Reinfall, und auch der Rest des Sets bietet sowohl Spielern als auch Spielleitern neue originelle Optionen, wie etwa eine Reihe weiterer, bunter Herkunftskomponenten, die Geheimbündnisse mit der Möglichkeit, die SC in einem gewissen Rahmen gegeneinander agieren zu lassen, sowie ein fertiges kleines Setting voller Plotaufhänger für eigene Abenteuer. Die Stiftung Warentest von Gamma Terra vergibt ein „gut“.
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