Links zur Rezension InhaltDas vorliegende Buch versammelt die Romane „Twilight Falling“, „Dawn of Night“, und „Midnight’s Mask“, die gemeinsam als die titelgebende „Erevis Cale Trilogie“ gelten. Ergänzend eingefügt wurden zwei Kurzgeschichten, die die Romanhandlung abrunden und nachvollziehbarer gestalten; namentlich „All the Sinners, Saints“ (aus dem Dragon Magazine, Ausgabe 297) sowie „Soulbound“ (aus der „Realms of Dragons“ Kurzgeschichtensammlung, WotC 2004). Bedauernswerterweise wurde die Sammlung nicht um die Kurzgeschichte „Resurrection“ bereichert (aus der Kurzgeschichtensammlung „Halls of Stormweather“, WotC 2007), die das erste Zusammentreffen der drei Hauptcharaktere schildert. Weiter fehlt, was schon verständlicher ist, der Roman „Shadow’s Witness“ (auf deutsch unter „Zeuge der Schatten“ bei Feder & Schwert 2007 erschienen), der vor den Ereignissen der vorliegenden Trilogie spielt, sowie die Folgetrilogie „Twilight War“. Soweit zum Inhalt auf Herausgeber-Ebene, nun zum Inhalt der vorliegenden Trilogie selbst. Protagonist ist der menschliche Schurke Erevis Cale, Butler und Sicherheitsberater des Adelshauses Uskevren in Sembia, und mit dem Patriarchen des Hauses eng befreundet. Insgeheim geht Cale jedoch einer zweiten Tätigkeit nach und spioniert Haus Uskevren im Auftrag der Diebesgilde aus, der er als ausgebildeter Auftragsmörder angehört. Cales Wegbegleiter sind der Schurke Riven, Cales einstiger Rivale um eine hohe Position in der Diebesgilde, sowie der Halbling Jak, der den Harfnern angehört. Cales eigene Gewissensbisse um seine gespaltene Loyalität, zu Haus Uskevren sowie zur Gilde, werden durch die zwei unterschiedlichen Freunde intensiviert – Riven, der seine Auftragsmorde viel gefühlskälter erledigt als Cale, kann Cales Zweifel nicht verstehen, während Jak versucht das bisschen Gute zu retten, das noch in Cales Seele steckt. Stehen diese Freundschaften im Mittelpunkt so einiger Dialoge und Spannungsfelder, lebt der Roman jedoch von den eskalierenden Herausforderungen und Bedrohungen, die Haus Uskevren gefährden. Ein Anschlag auf Familie Uskevren leitet die Trilogie ein. Schnell wird erkannt, dass der Anschlag schlicht als Ablenkung galt, da ein wertvolles Artefakt gestohlen werden sollte. Cale gelingt es, den Diebstahl zu vereiteln, erkennt aber, dass er zur Sicherheit das Ziel des Anschlages (einen Orb) sowie sich selbst soweit wie möglich von den Uskevrens entfernt halten muss. Ab hier nimmt das Unglück seinen Lauf, und Cale sowie seine Wegbegleiter werden wiederholt Opfer von weiteren Anschlägen. Erst nach und nach kommen sie darauf, mit wem sie es überhaupt zu tun haben, und welche Machenschaften sich hinter den Anschlägen verbergen. Am Ende des ersten Romans kommt es zum Showdown, der Orb entfesselt seine volle Macht, und öffnet ein Dimensionsportal, das eine unheilvolle Verwandlung ermöglicht. Cale gelingt ein Pyrrhus-Sieg, kann seine Gegenspieler zwar davon abhalten, den Orb zu ihren eigenen Gunsten einzusetzen, aber zu welchem Preis? Mehr wird zur Handlung – insbesondere der Folgeromane – nicht verraten. Eher möchte ich nun einzelne Aspekte der Romane bewerten, um dem Leser einen besseren Eindruck der tatsächlichen Leseerfahrung zu geben. BewertungZunächst mal gleich das Wichtigste vorweg: Kemp weiß es, spannend zu schreiben. Ich kannte die englische Bezeichnung ‚page turner’ bisher nur von Dritten – hier habe ich die Erfahrung erstmals selbst gemacht. Binnen zwei Wochen habe ich die fast 800 Seiten klein gedruckten Romanseiten verschlungen. Die Ereignisse überschlagen sich, man möchte – muss! – wissen, wie es weitergeht. Dabei geht es nicht alleine darum, ob Cale die zahlreichen Herausforderungen überlebt (soviel ist ja fast schon durch die Romandicke vorweggenommen – auch wenn viele seiner Wegbegleiter das Zeitliche segnen). Viel eher möchte man wissen, wie die einzelnen Elemente der Rahmenhandlung, sowie letztendlich diese selbst sich auflösen. Und hier bedient sich Kemp gekonnt zweier Stilmittel. Zum einen weigert er sich, die Kontrahenten und deren oft übernatürliche Fähigkeiten mit klaren Termini (auch aus der D&D-Spielwelt) zu belegen – damit wird deren Unheimlichkeit gesteigert und der Leser rätselt, wie Cale, womit er es eigentlich zu tun hat – und zum anderen gelingt es Kemp über die wahren Motive der Gegenspieler bis zur letzten Seite die Aura des Mysteriösen zu wahren. Das geht natürlich nur, wenn die Tiefe und Glaubwürdigkeit dieser „Motive“ überhaupt gegeben wird. Dass dies der Fall war, noch dazu bei einem Vergessenen-Reiche-Roman, hat mich dann doch überrascht und hebt die Trilogie aus dem üblichen VR-Machwerk heraus. Wo wir gerade bei der Schilderung der Charaktere sind. Während Cale und seine zwei Freunde auf Dutzende Wegbegleiter oder Kontrahenten treffen, werden eine Handvoll der wichtigeren „NSCs“ sehr lebhaft dargestellt. Auch hier gelingt es Kemp, idiosynkratische Charaktere zu zeichnen, denen es nie an Glaubwürdigkeit fehlt. Erfrischend werden hier die üblichen Klischees bei D&D-Romanen vermieden. Erwähnt sei hier etwa ein Kleriker, für dessen Glaubensrichtung Kemp Anleihen bei Numerologie und Zohar genommen hat. Aber auch die Protagonisten sind mehr als nur zweidimensional. Während bei Salvatore jeder Charakter einen Wesenszug und einen wiederkehrenden Satz aufzuweisen hat (wie der Swirfneblin Belwar in „Exile“ – immer der gleiche Ausruf auf JEDER Seite), gibt es bei Kemp nur selten Phrasenwiederholungen (aufgefallen ist mir nur das wiederkehrende „little man“, mit dem Jak tituliert wird und das dann irgendwann auf den Geist geht). Aber davon ab versteht er es, seine Charaktere mehrschichtig zu gestalten. Erwähnt sei hier etwa der als äußerst kaltblütig geschilderte Killer Riven, mit einem starken Hang zum Sadismus, der sich im Laufe der Romane um drei Hundebabys annimmt. Auch das driftet nie in das Überzeichnete oder Klischeehafte ab, und das ist Kemp hoch anzurechnen. Letztlich lebt die Spannung des Romans aber auch von der Schnelligkeit, mit der unsere Protagonisten von einem Ort zum anderen reisen – gerade hier trifft man auf Ikonisches, wie dem Unterberg – und nicht zu guter Letzt die bombastischen Kampfbegegnungen, die gut beschrieben werden. Hier hat mir gut gefallen, wie es Kemp gelingt, dem Stufenanstieg der Charaktere gerecht zu werden. Gegen Ende wird mit den üblichen Spielereien wie Unsichtbarkeitszaubern und Teleporten um sich geworfen, geradezu inflationär so wie das bei D&D 3.5 nun mal der Fall ist, und die Charaktere werden zu den sprichwörtlichen Weihnachtsbäumen magischer Gegenstände. Das stört nicht, sondern wird nur dem zugrundeliegenden Regelwerk und der Spielwelt gerecht; könnte aber den nicht-VR-kundigen Leser etwas verwirren, der bodenständigere Fantasy gewohnt ist. Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass nicht nur Personen sondern auch unübliche Orte sehr gut beschrieben werden, und sich hervorragend dazu eignen, um in der hauseigenen D&D-Kampagne Verwendung zu finden – überrascht war ich, wie oft ich Parallelen zu bereits erschienenen Kaufabenteuern gesehen habe. Ob jetzt bei einzelnen Orten und Monstern auf der Schattenebene oder der Rahmenhandlung überhaupt, haben hier spätere Abenteuerautoren von „Cormyr – Tearing of the Weave“ (WotC 2007) bis „A Second Darkness“ (Paizo-Abenteuerpfad) kräftig abgeguckt. Als jemand, der diese Abenteuer bespielt hat, war das ein zusätzlicher Mehrwert. FazitEin sicherer Kauftipp für alle, die sich die drei Einzelromane nicht schon früher geschnappt haben, und zur Abwechslung mal einen etwas anspruchsvolleren D&D-Roman lesen möchten. Ob als Ferienlektüre ohne weitere Hintergedanken, ob als Inspirationsquelle für eigene D&D-Abenteuer, oder als Quellenbuch für diverse (darunter auch ikonische) Orte auf Faerun: für all das eignet sich die Trilogie hervorragend. Die Prosa wird selten repetitiv, Charaktere und Handlung wissen zu überzeugen. Und zuletzt ist der Stil niemals antiquiert oder abgehoben, womit der Kauf auch für Leute in Frage kommt, deren Englisch nicht das beste ist.
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