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The Siege of Durgam's Folly
Bewertung:
(3.5)
Von: Andreas "Trøll" Miebach
Am: 23.01.2004
Autor:Mike Mearls
Typ:
System:d20
Setting:Universal
VerlagNecromancer Games
ISBN/ASIN:1-58846-188-2
Inhalt:32 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

The Siege of Durgam's Folly

Mit „The Siege of Durgam’s Folly“ (im Folgenden TSoDF) hat Necromancer Games anno 2001 seine G-Reihe eröffnet - ein Abenteuer für 4 bis 6 Charaktere der 5. bis 8. Stufe. Angesichts des Schwierigkeitsgrades könnte es allerdings selbst für 6 Charaktere der 5. Stufe ziemlich haarig werden, insbesondere im Mittelteil. Erbarmungslose SLs sollten ihren SCs also ruhig noch die eine oder andere Stufe mehr gönnen, bevor sie jene auf die Reise zu „Durgams Narretei“ schicken. Der Autor von TSoDF ist übrigens nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt: Aus der Feder von Mike Mearls stammen neben einer Vielzahl von Beiträgen zu namhaften d20-Publikationen unter anderem auch die Abenteuer „In the Belly of the Beast“ von Atlas Games, „To Stand on Hallowed Ground“ und „Nature’s Fury“ von Fiery Dragon Productions, sowie nicht zuletzt der „Quintessential Rogue“ und der „Quintessential Wizard“ von Mongoose. Eine Referenzliste, die sich durchaus sehen lassen kann.

 

Auf den 32 Seiten von TSoDF wird kein Platz verschwendet - die Textdichte und das typische zweispaltige Layout lassen nicht den Eindruck entstehen, dass es hier darum geht, Seiten zu füllen. Abzüglich der unvermeidlichen Seite für die OGL und den doch recht üppigen 5 Seiten für den Anhang mit neuen Monstern (na gut, ein neuer magischer Gegenstand ist auch dabei) bleiben somit 26 Seiten für das eigentliche Abenteuer übrig, das sich in drei Abschnitte gliedert. Auf der Innenseite des Covers befinden sich die beiden für das Abenteuer notwendigen Karten, die leider ziemlich lieb- und einfallslos gestaltetet sind. Das Cover selbst wird von dem Bild eines Ogertrupps geziert, der, von einem Oger-Magus angeführt, angriffslustig aus einem Burgtor stürmt. Das Cover sollte man seinen Spielern vielleicht besser erst dann zeigen, wenn sie das Abenteuer abgeschlossen haben (ein Fehler, der bei der Covergestaltung leider viel zu oft begangen wird).

 

Die Zeichnungen im Inneren des Moduls sind natürlich nur schwarz-weiß und stammen allesamt (wie auch das Cover) von Brian LeBlanc, der dem Modul mit seinem düsteren Stil eine sehr finstere, „ravenloft’sche“ Atmosphäre verpasst hat. Die Bilder hauen einen nicht vom Hocker, sind aber recht stimmig und wissen zumindest mir zu gefallen. Sämtliche Zeichnungen zeigen Szenen aus dem Abenteuer. Schade nur, dass einige der Illustrationen nicht am richtigen Ort im Modul positioniert sind (z.B. befindet sich das Bild einer Szene aus dem ersten Abschnitt im Anhang, wohingegen das Bild einer Szene aus dem dritten Abschnitt bereits in der Einleitung zu finden ist). Im Großen und Ganzen ist die grafische Gestaltung aber absolut zufriedenstellend.

 

Das Abenteuer ist universell gehalten und kann sehr einfach in jede beliebige Fantasy-Kampagnenwelt integriert werden, in der irgendwo ein Königreich an eine unbesiedelte Wildnis grenzt. Querverweise auf andere Abenteuer oder Quellenbücher von Necromancer Games findet man in TSoDF nicht. Der Preis von 9,- bis 10,- Euro ist zwar kein Schnäppchen, aber für dieses Modul absolut angemessen.

Spätestens hier sollten alle potentiellen Spieler, die sich den Spaß nicht verderben wollen, aufhören zu lesen, denn es folgen massive Spoiler!

Wie bereits erwähnt ist TSoDF in drei Abschnitte („Acts“) unterteilt, wobei in jedem Abschnitt der Schwerpunkt bei einem anderen Aspekt des Rollenspiels liegt. Im ersten Teil dominiert die Interaktion zwischen den Charakteren und den NSCs, im zweiten Teil haben wir eine sehr starke taktische Komponente, und der dritte Teil schließlich besteht aus einem unheimlichen, beklemmenden Dungeoncrawl. Für Abwechslung ist also gesorgt und es dürfte somit auch für fast jede Art von Spieler und fast jede Art von Klasse etwas dabei sein - und das ist ja schon mal ein echter Pluspunkt. Interessante Begegnungen und knackige Kämpfe finden sich aber natürlich in allen drei Teilen.

 

Zum Hintergrund: „Durgam’s Folly“ ist der Name einer kleinen Grenzfestung (benannt nach ihrem Gründer Durgam Volmsmer), die weit abseits der Zivilisation an der Grenze des Königreichs zu einer unbesiedelten Wildnis liegt, in der wilde Humanoidenstämme ihr Unwesen treiben. In dieser Festung hat sich neben der dort stationierten Garnison auch der mächtige Magier „Theodocious the Forger“ („der Erschaffer“) mitsamt seinen beiden Lehrlingen auf Geheiß des Königs niedergelassen, um dort neue magische Waffen oder Verteidigungsmöglichkeiten für das Königreich zu entwickeln. Die abgeschiedene Festung wurde ausgewählt, um es den neugierigen Augen der Widersacher des Königs schwieriger zu machen, und weil man hier die Neuentwicklungen gleich einem Praxistest an den marodierenden Ork- und Goblinhorden unterziehen kann. Dummerweise hat der gute Durgam unwissentlich die Festung auf den Ruinen eines alten Tempels errichtet - eines Tempels, der niemand geringerem geweiht war als dem Lieblings-Knuddel-Antagonisten von Necromancer Games: Orcus. Nachtigall, ick hör’ dir trapsen.

Es kommt natürlich wie es kommen muss: Theodocious hat bei den Ausgrabungsarbeiten zur Erweiterung seines unterirdischen Labors versehentlich ein paar Räume des alten Tempels freigelegt, das alte Böse ist wieder erwacht und hat den Weg in seine letzte Kreation gefunden: Die sogenannte „Clockwork Colony“. Dabei handelt es sich um kleine, mechanische Krabbelkäfer, die sich mittels einer klebrigen Substanz und unter Zuhilfenahme anderer mechanischer Teile zu größeren, golemartigen Strukturen verbinden können, die dann allesamt von einem einzigen zentralen Gehirn, dem sogenannten „Brain-gear“, kontrolliert werden. Ursprünglich waren diese Kolonien von Theodocious als autonome Kampfgruppen geplant, die eigenständig ihrer Programmierung folgend handeln konnten. Durch die bösen Ausstrahlungen des alten Tempels hat der Brain-gear aber ein eigenes Bewusstsein entwickelt und damit begonnen, seiner Programmierung gemäß die umliegende Gegend einzunehmen, angefangen bei Theodocious selbst und den Bewohnern von Durgam’s Folly. Zu diesem Zweck hat er auch Kontakt zu einem nahegelegenen Ogerstamm aufgenommen und mit diesem ein Bündnis geschlossen. Die Oger hausen also nunmehr im oberirdischen Teil von Durgam’s Folly und sorgen für dessen Bewachung, während der Brain-Gear in den Kellern der Festung in Zusammenarbeit mit dem assimilierten Theodocious grausame Experimente an den gefangenen Soldaten durchführt, um noch effektivere Clockworks zu entwickeln und anzufertigen.

Von all diesen Dingen ahnen die SCs natürlich nichts. Für sie beginnt das Abenteuer damit, dass sie als Eskorte für eine Karawane angeheuert werden, die wertvolle Materialkomponenten für Theodocious nach Durgam’s Folly bringen soll. Als Aufhänger für das Abenteuer werden einige sehr  brauchbare Ideen angeboten, die den Spielern durch eine fürstliche Belohnung und/oder die Erteilung des Auftrags durch die örtliche Regierung deutlich machen sollten, dass es sich hier nicht um einen herkömmlichen Händlertross handelt. Misstrauische Spieler könnten aber auch schon leichte Kopfschmerzen angesichts der Tatsache bekommen, dass es mit einem Magier wohl etwas mehr auf sich haben muss, der 8 Planwagen voll mit Materialkomponenten benötigt, für deren Bewachung selbst 20 Krieger plus 2 Sergeants nicht als ausreichend empfunden werden.

 

Der erste Abschnitt des Abenteuers handelt also von der Reise der Karawane nach Durgam’s Folly, bei der die SCs ausgiebig Gelegenheit haben, die drei interessanten NSCs kennen zu lernen, die mit ihnen reisen: Trina, die pessimistische aber gewissenhafte Organisatorin und Anführerin der Karawane, die auch eine der Schülerinnen von Theodocious ist und mit ihrer Pedanterie die SCs auf Trab hält, sowie Thevik und Uli, den beiden Veteranen aus der Garnison von Durgam’s Folly, die sich als fähige Soldaten beweisen wollen. Die dreitägige Reise verläuft natürlich alles andere als ereignislos. Bereits auf der Hälfte der Strecke hat die Gruppe ihre erste unheimliche Begegnung, nämlich mit einem Dorf, das von den Ogern zwecks Besorgung von Proviant vollkommen entvölkert worden ist - es finden sich weder Überlebende noch Leichen. Ein Stück weiter auf der Straße finden sie dann einen angetrunkenen Oger vor, von dem die Gruppe - falls sie die rachsüchtigen Soldaten davon abhalten kann, ihn auf der Stelle zu lynchen - erfährt, dass Durgam’s Folly von seinen Artverwandten überrannt worden ist. Diese Nachricht löst natürlich größte Besorgnis aus und die Soldaten fürchten um ihre Kameraden in der Festung. Im weiteren Verlauf der Reise sorgen der Angriff eines Rochs, der durch vom Brain-gear gesandte Träume zur Karawane gelockt wurde, sowie ein Hinterhalt von einem 16-köpfigen Oger-Trupp auch nicht gerade für eine Besserung der Stimmung, sondern eher dafür, dass die 20 Soldaten vor der Ankunft bei der Festung ordentlich dezimiert werden. Des weiteren haben die SCs die Möglichkeit, erstmalig Bekanntschaft mit den Clockworks zu machen, die in Form von als Katzen getarnte Aufklärungs-Drohnen die Karawane im Auge behalten.

 

Der zweite Abschnitt des Abenteuers beginnt mit der Ankunft in Durgam’s Folly. Hier geht es nun darum, die Festung von der Ogerplage zu befreien. Zu diesem Zweck bietet dieses Kapitel eine recht grobe Beschreibung der einzelnen Räumlichkeiten in der Festung sowie eine Karte derselbigen. Der Grundriss der Festung ist nicht sehr originell und der zentrale Bau hat eine etwas seltsame Raumaufteilung - um beispielsweise fertige Speisen aus der Küche in den Festsaal zu bringen, muss man einmal außen um das halbe Gebäude herumlaufen, da innen keine Verbindung besteht. Außerdem ist die Falltür zum Dungeon (und damit zum dritten Abschnitt) im falschen Gebäude eingezeichnet. Die Festung bietet nur wenig Originelles oder Interessantes zum Entdecken, hier geht es einzig und allein darum, einen taktischen Bodenplan für die Schlacht gegen die Oger zu haben. Und den braucht man auch - immerhin tummeln sich in der Festung nicht weniger als 30 (!) Oger samt ihrem Oger-Magus-Anführer Grimulak. Es dürfte jedem einleuchten, dass ein Frontalangriff auf die gesamte Besatzung wenig Aussicht auf Erfolg hat. Immerhin wird im Abenteuer davon ausgegangen, dass die Oger nachlässig geworden sind und nicht mit einem Angriff rechnen. Somit können sich die SCs also unbemerkt in die Festung schleichen und erst mal ein paar der Oger in kleineren Häppchen erledigen, bevor sie sich dem Endkampf stellen. Hierbei ist aber extreme Vorsicht und eine gute Aufklärungsarbeit vonnöten, denn wenn einmal der Alarm ausgelöst wird, ist es mit der Heimlichkeit natürlich vorbei. Letztendlich liegt es aber ausschließlich an den Spielern und dem Erfolg ihrer Taktik, wie dieser Teil des Abenteuers verläuft. Irgendwie erinnert mich die ganze Einnahme der Festung stark an das Abenteuer „The Crucible of Freya“ - ebenfalls aus dem Hause Necromancer Games - bei dem es ja auch um die Einnahme einer durch Orks besetzten Festung und der anschließenden Untersuchung des Dungeons darunter ging. Verlauf und Ausgang dieses Abschnitts sind jedenfalls extrem ungewiss. Bestenfalls kann die Gruppe die Festung von den Ogern befreien, schlimmstenfalls kommt sie dabei um.

 

Der dritte Abschnitt schließlich beschreibt das Dungeon unter Durgam’s Folly, das aus einer einzigen, vom Layout her leider ebenfalls wenig originellen Ebene mit 16 Räumen besteht. Die Räume sind so angeordnet, dass man eigentlich keine großen Variationsmöglichkeiten hat, sondern nur einen Raum nach dem anderen abklappern und die Insassen niederknüppeln muss, bis man schließlich im letzten Raum auf den Endgegner trifft. Und jetzt ratet mal, was man mit dem machen muss. Der Tiefpunkt dieses Dungeons ist aber eindeutig der völlig alberne Labyrinth-Abschnitt, in dem die SCs durch sich verschiebende Wände zum Narren gehalten und von einem Gallertwürfel gejagt werden. Das ist eindeutig mehr „First Edition Feel“ als ich meinen Spielern zuzumuten bereit bin. Bevölkert wird das Dungeon passend zur Thematik natürlich von allerlei Konstrukten, hauptsächlich den weiter oben schon beschriebenen Clockworks in vielerlei Varianten. Aber es finden sich auch einige Stein- und Fleischgolems, sowie als Highlight ein Half-Fiend (Halb-Scheusal) namens Gorrush Kar, der von Orcus selbst als Teil einer Gruppe ausgesandt wurde, um den erwachten Brain-gear zu untersuchen. Der Brain-gear hat die Halb-Scheusale aber als Feinde interpretiert, und infolgedessen ist Gorrush Kar der einzige Überlebende dieser Gruppe und wird nunmehr vom Brain-gear gefangen gehalten. Sollten die SCs tatsächlich so töricht sein, Gorrush Kar zu befreien, dann wird sich dieser ihnen zunächst anschließen, sich aber sofort zusammen mit dem Brain-gear zurück zu Orcus teleportieren, sobald sich diese Gelegenheit ergibt. Dies ist gleichzeitig der „worst case“ für den Ausgang dieses Szenarios - in diesem Fall können die SCs nämlich davon ausgehen, dass Orcus neue Brain-gears produziert und in absehbarer Zeit überall auf der Welt neue Clockwork Colonies auftauchen, welche die Bevölkerung terrorisieren. Erwähnen sollte man vielleicht auch noch den assimilierten Theodocious, der den SCs wertvolle Hinweise auf die Natur ihres Gegners gibt, sie mit einer passenden Waffe gegen den Brain-gear ausstattet, und danach um seine Vernichtung bittet. Den endgültigen Sieg hat die Gruppe errungen, wenn es ihr gelingt, den Brain-gear und damit die gesamte Kolonie zu zerstören - wer hätte es gedacht.

 

Im Anhang befinden sich dann noch die Beschreibungen eines neuen magischen Gegenstandes (Bolts of Shattering, die magische Waffe, welche die SCs von Theodocious erhalten) und 8 verschiedener Variationen von Clockworks inklusive dem Brain-gear, sowie des Clockwork-Templates, mit dem man beliebige Wesen in Clockworks verwandeln kann. Diese ganzen Beschreibungen werden sicherlich nützlich sein, wenn das Abenteuer seinen „worst case“-Verlauf nimmt. Die Beschreibungen der Clockworks finden sich übrigens auch in Necromancers „Tome of Horrors“ wieder.

 

Abschließend sollte man noch auf die beiden „Product Updates“ für TSoDF hinweisen, die man sich kostenlos von der Webseite von Necromancer Games herunterladen kann: Zum einen handelt es sich dabei um eine Errata-Liste, zum anderen um ein 7-seitiges „Option-Pack“, das sich ausschließlich um Teil 2 des Abenteuers dreht. Hier werden dem SL zwei weitere Möglichkeiten angeboten, wie man den Sturm auf die Festung noch schwieriger machen kann (Option 1: Die Oger sind keineswegs nachlässig geworden, sondern rechnen mit einem Angriff; Option 2: Es existiert ein unterirdischer, teilweise überfluteter Geheimgang in die Festung, der von einem Wight (Gruftschrecken) bewacht wird) bzw. wie man den Abenteurern mittels einer besonders hinterhältigen Form von Clockwork das Leben zusätzlich schwer machen kann (Option 3: Needful ... äh, Useful Things...).

 

Fazit:

TSoDF ist ein solides, handfestes Abenteuer, das einen originellen, aber trotzdem stimmigen und glaubwürdigen Hintergrund bietet. Der eigentliche Plot, dem die SCs folgen sollen, ist allerdings etwas simpel gestrickt: „Wir fahren zur Festung und räuchern sie aus“. Hier hätte man sicherlich - insbesondere im Hinblick auf die Hintergrundgeschichte - mehr herausholen können, wenn auch wahrscheinlich nicht auf nur 32 Seiten. Insbesondere die Festung selbst und das darunter liegende Dungeon hätten etwas mehr Kreativität vertragen können, wodurch Teil 2 und 3 des Abenteuers wesentlich interessanter geworden wären. Nichtsdestotrotz muss sich TSoDF keineswegs vor anderen Abenteuern verstecken und schneidet sogar im Vergleich mit anderen Werken dieses Ausmaßes verhältnismäßig gut ab. Über die kleineren Schwächen wie das Gallertwürfel-Labyrinth kann man sicherlich hinwegsehen, da man sie auch hervorragend einfach weglassen kann. Der außergewöhnlichen Hintergrundgeschichte hätte man auch gut und gerne 64 Seiten und einen interessanteren Plot spendieren können, ohne dass das Abenteuer darunter gelitten hätte. Hier wurde leider etwas Potential verschenkt, aber als findiger SL sollte es nicht allzu schwer fallen, diese Lücke mit eigenen Ideen zu füllen.