Links zur Rezension Inhalt:Am 6. Dezember 1420 versammeln sich die Generalstände in Paris, um dem Vertrag von Troyes zuzustimmen, welcher dem englischen König Henry V. das Recht einräumt, gemeinsam mit König Charles VI. Frankreich zu regieren. Doch die einstmals vollmundigen Versprechungen an die französischen Adeligen scheinen Henry V. nach der Genehmigung des Vertrages nicht mehr zu interessieren – er bevorzugt seine englischen Vasallen bei der Vergabe von einflussreichen Posten in Frankreich.
Im Herzogtum von Anjou verharrt derweil der französische Dauphin, der sich den steten Angriffen der englischen Truppen erwehren muss. Doch im April 1421 erreichen ihn gute Neuigkeiten, da sich ein Heer von 5.000 Schotten in La Rochelle eingefunden hat, die an seiner Seite gegen die Engländer kämpfen wollen. Diesmal überlässt der junge und von Selbstzweifeln geplagte Dauphin den weiteren Fortgang der Kämpfe nicht seinem getreuen Gefährten Tanneguy und setzt sich selbst an die Spitze seines Heeres, um das bedrohte Herzogtum von Anjou zu beschützen. Und es scheint, als würde sich das Blatt in diesem dauerhaften Krieg wenden, als die Truppen des Dauphins in Viel-Baugé im März 1421 den Sieg über die Engländer davontragen.
Doch die Freude über den Erfolg soll nicht lange dauern, wurde doch in den erbitterten Kämpfen der Bruder von Henry V. getötet. Mit 4.000 bewaffneten Männern und 24.000 Bogenschützen schifft sich Henry V. persönlich nach Calais ein, um den weiteren Kampf gegen den Dauphin zu koordinieren und Rache zu nehmen. Der Krieg scheint bei dieser Übermacht der englischen Truppen verloren und nur noch der Tod des englischen Königs könnte Frankreich noch retten. Und so ist es an Yolande von d´Anjou eine Abmachung mit dem zwielichtigen Pierre de Giac einzugehen, um den englischen König zu töten.
Aber auch die Geschichte der noch jungen Jeanne wird fortgesetzt, die es dank des indirekten Einflusses von Yolande von d´Anjou in ein Kloster der Franziskanernonnen verschlägt, wo sie eine Ausbildung erhalten soll.
Schreibstil & Artwork:Der Autor Nicolas Jarry wurde am 19.06.1976 in Rosny-sous-Bois, einem Vorort von Paris, in Frankreich geboren und wandert als Szenarist für Comics sowie als klassischer Romanautor zwischen diesen beiden Genres. Seine erste große Romanproduktion hieß „Les Chroniques d'un guerrier Sînamm“, ein drei Bände umfassender Fantasy-Zyklus, der zwischen 2000 und 2001 bei Editions Mnémos erschien. Beim renommierten „Festival du Film Fantastique“ in Brüssel lernte er Jean-Luc Istin kennen, mit dem der für den Verlag Soleil ab 2003 die Reihe „Les Brumes d'Asceltis“ und später „Les exilés d'Asceltis“ schuf. Gemeinsam mit Autor France Richemond schrieb er bereits an den beiden Bänden „Sphinx“ und „Le peuple de la mer“, einer historisch-mythologische Saga, die im Verlag Rocher veröffentlicht wurde. Als Autor ist er unter anderem sowohl an dem Band „L'essayeur des anneaux“ (dt. „Die Mär der Ringe“; Epsilon Verlag) beteiligt, die 2003 beim Verlag Delcourt erschien und die Geschichte von Tolkiens „Herr der Ringe“ satirisch aufs Korn nimmt als auch an der Fantasy-Reihe „Les Contes de Brocéliande“, die als Comic seit 2004 im Verlag Soleil erscheint. Überaus umtriebig folgte 2003 die Reihe „Les Chroniques de Magon“ und 2005 der One-Shot „Maxime Murène“ für den Verlag Delcourt. Im Jahr 2006 folgte in Zusammenarbeit mit dem Zeichner Djief der erste Band von „Tokyo Ghost“.
Rahmenhandlung der Reihe „Der tönerne Thron“ ist die zweite Phase des Hundertjährigen Krieges in der Zeit von 1415 bis 1435, der zwischen Frankreich und England tobte. Die Streitigkeiten über die Thronfolge, die mit diversen Unterbrechungen über hundert Jahre dauerten und später im französischen Bürgerkrieg der Armagnacs und der Burgunder mündete, ist der Aufhänger für die Geschichte von Jarry und Richemond, die in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai im Jahre 1418 mit der Eroberung von Paris durch die Truppen der Burgunder beginnt, um die im Laufe der Reihe weitere dramatischen Ereignissen folgen.
Die Autoren Nicolas Jarry und France Richemond bleiben auch im vierten Band der Reihe ihrer Linie treu und präsentieren dem Leser eine farbenprächtige Geschichte vor historischem Hintergrund, die von Intrigen und allerlei Machenschaften nur so strotzt. Dabei ist es immer wieder ein Spagat zwischen historischer Genauigkeit und erzählerischer Freiheit, welche beide souverän in ihrer Geschichte kombinieren und so ein Sittengemälde der damaligen Verhältnisse mit ihren Intrigen, Ränken und der großen Politik präsentieren.
Der bislang eher beiläufig in einem Subplot aufgebaute Lebenslauf von Jeanne, die später als Jeanne d´Arc noch eine wichtige Rolle spielen dürfte, wird in diesem Band etwas ausführlicher beschrieben, ohne dabei ins Kitschige abzugleiten. Vielmehr liegt den Autoren viel daran, eine gänzlich rationale Erklärung für die Herkunft und die Beweggründe dieses Mädchens zu geben, die als Retterin von Frankreich traurige Berühmtheit erreichte.
Ansonsten darf man sich als Leser weiterhin an schön skizzierten Charakteren erfreuen und sich von der wunderbaren Stimmung dieses Bandes einfangen lassen.
Der Zeichner Théo Caneschi wurde 1973 in Vinci, in der Toskana, geboren. Nachdem er einige Kurse an der „Scuola Internazionale di Comics“ besucht hatte, wurde er 1998 Mitglied im bekannten Florenzer Inklink-Studio, wo er mit Künstlern wie Luigi Critoni zusammenarbeitete. Caneschi schuf zahlreiche Illustrationen und historische Rekonstruktionen für italienische und europäische Museen. Der französische Verlag Delcourt sprach ihn schließlich im Jahr 2000 an, ob er nicht Interesse daran hätte, als Zeichner für eine historische Comic-Serie zu arbeiten. Caneschi willigte ein und so entstand nach dem Szenario von Nicholas Jarry und France Richmond die Reihe „Der Tönerne Thron“.
Ganz außer Zweifel scheint sich Théo nunmehr im vierten Band der Reihe sichtlich wohl zu fühlen und es ist eine Freude den unterschiedlichen Figuren in diesem munteren Treiben von Intriganten, Opportunisten und tragischen Helden auf zeichnerisch sehr hohem Niveau zu folgen. Dabei stimmt auch der Wiedererkennungswert der einzelnen Charaktere, denen Théo einen jeweils unverwechselbaren und leicht wiederzuerkennenden Gesichtsausdruck verleiht.
Der Seitenaufbau ist in einigen Schlüsselszenen des Bandes immer wieder angenehm modern aufgebaut und geschickt arrangiert. Schon zu Beginn, bei der Versammlung der Generalstände in Paris, zeigt Théo sein Können, indem er einen Blick über die versammelten Adeligen gibt und geschickt einzelne Panels in diese Ansicht einfügt. Der Dialog folgt gleichermaßen diesen Bildern und so ist es immer wieder sehr angenehm, diesem zeichnerischen Gespür zu folgen, welches nie konstruiert wirkt. Aber auch sonst können die zum Teil großformatigen Panels überzeugen, die insbesondere durch ihren hohe Detailreichtum der Hintergründe und immer wieder passende Perspektive überzeugen. Ergänzt wird Théo durch die farblich sehr harmonisch abgestimmte Kolorierung von Lorenzo Pieri, der die Figuren und Handlungsorte in jeweils passende und stimmungsvolle Farbtöne taucht.
Qualität, Ausstattung & Übersetzung:In Sachen Qualität gibt es bei diesem großformatigen Hardcoveralbum des Splitter Verlages keinen Grund zur Klage: Die Verarbeitung ist ebenso wie das Druckbild erwartungsgemäß einwandfrei. Um dem Leser einen besseren Überblick bei der Vielzahl der Charaktere zu verschaffen, sind sowohl im vorderen als auch im hinteren Einband die wichtigsten Akteure in diesem Reigen aus politischem Ränkespiel, Mord und Verrat mit Bild und Namen abgedruckt. So sollte es nicht schwer fallen, sich rasch zu orientieren. Die Übersetzung stammt – wie bereits bei den anderen Bänden – von Tanja Krämling.
Fazit:Man muss nicht unbedingt ein profunder Kenner der französischen Geschichte sein, um dem opulenten Szenario von „Der Tönerne Thron“ zu folgen, da es den Autoren Nicolas Jarry und France Richemond gelingt komplexe historische Sachverhalte auf ihre wesentlichen Inhalte zu beschränken, ohne dass hierdurch die Gefahr entsteht zu oberflächlich zu werden. Dabei ist es natürlich ein überaus französischer Blickwinkel, welcher auf die Epoche des „Hundertjährigen Krieges“ geworfen wird.
Insgesamt bekommt man ein spannendes und abwechslungsreich konzipiertes Szenario geboten, welches durch die sehr gut konzipierten Akteure absolut authentisch wirkt. Kenner der historischen Ereignisse mögen sicherlich bei einigen Geschehnissen den Kopf schütteln, doch geht es den Autoren nicht um eine trockene Lehrstunde in französischer Geschichte, da hier die Unterhaltung klar im Vordergrund steht.
Natürlich spielen Jarry und Caneschi weiter mit der Figur der späteren Jeanne d´Arc. Hier werden einige Aspekte ihres Lebens sehr frei, aber auch sehr überzeugend erzählt, was auf weitere Episoden aus ihren Leben hoffen lässt, bevor es sie auf die Schlachtfelder Frankreichs verschlägt.
Diese Reihe dürfte für Liebhaber historischer Erzählungen sicherlich eine absolute Leseempfehlung sein, selbst wenn man sich in der französischen Geschichte nicht sonderlich gut auskennt. Die Entwicklung der Akteure bleibt weiterhin spannend als auch überzeugend, selbst wenn man den historischen Ausgang des Hundertjährigen Krieges kennt.
|
||||||||||||||||||||||