Links zur Rezension Vorbemerkung:Lange habe ich mit der Anschaffung dieses Spiels geliebäugelt.
Doch immer wieder kam der Gedanke auf, dass ich bereits eine ganze Reihe von Spielen aus dem stetig wachsenden „Der Herr der Ringe“ Sortiment mein Eigen nenne und längst nicht alle Möglichkeiten mit diesen ausgeschöpft habe.
Außerdem hat mich der für meine Augen relativ hohe Preis von rund 26 € für das Grundspiel abgeschreckt. Immerhin handelt es sich bei dem Spiel (lediglich) um ein Kartenspiel.
Der Spielansatz machte mich jedoch neugierig: Von dem, was ich im Internet gelesen und von Freunden im Gespräch erfahren habe, macht das „Der Herr der Ringe – Das Kartenspiel“ (kurz: HdR – LCG) Anleihen bei Sammelkartenspielen, ohne selber ein Sammelkartenspiel im herkömmlichen Sinne zu sein.
Man bekommt sowohl im Grundspiel als auch in den regelmäßig erscheinenden Erweiterungs-Sets eine vorbestimmte Zusammenstellung von Karten. Die Karten sind also anders als bei Spielen wie „Magic – The Gathering“ nicht zufällig auf Booster Tüten verteilt, sondern vorsortiert. Die Bezeichnung die sich Fantasy Flight Games, der Ursprungs-Verlag dafür ausgedacht hat ist „Living Card Game“. Dadurch, dass man über Erweiterungen neue Karten hinzukaufen und sich aus der Summe seiner Karten selber sein Spieldeck zusammenstellt, „lebt“ das Spiel.
Ähnlich wie bei „Dominon“, „Thunderstone“ oder „Magic“, spielen die Spieler mit einem (zunächst vorgefertigten) Karten-Satz, der Deck genannt wird. Dem Grundspiel liegen vier dieser Decks bei. Die eigentliche Kunst und ein spannender Nebeneffekt des Spieles ist jedoch, sich aus all seinen zur Verfügung stehenden HdR-LCG eigene Decks zu entwerfen. Während man bei Spielen wie „Dominion“ oder „Thunderstone“ die Entwicklung des Decks in das Spiel selber eingebunden hat, ist die Zusammenstellung der Karten beim HdR-LCG eine spielvorbereitende Handlung, genauso wie bei „Magic“, also quasi ein dem Spiel selber vorgelagertes Spiel.
Die Einsteigerdecks bestehen aus 30 Karten, die selber entwickelten Turnierdecks später dann mindestens aus 50 Karten.
Der Inhalt:Das Spiel ist in eine relativ große Kiste verpackt. Diese entspricht von den Abmessungen her in etwa den Grundspielen von „Dominion“ oder „Thunderstone“.
Schon beim ersten Betrachten des Covers bekommt man einen Blick auf die gelungenen Zeichnungen, die sich auch auf den Spielkarten wiederfinden. Der Stil ist sehr gut an die tolkin’sche Welt Mittelerde und deren Atmosphäre angepasst. Fans der Verfilmung sei an dieser Stelle gesagt, dass es sich nicht um ein Spiel mit Bezug zu der Trilogie von Peter Jackson handelt. Es gibt keine Fotos von Filmszenen. Vielmehr gibt ex „nur“ eigenes Artwork. Das ist wie gesagt aber absolut gelungen.
Öffnet man die Schachtel, liegen zur Begrüßung oben auf die großformatige Spielanleitung (32-Seiten, vollfarbig!) sowie zwei Bögen mit Pappteilen. Hierbei handelt es sich um die Spielmaterialien, die nicht in Kartenform sind. Einerseits zwei Bedrohungszähler (für jeden potentiellen Spieler einen) sowie diverse Pappmarker (Schadens-, Fortschritts-, Ressourcen- und einen Startspielermarker).
Unter diesen Materialien finden sich dann die Karten. Die 226 Karten des Start-Sets fallen in vier Kategorien: Heldenkarten (es gibt im Basis-Spiel 12 Helden), 120 Spielerkarten (das sind die vier enthaltenen, je 30 Karten starken Einsteiger-Decks), 84 Begegnungskarten (diese Karten werden je nach Abenteuer neu zusammengestellt und bilden die gegnerische Seite im Spiel!) sowie Abenteuerkarten (diese bestimmen, welche Begegnungskarten verwendet werden und geben den Verlauf des Abenteuers vor).
Die Karten sind auf ordentlichem verstärkten und beschichteten Papier gedruckt, vollfarbig und mit schönem Artwork versehen. Dennoch habe ich das Gefühl, dass sie von der Materialqualität nicht ganz an die von „Magic“-Karten herankommen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Trotzdem habe ich meine Karten in Schutzfolien gepackt, etwas, was ich eigentlich eher selten mache.
Ein Pappinlay füllt den Rest der Schachtel aus. Spielmaterialien finden sich keine weiteren.
Das Spiel:Etwas, was mir sofort beim Lesen der Anleitung positiv ins Auge gefallen ist, war, dass das HdR – LCG ein kooperatives Kartenspiel ist. Soll heißen, die Spieler spielen gemeinsam gegen das vom Spiel selber gelenkte Szenario und nicht gegeneinander. Mit der im Grundspiel enthaltenen Ausstattung von vier spielbaren Spieler-Decks, wäre es möglich, bis zu vier Spieler gegen ein Szenario einzusetzen.
Das Grundspiel ist von seiner Ausstattung her aber darauf ausgelegt, dass man allein (ja, auch das ist möglich!) oder zu zweit antritt. Es liegen nur eine begrenzte Anzahl von Pappmarkern bei, die sich aber problemlos mittels anderer Marker oder Spielsteinen ergänzen ließen und die Bedrohungs-Zähler, die für jeden Spieler individuell eine Art Timer des eigenen (Miß-)Erfolges darstellen sind auch nicht für vier Spieler sondern nur für zwei vorhanden. Auch hier kann man sicherlich ohne weiteres selber Abhilfe schaffen. Spätestens aber, wenn man zwei Basis-Spiele kombiniert, können bis zu vier Spieler mitspielen. Die Erfahrung zeigt, dass es sinnvoll ist, erst das eine oder andere Solospiel zu spielen, ehe man sich gemeinsam einem Abenteuer stellt.
Das Spielsystem ist in der vollfarbigen Anleitung gut und anhand von Beispielen erklärt und ermöglicht einen relativ einfachen Einstieg. Wie bei Kartenspielen dieser Art üblich gibt es die goldene Regel, dass jeder Kartentext die Grundregeln des Spiels ändern kann.
Gespielt wird auf einem Tisch, einen Teil seiner Karten hat der jeweilige Spieler in der Hand und versucht diese im Verlauf des Spieles auf dem Tisch einzusetzen, sie ins Spiel zu bringen. Um Karten ins Spiel zu bringen, müssen deren Kosten mittels „Ressourcen“ bezahlt werden muss.
Es gibt beim HdR-LCG vier sog. Sphäre: Führung, Taktik, Geist und Wissen. Jeder dieser Sphären ist eines der vier enthaltenen Grunddecks zugeordnet. Jedes Deck verfügt über drei Helden. Diese generieren jede Runde je nach Kartentext eine gewisse Anzahl an Ressource-Punkten.
Diese Punkte, dargestellt durch Pappmarker, kann der Spieler dann einsetzen, um Karten aus seiner Hand ins Spiel zu bringen. Er ist dabei aber an die Arten von Ressourcen gebunden, die seine Helden produzieren und die er in seinem Vorrat hat. Es gilt zu beachten, dass nicht jede Karte durch jede Ressource ausgelöst werden kann. Dieses System erinnert mich an die Funktion von Mana bei „Magic“.
Thematisch ist das Spiel eine Darstellung eines Abenteuer (abhängig von gewählten Szenario z.B. einer Reise). Während des Verlaufs haben die Helden Herausforderungen zu bestehen. Diese kommen aus dem Begegnungsdeck, welches für jedes einzelne Szenario neu zusammengestellt wird und die Gegner usw. bereit hält, die den Spielern das Leben schwer machen. Auffällig ist, dass das Spiel schwer zu gewinnen ist. Die Spieler sollten sich gut untereinander abstimmen und den kooperativen Effekt des Spiels voll auskosten.
Dem Grundspiel liegen zunächst drei unterschiedliche Szenarien bei. Jedes mit einem anderen Schwierigkeitsgrad. Ein gelungener Kniff ist, dass sich die Abenteuer, je nachdem welchen Spielererfolg die Spieler erreichen, unterschiedlich entwickeln.
Thematisch gesehen müssen im Rahmen der Abenteuer Orte bereist, feindlich gesonnene Wesen überlistet, überwunden oder mit Waffengewalt besiegt werden, ehe die Helden nach und nach Fortschrittsmarker auf ihr grade aktives Szenariokärtchen legen können. Erreichen sie den auf der Karte geforderten Wert, ehe der Bedrohungswert zu hoch steigt, kommen sie im Szenario weiter und das nächste Kärtchen wird aufgedeckt (bzw. sie bestehen das Abenteuer und gewinnen die Partie).
Die Zeit spielt eine bedeutende Rolle im HdR-LCG. Der Zeitablauf und auch der Misserfolg der Helden werden mittels eines ständig im Auge zu behaltenden Bedrohungswert gemessen. Sollte dieser eine bestimmte Höchstmarke (im Regelfall 50) überschreiten, verliert der jeweilige Spieler das Spiel und lässt seine verbleibenden Mitstreiter alleine gegen das Szenario zurück (für jeden Spieler errechnet sich der Bedrohungswert separat). Überschreitet auch der Bedrohungszähler des letzten noch verbliebenen Spielers den vorgegebenen Höchstwert, verlieren alle Spieler das Spiel. Um das Ganze rund zu machen, gibt es auch noch eine in den Regeln vorgegebene Berechnungsmöglichkeit, mit der sich der Erfolg der Spieler messen und vergleichen lässt.
Anmerkung: Den genauen Spielablauf möchte ich an dieser Stelle nicht erklären. Es würde den Rahmen der Besprechung sprengen. Es sei aber darauf hingewiesen, dass es im Netz mehrere Anleitungsvideos (zumeist jedoch englischsprachig) gibt, die teilweise Zug-für-Zug, in den Spielablauf einführen. Hierüber kann man einen schnellen Ein- und Überblick gewinnen und effektiv feststellen, ob einem das Spiel Spaß machen könnte. Außerdem kann man sich auf der Produktseite beim Heidelbär die deutschen Regeln des Spiels kostenlos herunterladen. www.heidelbaer.de/einzelansicht-spiel/spiel/der_herr_der_ringe_lcg_das_kartenspiel/
Für mich steht fest: Wenn man sich auf das Spiel einlässt, kommt schnell eine sehr dichte und gut aus den Büchern übertragene Stimmung am Spieltisch auf. Und darum geht es ja schließlich, grade bei Spielen aus einem lizenzierten Setting.
Die Qualität der Materialien und der Um- und Übersetzung:Einen großen Anteil an dem positiven Spielgefühl haben neben der gelungenen Regelumsetzung auch die sehr guten Zeichnungen auf den Karten. Sowohl Vorder- als auch Rückseite der Karten sind extrem ansprechend gestaltet und helfen dem Spieler, gedanklich den Sprung nach Mittelerde zu vollziehen.
Die Spielmaterialien sind von hoher Güte, auch wenn ich zugeben muss, dass die Karten von der Qualität nicht ganz an die von Sammelkartenspielen wie „Magic“ heranreichen und eher solchen wie von Brettspielen entsprechen. Das soll im Klartext heißen, dass ich die Karten einen Hauch zu dünn finde und dass mir aufgefallen ist, dass die Ränder der Karten irgendwie „rau“ und irgendwie „unfertig“ wirken. „Magic“ Karten fühlen sich an den Rändern glatter und geschlossener an, als es die HdR-LCG Karten tun.
Aufgrund dieses Umstandes und der Tatsache, dass die Karten viel gemischt werden, habe ich mich entschlossen, alle Kärtchen in Schutzfolien zu verpacken.
Das Innenleben der Spielschachtel ist leider nur mit einem Pappinlay versehen, welches den Karten des Basisspiels und derer mehrerer Erweiterungen ein zu Hause bieten soll. Das Innenleben ist aber nicht so ausgeklügelt, wie bei „Dominion“ oder „Thunderstone“, deren Plastikinlay extra Halterungen für die Spielkarten und teilweise noch eine Sortierhilfe enthält, so dass Spieler durchaus über eine alternative Aufbewahrungsmöglichkeit für ihre Karten nachdenken sollten, wenn sie diese schonend transportieren wollen.
Die Übersetzung der Anleitung, der Kartentexte und der „Der Herr der Ringe“ Zitate sind einwandfrei. Hier liefert der Heidelberger Spieleverlag einmal mehr tolle Arbeit ab.
Das Fazit:Mit dem „Der Herr Der Ringe – Das Kartenspiel“ Set können Freunde von (kooperativen) Kartenspielen eigentlich nichts verkehrt machen, so sie ein wenig Interesse an Mittelerde haben.
Das Spielsystem setzt sich aus vielen gelungenen Anleihen bei Sammelkarten- und anderen Deckbau-Spielen zusammen und kombiniert von den Vorlagen zumeist nur die besten Eigenschaften zu einem runden und gelungenen Spielerlebnis.
Die wunderschön designten Karten vermitteln sofort die Atmosphäre der Bücher und laden zum mitspielen ein.
Das Spiel wird von den Spieler zusammen (kooperativ!) gegen das vom Spiel selber gesteuerte Szenario gespielt. Ein Spiel alleine gegen das Szenario ist ohne weiteres möglich, allerdings macht das Spiel zu zweit doch bedeutend mehr Spaß.
Das im Grundspiel enthaltene Material ist grundsätzlich auf zwei Spieler ausgerichtet. Mit nur einem Basisspiel lassen sich aber auch zu viert Abenteuer erleben, wenn man bereit ist minimal zu improvisieren.
Das Spiel ist jetzt schon durch eine Vielzahl kleinerer und zum Zeitpunkt dieser Rezension im Frühjahr 2012 einer größeren Erweiterung bestens unterstützt. Ein Ende ist hier noch nicht absehbar, so dass auf Jahre hinaus neuer Spielspaß erhältlich sein dürfte.
Für mich ist allen Lobes der Einstiegspreis von zur Zeit rund 26 € pro Basisspiel etwas überhöht. Leichte Abzüge gibt es auch für das Fehlen eines ausgeklügelten Inlays zur sicheren Verwahrung der Karten und die minimal schlechtere Qualität der Spielkarten, wenn man sie mit Sammelkarten wie „Magic“ vergleicht. Ich bin halt pedantisch mit meinem Spielmaterial und habe hohe Erwartungen an die Firmen.
Sieht man von diesen minimalen Beanstandungen ab, bekommt man eine Menge an Spielspaß und Abenteuer an die Hand, wenn man sich das Basisspiel „Der Herr der Ringe – Das Kartenspiel“ ins Haus holt.
Das Spiel hat neben den anderen mehr oder weniger gelungenen Spielen die auf den „Der Herr der Ringe“ Romanen beruhen absolut seine Daseinsberechtigung und braucht keinen Vergleich mit einem anderen Spiel dieser Thematik zu scheuen.
Ich bewerte das „Der Herr der Ringe – Das Kartenspiel“ mit der stolzen Note von 4,4 Punkten.
|
||||||||||||||||||||||||