Links zur Rezension AufmachungVor Rukoth – An Ancient Adventure Site sieht auf den ersten Blick wie ein zu groß geratener DDI Artikel aus, ist das Produkt einen Kauf wert? Zunächst fällt vor allem die Kürze auf, ein 32 Seiten Heftchen ist nicht unglaublich viel, allerdings wurden die Innenseiten des losen Umschlags genutzt, um eine Übersicht der Ruinenstadt in Schwarzweiß abzubilden, keine neue, aber dennoch eine sinnvolle Idee. Eine bunte Karte, auf denen die Zahlen der verschiedenen „Sehenswürdigkeiten“ abgedruckt sind, findet sich auf der letzten Seite des Heftchens. Das Cover gibt einen ersten Eindruck der gezackten, klingenartigen Bauweise des alten Bael Turaths, was schon mal gut gelungen ist. Zu Vor Rukoth gehört ebenso ein doppelseitiger, farbiger Bodenplan. Auf der einen Seite ist eine Kreuzung in der Ruinenstadt abgebildet, die reichlich benutzt werden wird und jede Spielleitersammlung ergänzt, auf der anderen Seite ein in Rottönen gehaltener Thronraum mit Säulen, Drachenschädeln, Mosaik und einem Bankett (der sogenannte „Horned Throne Room“, ein Schlüsselort der Ruinenstadt, aber auch als genereller böser Thronraum/Empfangsraum/Säulenhalle etc. für einen SL nützlich. Eine zweite Karte wäre nicht schlecht gewesen, denn die Ruinenkarte nutzt sich doch rasch ab.
Das Heftchen besitzt eine recht spartanische Aufmachung, lediglich fünf Illustrationen zieren die Seiten, daneben gibt es noch Vergrößerungen der bunten Stadtkarte, die vor jedem Kapitel eine Orientierungshilfe geben. Die Ausschnitte der Stadtkarte ergeben Sinn, auch wenn sie viel Platz kosten, das Fehlen weiterer Illustrationen spart zwar Raum, doch fehlen mir typische Bilder einzelner Stadtteile oder ein Überblick aus der Ferne, das Cover bietet zwar einen gewissen Eindruck, aber oft sagen ja Bilder mehr als tausend Worte. Für einen SL ist es oft hilfreich ein paar stimmungsvolle Bilder zeigen zu können. Dennoch lege ich dies Vor Rukoth nicht zur Last, der Platz wurde gut genutzt.
Inhalt (Vorsicht: Spoiler!)Die Hintergrundgeschichte ist recht simpel, Vor Rukoth war einst eine prächtige Hafenstadt im alten Bael Turath, die von Lady Najala regiert wurde, einer Magierin und Schwester des Kaisers, die als eine der ersten gegenüber den Teufeln der Neun Hölle Eide schwor. Während des Krieges gegen Arkhosia sah die tyrannische Herrscherin in Vor Rukoth nur Verrat, was sie u.a. dazu bewog ein Tor in die Neun Höllen zu errichten, um sich im Zweifelsfall höllischer Legionen zu bedienen. Als eine Armee vor den Mauern der Stadt erschien und gleichzeitig Adelshäuser gegen ihre Tyrannei rebellierten, öffnete Najala verzweifelt das Höllentor. Die herausschwärmenden Teufel vernichteten nicht nur die Armee Arkhosias und die Rebellen, sondern auch die gesamte Stadt, ein Ereignis, welches „Day of Devils“ genannt wird.
Die Hintergrundgeschichte ist nicht unglaublich einfallsreich, der Konflikt zwischen Arkhosia und Bael Turath wurde in diversen Publikationen mal mehr oder mal weniger ausgeschlachtet, auch die Idee eines Höllentors gab es hin und wieder, allerdings schafft es Vor Rukoth mehr als nur eine teufelsverseuchte Ruine zu sein.
Der Entwickler hat von Anfang an eine Reihe von Variablen eingebaut, die den Ort abwechslungsreich machen und solcherlei Variablen ziehen sich durch das ganze Heftchen. Der Day of Devils, seismische Aktivitäten, Verbindungen zum Unterreich, die Nähe zum Meer, der Einfluss des Höllentors, eine Überflutung, ja selbst ein Kreuzweg zur Feenwildnis sorgen für sehr unterschiedliche Umgebungen und vielfältige Kämpfe. Diese Vielfältigkeit ist eine der großen Stärken des Produkts, als SL kann man extrem viele verschiedene Monster aus den Handbüchern nutzen, verschiedene Gefahren und Fallen aufstellen und natürlich öffnen sich viel mehr Abenteueraufhänger (Hooks), als bei einer Stadt, in der es nur Untote und Teufel gäbe. Sogar für Piratenabenteuer und Gladiatorenkämpfe ist Platz in der Stadt, ohne, dass diese überfrachtet wäre. Vier vorgefertigte, kurz beschriebene Ereignisse (Erdbeben, Flut, neuer Kaiser von Bael Turath und ein Meteoritenschauer mit Schrecken des Fernen Reichs) sollen für eine lebendige Stadt sorgen. Der Eindruck einer lebendigen Stadt wird auch an anderen Stellen immer wieder erwähnt und kann sogar ein Schlüsselelement eines Abenteuers sein, wenn z.B. der bisher genutzte Ein- und Ausgang plötzlich verschüttet ist und man sich als Gruppe durch Kampf und Verhandlung einen Weg nach draußen bahnen muss.
Stufen oder Werte werden im übrigen an keiner Stelle erwähnt, auch Monsterwerte sucht man fast vergeblich, einzig eine Reihe neuer Monster, Fallen, Gifte und magischer Gegenstände werden aufgeführt, alle sehr passend zum Ort. Das ist sehr, sehr erfreulich, kennt man doch sonst das seitenfressende Layout des „Delve“ Formats.
Vor der Ruinenstadt ist ein kleiner Außenposten gelegen, „Coyote’s Refuge“, eine Zeltstadt mit nur wenigen festen Gebäuden. Der Ort ist relativ sicher, zumindest im Vergleich zu den Ruinen, auch wenn der Ort das Gefühl gibt, dass man ständig auf seine Geldbörse oder seinen Rücken aufpassen muss. Viele Abenteuer werden hier starten und einige der Fraktionen der Gegend sind hier vertreten. Die Beschreibung des Außenpostens ist kurz, aber ausreichend, um die Goldgräberstimmung des Ortes wiederzugeben.
Sieben Fraktionen werden kurz nach der Ortsbeschreibung mit bestimmten Schlüsselmitgliedern vorgestellt, wobei freilich eine drachengeborene Gruppe und Tieflinge dabei sind, aber auch die Händler des „White Lantern Consortium“ oder die recht wohlwollenden „Raven’s Wings“, monsterjagende Anhänger der Rabenkönigin. Bei den Fraktionen wird gleich auf bestimmte Abenteueraufhänger auf den verschiedenen Seiten verwiesen, so dass sie nicht im luftleeren Raum stehen.
Etwa 20 Seiten gehören der Beschreibung der eigentlichen Ruine, wobei die Fülle an Möglichkeiten und Informationen für den Spielleiter sehr hoch ist, dazu gehören drei Fertigkeitsherausforderungen/Skill Challenges, die das ganze bereichern. Davon hat mir „Learning Varrik’s secret“ am besten gefallen, es geht um zwei der wichtigsten Geheimnisse der Ruinenstadt, die man von den Geistern des Adelshauses Varrik erfahren kann, wenn man für sie einen bestimmten Gegenstand aus der Stadt besorgt. Das erste Geheimnis bezieht sich auf Lady Najala, sie ist ein Leichnam. Das zweite Geheimnis betrifft ihr Phylakterium, welches sie extrem geschickt gewählt hat: es ist das Höllentor selbst und ermöglicht ihr, das Tor zu kontrollieren. An der Fertigkeitsherausforderung kann man nicht endgültig scheitern, allerdings bedeutet ein Versagen, dass man für die Geister drei weitere Questen zu erledigen hat. Die Idee fand ich extrem gut und sie verbindet die Hintergrundgeschichte ausgezeichnet mit einer Erkundung der Stadt. Zusätzlich kann man als Spielleiter die Atmosphäre ein wenig schauerlich gestalten.
Insgesamt bietet das Heftchen 36 verschiedene Lokalitäten in der Stadt, zu denen z.T. kleine Gruppen oder auch Machtgruppen innerhalb der Stadt gehören, z.B. die „Blackwhips“ (gnadenlose Sklavenjäger) oder eine Bande von Lykanthropen, aber auch Feuerriesen, Dämonen bzw. Teufel (mit der Möglichkeit den Blutkrieg im Kleinen zu entfesseln) und natürlich Lady Najala selbst, die immer noch in ihrem alten Thronraum mit Untoten einen makabren Hof hält. Die Örtlichkeiten sind durchweg knapp beschrieben, aber auch ebenso durchgängig mit sehr guten Aufhängern bestückt. Besonders ansprechend fand ich das Octagon, ein Ort, wo hunderte Bürger, Soldaten und Abenteurer von den Teufeln abgeschlachtet wurden und nun als rastlose Geister spuken und Taru Maaj, eine gewaltige Bibliothek, die von einer Wesenheit, die Luminary genannt wird in eine zeitlose Halbebene transportiert wurde, aber enormes Wissen birgt, wenn man zu ihr gelangt. Selbst ohne Vor Rukoth ist die Idee einer nur extrem schwer erreichbaren Bibliothek absolut brauchbar und kann locker auch in andere Abenteuer eingebunden werden. Den Abschluss bietet „Najala’s Gate“, das Höllentor, welches in kleinen Kampagnen als guter Höhepunkt dienen kann und etwas ausführlicher beschrieben wird.
Insgesamt bietet Vor Rukoth Möglichkeiten für einzelne Abenteuer, aber auch für verschiedene kleine Kampagnen, wobei Gruppen zwischen Stufe 7-14 angesprochen werden.
Fazit:Mein Fazit fällt sehr wohlwollend aus, auf 32 Seiten wird einem Spielleiter sehr viel geboten, besonders erwähnenswert sind die vielen Abenteueraufhänger, die allesamt sehr passend sind. WotC hat es hier verstanden auf engstem Raum sehr viel Fluff unterzubringen und trotz der diversen Variablen mit Verbindungen zum Unterreich, der Feenwildnis etc. geht das Flair einer einst stolzen, schönen Stadt, die nun voller Geheimnisse in Trümmern liegt, nicht verloren. Für einzelne Abenteuer ist Vor Rukoth sicherlich geeignet, allerdings empfehle ich in diesem Fall nur gewisse Teile aus dem Band zu nutzen. Wirklich das volle Potential entfaltet Vor Rukoth aber erst in einer Minikampagne, wenn die Fraktionen und Machtgruppen in der Stadt stärker zum Tragen kommen, man langsam den diversen Geheimnissen auf die Schliche kommt und die Stadt Stück für Stück erkundet. Einer der wenigen Haken ist jedoch die hohe Vorbereitungszeit, die man als SL hat, es fängt damit an, dass man alle Monster und NSCs heraussuchen, die Beschreibungen der Stadtteile erweitern und freilich die Aufhänger zu richtigen Abenteuern ausgestalten muss. Es ist eben eine „Adventure site“, kein voll ausgearbeitetes Abenteuer, bietet dafür jedoch auch kein strenges Korsett, sondern ist ein schöner Sandkasten, in dem sich ein Spielleiter austoben kann. Der zweite Haken ist mit dem oberen verbunden, es ist die geringe Seitenzahl. Vieles wird nur kurz angerissen oder angedeutet, besonders Lady Najala hätte ein paar mehr Seiten verdient, denn sie ist die unangefochtene Herrscherin der Stadt, einzig ihr Höllentor erhält genug Aufmerksamkeit. Die mangelnden Illustrationen habe ich bereits erwähnt.
Vor Rukoth lässt sich übrigens gut in andere Welten übertragen, keine der Fraktionen oder Machtgruppen läuft völlig quer zu einer bestimmten Welt. In meiner Kampagne habe ich den Ort in den Vergessenen Reichen angesiedelt, als ehemalige Ruine des untergegangenen Reiches Narfell.
Von mir eine klare Kaufempfehlung.
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