Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Zombies 0 - Tod und Agonie
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 25.07.2012
Autor:Olivier Peru (Szenario) und Lucio Alberto Leoni (Zeichnungen)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Science-Fiction
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-463-5
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

An die zwanzig Filme, zehn Jahre des Ruhms, viele Millionen Dollar eingespielt und jetzt schließt sich der langsame Niedergang an. Serge Lapointe, Schauspieler und Darsteller etlicher „Helden“ in mehr oder weniger gut gemachten Splatter- und Horrorfilmen wie „Bad Mother Eater“, „Almost Dead“ oder „Walking Dead II“ tingelt auf seine alten Tage von Film-Festival zu Film-Festival, wo man seine Filme mittlerweile zu Kultobjekten erklärt hat und er ein gerne gesehener Gast ist. Mittlerweile befindet er sich in St. Petersburg, wo er sich mit den Organisatoren Boris Bezroukow und Dimitri auseinandersetzen muss, obwohl er eigentlich keine Lust mehr auf die ganze Show hat.

 

Unterdessen braut sich weltweit eine Pandemie bisher unbekannten Ausmaßes zusammen, welche die Menschen mit einem Virus verseucht und praktisch in lebende Tote verwandelt. Während Länder ihre Grenzen schließen, Flughäfen gesperrt werden und die Menschen krampfhaft versuchen sich zu schützen, ignoriert Lapointe das Geschehen in der Welt und in den Nachrichten, bis es ihn vor den Türen seines Hotels brutal wieder einholt. Während Moskau nur mühsam unter Einsatz von militärischen Truppen gehalten werden kann, greift der Virus, der eine Inkubationszeit von 48 Stunden hat, wie ein Lauffeuer in St. Petersburg um sich und füllt die Straßen mit Infizierten.

 

Die eingesetzten Soldaten in St. Petersburg sind machtlos und können dem Ansturm der Infizierten nicht mehr Herr werden. Auch Lapointe sieht sich schlagartig mit dem Kampf ums eigene Überleben konfrontiert. Glücklicherweise wird er von Boris und Dimitri vom Hotel abgeholt, um die Stadt zu verlassen und zum Flughafen zu gelangen. Eine wilde Fahrt durch die Straßen folgt, die gesäumt ist von Zombies, Militär und Menschen, die um ihr blankes Überleben kämpfen. Allerdings kommen sie nicht weit und müssen durch einen Unfall ihr Fahrzeug aufgeben. Sie reihen sich in die Menschenmenge ein, die sich zu Fuß auf den Weg gemacht hat, um die Stadt zu verlassen. Einziger Kontakt zur Außenwelt für Serge ist sein Agent Mickey in Kanada, mit dem er regelmäßig telefoniert und der alle Hebel in Bewegung setzt, um Serge aus Russland hinaus zu bekommen.

 

Auch das Militär gibt St. Petersburg auf und zieht sich zum Flughafen zurück, wissend, das sich hier bald Scharen von Flüchtlingen einfinden werden, die auf einen Flug hoffen, um dem sicheren Tod zu entrinnen. Der Luftraum über Russland ist allerdings aus Sicherheitsgründen gesperrt, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Es steht für die bislang rund 2.000 Flüchtlinge allerdings nur ein Flug zur Verfügung, der maximal 400 Passagiere mitnehmen kann. Eigentlich hätte Lapointe dank des Einflusses von Mickey einen Platz an Bord der Maschine, doch diesen gibt er in letzter Sekunde an eine Frau mit ihrem Kind weiter um zu bleiben.

 

Aber die Infizierten wissen, wo die Menschen sich befinden und strömen zu tausenden in Richtung des Flughafens. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis den Soldaten die Munition ausgeht oder sie einfach den Mut verlieren. Inmitten dieses Chaos befindet sich Serge Lapointe, der die Hölle auf Erden erleben muss und eine schwerwiegende Entscheidung trifft.

 

Schreibstil & Artwork:

Das französische Multitalent Olivier Peru wurde am 11.10.1977 in Montpellier geboren. In 2001 startete er seine Karriere als Szenarist, Zeichner und Kolorist in einem der führenden Comicverlage von Frankreich: Semic, der vornehmlich auf DC und Marvel Comics spezialisiert sind. Er arbeitete zeitgleich aber auch für Magazine wie Rodéo, Zembla, Mustang und schaffte es nebenbei auch für den Verlag Soleil zu arbeiten, für den er bis 2002 an fünf verschiedenen Comicbänden mitwirkte.

Gemeinsam mit seinem Bruder Stéphane Peru begann er 2003 mit der Serie „Shaman“ (Soleil) und mit dem Szenaristen Cano in 2004 mit „Zak Blackhole“ (Soleil). In 2006 wirkte er als Zeichner bei der erfolgreichen Serie „Kookaburra Universe“ mit. Nach dem Tod seines Bruders im Februar 2007 stoppten zunächst die Arbeiten an der eigenen Reihe „Guerres Paralelles“, der bei Soleil erschien und dessen Fortsetzung zurzeit noch offen ist. Nebenbei betätigt sich Olivier Peru allerdings nicht nur im Comicbereich, sondern illustriert auch Romane und Rollenspiele, zudem arbeitet er als Drehbuchautor, Storyboarder für Kino- und Fernsehproduktionen und als Autor von Romanen.

 

Von den ersten Seiten an kann man einen deutlichen Unterschied in dem Aufbau der Handlung zwischen diesem Spin-off und den beiden ersten Bänden der Reihe ausmachen. Konnten die beiden anderen Bände mit einer geradezu apokalyptischen Endzeitstimmung aufwarten, die sich in einigen zentralen Persönlichkeiten, verschiedene Orte und über einen längeren Zeitraum hin entwickelte, so reduziert dieser Band das Geschehen auf den Protagonisten Lapointe, den der Leser zwar bereits kennt, dessen Hintergrundgeschichte bislang aber im Verborgenen blieb. Das Szenario beschränkt sich den mittlerweile drittklassigen Horrorschauspieler Lapointe auf einer Reise nach St. Petersburg zu begleiten, wo er – bedingt durch die äußeren Umstände – eine ziemlich erstaunliche, aber auch dramatische Entwicklung durchmacht. Gleichzeitig gibt es für den Leser einen Blick zurück auf den Anfang der seltsamen Erkrankung, die Millionen von Menschen in lebende Tote verwandelt hat.

 

Peru vermeidet es tunlichst ein zu einfach konstruiertes Szenario zu liefern, welches in seinem Ausgang absehbar ist. Sicherlich mögen die ersten Tage und Stunden der rasch um sich greifenden Krankheit geradezu ein Klischee sein, welches sich unerbittlich ausschlachten lässt, doch zeigt hier Peru sein Können, indem er aus dem Chaos heraus eine überzeugende Geschichte konstruiert, die seinen Anti-Helden heranwachsen lässt. So schafft es Peru dann ohne Probleme eine überaus dynamisch, reife und überaus zynisches Szenario zu erschaffen, welches im harten Gegensatz zu dem vorsichtig angebrachten Optimismus steht, den Lapointe bei der Suche nach der Insel an den Tag legt. Hier dreht sich alles um das blanke Überleben mit allen Mitteln – egal wie ekelhaft oder blutig diese sein mögen.

 

Der 1968 in Cormo, Italien, geborene Zeichner Lucio Alberto Leoni arbeitete bereits als Zeichner für das Magazin „Tiramolla“ und für Disney. Einigen dürfte er unter Umständen auch als Zeichner für die Abrafaxe bekannt sein, für die er in Zusammenarbeit mit Emanuela Negrin einige Zeichnungen gestaltet hat. Mit Emanuela Negrin entstanden aber auch etliche andere Arbeiten, unter anderem „Topo Gigio“, „Prezzemolo“, „Arthur King“ und „Lsola che c'e“. Befürchtungen, Leoni könne unter Umständen nicht den Stil des bisherigen Zeichner Sophian Cholet und der Reihe unter Umständen ein unpassendes Aussehen verleihen sind auf keinen Fall angebracht.

 

Auch wenn es bei der recht klassischen Panelaufteilung vielleicht hier und da einige dynamischere Perspektiven gegeben hätte, so sind die Zeichnungen insgesamt detailliert, glaubwürdig und sehr gefällig anzuschauen. Bei der Wahl seiner Perspektiven ist Leoni fast schon ein halber Kameramann, da er dem Auge des Betrachters gängige Einstellungen bietet, wie man sie aktuell auch im Mainstream-Filmen findet. Hier gibt es zwar keine ungewöhnlichen Experimente, aber eine sehr saubere und strukturierte Führung quer durch die Panels. Unterstützung erhielt Leoni bei seiner Arbeit durch Matteo Vattani und Gianlucca Garofalo, der wiederum die Kolorierung übernahm und die erfreulicherweise ziemlich gedeckt daher kommt, was der Grundstimmung des Szenarios sehr gut zu Gesicht steht.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Den Splitter Verlag kann ich an dieser Stelle wie gewohnt nur wieder in den höchsten Tönen für seine vorgelegte Qualität loben, da auch dieser Band (der in Deutschland hergestellt wurde) wieder mit einem einwandfreien Druckbild, passabler Papierqualität und einem gediegenen Umschlag aufwarten kann, dessen Heftung für langes Lesevergnügen sorgt. Extras in der Ausstattung wird man in diesem Band vergeblich suchen, was allerdings zu verschmerzen ist, da Leoni zwar ein routinierter Zeichner ist, man allerdings keine Wunderwerke von ihm erwarten sollte. Die einwandfreie Übersetzung dieses Bandes stammt von Tanja Krämling.

 

Fazit:

In den meisten Fällen sind Prequels gut gemeint, aber erfüllen bei weitem nicht die Hoffnungen der Leser. Bei diesem Band ist es erfreulicherweise anders, da er nicht nur die Wartezeit auf den noch ausstehenden „dritten“ Band der Reihe ein wenig verkürzt, sondern inhaltlich auf jeden Fall von Interesse ist, da man mehr über Lapointe, den Anführer der Flüchtlinge und seinem Traum von einer neuen Heimat für die überlebenden Menschen erfährt. Es sind wichtige Einblicke, die diesem Charakter ein wesentlich größeres Gewicht im Szenario zubilligen, als man dies eigentlich für möglich gehalten haben soll.

 

Blieb bisher das Entstehen der seltsamen Erkrankung, welche Menschen in Zombies verwandelt, bislang ein Geheimnis, dessen Hintergründe lediglich der Autor kannte, so wird nunmehr der Leser in die Lage versetzt, die Entwicklung und zum Teil auch die Ursachen dieser Epidemie zu verstehen bzw. nachzuvollziehen. Ein weiterer nicht unwesentlicher und sehr schön arrangierter Nebeneffekt dieses Bandes, bei dem auch weiterhin nicht sinnentleertes töten von Zombies in allen nur denkbaren Variationen im Vordergrund steht, sondern insbesondere Lapointe mit dem schmerzlichen Verlust der Menschlichkeit in grausamen Zeiten konfrontiert wird und es ihm am Ende gelingt, trotz aller Unwägbarkeiten sich diese zu bewahren und von einer möglichen Zukunft inmitten des Chaos zu träumen..

 

Für mich ist dieser Band auf jeden Fall eine Empfehlung, den man lesen sollte, auch wenn man sich nicht für den weiteren Fortgang der Geschichte interessieren sollte. Hier ist Peru ein absolut gelungenes Szenario geglückt, welches von Leoni in ansprechende Bilder umgesetzt wurde.