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Northlanders 6 - Die Belagerung von Paris
Bewertung:
(3.6)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 21.11.2012
Autor:Brian Wood (Autor), Becky Cloonan, Simon Gane, Matthew Woodson, Marian Churchland (Zeichner)
Übersetzer:Claudia Fliege, Bernd Kronsbein
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Wikinger
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86201-287-9
Inhalt:160 Seiten, broschiertes Softcover
Preis:19,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der mittlerweile sechste Sammelband aus der Reihe „Northlanders“ enthält die Single-Issue-Stories „Das Mädchen im Eis“, „Die Jagd“, „Thors Tochter“ sowie den Mehrteiler „Die Belagerung von Paris“.

 

Das Mädchen im Eis

Das Szenario von „Das Mädchen im Eis“ ist im Winter des Jahres 1240 auf Island angesiedelt, in der Zeit der Sturlunger. Zurückgezogen in den Bergen lebt ein alter Mann namens Jon, der seine besten Jahre hinter sich hat und sich mühsam von den wenigen Fischen im nahe gelegenen See ernähren muss. Durch seinen Treueeid zu Sturlungar obliegt ihm die Wacht über das Tal, wo er eines Tages eine bestürzende Entdeckung macht: Eingefroren im See befindet sich der Körper eines jungen Mädchens.

Die Neugier treibt Jon an das Mädchen aus dem Eis zu befreien und den toten Körper in seiner Hütte zu untersuchen. Aber seine Neugierde bringt ihn in Gefahr, da in diesem Gebiet in Kürze feindliche Truppen aufmarschieren sollen und Wachen von Sturlungar in der Hütte von Jon stationiert werden sollen. In seiner Panik versucht Jon den Leichnam wieder im See verschwinden zu lassen, doch es ist zu spät, da seine Bemühungen von den neuen Wachmannschaften bemerkt werden. Man nimmt Jon gefangen und bringt ihn nach Reykjavik, wo er hinter das düstere Geheimnis des Mädchens kommt, dass viele Meilen entfernt von zu Hause seinen Tod in den eisigen Tiefen des Sees fand.

 

Die Belagerung von Paris

Im Jahre 885 befinden sich 700 Schiffe mit insgesamt weit über 30.000 bewaffneten Nordmännern vor den Toren von Paris. Aber anstelle eines überragenden und schnellen Sieges trotzen rund 200 Franzosen auf einem schier uneinnehmbaren Turm der Stadtbefestigung den Angreifern.

 

Protagonist dieser Geschichte ist der Däne Mads, der als Anführer einer Horde von wild zusammengewürfelten Männern zu dem gewaltigen Heerestross der Nordmänner gehört, der sich anschickt, den Turm zu stürmen und die Franzosen zu besiegen. Im Gegensatz zu den anderen Nordmännern drängt ihn nichts in den sinnlosen Tod in erster Reihe, sondern ihm dienen List und Tücke in diesem seltsamen Kampf, bei dem Kriegsmaschinen und Technologie den Kampf bestimmen und ihm ein ehrlicher Kampf Mann gegen Mann wesentlich ehrenhafter vorkäme.

 

Die Monate ziehen dahin und die Nordmänner werden an den Mauern von Paris aufgerieben. Mit jedem Ansturm verlieren sie weitere Männer und die Stimmung unter den Belagerern sinkt beständig. Mads hat allerdings einen Plan, wie er dem Turm und den französischen Truppen eine empfindliche Niederlage beibringen kann, auch wenn es ihn fast sein Leben kostet.

 

Die Jagd

Der Hirsch legt im Winter große Entfernungen zurück – bis zu zwanzig Kilometer am Tag. Der Jäger bemüht sich, Schritt zu halten, geplagt von Hunger, eisigem Wetter, Einsamkeit und anderen Unannehmlichkeiten.

Und so dreht sich in diesem Szenario alles um den Jäger und die Beute, die in einem äußerst erbitterten Ringen inmitten der feindlichen Elemente beide um ihr Überleben kämpfen müssen. Während seiner tagelangen Verfolgung bleibt dem Jäger viel Zeit um über sich, seine Familie und seine Zukunft nachzudenken. So entfernt sich der Jäger, den Spuren des Hirsches folgend immer weiter weg von seiner Heimat um sich in den Tiefen der Wälder zu verlieren. Und am Ende gibt es nur noch ihn und den Hirsch.

 

Thors Tochter

Auf einer Insel der äußeren Hebriden im Jahre 990 lebt Birna Thorsdottir, die Tochter eines reichen und angesehenen Grundbesitzers. Sein Besitz wird dem Vater von Birna allerdings zum Verhängnis, da einige Männer des Dorfes ihm eine Falle stellen und ihn umbringen. Gunlaug, der Anführer der Mörder nimmt den Besitz für sich in Anspruch und vertreibt Birna und ihre Mutter vom Hof. Das Blatt wendet sich jedoch, als Schiffe in der Bucht der Insel ankern und es aussieht, als wollten Fremde die Insel überfallen. Es ist die Chance für Birna zu ihrem Recht zu kommen und die Insel im Namen ihres Vaters zu verteidigen

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor Brian Wood wurde 1972 in Essex Junction, Vermont (USA) geboren und lebt seit 1991 in New York City, wo er 1997 an der „Parsons School of Design“ seinen Bachelor in Illustrationen machte. Seine Abschlussarbeit, die anti-utopistische SiFi-Miniserie „Channel Zero“ wurde im gleichen Jahr vom Image-Verlag veröffentlicht. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich bis 2003 bei der Spiele-Schmiede „Rockstar Games“, wo er unter anderem an der Entwicklung von Spielen wie „Grand Theft Auto“, „Max Payne“ und „Manhunt“ beteiligt war. Parallel dazu spielte sich seine Karriere als Comic-Autor (und Zeichner) eher im Independent-Bereich ab. So entstanden für „AIT“ und „Oni“ mehrere Mini-Serien, darunter auch die erfolgreiche Reihe „Demo“. Im Jahr 2003 begann seine Zusammenarbeit mit DC/Vertigo, bei denen er sich vornehmlich als Autor betätigte. Nach dem von Mangas inspirierten „Fight for Tomorrow“ folgte 2005 „DMZ“, sein bisher kommerziell größter Erfolg. Seit 2007 schreib er zuletzt eine Fortsetzung zu „Demo“ und eine „DV8“-Miniserie.

 

Wie bereits bei den anderen Bänden der Reihe „Northlanders“ präsentiert Autor Brian Wood ein überaus differenziertes Bild seiner „Nordmänner“, die lange Zeit ganz Europa in Angst und Schrecken versetzten. Natürlich lebt vor unseren Augen das Klischee der bärtigen Männer auf, die mit ihren Langschiffen an den Küsten auftauchen um Dörfer und Städte bei ihren Beutezügen zu verheeren und zu plündern. Doch hinter dieser vermeintlich blutrünstigen und brutalen Fassade verbergen sich letztlich Menschen, die in ihrer Heimat ein Leben auch abseits der Raubzüge führen. Diese Aspekte einer Gesellschaft, bei der es sich nicht immer unbedingt klassische Themen wie Krieg und Gewalt dreht, sondern auch um Verrat, Ehre und Treue, stehen erneut in einer überaus erfrischenden Mischung im Mittelpunkt des neuen Sammelbandes.

 

In der kurzen Geschichte Das Mädchen im Eis ist es schlicht und ergreifend die Neugier eines alten Mannes, die ihn letztlich zum Opfer wider Willen macht. Das hat nicht unbedingt etwas mit rauen nordischen Sitten zu tun, ist aber von Wood mit seinem Aufbau im Szenario hervorragend inszeniert und wird durch wunderschön arrangierte Panels mit eindrucksvollen Figuren von Becky Cloonan und einer passend düsteren Kolorierung wahrlich untermalt.

 

Becky Cloonan wurde 1980 in Pisa geboren, ist aber eine echte amerikanische Autorin und Zeichnerin, die aus der Independent-Comic-Szene kommt. Bekannt wurde sie durch ihre Zusammenarbeit mit Brian Wood an „Channel Zero: Jennie One“ (2003) und den beiden „Demo“-Serien. Für Vertigo zeichnete sie von 2006 bis 2008 die kontroverse Reihe „American Virgin“. Zurzeit bewegt sie sich aber auf barbarischem Territorium, denn gemeinsam mit Brian Wood arbeitet sie für Dark Horse an einer umfangreichen Adaption der Conan-Story „Die Königin der schwarzen Küste“. Mehr auf ihrer Homepage www.estrigous.com/becky

 

Im Mittelpunkt dieses Bandes dürfte zweifelsohne die umfangreichere Geschichte Die Belagerung von Paris stehen, bei der sich zunächst alles um die kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Nordmännern und deren verzweifeltes Bemühen dreht, die Belagerung von Paris zu beenden und die Stadt einzunehmen. Hier tauchen zunächst die klassischen Elemente von Krieg und Ehre auf, mit denen man die vermeintlichen Barbaren aus dem Norden assoziiert, um nach und nach der Geschichte eine andere Wendung zu geben, als der Protagonist Mads eine schwere Verwundung hinnehmen muss. Ich möchte dem Leser an dieser Stelle nicht zuviel verraten, doch es ist ein überaus unvermutetes Ende, welches hier geboten wird und erneut vom Einfallsreichtum von Wood zeugt.

 

Die zeichnerische Umsetzung von „Die Belagerung von Paris“ oblag Simon Gane, der im englischen Bristol lebt und arbeitet und bereits viele exzellente Comics veröffentlicht hat, unter anderem „Paris“ (Slave Labor; mit Andi Watson), „The Vinyl Undeground“ (DC/Vertigo; mit Si Spencer) und „Dark Rain: A New Orleans Story“ (Vertigo; mit Mat Johnson). Derzeit arbeitet er an einer Adaption der klassischen Story „Lot No. 249“ von Sir Arthur Conan Doyle. Man findet seinen Blog unter www.simongane.blogspot.de.

 

Bedauerlicherweise kann ich mich mit dem etwas unscharfen und holprigen Zeichenstil von Gane nicht unbedingt anfreunden. Er zeichnet zwar zahlreiche aufwendige Details und ist auch in seiner Darstellung der Personen einem gewissen Realismus verpflichtet, doch mag der Funke hier nicht so richtig zünden, obwohl ich das Szenario als solches mit seinen Motiven und dem Protagonisten durchaus gut finde.

 

Zu dem gelungenen Szenario von Die Jagd habe ich eigentlich fast schon zu viel verraten. Eine zeichnerisch sehr gute Leistung legt der in Chicago lebende freiberufliche Illustrator Matthew Woodson dazu hin, der bereits mit seinem Beitrag „Tendergrass“ im zweiten Band der legendären Anthologieserie „Flight“ in der Comic-Branche für einiges Aufsehen sorgt. Hier scheint alles zu passen – der Panelaufbau, die Perspektiven und die Farbgebung. Eine absolut gelungene Geschichte. Mehr über Woodson findet man im Netz unter http://ghostco.org

 

Eine weitere, wenn auch vielleicht etwas untypisch nordische Facette, findet der Leser in dem Szenario Thors Tochter. Hier ist es wieder einmal eine Frau, die nicht mit ihrem Schicksal hadert, sondern sich vehement für ihre Rechte einsetzt. So wird der Titel des Szenarios geradezu Programm. Zeichnerisch umgesetzt wurde das Szenario von der 1982 geborenen und in Vancouver (Kanada) aufgewachsenen Marian Churchland, die an der University of British Columbia studierte. Im Alter von 17 Jahren begann Marian Churchland bereits als Illustratorin zu arbeiten und erhielt 2010 den Eisner-Award in der Kategorie „vielversprechender Newcomer“. Kein Wunder angesichts der Graphic-Novel „Beast“, die 2009 bei Image erschien. Mehr über Marian erfährt man auf ihrer Homepage www.marianchurchland.com

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Auch bei diesem Sammelband aus der Reihe „Northlanders“ gibt es in Sachen Qualität nichts zu bemängeln: Panini präsentiert einen solide geklebten Softcoverband, der einen überaus haltbaren Eindruck macht, ohne das man Gefahr läuft, nach mehrmaliger Lektüre könnten einem einzelne Seiten aus dem Band rutschen. Außer den gesammelten 6 Heften (Northlanders #35 – #41) mit den oben genannten Geschichten gibt es in Sachen Ausstattung wiederum die atmosphärisch dichten und stimmig gearbeiteten Originalcover der Einzelausgaben von Massimo Carnevale zu entdecken. Die gelungene Übersetzung erfolgte durch Bernd Kronsbein, das Lettering von RAM und es gibt – wie auch bei den anderen Bänden der Reihe – im Faltcover einen knappen Text mit einigen Informationen zu Autor und Zeichner.

 

Fazit:

Wer meint, Autor Brian Wood würden langsam die Ideen für seine Reihe „Northlanders“ ausgehen, den muss ich an dieser Stelle enttäuschen. Erneut tritt er in diesem Sammelband an, um ein recht breites Spektrum an Ideen zu präsentieren, die mal mehr, aber auch manchmal weniger überzeugend sind.

Bei aller Liebe von Wood zur historischen Authenzität sind manche Szenarien recht modern angehaucht und bringen den nicht immer passenden Unterton des 21. Jahrhunderts mit sich. Wenn das bislang in der Reihe nicht gestört hat, der dürfte sich wahrscheinlich schon längst daran gewöhnt haben. Mich stört dieser Ton manchmal, da er recht unerwartet auftaucht und bei weitem nicht mit einer mangelhaften Übersetzung zusammenhängt.

Ansonsten gibt es wieder einmal einen Einblick in die Schattenseiten von Ruhm, Ehre und Stolz – großen Worten, die auch mit Taten einhergehen, die nicht immer gänzlich frei von Tadel sind. Dies dürfte wahrscheinlich einer der zentralen Punkte sein, die diese Reihe so lesenswert macht und sich abhebt von manchem Szenario mit politisch korrekt handelnden Protagonisten, die in ihren Handlungen immer fehlerfrei sind.

Für mich auch weiterhin eine empfehlenswerte Reihe, die auch durch einige sehenswerte Zeichner beeindruckt.