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Reconquista 1 - Die Horde der Lebenden
Bewertung:
(3.2)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 09.12.2012
Autor:Sylvain Runberg (Szenario) und François Miville-Deschênes (Zeichnungen)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-483-3
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:€ 13,80
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Das Land der Skythen wird von den Hethitern unter der Führung ihres Königs Hattuschili angegriffen und große Städte wie Urar werden von den Truppen gnadenlos geplündert und niedergebrannt. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die mächtige Hauptstadt Haumarvarka in seine Hände fällt. Aber das Volk der Skythen ist nicht untätig und so haben sich deren drei Herrscher verbündet, um die Hethiter und ihren König den Zorn der „Horde der Lebenden“ kosten zu lassen. Marak, König der Kallididen, Simissee, Königin der Samaraten und Kymris, König der Kimmerer schicken sich an mit einem gewaltigen Heer gegen die Truppen der Hethiter ins Feld zu ziehen, wobei sie von den letzten überlebenden Magiern des Volkes der Atlantiden unterstützt werden.

 

Am Hofe der Herrscher findet sich auch die Gesandte Thusi, die von Hammurabi, dem König von Babylon geschickt wurde, ein, der insgeheim nur einen Wunsch hegt – den Sieg der Skythen über das Heer von König Hattuschili. Aber die Anwesenheit und die Bitte von Thusi, die Horde als Chronistin begleiten zu dürfen, um deren Taten für die Bibliothek von Babylon festhalten zu können, weckt das Misstrauen der skythischen Herrscher. Die anfänglichen Zweifel werden allerdings beseitigt und so macht sich der gewaltige Tross der Skythen auf den Weg, um sich dem Heer von Hattuschili entgegen zu stellen.

 

Auf dem langen Weg, der vor den Männern und Frauen liegt, erfährt der Leser mehr über die letzten Atlantiden, wird Zeuge blutiger Rituale und erster Scharmützel und Gefechte die sich in der Weite des Landes ereignen. Natürlich dürfen auch Unstimmigkeiten unter den Mitgliedern der Horde und das immer recht angespannte Verhältnis zu Thusi nicht fehlen. Allerdings ist König Hattuschili längst nicht so unvorbereitet wie man es sich vielleicht in der Horde erhofft hat und zudem gibt es am Ende des ersten Bandes einen ziemlich unerwarteten Cliffhanger, den man wohl in dieser Form nicht erwartet hätte.

Schreibstil & Artwork:

Sylvain Runberg wurde 1971 in Tournai geboren und wuchs in Südfrankreich auf. Seinen Hunger nach Comics stillte er in seiner Kindheit mit Asterix, Batman und Spirou und nährte seine Fantasiewelt zwischendurch mit historischen Erzählungen und zahllosen anderen Romanen. Nach seinem Abitur (das er unter anderem im Fach Bildende Kunst macht) trieb es ihn an die Universität nach Aix-en-Provence, die er mit einem Magister in Geschichte verließ. Während seiner Studienjahre unternahm er viele Reisen durch Europa und veranstaltete unter anderem Konzerte mit Rockgruppen aus dem Independent-Bereich. Nach seinem Abschluss an der Universität arbeitete Runberg mehrere Jahre als Buchhändler, bevor er in der Verlagslandschaft Fuß fassen konnte, nach Paris umzog und eine Stelle bei dem Verlag „Les Humanoides Associés“ antrat.

 

Nach einem schweren Unfall im Jahr 2001 machte er sich ans Schreiben und stellte dabei seine eigentliche Berufung fest. 2004 erscheint sein erstes Album „Astrid“ beim Verlag „Soleil“, das er gemeinsam mit Karim Friha realisiert. Danach folgen diverse Projekte unterschiedlicher Genres: „Les Colcataires“ entsteht in Zusammenarbeit mit Christopher beim Dupuis-Verlag, eine Serie, die an seine Studienjahre in Aix anknüpft, „Hammerfall“ mit Boris Talijanic, eine fantastisch-mittelalterliche Saga, die im 8. Jahrhundert in Skandinavien angesiedelt ist und nicht zuletzt die Science-Fiction-Serie „Orbital“, die er gemeinsam mit Serge Pellé als Zeichner realisiert.

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Unter dem spanischen Titel „Reconquista“, der so viel wie „Rückeroberung“ bedeutet, versucht sich Autor Runberg etwas verkrampft an einem scheinbar zurzeit ziemlich in Mode gekommenen Thema – den Skythen. Hierbei handelt es sich um ein Volk, welches. wahrscheinlich aus dem nördlichen Iran stammte und ab etwa dem 8./7. Jahrhundert vor Christi einst die südrussische Steppe bis zum Schwarzen Meer bevölkerte, aber auch weite Gebiete im Osten, bis nach Südsibirien bewohnte. Die Spur dieses Nomadenvolkes, welches selbst keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen hat, verliert sich dann wieder im 4./3. Jahrhundert vor Christi, wo sie langsam aber sicher von anderen Völkern assimiliert wurden.

 

Was Runberg aus diesen historischen Versatzstücken als Szenario bietet, erinnert noch am ehesten an einen klassischen Sandalen-Film, wie man sie aus Monumentalfilmen mit großen antiken Themen kennt, wie sie in den 1950er- und 1960er-Jahren entstanden sind. Und so gibt es auch bei ihm eine Mischung aus manchmal recht schwacher oder auch überaus plakativer Charakterdarstellung, einige überladene symbolhaften Handlungen und einer ganze Reihe von drastischen Kämpfen und blutigen Opferungsriten. Das mag und soll wohl alles historisch nicht ganz so genau sein, doch wer dies als Kritik beiseite lässt, dem bietet sich ein durchaus gelungenes und unterhaltsames Szenario, welches insbesondere am Schluss mit einem überaus interessanten Cliffhanger aufwarten kann.

 

Der Zeichner François Miville-Deschênes wurde 1969 in dem kleinen Ort Bonaventure in der Provinz Quebec in Kanada geboren und zeigte bereits im Alter von zwei Jahren eine ausgesprochene Vorliebe für Bleistifte, die ihn sein weiteres Leben begleiten sollte. Während seiner Schulzeit sammelt er zahlreiche Eindrücke – vornehmlich allerdings aus seiner ständig wachsenden Comic-Sammlung und weniger aus Schulbüchern. In dieser Zeit entstanden bereits Hunderte von eigenen Zeichnungen und er sammelte erste Erfahrungen mit anderem Handwerkszeug: Öl, Aquarell, Acryl, Gouache und Tinte.

 

Nach Ende seiner Schulzeit folgten ab 1987 lange und ausgedehnte Reisen nach Europa, Afrika und einige andere Stationen, aber der eigentliche Beginn seiner großen Karriere als Illustrator und Zeichner lag noch in weiter Ferne. Nach langen Aufenthalten in Großstädten, fehlt es Miville-Deschênes an Luft und Natur und so beschloss er nach Gaspe zurückkehren, zuversichtlich und überzeugt davon, dass Kunden an seiner Arbeit interessiert sein könnten und seine Dienste als Zeichner und Illustrator nutzen werden. Allerdings wird François in der Folgezeit eher zum Graphik-Söldner und bietet in den kommenden Jahren mehr oder weniger seine Bleistifte und Pinsel den Meistbietenden an. Er zeigt dabei allerdings keine Berührungsängste oder Hemmungen vor den unterschiedlichsten Aufträgen, egal ob es sich um wissenschaftliche Illustrationen oder aber Illustration im Bereich Fantasy, Tierwelt, Werbung oder für Jugendliche ist.

 

Dann kam der schicksalhafte Tag im Sommer 2002, wo der Verlag Les Humanoïdes Associés auf einen Projektvorschlag von Miville-Deschênes reagierte, den er bereits an alle wichtigen europäischen Comic-Verlage geschickt hatte. Man interessierte sich für sein Projekt und bot ihm die Zusammenarbeit für die Comic-Reihe „Millénaire“ an, die umgesetzt und sich als überaus erfolgreich erwies. Neben seiner Arbeit als Illustrator widmet sich François Miville-Deschênes privat der Höhlenforschung, der asiatischen Kampfsportart Win-Chun Kung Fu und bietet immer noch seit vielen Jahren, kostenlose Beratung als Mykologe für alle an, die über die Sicherheit und die Ernte von Pilzen informiert werden wollen.

 

Die Zeichnungen von François Miville-Deschênes kann man schlicht und ergreifend nur als überragend bezeichnen, wenn er nicht ab und zu etwas nachlässig wäre. Mit einer fast schon klassischen Abfolge von Panels und einem insbesondere bei den groß angelegten Kampfszenen beeindruckenden Seitenaufbau, werden hier Bilder präsentiert, die sich durchaus sehen lassen können. Hier scheint sich Miville-Deschênes in den Illustrationen geradezu auszutoben, wenn es gilt imposante Paläste, gewaltige Schlachten und blutige Kämpfe vor dem Auge des Betrachters zu entfalten. Hierbei ist es nicht unbedingt die Verliebtheit in Details, sondern ein gekonnter Blick des Zeichners für eindrucksvolle Darstellungen, die man auf sich wirken lassen muss. In Kombination mit der überaus angenehm gestalteten Kolorierung ergeben sich farbenfrohe Darstellungen, die nicht aufdringlich oder gar penetrant wirken. Nur manchmal scheint es, als habe Miville-Deschênes keine Lust oder Zeit gehabt Hintergründe auszuarbeiten und präsentiert dann Charaktere vor monochromen Hintergrund.

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Die vorliegende Qualität des Hardcoverbandes des Splitter Verlages bietet wie so oft keinen Anlass für Kritik, da sowohl das verwendete Material als auch das Druckbild einwandfrei sind. In Sachen Ausstattung gibt es im Anhang ein doppelseitiges Bild mit einer beeindruckenden Schlachtszene der Skythen, wobei ich mir in diesem Band gerne einen Blick in die Skizzen von François Miville-Deschênes gegönnt hätte, da seine hervorragende anatomische korrekte Darstellung von Figuren geradezu beängstigend gut ist. Die gelungene Übersetzung stammt von Tanja Krämling, die ebenfalls wieder einmal tadellos ist.

Fazit:

Unbeirrt von gelehrten Ausführungen griechischer Geschichtsschreiber und dem aktuellen Stand der Archäologie nimmt sich Runberg des nomadischen Volkes der Skythen an und bietet dem Leser ein historisch leidlich authentisches Bild einer Gesellschaft, wie sie vielleicht in der Zeit von des historisch verbürgten Großkönig Hattušili I. (1565 bis 1540 v. Chr) gelebt haben könnte. Runberg geht sogar noch einen Schritt weiter und garniert sein Szenario behutsam mit Elementen, wie man sie aus dem Bereich der Fantasy kennt. Es ist fraglich, ob es Runberg unbedingt um historische Genauigkeit ging oder ob es ihm einfach nur um eine bombastisch inszenierte Darstellung einer untergegangenen Kultur einer längst vergessenen Epoche geht. Wer als Leser allerdings Wert auf historische Genauigkeit legt, der sollte diese Reihe wahrscheinlich besser meiden.

 

Das Szenario dieses Bandes mit seinen Protagonisten und Einfällen ist recht einfach in seiner Konzeption, da es nicht unbedingt mit neuen und gewagten Ideen auftrumpft und dessen Ausbrüche von Gewalt und die Anwesenheit von etlichen leichtbekleideter Damen auch nicht über seine Schwächen hinweg täuschen. In diesem Zusammenhang sind auf jeden Fall die Bilder von François Miville-Deschênes erwähnenswert, der auch am Szenario mitgearbeitet hat. Dies dürfte auf jeden Fall ein Name sein, den man sich merken sollte und von dem man noch einiges erwarten kann. Dann hoffentlich mit einem besseren Szenario, den diesmal enttäusch Runberg und bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück – egal ob der Cliffhanger am Ende des Bandes zumindest weiteren Appetit auf die Reihe macht.