Vorbemerkung:Das erste Spiel von Vlaada Chvátil das mir in die Hände fiel, war das ebenso unterhaltsame wie schräge Party Spiel „Mein Name ist Hase Elch“. Das Spiel erschien seinerzeit bei Czech Games Edition und wurde in Deutschland vom Heidelberger Spiele Verlag vertrieben. Leider ist dieses Spiel aktuell vergriffen. Seit dieser ersten Begegnung, lief mir der Autor bei meinen Streifzügen durch die Programme der Brettspielverlage immer und immer wieder über den Weg. Aus seiner Feder stammt die sehr erfolgreiche Umsetzung des Mage-Knight-Miniaturen-Spiels als Brettspiel und aktuell hat auch der Heidelberger Spiele Verlag wieder zwei Titel der Czech Games Edition im Sortiment: Dabei handelt es sich um die Titel „Dungeon Lords“ und „Dungeon Pets“ die beide in ein und derselben Welt spielen. Diese Rezension widmet sich dem aktuelleren Spiel „Dungeon Petz“.
Das Spiel:„Dungeon Petz“ erklärt endlich, wo die ganzen Monster herkommen, die all diese unterirdischen Verliese der Fantasyliteratur bevölkern. Die Antwort ist überraschend einfach: Sie kommen aus Zooläden. Diese werden als Familienbetriebe von Kobolden geführt. In einer Partie „Dungeon Petz“ übernehmen die Spieler (maximal vier, mindestens zwei) die Kontrolle über einen solchen Kobold Stamm und lenken das Familienunternehmen. Das Geschäft ist hart, schnell und auch gefährlich. Weniger wegen der anderen Koboldmitbewerber am Markt, sondern weil auch das putzigste Kuschelmonster manchmal das Bedürfnis hat, etwa aggressiv zu sein und versucht aus seinem Käfig zu türmen...
Das Spiel selber ist verhältnismäßig einfach und sollte für jeden motivierten Spieler erlernbar sein. Es ist ein halbwegs strategisches Spiel, welches an Aufbau- und Platzierungsspiele wie „Stone Age“ und „Agricola“ erinnert, jedoch auf Grund einer Karten-Zieh-Mechanik eine ausgewachsene Portion Zufall beinhaltet. Durch ein im Spiel selber implementiertes frühes Aufdecken von Zielen und Herausforderungen für die kommenden Runden, kann aber durchaus eine gezielte Planung auf folgende Runden erfolgen.
Der Einstieg in die Welt von „Dungeon Petz“ wird durch das wunderschöne und hochwertige Spielmaterial versüßt, zu dem auch eine gut geschriebene Spielanleitung gehört. Eines vorne weg: Egal wie erfahren man als Brettspieler ist, die ersten Runden werden Zeit und Nerven kosten. Die schiere Menge an Aktionsmöglichkeiten überfordert einen neuen Spieler zunächst und wenn man den Bogen raus zu haben beginnt, sind viele Weichenstellungen einfach schon gelaufen, so dass man beim ersten Spiel ein etwas zufälliges Endergebnis erhält.
Grade wenn man Gelegenheitsspieler mit am Tisch hat, kann das zu einigen Längen und Unstimmigkeiten während der ersten Züge führen. Doch schon ab der zweiten Runde, kommt viel mehr Ruhe und Übersicht in die Aktionen und es entwickelt sich ein lohnendes Spielvergnügen. Spätestens ab dem zweiten kompletten Spiel sitzen die Optionen und Berechnungsarten und man lacht nur noch über die ersten Unbeholfenheiten von zwei Stunden zu vor.
Das Spielgeschehen wird in 5 bis 6 (abhängig von der Spieleranzahl) Runden abgewickelt, von denen jede in 6 Phasen (1. Aufbau, 2. Einkauf, 3. Bedürfnisse, 4. Angeben, 5. Bizniz , 6. Altern) eingeteilt ist.
Zu Beginn eines Spiels kommen der Hauptspielplan und der separate Fortschrittsplan in die Mitte des Spieltisches (auf dem Haupt-Spielplan findet dann die eigentlich Action des Spieles statt, während der Fortschrittsspielplan nur Informationen bereitstellt) und jeder Spieler erhält zunächst 6 der insgesamt 10 verfügbaren Plastikkobolde seiner gewählten Farbe sowie eine Übersicht über seinen eigenen Koboldbau-Plan und einen Schaukäfig-Plan, die beiden letztgenannten Papptafeln sind die Spielerpläne. Der Bau dient der Koboldfamilie als Unterkunft, Schatz- und Speisekammer, die Schaukäfig-Platte stellt die Stallung(en) dar, in denen die Viecher leben.
Ihren Bau verlassen die Kobolde durch einen von sechs Tunnel zu ihren Besorgungen auf den liebevoll gestalteten Haupt-Spielplan. Dort befinden sich Aktionsfelder, die angesteuert werden können. Die Reihenfolge in der die Spieler die Aktionsfelder ansteuern dürfen hängt von der Größe des ausgeschickten Koboldtrupps ab. Größere Trupps agieren vor den kleineren Trupps von Mitspielern. Die Tunnelausgänge werden zunächst verdeckt von jedem Spieler mit einer beliebigen Kombination von Kobolden (und Gold) bestückt und dann aufgedeckt. Jetzt werden nacheinander die Tunneleingänge 1 bis 6 der Spieler verglichen und abgearbeitet. Dabei ziehen die großen Trupps zuerst los und kommen somit auf dem Spiel-Plan an die beliebteren Felder, während man sich mit kleineren Trupps etwas gedulden muss. Das System wird noch mittels der Beigabe von Goldmünzen leicht modifiziert und ist ebenso simpel wie ausgeklügelt.
Auf dem Haupt-Spielplan angekommen, können die Kobold-Trupps neue junge Kuschel-Monster (oder kurz Viecher genannt) für den Laden kaufen, es gibt aber auch Aktionsfelder auf denen Futter für ihre Schützlinge, komplette neue Käfige oder Anbauten für bestehende Anlagen erworben werden können. Denn hat man nicht genug Käfige, hauen einem die Viecher einfach ab, hat man nicht genug zu futtern am Lager wenn die Kuschel-Monster Hunger bekommen, sammeln sie Leidpunkte!
Aber auch wenn man sie im Käfig hat, versuchen die Biester hin und wieder auszubrechen. Nicht immer sind die Käfige alleine stark genug, das zu verhindern. Dann braucht es mutige Kobolde, die die Viecher wieder einfangen und sich danach eine Weile im Hospital davon erholen müssen. Es ist daher durchaus sinnvoll Teile der Sippe zu Hause in der Monsterbetreuung einzusetzen, statt sie auf den Haupt-Spielplan zu schicken.
Doch weiter zu den Aktionsfeldern: Im Hospital kann man entweder für die Monster einkaufen (Schlaftränke zur Beruhigung der Kuschel-Monster) oder aber seine verletzet Verwandtschaft aufpeppeln lassen und nach der Genesung wieder abholen (von selber kommen Kobolde nicht wieder aus dem Krankenbett zurück zur Arbeit. Da muss man schon jemanden schicken, der sie abholt!).
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, von einem Händler Artefakte zu kaufen, die einem das Leben erleichtern, es gibt die Option, einen eigenen Kobold in den Kreis der Preisrichter einzuschleusen (jaja, es gibt richtiggehende Monster-Tier-Schauen, bei denen die Viecher nach unterschiedlichsten Kriterien bewertet werden und da hilft es natürlich immer, wenn man nicht nur das beste Viech sondern auch noch einen eigenen Preisrichter am Start hat) und ein Podium, um dort seine „Ware“ zu versteigern. Aber wie im richtigen Leben gilt, dass die guten Plätze nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Daher muss man sich genau überlegen, wie viele Trupps mit wie viel Gold und Kobolden man ausschickt, um auch immer die Aktionsfelder besetzt zu bekommen, die einem weiterhelfen.
Das Spiel gewinnt man, in dem man Ansehenspunkte erwirtschaftet.
Diese bekommt man zum einen durch artgerechte Haltung und Aufzucht der Viecher. Wie erfolgreich man sich bezüglich dieser Punkte anstellt, wird mit den grade schon erwähnten Monster-Schauen bewertet, bei dem je nach aufgedeckter Schau-Karte, entweder der ganze Stall mit all seinen Bewohnern sämtlicher Kobold-Zoohändler einem Vergleich unterzogen wird oder aber in Einzelschauen, in denen jeweils das beste Viech ins Rennen um die Punkte geschickt wird.
Und sollte man es übers Herz bringen (und die kleinen Biester mindestens eine volle Runde in seiner Obhut gehabt haben), kann man sie ab der 3. Runde an die besuchenden Dungeon Lords verscherbeln, die stetig Nachschub für ihre Verliese suchen. Auch hierfür bekommt man, je nach dem wie gut angepasst an die Wünsche der Kunden man sein Viech liefern kann und wie geschickt man sich beim Verkauf anstellt, weitere Ansehenspunkte und das nötige Kleingeld um weitere Jung-Tiere (sog. Jährlinge) anzuschaffen und den Kreislauf erneut beginnen zu lassen.
Dabei muss man auf so vieles ein Auge haben, z.B. auch darauf, dass man es schafft, vor Spielende den Rest der Koboldsippe in seinen Familienbetrieb einzubeziehen. Denn wer von denen auf der Strecke bleibt und nicht mit anpacken darf, kostet am Ende Ansehenspunkte. Überhaupt ist das Spiel moralisch angehaucht. Tier..., ich meine natürlich Monsterquälerein, gehen gar nicht. Schlechtbehandelte oder vernachlässigte Tiere leiden. Leidende Tiere bekommen Leidpunkte. Diese sind schlecht fürs Ansehen und irgendwann so schlecht für die Viecher, dass sie eingehen. Und das wollen selbst die faulsten Kobolde nicht. Also heißt es lieber auch mal Mist wegschaufeln, Viecher im Käfig bespaßen oder doch auf dem Markt frisches Gemüse oder Fleisch beischaffen...
Die Wünsche und Bedürfnisse der Viecher (Hunger, „Kacken“ (jaja, so heißt es da...), Spiel und noch andere Kategorien) und ihre Befriedigung sind ein Hauptbestandteil des Spieles.
Jedes Tier hat eine unterschiedliche Anzahl von Bedürfnissen. Dieser muss sich der Kobold-Zoohändler annehmen. Und weil sich die Tiere entwickeln und wachsen, ändern sich mit ihrem Alter auch ihre Ansprüche. Ist ja klar.
Die Bedürfnisse werden über Spielkarten simuliert, die nachgezogen und den Viechern jede Runde neu zugeordnet werden müssen. Wie gelungen man diese Karten und Viecher kombiniert und wie vorausschauend man sich vorbereitet hat, hat maßgeblichen Einfluss auf die Zufriedenheit der Viecher, aber auch auf die Zufriedenheit der Preisrichter und kaufinteressierten Kunden und diese Zufriedenheit bedeutet Ansehen.
Um das Spiel zu lernen ist es angeraten, sich selber nicht zu ernst zu nehmen und sich in die Hand der gelungenen Spielbeschreibung zu geben, denn der Autor schreibt sehr lustig, stets mit einem Augenzwinkern, was auch in der Übersetzung des Heidelberger Teams gelungen rüber kommt. Alleine das Studium der Anleitung macht schon Lust aufs Spiel.
Die Regeln werden zunächst in einer völlig ausreichendenden Basisversion dargestellt (in kleinen Kästchen wird auf die Besonderheiten für ein Spiel mit weniger Spielern hingewiesen, wie etwa die Dummy-Mitspieler) und es werden weiterführende Fortgeschrittenen Regeln an das Ende des Regelheftes gestellt. Wie gesagt, die Lektüre macht schon Lust aufs Spiel. Und die erste Runde nimmt gegen der Hälfte des ersten kompletten Spiels richtig Fahrt auf, weil man dann langsam den Bogen raus hat. Es macht Sinn, direkt nach dem ersten Spiel eine zweite Runde nach zu legen.
Hat man dann den Dreh erst einmal raus, ist „Dungeon Petz“ ein wunderbares Spiel, welches die gelungenen Momente von Spielen wie „Agricola“ und „Stone Age“ in einem Fantasy-Rahmen unterbringt und den direkten Vergleich mit diesen Spielen nicht scheuen muss.
Das Fazit:„Dungeon Petz“ ist endlich mal wieder ein einfach schönes Spiel. Das ist wörtlich zu verstehen. Die Spielmaterialien sind toll, ein Großteil der Spielsteine ist aus Holz und alle graphischen Ausarbeitungen auf den diversen Spielplänen, Karten, Pappmarkern und so weiter, sind optisch wunderbar gestaltet.
Man merkt hier sowohl dem Spieleautor als auch seinem Designer den Spaß bei der Arbeit so was von an.
Das Spiel selber macht unheimlich viel Spaß, die drolligen Kuschel-Monster (zu jedem gibt es eine kurze Beschreibung in der Anleitung!) wachsen einem sofort ans Herz und man hat bald das Gefühl, nie ein anderes Bestimmung im Leben gehabt zu haben, als einen Kobold-Zoo-Laden führen zu wollen.
Als einziges Manko muss man ausführen, dass es einiges an Mikromanagment zu bewältigen gibt. Spielern, die aus Erfahrung wissen, dass diese Art von Buchhaltung ihrem Spielstil nicht entgegenkommt, muss man fairerweise vor der Anschaffung zu einer Proberunde raten. Abgesehen davon, empfehle ich das Spiel für alle Spieler, die keine Berührungsängste mit Spielen von leichter bis mittlerer Komplexität haben und die dem Fantasy-Thema „Kuschel-Monster“ etwas abgewinnen können.
Was man Vielspielern auch vorher sagen sollte ist, dass bei „Dungeon Petz“ wenig direkt gegeneinander gespielt wird. Die einzigen wirklichen Konkurrenz-Momente gibt es, wenn ausgekungelt wird, wer welche Aktionsfelder auf dem (so schön und detailreich gestalteten) Hauptspielplan ergattern kann. Aber auch das Ganze wird durch ein ebenso einfaches, wie charmantes verdecktes Bietsystem in Gestalt von Kobold-Trupps und ganz ohne Kampf oder Hauen und Stechen gelöst.
Es fällt auf, dass jeder Spieler schon mehr für sich selber an seinem Master-Geschäftsplan herumbastelt, als dass man in direkte Konkurrenz mit seinen Mitspielern treten würde. Mir persönlich gefällt das sehr gut. Das Spiel hat wenig „Böses-Blut“-Potential entfaltet bei den Proberunden und ich würde es daher auch Familien empfehlen, die ein wenig Erfahrung mit Brettspielen mitbringen und deren Kinder auch schon mit Worten wie „Kacke“ konfrontiert werden können.
Das Spiel ist interessant und lädt zum planen ein, weil nicht (nur) der Zufall König ist, sondern durch das frühere Aufdecken von Kunden- und Schaukarten ein gewisses planerisches Element das eigene Handeln bestimmen kann. Ein dicker Pluspunkt ist, dass das ganze Spielmaterial total schön gestaltet ist. Für ziemlich genau 35 Euro Kaufpreis bekommt man hier mehr als angemessenen Spielspass und Materialien in der vollgepackten Schachtel. Einzig was die Haltbarkeit der Pappplatten angeht, kamen bei uns Zweifel auf. Nach den Probespielen zeigten sich an den Kobold-Bauten schon einige abgestoßene Ecken und Kanten, obgleich alle Spieler am Tisch friedlich und respektvoll mit den Sachen umgegangen waren. Da wird die Zukunft zeigen, ob sich diese Abnutzung weiter fortsetzt oder stagniert.
Bis auf dieses kleine Kritikpünktlein gibt’s von mir für „Dungeon Petz“ eine absolute Kaufempfehlung!
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