Vorbemerkung:Descent – Die Reise ins Dunkel (im Folgenden: D1E) war immer schon ein sehr komplexes Spiel, dessen Abenteuer immensen Zeiteinsatz erforderten. Auch waren nicht alle Spieler mit der Spielbalance einverstanden. Noch vor Erscheinen der Erweiterungsbox „Die Schrecken des Blutmeeres“, die die letzte für D1E wurde, wurde daher unter Fans diskutiert, ob es wohl weitere Erweiterungen oder doch eine komplett überarbeitete 2. Edition des Spieles geben solle.
Die Antwort auf diese Frage liegt seit einiger Zeit in den Spieleläden bereit. Mit Descent – Die Reise ins Dunkel – Zweite Edition (im Folgenden D2E) will ein neues Designerteam, ohne den ursprünglichen Autoren Kevin Wilson, das Spiel entkernen und dabei runder und insgesamt spielbarer machen.
Als Freund von D1E stand ich der neuen Edition von Anfang an eher skeptisch gegenüber. Zu sehr habe ich mich mit dem klobig-sperrigen D1E angefreundet, um all das liebgewonnene Material einfach so aufzugeben und in ein neues Spiel zu investieren (finanziell, wie emotional). Viele von den angesprochenen Verbesserungen kamen mir eher wie Beschneidungen des Spielspaßes vor. Doch irgendwann steckte mich der Enthusiasmus unseres D1E-Overlordspielers insoweit an, als das ich mich auf ein paar Neuerungen freute und eine gewisse Neugier dem Gesamtkonzept gegenüber entwickelte. Dennoch hatte ich gemischte Gefühle, als ich meine nagelneue D2E-Schachtel öffnete und begann, den Inhalt zu sichten.
Der Inhalt und die Qualität des Materials:War die Schachtel der Ersten Edition noch ein wahres Monster mit epischen Ausmaßen und beeindruckendem Gewicht (u.a. wegen einer Unmenge an Plastik-Miniaturen (80 Stück), Spielkarten, Bodenteile und sonstigem Pappmaterial), hält D2E hier eine erste Änderung parat. Das Spiel kommt in einer Kiste, die von der Grundfläche lediglich einer D1E-Erweiterungsbox entspricht, auch wenn sie etwas höher geraten ist. Öffnet man die Schachtel, was sich zumindest bei meinem Modell überraschend schwer gestaltet, da Deckel und Boden nicht wirklich gut zueinander passen, findet man zu oberst zwei dicke, vollfarbige Hefte in ca. Din A 4 Format. Dabei handelt es sich um die „Spielregeln“ und „Das Buch der Abenteuer“.
Optisch werden sowohl auf den Heften als auch auf der Schachtel, die Motive und das Layout der Ersten Edition weitergeführt. Der farbliche Grundton bleibt beim gewohnten Blau-Grau, die Schriftzüge bleiben gleich etc. Der Druck in den Heften ist gut geworden. Die beiden Bände fühlen und schauen sich gut an.
Die sehr ansehnlich gewordenen Pappteile (Bodenplatten und diverse Marker) sitzen fest in ihren Stanzbögen und müssen vor dem ersten Spiel sorgsam herausgelöst werden.
Die Bodenplatten, auf denen sich die Helden und Monster später bewegen werden, sind deutlich aufgewertet worden. Es gibt größere Platten, es gibt viel mehr Detail auf den einzelnen Stücken. Allerdings fällt auf, dass es keine Terrain-Marker mehr gibt. Hindernisse (Wasser, Gruben, Lava) sind nunmehr fest auf den Bodenplatten (die alle durchnumeriert sind) angebracht. Das sorgt für ein übersichtlicheres Geschehen auf dem Spielfeld, weil einfach weniger Pappmarker eingesetzt werden, die dann herumliegen und verschoben werden können. Allerdings verliert das Spiel damit in hohem Maße kreatives Potenzial, weil durch die vorgefertigten Bodenplatten kaum mehr die Möglichkeit der Individualisierung besteht.
Unter den insgesamt knapp mehr als 200 Pappmarkern gibt es auch Einbußen, etwa keine Plättchen mehr für die diversen Tränke. Marker für Lebens- und Ausdauerpunkte sind aber wieder in Hülle und Fülle vorhanden. Ebenso Plättchen für die Hauptleute des Overlords und noch einiges anderes mehr.
Alle Pappmaterialien lassen sich wunderbar aus den Bögen lösen und überzeugen mit einer klasse Gestaltung, einer angenehmen Dicke und dem unausgesprochenem Versprechen einer langen Haltbarkeit.
Unter dieser ersten Schicht finden sich in einem Zipptütchen die neuen Würfel und daneben die erste Enttäuschung. Auch wenn der 9teilige Würfelsatz zunächst an die D1E Würfel erinnert, gibt es doch auch hier Änderungen. Während die Verarbeitung der Würfel völlig in Ordnung geht, fällt die Farbgebung negativ auf. Die ist langweilig.
Weiter geht es mit deutlichen Einsparungen. Die Miniaturenanzahl ist im Vergleich zum Vorgängerspiel dramatisch eingedampft worden. Es gibt nicht einmal 40 neue Plastik-Miniaturen. D2E kommt also mit weniger als der Hälfte von dem Minis-Material aus, was man in der Vorgängeredition bekam.
Den 20 (!!!) Heldenfiguren von D1E stehen hier lediglich acht relativ detaillierte Heldenfiguren aus grauem Plastik gegenüber. Statt der 60 Monster-Minis kommen 31 Monsterfiguren aus rotem und weißem Plastik (Elite und Standart-Monster) aus der Schachtel. Von der Qualität weichen die Minis meines Erachtens nicht groß voneinander ab, egal welcher Edition man sich bedient. Allerdings sind alle Figuren und Typen in D2E neu. Keiner der Helden und keines der Monster hat es im Rahmen der Ersten Edition exakt so gegeben. Hier wird ein kompletter Neustart hingelegt.
In der Box tummeln sich neben den obligatorischen Drachen (dieses mal in einer „Schatten“-Variante) noch Goblin-Bogenschützen, Zombies, Höhlenspinnen, Sarkomanten, Ettins, Elementare, Merriods und Bargheste.
Die Monster und Helden werden auf einer Doppelseite am Ende des „Buches der Abenteuer“ vorgestellt. Es sind zum Teil sehr coole, weil sehr ausgefallene Monster am Start (bspw. der Sarkomant) die einen Gegenpol gegenüber klassischen Monstern wie den Zombies und den Goblins darstellen.
Die Minis wirken teilweise extrem zerbrechlich und anfällig für Transportschäden (ich nenne einfach mal beispielhaft hierfür die langarmigen Merriods), auch wenn es in meiner Schachtel kein Monster, sondern einen der Helden erwischt hatte. Dessen Schildarm war einfach am Gelenk abgebrochen. Eine kurze Mail an den Heidelberger Spieleverlag sorgte hier (wie gewohnt vorbildlich) unbürokratisch und schnell für Abhilfe. Dass die mir geschickte Austauschfigur aber selber kleinere Mängel, wie etwa ein größeres Loch in ihrem Umhang aufwies, steht auf einem anderen Blatt.
Die Abstriche beim Material erklären, warum D2E in einer deutlich kleineren Schachtel ausgeliefert werden konnte. Einerseits freue ich mich darüber, weil mir als Vielspieler langsam der Platz für neue (übergroße) Spiele auszugehen droht. Andererseits schlägt sich die Reduzierung des Materials nur geringfügig im Verkaufs-Preis nieder. Ich habe Mitte der 2000er 60 Euro für meine D1E-Box gezahlt. Der Preis für D2E liegt in der deutschen Version zwischen 50 und 60 Euro, für die englische Version werden sogar Preise jenseits der 60 Euro Grenze verlangt. Bei aller Liebe zum hochwertigen Material - das ist im Vergleich einfach zu viel.
Die Spielmaterialen sind dennoch allesamt sehr ansehnlich geworden. Einzig bei den Würfeln bin ich unzufrieden. Die Minis aber sind toll und abwechslungsreich. Die Hefte gut ausgelegt, die Regeln ordentlich erklärt, die Übersetzung gelungen und die Pappteile sind passend und stimmungsvoll gestaltet geworden. Man bekommt schon auch einiges an Gegenwert mit der Anschaffung der D2E.
Aber wo wir grade beim Thema Geldausgeben für das neue Spiel gewesen sind, darf hier der Hinweis auf das „Upgrade Kit“ nicht fehlen.
Um die Spieler der D1E nicht völlig von ihrem liebgewonnen Material zu trennen, ist mit dem „Upgrade Kit“ eine Möglichkeit erschienen, das eine Übertragung sämtlicher Miniaturen aus der kompletten D1E in das neue Spiel verspricht. In dieser kleinen Schachtel (die für runde 20 Euro zu bekommen ist) finden sich die auf die Spielerregeln und Werte der D2E gebrachten Monster Spiele-Karten und Heldenbögen für alle (ja, alle!) bisher in den Verkehr gebrachten Figuren der D1E. So sind auch die vier Promo-Helden vertreten und es werden alle Erweiterungen abgedeckt.
Um Unklarheiten vorzubeugen: Das „Upgrade Kit“ besteht „nur“ aus Papier. Nicht eine einzige Miniatur ist enthalten. Lediglich die Spielkarten und Heldenbögen finden sich in der Schachtel. Dennoch empfehle ich die Anschaffung dieses Sets allen Spielern, die eine gewisse D1E Sammlung ihr Eigen nennen. Durch einen Winkelzug in den Regeln (Stichwort: Offene Monstergruppe) lassen sich die Monster der D1E in die neuen Queste oftmals einbinden und die Heldenspieler bekommen auf einmal eine nennenswerte Auswahl an Heldenoptionen. In Spielerkreisen wird kontrovers diskutiert, in wie weit sich das „Upgrade Kit“ negativ auf die Spielbalance auswirkt. Unabhängig davon sollte man sich sein Kit schnell sichern (wer weiß schon, wie lange dieses Nischenprodukt erhältlich sein wird!) und sich hinterher um Balance Gedanken machen. Die Aufwertung durch das Kit führt zu einer deutlich erhöhten Wiederspielbarkeit und verhindert, dass man „totes Material“ in Form unbenutzbarer Minis im Regal hat. Selbst wenn man nicht über alle Erweiterungen verfügt, sollte man eine Anschaffung ernsthaft prüfen.
Das Spiel:Vom Spielprinzip hat sich zunächst augenscheinlich nichts Grundlegendes geändert. D2E bleibt ein zumeist auf einen Dungeon-Crawl hinauslaufendes Fantasy Brettspiel mit rollenspielartigen Elementen. Das Spiel ist auf 5 Spieler ausgelegtes von denen einer dabei die Rolle des Gegenspielers (mit dem unveräderten Titel des „Overlords“ übernimmt. Dessen fiesen Machenschaften stellen sich bis zu vier Helden entgegen. Sei es unterirdisch in Verliesen oder unter der Sonne Terrinoths, D2E bedient beide Umgebungen aus der Grundbox heraus.
Anders als sein Vorgänger liefert D2E bereits in seiner Grundbox einen kompletten Kampagnenmodus, bietet aber auch die Möglichkeit, einzelne Abenteuer aus dem „Buch der Abenteuer“ ohne größeren Zusammenhang (in zwei „Schwierigkeitsgraden“) zu spielen. Damit nähert sich das Spiel weiter meinem Genre-Favoriten HeroQuest an. Ein Schritt den ich grundsätzlich erst einmal begrüße.
Der Stil und sonstiges:Mit der neuen Edition sollten die großen Probleme von D1E angegangen und möglichst abgestellt werden. Dies waren (ohne dass die Aufzählung den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt) die teilweise mangelnde Spielbalance, die zu komplexen (und nicht immer passend aufeinander abgestimmten) Regeln und die daraus resultierende extrem lange Spielzeit. Ziele der D2E sollte also eine kürzere Spieldauer, durch einfachere Regel und Entkernung des Spielsystems werden. Dadurch wollten die Designer das Spiel einsteigerfreundlicher machen.
Diese Ziele haben die Designer auch im Großen und Ganzen (Zweifel gibt es bzgl. der Spielbalance immer noch....) erreicht. Es fragt sich nur um welchen Preis.
Die Spielbarkeit des Spieles ist unstreitig deutlich größer geworden. Die einzelnen Queste sind in annehmbarer Zeit (zumeist deutlich unter 2 Stunden!) spielbar.
Dabei wurden die Grundzüge der Regeln beibehalten. Wobei vieles vereinfacht, gekürzt oder in Stromlinienform gebracht wurde. Weiter gilt: Helden und Monster agieren in jeder Runde über 2 Aktionen. Mögliche Aktionen sind Bewegung, Angriff, Suchen, gefallenen Mithelden aufhelfen, sich ausruhen usw. Das umständliche Zuteilen von Heldenbefehlen am Anfang eines jeden Heldenzuges entfällt. Die Helden sind in ihren Handlungsmöglichkeiten flexibler geworden.
Dem Overlord wird die Restriktion aufgegeben, seine Monster nunmehr gleich zu Beginn einer Quest auf dem Spielplan aufzubauen und sie dann nicht mehr „frei Schnauze“ aktivieren zu können. Die Aktivierung muss vielmehr geordnet nach Gruppen abarbeiten. Diese Beschränkung führt überraschenderweise auch zu einer Beschleunigung des Ablaufs.
Das aus D1E bekannte System mit Lebens- und Erschöpfungspunkten bei den Helden wurde beibehalten. Allerdings gibt es keine Wiedergeburt von besiegten Helden mehr. Auch eine Rückkehr in die Stadt während einer Quest gibt es nicht mehr. Helden, deren Lebenspunkte aufgebraucht sind, werden niedergestreckt und müssen entweder von einem Kollegen aufgeholfen bekommen (für eine Aktion des Helfers) oder sich selber wieder aufrichten (was dann beide eigenen Aktionen kostet). Mir hat das alte „Wiedergeburtssystem“ aus D1E nicht wirklich gefallen, also kann ich mich mit dieser Neuerung gut anfreunden. Der Weisheit letzter Schluss ist aber auch das neue System nicht.
Die Erschöpfungspunkte erlauben nach wie vor den Einsatz bestimmter Effekte (bspw. weitere Felder laufen), können aber auch zur Aktivierung von Helden-Fähigkeiten eingesetzt werden.
Das Fertigkeits- und Heldentatensystem der Helden wurde grundlegend umgestaltet. Jeder Held bekommt zu Beginn eines Abenteuers entsprechend seiner Klasse eine Startausrüstung und eine Grundfähigkeit, sowie zwei klassenunabhängige besondere Charakterfähigkeiten. Die schwächere Fähigkeit steht dem Helden das ganze Spiel über zur Verfügung während die schön betitelte „Heldentat“ nur einmal pro Szene eingesetzt werden kann und damit an die „Encounter Powers“ aus D&D 4E erinnert.
In D2E gehört jeder Held zu einer Klasse. Jede Klasse untergliedert sich nochmals. Im Grundspiel gibt es für jede Klasse zwei Spezialisierungen, die jeweils leicht andere Fertigkeiten an den Tag legen. Mit kommenden Erweiterungen dürften dann sicherlich neue Klassen und neue Gruppen für bestehende Klassen eingebracht werden.
Die Kampfregeln sind sehr ähnlich erhalten geblieben, auch wenn das Institut der Sichtlinie einer Neufassung unterzogen wurde, was bei alten D1E Spieler manchmal zum Haare raufen führt.
Der Kampf, egal ob Nah-, Fernkampf oder mittels Magie, wird auch weiterhin mit Würfeln abgehandelt.
Diese wirken auf den ersten Blick zwar ähnlich, es finden sich weiter die aus D1E vertrauten Symbole für Energieverstärkung, Reichweite und Lebenspunkte darauf, allerdings sind die Anordnungen und die Würfel selber verändert worden. Dazu kommt ein neuer Würfeltyp: Der Verteidigungswürfel. Von diesem neuen Typ gibt es zwei Versionen (grau und den stärkeren braunen), von der dem Spiel aber jeweils nur einer beiliegt. Im Kampf werden nunmehr nicht mehr feste Rüstungswerte genutzt um festzulegen, wie viel Schaden eines Angriffes abgewehrt werden konnte.
Vielmehr wird jetzt (HeroQuest lässt grüßen) gewürfelt, wie viel Schaden der Held oder das Monster bei jedem Angriff vermeiden konnten. Leider macht das Würfeln eines einzelnen Würfels nicht so viel Spaß, wie es seinerzeit beim Verteidigungswurf in HeroQuest, mit mehreren Würfeln, der Fall war. Grundsätzlich begrüße ich die Änderung, weil sie ein statisches Element aus dem Spiel nimmt und so taktische Planbarkeit in manchen Situationen deutlich verändert. Und weil die alte statische Verteidigungszahl, neben der langweiligen Zauberei, eine meiner eigenen Kritikpunkte an D1E dargestellt haben. Die Umsetzung überzeugt mich allerdings nicht zu 100 %. Immerhin kann man aber die Anzahl der zur Verfügung stehenden Würfel durch Ausrüstung ein wenig beeinflussen.
Magie ist leider immer noch langweilig und im Prinzip weiterhin nur eine Unterart des Fernkampfes. Hier wurde die Chance verpasst, thematische Zaubersätze einzuführen, wie man sie von HeroQuest her kennt.
Um das Spiel schneller zu machen, wurde der Overlord seiner Institution „Drohmarker“ beraubt. Ein spezielles Overlord-Deck gibt es aber weiterhin, was aus zumindest 15 Karten zu bestehen hat und vom Overlord in Massen modifiziert werden kann. Die Verratsmechanik gibt es auch nicht mehr.
Zu den größten Stärken von D2E zählt aber der bereits in der Grundbox angelegte Kampagnenmodus. Das „Buch der Abenteuer“ hält genug Abenteuer für eine komplette Kampagne von 20 Stunden Spielzeit bereit.
Unter dem Titel „Die Schattenrune“ sind nur wenige Abenteuer der enthaltenen Kampagne bereits vor Spielbeginn festgelegt, was zu einer hohen Wiederspielbarkeit führt, da die Kampagnenverläufe sehr unterschiedlich gespielt werden können.
Feste Bestandteile der Kampagne sind lediglich das Abenteuer zum Beginn, der sog. „Auftakt“, ein „Intermezzo“, also ein Zwischenspiel zwischen dem Wechsel der Schwierigkeitsstufe von Akt I auf Akt II, und ein „Finale“.
Den Rest des Gerüsts können die Spieler nach Gutdünken und unter Berücksichtigung des bisherigen Spielverlaufs aus den im „Buch der Abenteuer“ enthaltenen Herausforderungen frei wählen.
Abenteuer bestehen nunmehr aus Szenen. Im Grundspiel machen regelmäßig zwei Szenen ein Abenteuer aus. Die Szenen sind deutlich kürzer und schneller spielbar, als es Queste in D1E waren.
Jedes Abenteuer hat eigene Siegbedingungen für die Helden und den Overlord.
Inhaltlich sind die Abenteuer auffallend oft nicht mehr nur auf ein „sinnloses“ Abschlachten von Monstern und das Einsammeln ihrer Schätze und Artefakte gerichtet, sondern erzählen eine Geschichte. Der Ausgang der 1. Szene hat nicht selten Einfluss, auf den Aufbau der 2. Szene, deren Sieger auch das jeweilige Abenteuer für sich entscheidet.
Für den neuen Kampagnenmodus spricht die Spielereinbindung, die sich sowohl auf den Overlord als auch die Heldenspieler erstreckt. Dadurch, dass der Ausgang einzelner Abenteuer Folgen für den Kampagnenverlauf hat, der darüber hinaus geht, wer wie viel Geld und Ausrüstung erbeutet hat, wird die Gruppe ins Spielgeschehen hineingezogen. Außerdem hat die Kampagne, eben auf Grund seiner erfolgsabhängigen Struktur der Akt II Abenteuer, ein hoher Wiederspielwert.
D2E spielt sich weniger taktisch und einfach schneller als D1E. Das ist einerseits gut und begrüßenswert, andererseits geht das schon auf Kosten der Spieltiefe und der Vielfältigkeit. In unserer Gruppe war das Pläneschmieden und die Befehlswahl ein fester Bestandteil des Spielspaßes. Außerdem sind mir die Regeln zu einfach und zu beengend geraten. Mir fehlen einfach Sonderfälle, wie etwa der „Stealth“-Würfel aus der „Die Gruft aus Eis“-Erweiterung oder die Möglichkeit, mittels frei beweglicher Hindernismarker das Terrain zu beeinflussen.
Dafür wird der Rollenspiel-Aspekt mehr in den Fordergrund gestellt, in dem die Abenteuer eine fortlaufende Geschichte erzählen, deren Fortgang von den Erfolgen des Overlords bzw. der Helden beeinflusst wird.
Ob und in wie weit den Balance-Problemen mit der Neufassung des Spiels Rechnung getragen wurde, lasse ich an dieser Stelle bewusst offen. Die neuen Missionen des Overlords sorgen für ein ausgeglichenes Spiel. In unseren Probespielen waren die Ausgänge immer recht eng und knapp. Allerdings finden sich im Netz auch schon wieder Stimmen, die die Balance bemängeln. Insbesondere auch wenn noch Elemente aus D1E über das „Upgrade Kit“ ins Spiel eingeführt werden. Da wir in einer sehr homogenen Spielergruppe spielen, sind Balance-Probleme schon bei D1E selten ins Gewicht gefallen. Auch bei D2E sehe ich hier keine zumindest für uns keine nennenswerten Probleme.
Das Fazit:
D2E ist ein kurzweiliges, gut angelegtes Dungeon-Crawl Brettspiel, dessen Stärken die im Vergleich zu anderen Vertretern seines Genres die verhältnismäßig kurze Spieldauer und die leicht erlernbaren Regeln sind.
Thematisch kommt das Spiel vielleicht sogar einem Rollenspielerlebnis näher als sein eigener Vorgänger, da die Quests über deutlich mehr Inhalt verfügen. Das Spielmaterial ist im Großen und Ganzen von erster Güte. Inhaltliches Highlight der Box ist der gelungene Kampagnenmodus.
Dennoch gehen mit den Vereinfachungen der Regeln und der Spielanlage viele Details und Nuancen verloren, die D1E zu einem außergewöhnlichen Spiel und Erlebnis gemacht haben.
D2E ist in meinen Augen keine Fortsetzung oder Weiterentwicklung, sondern vielmehr eine kondensierte, vereinfachte Version eines vormals etwas zu komplex geratenen Fantasy-Brettspieles.
Ob man mit der Light-Version von Descent glücklich wird, hängt sicherlich vom Spielstil und den Vorlieben der Gruppe ab. Sollten zu lange Questdauer, zu taktisch geprägtes Spiel und unerträgliche Balance-Probleme aufgetreten sein, so dürfte D2E die Lösung sein.
Sollte aber in der Gruppe ohne dass es zu Verstimmungen kam, harmonisch und taktisch über Stunden (und Tage) hinweg an einem Abenteuer gearbeitet worden sein, braucht man meines Erachtens D2E nicht wirklich, es sei denn, man braucht ein „Füller“-Spiel, mit ähnlichem thematischen Hintergrund. Hier empfiehlt es sich, den immer häufiger angebotenen Service vieler Spieleläden in Anspruch zu nehmen und sich das Spiel gegen eine (zumeist geringe) Gebühr vor dem Kauf auszuleihen und anzuspielen. Oftmals wird bei einer nachfolgenden Kaufentscheidung der Leihpreis auf den Kaufpreis angerechnet. So muss man nicht die Katze im Sack kaufen und kann sich am Tisch schon mal einen ersten Eindruck verschaffen, ob einem das neue Spielgefühl liegt.
Für Besitzer einer großen D1E Sammlung ist in jedem Falle der Ankauf des „Upgrade Kits“ zu empfehlen, mit dem alle Miniaturen (Helden, wie Monster) für die D2E gangbar gemacht werden. Die Anlage der Abenteuer in D2E macht einen sinnvollen Einsatz der D1E Monster auch problemlos möglich. Und mehr Heldenauswahl zu haben, ist nie verkehrt.
Kurz und bündig: D2E macht Spaß. Auch wenn ich es zum Glücklichsein nicht gebraucht hätte, wird es auf lange Sicht gesehen, seinem komplexeren, problembehafteten Vorgänger den Rang ablaufen. Was ich schade fände, denn D1E war und ist mit all seinen Fehlern ein tolles Spiel und hätte sicherlich noch die eine oder andere lohnende Erweiterung erhalten können. Dennoch können Fantasy-Brettspiele-Fans bei D2E ohne Bedenken zu greifen.
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