Links zur Rezension Inhalt:Der frisch vermählte und überaus vermögende schottische Lord Glenarvan unternimmt mit seiner Frau, Lady Helena und seinem Vetter Major Mac Nabbs, am 26. Juli 1864 eine Jungfernfahrt auf dem eigens für seine reiselustige Frau erbauten Dampfsegler „Duncan“. Zur großen Freude und Überraschung der Passagiere fängt man vor der Küste Schottlands einen Hai und findet in dessen Magen eine alte Flasche, die in mehreren Sprachen den Notruf des schottischen Landsmannes und Entdeckers Kapitän Grant enthält, dessen Dreimaster „Britannia“ als verschollen gilt. Die Buchstaben und Angaben auf den Papieren sind allerdings verblasst und die wenigen Worte, die sich entziffern lassen, ergeben kaum einen Sinn. Aus den wenigen lesbaren Fragmenten und einem langen Abend des Grübelns, vermeinen die Anwesenden, die Nachricht entschlüsselt zu und den Verbleib von Kapitän Grant in Patagonien ausfindig gemacht zu haben.
Wieder zurück auf dem Festland ist Lord Glenarvan entschlossen, die britische Admiralität um ein Schiff zu bitten, welches sich auf die Suche nach Kapitän Grant macht. Allerdings sind die Bemühungen des Lords umsonst, hält man doch die Papiere für unleserlich und in ihren Aussagen für nicht eindeutig. Die Suche nach den Vermissten wird abgelehnt. Zwischenzeitlich hat auch eine Anzeige in der „Times“ über den Verbleib von Kapitän Grant zum Erscheinen von Mary und Robert Grant, den Kindern des vermissten Kapitäns, geführt, die nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem Vater und einer Base aufgezogen wurden. Mit dem Verschwinden ihres Vaters gelten sie nunmehr als Waisen und nach dem Tod ihrer geliebten Base leben jetzt beide in bitterer Armut.
Trotz der Widerstände der Admiralität und wahrscheinlich nicht zuletzt durch das Erscheinen der Kinder ist Lord Glenarvan entschlossen Kapitän Grant nicht seinem Schicksal zu überlassen und bereitet mit seinem Kapitän John Mangles die „Duncan“ für die lange Reise von Glasgow nach Patagonien vor, an der nicht nur er und seine Frau, sondern auch Mary, Robert und Major Mac Nabb teilnehmen.
Bereits 36 Stunden nach dem Auslaufen aus dem Hafen stellt sich die erste Herausforderung der Reise ein: Jaques Elian Francois Marie Paganel, Sekretär der Geographischen Gesellschaft von Paris hat sich nach einer langen Anreise in der Dunkelheit geirrt und ist im Hafen statt an Bord der „Scotia“ zu gehen, versehentlich auf der „Duncan“ gelandet. Nachdem er fast zwei Tage durchgeschlafen hat, ist es natürlich schwierig nun wieder umzukehren. Als Paganel jedoch von Lord Glenarvan das Ziel und die Umstände ihrer Reise erklärt bekommt, zögert er nicht lange und schließt sich der Gruppe an.
Und so erreicht die „Duncan“ nach langer Überfahrt die Bucht von Talcahuano, von wo aus sich der Lord nach Concepcion begibt, um beim britischen Konsul Nachforschungen über den Verbleib von Kapitän Grant anzustellen. Die Mühe ist jedoch vergebens und so macht sich am 14. Oktober Lord Glenarvan mit Mac Nabbs, Paganel, Robert und dem Matrosen Tom Austen mit den wenigen Angaben die sie haben, auf den Weg, um entlang des 37. Breitengrades nach Kapitän Grant zu suchen. Eine Reise, die sie quer durch den südamerikanischen Kontinent führen wird, wobei sie die Kordilleren überqueren und durch die Pampas bis hinein in die Argentinische Tiefebene ziehen müssen. Die Reise ist allerdings nicht ohne Gefahren, wie die Gefährten schon sehr bald feststellen müssen.
Schreibstil & Artwork:Alexis Nesme wurde 1974 in Villefranche-sur-Saône geboren. Bereits in seiner frühen Jugend fühlte er eine Leidenschaft für Comics, doch erst viel später entdeckte er in den Werken von Loisel und Bourgeon die Möglichkeiten, die in dieser Kunst stecken. Nach seinem Abitur folgte ein Studium an der Schule für bildende Künste in Strasbourg, wo er das Atelier von Claude Lapointe, einem bekannten französischen Illustrator für Kinderbücher, besuchte. 1996 gewann er den „Alph art graine de pro“ in Angoulême. Nach seinem Abschluss 1997 arbeitet er zunächst als Presse- und Kinderbuchillustrator. Seine erste Comic-Reihe war „Les Gamins“, deren Szenario von Eric Omond stammte und in den Jahren 2000 bis 2002 beim Verlag Delcourt erschien.
Nesme präsentiert einen zwar leicht erkennbaren Stil, den er allerdings immer mit einer geschickten Mischung aus Direktkolorierung hervorhebt. Zudem legt er generell besondere Sorgfalt auf die Farbkomposition seiner Bilder und scheut sich dabei nicht alle Arten von unterschiedlichen Techniken zu mischen: Öl, Tinte, Kreide, Gouache oder sogar Buntstift. Hierbei stehen insbesondere alternative Lichtszenen, die je nach Farbgebung magische oder beängstigende Wirkung erzeugen durch ihre Gestaltung im Vordergrund. Zu den Künstlern, die ihn stark mit ihrer bildnerischen Arbeit, ihrem Einsatz von Licht und Grafiken beeinflusst haben, gehören insbesondere Kent Williams, Dave McKean und Nicolas De Crécy
In seiner nächsten Serie „Grabouillon“, von der zwei Bände 2003 ebenfalls bei Delcourt erschienen, verwendete Nesme eine bemerkenswerte 3D-Technik, die seine Zeichnungen überaus plastisch erschienen ließen. Er steuerte aber auch seine zum Teil märchenhaften Bilder der bei Delcourt erschienen Reihe von Fabeln des berühmten französischen Autors Jean de la Fontaine bei. Für die französische Post entwarf er ebenfalls Briefmarken, in denen er mit antromorphen Tieren arbeitete. So dürfte es insgesamt also nicht wundern, das er sich bei seiner Adaption des Klassikers „Die Kinder des Kapitän Grant“ von Jules Verne ebenfalls seinen „Tieren“ treu bleibt. Durch diesen Kunstgriff schafft es Nesme dem Leser nicht eine weitere, beliebige Comic-Adaption von Jules Verne vorzulegen, sondern das wohl wichtigste und auch umfangreichste Werk des französischen Schriftstellers auf ganz besondere Art und Weise näher zu bringen: Sämtliche Protagonisten und Akteure sind Tierfiguren, die zugleich auch den Charakter der jeweiligen Figur spiegeln. Was auf den ersten Blick vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig aussieht, entwickelt sich rasch zu einem wahren Glücksgriff in Sachen Darstellung. Hier hat man es zwar auch mit klischeebehafteten Figuren zu tun, doch sind diese wohltuend anders in ihrer Ausführung. Aber auch die Hintergrundgestaltung der Panels ist Nesme geradezu meisterhaft gelungen. Mit seiner Detailfreude gelingt es ihm geradezu magische Bilder zu erschaffen, die in ihrer Perspektive und Farbgebung einfach nicht hoch genug gelobt werden können. Einige sparsam eingesetzte Raffinessen im Zusammenstellen der Panels, die nie zu modern oder aufgesetzt wirken, machen diesen Band zudem zu einem Erlebnis.
Der Roman „Die Kinder des Kapitän Grant“ erschien erstmals 1867/1868 in drei Bänden unter dem französischen Titel „Les Enfants du Capitaine Grant“. Im Jahre 1875 erschien die erste deutschsprachige Ausgabe. Neben dem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ dürfte es sich um das umfangreichste Buch von Jules Vernes handeln, welches sich nicht nur mit einer einfachen Abenteuergeschichte befasst, sondern für damalige Verhältnisse einen tiefen Einblick in die Geologie, Pflanzen- und Tierwelt und klimatische Verhältnisse des südamerikanischen Kontinents gibt. Hier gelingt es Nesme aus der Vorlage die wesentlichen Elemente in ein gelungenes Szenario zu komprimieren und selbst längere Erklärung „versteckt“ er geschickt im Aufbau seiner Panels, so das der Leser stets gut informiert ist, nie aber das Gefühl bekommt einen Roman zu lesen.
Qualität, Ausstattung & Übersetzung:Die Umschlaggestaltung des Splitter Verlages erinnert ein wenig an die Bücher der Verne-Ausgaben des Adolf Hartleben Verlags, die unter dem Namen „Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen“, zwischen 1874 bis 1911 in braunrotem Leinen mit üppiger Goldbedruckung im Groß-Oktav erschienen und dem Leser umgehend ein heimeliges Gefühl vermittelt. Insoweit ein großes Lob an Dirk Schulz und seine Covergestaltung. Natürlich darf auch die qualitativ hochwertige Verarbeitung des Splitter Verlages nicht fehlen und so kann dieser Band nicht nur durch seine optische Erscheinung, sondern auch durch seine Druckbild und die Papierqualität überzeugen.
Bei allem Lob über das zeichnerische Talent von Alexis Nesme, so vermisse ich in Sachen Ausstattung dennoch nicht unbedingt zusätzlichen Angaben oder sogar ein Sketchbook. Solche Inhalte wären nach meinem Erachten diesem Band sogar abträglich. Hier lohnt sich für interessierte Leser unter Umständen ein Blick auf die Homepage von Alexis Nesme. Eine historische Karte ziert den Vorsatz und so kann der Leser dem eingezeichneten 37. Breitengrad und damit der Reiseroute der Gefährten folgen. Das angenehm antiquiert gestaltete Lettering von Sven Jachmann so wie die gelungene Übersetzung von Resel Rebiersch runden diesen Band vollends ab.
Fazit:War ich zu Beginn überaus skeptisch mir diese Adaption des klassischen Stoffes des Altmeisters der modernen SF, die mit amorphen Protagonisten daherkommt, anzutun, so hat sich diese Skepsis rasch gelegt und ich bin absolut begeistert über diese originelle Idee, obwohl im Comic anthropomorphe Figuren oft im Bereich der leichten und vornehmlich an Kinder gerichteten Unterhaltung auftauchen. Zugegebenermaßen muss man die Werke von Jules Verne schon ein wenig mögen, um diesem insgesamt etwas angestaubten Szenario etwas abgewinnen zu können. Hier gehöre ich – wie man sicher bereits unschwer gemerkt hat – zu den erklärten Anhängern von Jules Verne, der dessen Ideen und Szenarien zwar nicht für hohe Kunst, aber stilbildend für eine neue Literaturgattung, den naturwissenschaftlichen Roman, hält.
Phantasievoll und abenteuerlich, dabei aber mit realistischer Färbung, nimmt einen dieser Band mit auf eine unterhaltsame Reise in die Welt des 18. Jahrhunderts und entpuppt sich ganz nebenbei als erstaunliches zeichnerisches Glanzstück. Eine Entdeckung der ganz besonderen Art, bei der man sich unbedingt die Leseprobe anschauen sollte, da die tierischen Protagonisten vielleicht nicht unbedingt jedermanns Geschmack sind.
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