Inhalt(Vorsicht Spoiler!!!)Dreißig Euro! Respekt! Das ist eine Hausnummer für einen Roman! Da wird der Schmerz nur dadurch gemildert, dass es ein wirklich stabil verarbeitetes Hardcover ist, das zudem auch noch wirklich was hermacht. Außerdem kann man sich noch denken, dass man einen kleinen Verlag unterstützt, der ganz sicher nicht in den Stückzahlen drucken lassen kann, wie es die Branchenriesen tun. Aber dreißig Euro! Wow! Bedenke ich aber, dass ich drei vollwertige Romane in einem wertigen (Danke - Christian Schmidt und Gunnar Lott für dieses Wort) Hardcover erhalte, dann ist der Preis schon verständlich, wenn nicht gar gerechtfertigt.
Um meinen einen kleinen Kritikpunkt direkt zu Beginn loszuwerden – das Korrektorat hat auf den ersten 200 Seiten wirklich fast perfekte Arbeit geleistet, aber dann ist es über 30-40 Seiten hinweg echt schwach auf der Brust, bevor es gegen Ende hin wieder etwas sattelfester wird. Da sind neben vergeigten „das/dassen“ und Grammatikhackern oder Sätzen, die im Nirvana enden, alle Spielarten zu finden, aber hey, dafür ist die Übersetzung wirklich gut. Ich hatte seeeehr selten den Gedanken im Hinterkopf: „Wie mag das wohl im Original geheißen haben?“ Um noch einen weiteren Mini-Meckerer anzubringen – ich habe lange kein Buch mehr gelesen, wo ein Lesebändchen so vonnöten war, vielen Dank dafür – aber es hätte 2-3 cm länger sein dürfen. Da das Buch so dick ist, hat das Lesezeichen wenn es hintere Seiten markiert hat, nur noch wenige Millimeter aus dem Buch herausgeschaut. Das waren auch schon meine beiden „Beschwerden“, denn alle drei Romane sind echt klasse. Und zwar alle auf ihre eigene Art. Die Romane sind so verdammt gut, dass ich sicher bin, ihnen in einer Besprechung gar nicht gerecht werden zu können. Ich glaube ich greife einfach ein paar Elemente heraus, um potentiellen Lesern (und damit seid ihr alle gemeint) den Mund wässrig zu machen, ohne ihnen zu viel der Handlung vorzukauen oder gar ihnen Überraschungen zu nehmen.
Wie schon geschrieben, hat jeder Roman ein bestimmtes übergeordnetes „Thema“, wobei über allem das Verarbeiten von Haldemans Vietnam-Kriegs-Erfahrungen schwebt, die auch im wirklich interessanten Interview am Ende des Bandes thematisiert werden. Bei allen drei Romanen liest man permanent – und ich meine wirklich permanent – zwischen den Zeilen Hinweise auf den miterlebten Krieg und die politische Meinung des Autors. Der Clou für mich persönlich im ersten Band „Der ewige Krieg“ sind die „Zeitsprünge“ und das, was Haldeman an ihren jeweiligen Endpunkten erdenkt. Der Begriff „Zeitsprünge“ bedarf einer Erklärung: In diesem Roman geht es darum, dass ein Pärchen Mandella und Marygay eine Soldatenkarriere durchläuft. Permanent geht es auf Kriegszüge gegen eine mysteriöse Alienrasse, die Taurier. Die weiten Transporte per Raumschiff stellen für die Soldaten an Bord jeweils Zeitsprünge dar, denn sie altern nur leicht, kehren sie aber auf die Erde oder andere Planeten zurück, sind dort Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte vergangen. Das geschieht im Buch mehrfach und jedes Mal kehren die beiden in eine Welt zurück, die sich total gewandelt hat und ihnen so jegliche Orientierung genommen ist. (Vietnam-Veteranen ick hör euch trappsen.) Welche Welten sich Haldeman aber ausmalt ist absolut lesenswert und auch das Ende ist zwar irgendwie „strange“ aber nicht hoffnungslos.
In „Am Ende des Krieges“ haben sich die beiden dann auf einem Planeten, „Mittelfinger“, niedergelassen, wo etliche alter Kriegsveteranen leben und den modernen Menschen als eine Art „Experiment“ kombiniert mit einer Lebensversicherung dienen. Hier fühlen sie sich zwar halbwegs wohl, wollen aber dennoch mit weiteren Gleichgesinnten ein Raumschiff besteigen, um später zurückzukehren und zu schauen, wie die Menschheit sich dann entwickelt haben wird. Die Frage ist schnell beantwortet, denn ein Problem führt dazu, dass sie nur wenige Jahre später zurückkehren müssen und alle Menschen und Taurier verschwunden sind. Eine Reise zur Erde und dessen größter Siedlung „Disneyland“ soll Klarheit bringen – gerade dieser Teil ist echt toll (eine Mischung als Asimov und „Die grüne Wolke“), aber leider etwas kurz und die Auflösung ist dann doch etwas unbefriedigend. Da hätte man vielleicht noch mehr herauskitzeln können.
„Der ewige Frieden“ ist dann der Abschluss der Trilogie. Aber halt? Was ist das? Keine Rede mehr von den bisher bekannten Helden. Kein Krieg gegen Taurier, nix! Okay, schon verstanden! Es handelt sich gar nicht um eine Trilogie, sondern um zwei zusammenhängende Romane und einen dritten, der lose thematisch dazu passt. Nachdem die Enttäuschung verklungen ist, entwickelt sich dieser Roman dann zum mit Abstand stärksten Teil des Sammelbandes. Die Welt ist in zwei Gruppierungen zersplittert, die einen unbarmherzigen Krieg führen. Im Grunde genommen ein Weiterdenken des Nord-Süd-Konfliktes. Der Held des Romans kämpft auf Seiten des reichen hoch technisierten Nordens und ist Teilzeit-Unidozent und Teilzeit-„Soldierboy“-Lenker, denn der Großteil des Krieges wird von Seiten der Reichen mit Kriegsrobotern geführt, die jeweils in Zehnerteams von per Buchse zusammengekoppelten Operatoren gelenkt werden. Ein klandestiner (Ha! Das Wort wollte ich schon immer mal verwenden) Kreis um den Helden und seine Freundin herum stellt fest, dass Menschen, die über längere Zeit hinweg so miteinander verkabelt sind, automatisch zu Pazifisten werden und entwickeln einen Plan, wie man die gesamte Menschheit zu einer miteinander in Frieden lebenden Zivilisation umwandeln kann. Natürlich kann auch das nicht ganz ohne Gewalt und Verluste abgehen – gerade dieses Gedankenexperiment ist hoch interessant mitzuverfolgen und ganz sicher der Höhepunkt der gesamten 650 Seiten. Was mir dann aber leider zu kurz kommt, ist die Schilderung der Geschehnisse nach dem Staatsstreich – ich finde dazu hätte man noch einen kompletten Roman schreiben können, da geht dann nach langer Vorbereitungszeit alles hoppladihopp.
Ungeachtet meiner kleinen Mäkeleien enthält dieser Sammelband drei hervorragende „a thinking man’s“-Science Fiction Geschichten, die ich wirklich jedem Fan irgendwo zwischen Asimov, Lem, Piers Anthony oder einer klügeren Version von Harrison nur ans Herz legen kann.
Fazit:Ich bin überrascht! Das Teil ist wirklich ausgesprochen gut. Ich hatte ich mich um die Rezi eigentlich nur gerissen, weil das Buch so toll aussah. Aber es hat auch wirklich Spaß gemacht zu lesen. Irgendwie gelingt ihm sogar die Balance aus „schnell und gut zu lesen“ und „Tiefgang, der den schnellen Lesefluss behindert“ zu wahren. Durch sämtliche drei Romane kann man sich nicht einfach durchfräsen oder sie mal nebenbei auf der Toilette sitzend weiterlesen. Man muss immer mit dem Kopf bei der Sache sein, bekommt aber dennoch genügend „Leichtigkeit“ geboten, um zum Weiterlesen motiviert zu sein.
Wer clevere sozialkritische (zumindest in den USA der 70er Jahre) SciFi lesen will, ist hier super aufgehoben. Haldeman kann aber auch mehr – wem das nicht reicht, der bekommt zusätzlich noch blutige Schlachten, technischen Mumbojumbo, wahnwitzige Erfindungen, riesige Raumschiffe…
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