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Ronson Inc. 2 - Grundehrlich
Bewertung:
(3.2)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 01.09.2013
Autor:Willem Ritstier (Autor), Minck Oosterveer (Zeichner)
Übersetzer:James te Beer und Nikolaus Danner
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Wilder Westen
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-447-5
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Dalbert, der Sitz von Ronson Inc., ist eine Goldgräberstadt und so wundert es nicht, wenn der Leser zum Einstieg auf einen glücklichen Chinesen namens Ho Chan trifft, der auf eine scheinbar lukrative Goldader auf seinem Claim gestoßen. Doch anstatt dieses Geheimnis für sich zu behalten, erzählt er seinem Claim-Nachbarn Posman von seinem Fund, der nichts besseres im Sinn hat, als Ho Chan mit einem Stein heimtückisch zu erschlagen, um dann den Claim dann auf sich umzuschreiben zu lassen. Allerdings bleibt der heimtückische Mord an Ho Chan nicht verborgen, sondern wird vom örtlichen Pfarrer beobachtet. Als sich Posman mit dem Leichnam von Ho Chan auf den Weg in die Stadt macht, wo er den Mord an Ho Chan beim Sheriff melden und der Bande von Dorthey Snake in die Schuhe schieben will, trifft er auf den Pfarrer O‘Connor, der seine große Stunde sieht, um an Geld für den Neubau einer Kirche in Dalbert zu kommen. Posman soll ihm fünfzig Prozent aus den Goldfunden des Claims geben, sonst würde er ihn verraten. Doch dieses Gespräch in einer dunklen Seitengasse von Dalbert bleibt nicht ohne Zeugen und zwei kleine Jungs wissen nunmehr um das Gold, den Mord und die Drohung des Pfarrers, sein Schweigen zu brechen. Und so nimmt eine unselige Geschichte ihren Lauf, in der es weitere Tote geben wird.

 

Aber auch die Armee taucht in Dalbert auf, wenn auch nur für einen kurzen Besuch von Sergeant Thom Lovery bei Hugh Ronson, den er mit seiner Truppe für einen Auftrag anheuern möchte. Es geht um Titus Conner und Burton Dogshoe, die einen Korporal ermordet haben und nach ihrer Tat desertiert sind. Die Armee hat auf die Männer eine nicht unbeträchtliche Belohnung ausgesetzt und arbeitet normalerweise in solchen Fällen mit den Männern von Pinkerton zusammen, doch Lovery will sicherstellen, dass die Deserteure ihrer gerechten „Strafe“ zugeführt werden, was nichts anderes heißt, als sich den Prozess und die Errichtung eines Galgens zu sparen. Ronson nimmt den Auftrag an, winkt doch immerhin ein sattes Kopfgeld für die beiden Männer.

 

Allen Anschein nach haben sich die beiden Flüchtigen der Bande des berüchtigten Dorthey Snake angeschlossen haben und so gerät die Gruppe von Ronson Inc. bei ihrer Suche an einige Mitglieder dieser Gruppe, die ihnen nicht nur von den Flüchtigen erzählen kann, sondern auch von einem geplanten Banküberfall in der wohlhabenden kleinen Stadt Guinness Town. Mit dieser Information wäre es für die Agenten von Ronson nicht nur möglich ein dickes Kopfgeld zu kassieren, sondern sich auch der örtlichen Bank als Schutztruppe anzubieten. Ein einfacher Plan, der allerdings rasch über den Haufen geworfen wird, da sich die Dinge in Guinness Town gänzlich anders entwickeln und nicht nur der Bankdirektor sondern auch der örtliche Sheriff seine dunklen Geheimnisse hat.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor Willem Ritstier wurde am 12.06.1959 in Rotterdam geboren. Als Autodidakt begann er seine Karriere mit verschiedenen Serien für das niederländische Magazin „Robbedoes“, welches eine ähnliche Bedeutung wie „Spirou“ in Frankreich hat. Später folgten Veröffentlichungen von Strips für verschiedene niederländische Tageszeitung wie „Algemeen Dagblad“, „Telegraaf“ und „Leeuwarder Courant“ und diverse Arbeiten für Wochen- und Firmenzeitschriften. Zusammen mit dem Zeichner Minck Oosterveer entstanden Comic-Beilagen wie „Zodiak“ und „Nicky Saxx“. Der überaus geschäftstüchtige Holländer verdient sein Geld aber auch mit der Konzeption von Grußkarten und Kalender unter dem Pseudonym „Bill Risty“.

 

In seinem zweiten Band meint es Willem Ritstier etwas zu gut mit seinem Szenario und seinen beiden Handlungsebenen, so als könne er sich nicht entscheiden, welcher Geschichte er den Vorzug geben sollte. Die Geschichte um den Mord am Goldclaim hätte sich sicherlich für ein ruhigeres Szenario geeignet, in dem die Protagonisten von Ronson Inc. ein wenig mehr Charakterspiel an den Tag hätten legen können. So bleibt die Gruppe von Diane Holland, Denny Forever, John McClury und Becker (der immer noch nicht seinen Vornamen verraten möchte) nicht viel mehr übrig, als sich auf die Suche nach den Deserteuren zu machen und dabei auf die Bande von Dorthey Snake zu stoßen. Unterstützung für die Agenten gibt es zudem noch durch einen weiblichen Neuzugang namens Jane Edge, die als Pistolero wie aus dem Nichts in Dalbert auftaucht und von Hugh Ronson umgehend eingestellt wird. So bleibt es insgesamt bei einem dynamisch angelegten Szenario, in dem mehr Sex, Gewalt und Schießereien im Vordergrund stehen, als ein intelligent konzipiertes Szenario. Das ist Schade, da die grundlegenden Elemente eines modernen Western mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe von „Agenten“ durchaus ihren Reiz hat, in dieser Form allerdings nicht so recht überzeugen kann, bleiben doch sowohl die Helden als auch die Schurken (trotz aller Brutalität) seltsam farblos.

 

Auch wenn der 1961 geborene Zeichner Minck Oosterveer mit Comics europäischer Prägung aufwuchs, so war er doch wesentlich mehr an den amerikanischen Klassikern der 30er, 40er und 50er Jahre interessiert. Es war der direkte und unverfälschte Stil mit seinem harten schwarz-weiß Kontrast in dem realistischen Artwork, der es ihm angetan hatte. So verwundert es auch nicht, wenn die Arbeiten von ihm von Zeichnern wie Milton Caniff, Alex Raymond, and Will Eisner beeinflusst sind.

 

Seine erste Veröffentlichung war 1983 mit dem Band „Kronieken van de Platte Aarde: Xorque de Vrijgeborene“. Während seiner Tätigkeit für das „Yèch Magazine“ lernte er Willem Ritstier kennen, mit dem „June Mary“ entstand und in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Arbeiten folgen sollten, wozu insbesondere „Nicky Saxx“ gehörte, die zwischen 2002 bis 2008 in der Tagezeitung „De Telegraaf“ erschien. Minck Oosterveer gehört zudem zu den wenigen niederländischen Zeichnern, die sich auf dem amerikanischen Markt etablieren konnten. Für den Neustart des Magazins „Eppo“ entstand 2009 die Western-Reihe „Ronson Inc.“. Am 17.09.2011 starb Minck Oosterveer bei einem Autounfall.

 

Hatte ich Oosterveer noch im ersten Band der Reihe für seinen wohltuend klassischen Bildaufbau, der durch recht großformatige angelegte Panel beeindruckt, gelobt, so scheint es, als habe er in diesem Band zwar noch ein recht gute Gespür für Perspektiven bewiesen aber seine Ausführungen der Figuren und Hintergründe wirkt noch leidenschaftsloser. Dynamische Szenen erscheinen in den Zeichnungen seltsam hölzern und auch die Proportionen einiger Figuren können nicht immer überzeugen. Selbst Unterschiede in Kolorierung sind für den Laien zu erkennen, der sich beim umblättern auf einmal erstaunt fragt, warum der nächtliche Blauton auf einmal so anders aussieht.

 

Eigentlich ist Oosterveer ein durchaus sehenswerter Zeichner, der sein Handwerk versteht, es aber seltsamerweise nicht schafft sein Talent in dieser Reihe in voller Größe zu präsentieren. Bedauerlicherweise konnte Oosterveer als Zeichner lediglich die beiden ersten Bände der Reihe fertig stellen. Insoweit dürfte es interessant werden, nicht nur ob sondern auch wer diese Reihe als Zeichner unter Umständen fortsetzen könnte.

 

Fazit:

Eine moderne Western-Reihe mit einer Fülle von guten Ideen im Szenario, die durch den Tod von Minck Oosterveer allerdings mit dem zweiten Band schon endet. Weit davon entfernt einfach nur traditionelle Klischees zu bedienen, gibt es hier recht fortschrittliche Charaktere im Wilden Westen, die sich der Agentur von Ronson Inc. angeschlossen haben – egal ob es sich um die lesbische Diane Holland handelt, den schwarze Revolverhelden Denny Forvever oder den eher schweigsamen Messerhelden Becker. Allerdings geht die Arbeit der Protagonisten mit einem zum Teil überaus drastischen Maß an Gewalt und derben Sprüchen einher, welche sowohl das Szenario als auch die Charaktere alleine aber nicht trägt. Ebenso erstaunlich ist der plötzliche Neuzugang von Jane Edge im Team, kennt man doch kaum die bisherigen Protagonisten richtig. Ähnlich verhält es sich mit dem aus dramatischen Gründen eigentlich eher etwas sinnfreien Tod eines der Protagonisten, der ebenfalls nicht so recht stimmig erscheint.

 

So dürfte der tadellose verarbeitete und stabile Hardcoverband für Freunde des Western-Genres sicherlich eine interessante Entdeckung sein, die in einer möglichen Fortführung mit einem anderen Zeichner immer noch recht großes Potential hat, zur Zeit aber irgendwie nicht gänzlich befriedigend ist. In Sachen Ausstattung gibt es in diesem Band leider keine Extras, was allerdings zu verschmerzen ist. Die angenehm zu lesende Übersetzung stammt von dem Duo James te Beer und Nikolaus Danner.

 

Wer über einige Schwächen im Szenario und manchmal über gewisse Brüche in der Entwicklung der Geschichte hinweg sehen kann, der ist mit diesem Band auf jeden Fall gut bedient, bekommt man doch eine recht flott inszenierte Handlung mit viel Action und etlichen Schießereien. Wer eher dem „klassischen“ Western verbunden sollte, dem sei an dieser Stelle eher abgeraten.