Links zur Rezension Der äußere EindruckDie Konzeption des Umschlags und das Design des vorliegenden Bandes stammen, wie bereits seit dem Abgang von Manfred Escher gewohnt, von Ralf Berszuck und Francois Launet. Ich hatte mich bereits an anderer Stelle über die Neugestaltung ausgelassen, bei der außer dem gewohnten Schriftzug des Pegasus Verlages für die „Cthulhu“-Reihe eigentlich nichts von dem bisherigen Flair der älteren Publikationen übrig geblieben ist. Wenn auch für mich weiterhin etwas gewöhnungsbedürftig, so kann die Darstellung eines Zeppelin, der sich in luftiger Höhe in den Tentakeln eines cthulhoiden Wesens befindet, durchaus überzeugen, zumal man ein Buch ohnehin nicht nach seinem Umschlag beurteilen sollte.
Das Innenleben des 256 Seiten umfassenden Quellen- und Abenteuerbandes gestaltet sich gänzlich in Schwarz-Weiß. Ein Blick auf die Innenseite bietet sowohl im vorderen als auch im hinteren Vorsatzblatt jeweils historische Schiffspläne der „SS Vaterland“, die dem Verlag von der Firma Blohm & Voss zur Verfügung gestellt wurden. Die Texte sind im Aufbau durchgehend zweispaltig und mit sinnvoll hervorgehobenen Überschriften versehen. Zusätzliche Textkästen liefern vertiefende Informationen. Auf der linken Seite befinden sich symbolisierte Reiter, die beim Blättern einen schnellen Überblick bieten und neben dem Lesebändchen bei der Orientierung gute Dienste leisten.
Ergänzt werden die Texte durch zeitgenössische Fotografien, zusätzliche Informationskästen mit Werten von Nichtspielercharakteren, Karten von Örtlichkeiten und einer ganzen Reihe von Handouts. Dabei sind die Illustrationen und die Fotos jeweils überaus passend auf die Texte abgestimmt und auch bei den Bildern der NSC hat die Bildredaktion wieder einmal gute Arbeit geleistet.
Bedauerlicherweise fehlen die Seiten 257-260 des Bandes, welche allerdings bereits auf der Homepage des Pegasus-Verlags als kostenloser Download angeboten werden. Die fehlenden Seiten enthalten NSC- und Monster-Werte sowie ein Handout und ein Bild. Bisher sind - soweit sich das überblicken lässt - sämtliche Ausgaben der Auflage davon betroffen. Das ist eine ziemlich ärgerliche Angelegenheit, aber zumindest kann man sich die fehlenden Seiten besorgen.
Erfreulicherweise bietet auch dieser Band dem Leser sowohl im Quellen- als auch im Abenteuerteil eine komplett deutsche Eigenproduktion. Unter den Autoren finden sich einige bekannte Namen des Genres: Mirko Bader, Stefan Droste, Sascha Hillenbrand, Christoph Maser, Daniel Neugebauer, Jens-Christian Seele und Sebastian Weitkamp (der zudem die Redaktion übernahm). Die Qualität der Texte ist sowohl im Quellen- als auch im Abenteuerteil gut und sie lassen sich ziemlich flüssig und angenehm lesen. Größere Schnitzer im Lektorat sind nicht zu vermelden, hier hatte Frank Heller alles im Griff. Als Zwischenfazit zeigt sich für mich wieder einmal die sehr hohe Produktionsqualität der deutschen Produkte, die amerikanische Veröffentlichungen zum Teil sehr blass aussehen lässt. Der InhaltWie bereits erwähnt handelt es sich bei „Reisen – Passagen in den Tod“ um einen kombinierten Quellen- und Abenteuerband. Mit rund 60 Seiten ist der Quellenteil recht übersichtlich gehalten und es folgen sechs neue Abenteuer, die allesamt das Thema „Reisen“ auf die eine oder andere Art als Leitmotiv beinhalten.
Über das Reisen Nach einem Vorwort von Sebastian Weitkamp beschäftigt sich dieser Abschnitt recht allgemein mit dem Thema „Reisen“ in den 1920er Jahren. Dabei spielen sowohl die Auswirkungen des großen Krieges eine Rolle als auch die wirtschaftliche Situation in Deutschland, die erst durch die beginnende Stabilisierung einer breiten Masse das Reisen möglich machte. Ganz praktisch geht es aber auch um Themen wie Reisebüros, Grenzüberquerungen, Reiseführer und Unterkünfte. Hier steht Deutschland mit seinen zahlreichen attraktiven Reisezielen zunächst für cthuloide Spielleiter im Vordergrund, während es später in den einzelnen Kapitel auch immer wieder einen Blick über den Atlantik in die USA gibt.
Auf alten Schienensträngen und staubigen Straßen Erstaunlicherweise hat man das Thema „Eisenbahn“mit dem „Automobil“ in ein gemeinsames Kapitel gepackt, obwohl es sich doch hierbei um zwei recht unterschiedliche Welten handelt. Getrennt in eigene Abschnitte gibt es einen überaus kurzweiligen Abriss über die Reichsbahn in Deutschland und den für Spieler und Spielleiter nicht uninteressanten Schauplatz „Bahnhof“, der in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch eine ganz andere Bedeutung hatte und der mit einer ganzen Reihe von Besonderheiten aufwarten kann. Tabellen mit Preisen für Fahrkarten, großformatige Zeichnungen eines kompletten Zuges und Hinweise beispielsweise zur Versorgung im Zug durch die MITROPA runden den Abschnitt sinnvoll ab.
Wer sich mit seinem Automobil auf die Reise über die Straßen der Republik macht (und das dürften sicherlich immer wieder einige Charaktere sein), der erhält in diesem Abschnitt einiges wissens- und lesenswertes rund über das Thema Automobil. Zum Beispiel über den Zustand der Straßen, die Treibstoffversorgung, Verkehrsregeln, Omnibuslinien und einige weitere Details.
Wie es um das Schienennetz in den USA bestellt ist, es sich auf amerikanischen Straßen reisen lässt und welche Bedeutung die Überlandbusse haben, kann der Leser in einem eigenen Abschnitt ebenso zu erfahren wie auch einiges über die sich neu entwickelnde Unterkunftsart der „Motels“, die am Wegesrand von Highways entstehen.
In dunklen Fluten Wie sich die Linienschifffahrt sich von ihren Ursprüngen langsam zu komfortablen Passagierschiffen entwickelt hat, wie sich die klassische Transatlantiküberquerung von Europa nach Nordamerika und Kreuzfahren in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gestaltet haben, gibt es hier ebenso in Erfahrung zu bringen, wie einiges über das Leben auf Passagier- und Kreuzfahrschiffen, wobei letztere ja zumindest zu Beginn eines Abenteuers ihren Luxus gegen die Langeweile der Charaktere aufbieten müssen. Nach einem kurzen Blick auf die Binnenschifffahrt, als auch auf Schiffsreisen in der Nord- und Ostsee bietet dieses Kapitel einen eigenen Abschnitt, der sich mit der Binnenschifffahrt in den USA beschäftigt und hierzu einige interessante Abenteuerideen präsentiert.
In eisigen Lüften Die Luftfahrt in den 1920er Jahren steckte zwar noch in ihren Anfängen, dürfte aber für einige Abenteuer (und deren wagemutige Charaktere) dennoch von Interesse sein. Über die Entwicklung der zivilen Luftfahrt in den 1910er und den 1920er Jahren erfährt man einiges über den Fracht- und Passagierflugverkehr im Deutschen Reich und den USA. Einen großen Abschnitt nimmt auch die Geschichte der Zeppeline in Anspruch, die sich als Fortbewegungsmittel auch für Fernreisen eignen. Wissenswertes über Flug- und Luftschiffhäfen, Reisebüros die Tickets verkaufen, Preise, Entfernungen und einige weit verbreitete Flugzeuge runden das Kapitel ab.
Nach dem Quellenteil schließt sich der ca. 200 Seiten umfassende Abenteuerteil an. Dieser wartet mit insgesamt sechs in sich abgeschlossenen Abenteuern auf, deren zentrales Motiv mehr oder weniger „die Reise“ in ihren zahlreichen Variationen und mit unterschiedlichen Vehikeln zu gänzlich verschiedenen Orten ist.
Tod im Gepäck Den Einstieg macht ein Abenteuer von Mirko Bader, welches in Nordamerika angesiedelt ist. Die Charaktere sind gemeinsam mit einem Automobil auf den staubigen Straßen unterwegs, als sie Bekanntschaft mit einem seltsamen Anhalter machen. Dieser sorgt für einige Aufregung und bringt die Charaktere sogar in Polizeigewahrsam. Es liegt an den Charakteren die richtigen Schlüsse zu ziehen und sich an die Ereignisse des vergangenen Abends zu erinnern, womit zugleich auch der cthuloide Aspekt des Abenteuers seinen Lauf nimmt und die Charaktere mehr oder weniger spieltechnisch in der Zeit zurückreisen müssen, um die seltsamen Geschehnisse zu klären.
Ein Abenteuer, welches mich zu Beginn eher an ein Szenario für das Rollenspiel „Unknown Armies“ erinnert und mit seiner Grundstimmung sowohl psychisch sehr reizvoll ist als auch mit einem gehörigen Schuss Pulp und typischen amerikanischen Klischees wunderbar als Kurzabenteuer geeignet ist.
Hexenkessel Die Charaktere befinden sich in diesem Abenteuer von Daniel Neugebauer auf einer längeren Reise in einem Luxuszug quer durch Europa und machen die unverhoffte Bekanntschaft mit drei Druidinnen, welche an Bord des Zuges ein uraltes Ritual durchführen müssen, um eine Wesenheit zu bannen. Zwischen den Möglichkeiten der Zerstreuung, die der Zug und die Konversation mit seinen Reisenden bietet, werden die Charaktere rasch in die Geschehnisse des bevorstehenden Rituals hineingezogen und es gibt sogar noch die Möglichkeit ein Soloabenteuer für einen Spieler zu integrieren.
Mit seinen zahlreichen NSC und den überaus eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten (bis auf einige Ausnahmen – aber die werden an dieser Stelle nicht verraten) ist dieses Abenteuer mit seiner Konzeption sicherlich eine Herausforderung für Spielleiter, zumal die Hintergründe des Rituals den Charakteren überzeugend deutlich gemacht werden müssen. Aber wer unweigerlich um sein Leben kämpfen muss, entwickelt ungeahnte Kräfte und Kreativität.
Zeit des Sturms Egal ob vom britischen Hafen Southampton oder dem französischen Cherbourg als Ausgangspunkt, es verschlägt die Charaktere an Bord des amerikanischen Passagierschiffes „S.S. Leviathan“ in diesem Abenteuer von Jens-Christian Seele auf eine ganz besondere Fahrt. An Bord des Schiffes befinden sich einige illustre Passagiere und es sollte nicht lange dauern, bis den Charakteren einige Menschen ganz besonders auffallen. Neben dunklen Machenschaften der Mafia gibt es allerdings noch eine ganz andere Bedrohung und die Vorboten eines gigantischen Sturmes, den das Schiff auf hoher See treffen wird.
Beweggründe für die Charaktere sich auf eine Schiffreise zu begeben gibt es sicherlich mehr als genug. Neben den allgemeinen Möglichkeiten der Zerstreuung bietet dieses Szenario einen recht gemächlichen Start, der dann langsam in eine stürmische Überfahrt übergeht. Wie Spieler mit Ängsten umgehen und ob der Spielleiter mit den Katzen als NSC etwas anzufangen weiß, mag Geschmackssache sein, wobei die Grundidee dieses Abenteuers mit einigen wenigen Griffen sehr ausbaufähig ist.
Elmsfeuer Ein geradezu puristisches Cthulhu-Abenteuer ganz eigener Art bietet Stefan Droste, der die Charaktere an Bord der „Calabar“ bringt, die sich auf ihrem Weg von Port Said in Ägypten über Ceylon und Indonesien nach China befindet. Während bei den meisten Abenteuern der konkrete Kampf gegen Wesenheiten oder zumindest deren Beschwörung im Vordergrund steht, so steht das Ende dieses Szenarios bereits von Anfang an fest. Dies schadet dem Abenteuer aber nicht, bei dem es für die Charaktere einiges an Bord der „Calabar“ zu erleben gibt. Es ereignen sich einige merkwürdige Dinge auf hoher See und auch ein kurzer Landgang in Ceylon sorgt für Abwechslung.
Ein spannendes Kammerspiel auf hoher See mit eigentlich allen Elementen, die man für ein gutes Szenario benötigt. Einzig der sonst übliche „Mythos-Hintergrund“ ist ziemlich knapp und gewöhnungsbedürftig für den Spielleiter. Eine spielenswerte Alternative mit exotischer Atmosphäre und gut ausgearbeiteten NSC.
Der Aeroplan Einen recht außergewöhnlichen Ort für sein Abenteuer hat sich Sebastian Weitkamp ausgedacht, der die Charaktere an Bord des legendären Verkehrsflugschiffes „Do X“ von New York nach Berlin reisen lässt. An Bord befindet allerdings etwas, das dort nicht hingehört und so braut sich das Unheil in den eisigen Lüften über den Wolken zusammen. Mit nur wenigen Zwischenstops und einem sehr übersichtlichen Handlungsort ein überaus interessantes Szenario, bei dem die Charaktere am Ende einen ziemlich harten und gefährlichen Kampf auszutragen haben.
Als Spielleiter sollte man sich dieses Abenteuer durchlesen und es an einigen Stellen gründlich überarbeiten. Der Handlungsort der Dornier „Do X“ ist geradezu spektakulär und bietet einige wunderbare Möglichkeiten, die vorherige Abenteuer in dieser Form noch nicht ausgeschöpft haben. Allerdings ist der Hintergrund des Szenarios etwas schwach in der Konzeption und vermag auch hartgesottene Spielleiter nicht vollständig zu überzeugen.
Himmelfahrt Autor Sascha Hillenbrand widmet sich in diesem Abenteuer der wohl exklusivsten Art des Reisens und schickt die Charaktere an Bord des Luftschiffes „LZ 128 Blücher“ auf eine überaus denkwürdige Reise von Deutschland über den Atlantik in die USA. Doch schon bald scheint sich grauenvolles Unheil an Bord des Luftschiffes auszubreiten und der Wahnsinn scheint um sich zu greifen.
Neben dem interessanten Handlungsort des Szenarios und einer Reihe von schön ausgearbeiteten NSC gibt es ein recht gut inszeniertes Abenteuer zu entdecken. Dies kann sowohl als One-Shot als auch als Bindeglied zwischen größeren Abenteuern gespielt werden (was natürlich auch voraussetzt, das die Charaktere diesen Flug überleben). Fazit:Kritiker mögen einwenden, die Ausführungen der Quellenbände von Cthulhu könne man selbst im Internet recherchieren und sich zusammenstellen. Das mag durchaus sein, nur ob ich das für mich so schön und überzeugend hinbekäme und ob ich auch die Zeit und Muße hätte, mich mit manchem Thema so intensiv zu befassen, wage ich zu bezweifeln. Insoweit bietet der Quellenteil einige überaus informative Facetten der jeweiligen Fortbewegungsmittel und deren passenden Einsatz im Rollenspiel. Da nicht nur Deutschland sondern immer wieder auch Aspekte in den USA angerissen werden, eignet sich dieser Band recht universell, auch wenn er an einigen Stellen schon etwas ausführlicher hätte sein können.
Alle Abenteuer stehen mehr oder weniger im Zeichen einer Reise der Charaktere, egal ob diese mit dem Auto, dem Flugzeug oder dem Schiff bewältigt wird. Es ist natürlich nicht einfach, bei einem Quellen- und Abenteuerband, der sich zentral mit dem Thema „Reise“ beschäftigt, dieses in den Abenteuern durchgehend als zentrales Motiv im Vordergrund zu halten. Mir hat es aber nichts ausgemacht, manche Idee oder Hintergrund eines Abenteuers als einfach nur gelungen anzusehen, egal ob ein Automobil oder ein Schiff als Leitmotiv gelten sollte.
Wie immer sind alle Abenteuer – unabhängig von ihrem Inhalt – recht gut strukturiert und der Spieler findet sowohl komplett ausgearbeitete Nichtspielercharaktere mit Daten und Werten und Handouts als auch wichtige Angaben, wie beispielsweise die komprimierte Vorstellung der Dornier „Do X“ oder des Luftschiffes „LZ 128 Blücher“. Zusätzliche Hilfen, wie spieltechnische Hinweise oder Berichte aus anderen Runden, vereinfachen die Arbeit als Spielleiter ungemein.
Insgesamt ein weiterer gelungener Abenteuer- und Quellenband der „Cthulhu“-Reihe, der sowohl optisch als auch inhaltlich überzeugen kann. |
||||||||||||||||||||||