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Orbital - Aufzeichnungen 1: Erste Begegnungen
Bewertung:
(4.2)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 29.07.2014
Autor:Sylvain Runberg (Autor) Serge Pellé, Bannister, Homs, Montilló, Toledano (Zeichnungen)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:SF
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-688-2
Inhalt:72 Seiten, Hardcover - Großformat
Preis:14,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Im Spin-off „Orbital: Aufzeichnungen“ werden in vier Kurzgeschichten einzelne Charaktere aus der Welt von Orbital beleuchtet. Verknüpft werden diese biografischen Schlaglichter mit einem großen Leitmotiv: der ersten Begegnung von zwei fremden Spezies. Nach den Szenarien des Autors Sylvain Runberg entsteht so eine faszinierende Reise ins Orbital-Universum, welche die Geschichte der blutigen Konflikte eindrucksvoll als Panoptikum individueller Schicksale neu erzählt.

 

Die Extraktierte (Zeichner: Toledano)

Im Jahr 2257 findet auf einem Berliner Militärflughafen die Vorstellung eines neuen Kampfjets statt, der auch der iranischen Regierung zum Kauf angeboten werden soll. Die Pilotin Nina Liebert schickt sich an, den Jet auf der vorgeschriebenen Route zu fliegen, doch erneut wird sie mit seltsamen Lichtern konfrontiert, die mit ihr ein Katz-und-Maus-Spiel am Himmel veranstalten. Während die Offiziere mehr als nur verärgert über den missratenen Testflug sind, zweifelt die Pilotin an ihrem Verstand, konnten diese seltsamen Lichtphänomene doch nicht von der Flugsicherung bestätigt werden.

 

Allerdings hat Nina auch ein Drogenproblem, welches sie kurz vor ihrer Hochzeit während einer Schlägerei in einem Klub wieder einholt. Um Ihre Leistungsfähigkeit im Cockpit zu steigern, nahm sie Nevrotamin ein, welches allerdings mittelfristig zu starken Halluzinationen führt. Sie verspricht ihrem Freund vor ihrer Hochzeit auf Entzug zu gehen und Stillschweigen über ihr „Problem“ zu wahren. Sie möchte nur noch den letzten Flug mit der Maschine durchführen und dann ein neues Leben beginnen. Aber der letzte Flug gestaltet sich anders, als sich die Pilotin es sich vorgestellt hat-

 

Der gebürtige Spanier Marcial Toledano Vargas studierte Kunst und Design an der an der Universität Complutense in Madrid. Seit 2000 ist er als Comic-Künstler und Web-Designer tätig. Er hat bereits während seines Studiums mehrere Zeichnungen in der Uni-Zeitschrift „Manicómic“ und dem spanischen Szenemagazin „Belio“ veröffentlicht. Er war Mitbegründer des kurzlebigen Fanzine „Ángel Negro“ (1998-99) und bildet zusammen mit José Manuel Robledo Tiedra und Laura López Paniagua die „Grupo Excéntrico“. In angenehm gedeckt bunten Farben bietet Toledano dem Betrachter eine leicht unterkühlte Optik mit brillant gezeichneten Körpern und Gesichtern. Verschiedene, ebenfalls sehr gelungene Wechsel in der Perspektive verleihen der Kurzgeschichte weiteren Charme.

 

Erste Begegnung (Zeichner: Bannister)

Im November 2276 werden Kaleb und Kristina in einem zivilen Observatorium in Prag Zeuge, wie ihre Eltern ein unbekanntes Flugobjekt im Orbit des Jupiter untersuchen, welches scheinbar aus dem Nichts vor einigen Wochen aufgetaucht ist. Während Kaleb begeistert der Video-Schaltung zu seinen Eltern folgt, hat seine Schwester lediglich Augen für die Übertragung der Weltmeisterschaft im Extremfighting auf ihrem Monitor. Während Kaleb und seine Schwester noch am Streiten sind, untersuchen die Wissenschaftler die Oberfläche des Objektes und stellen eine schier endlose Zahl von Schriftzeichen fest. Der Bericht an die Erde endet allerdings plötzlich, als die Blicke der Wissenschaftler sich einem ganz anderen Objekt zuwenden.

 

Für Nicolas Seigneret, der das Pseudonym „Bannister“ verwendet, stand die künstlerische Karriere bereits im Alter von 17 Jahren fest. Er besuchte die renommierte Kunstschule Emile Cohl und debütierte im Jahr 2002 mit dem Szenaristen Nykko im Bereich Comics mit der Reihe „Félicité Bonaventure“' bei Soleil Productions. Er arbeitete auch an der US- Anthologie „Flight" mit und zeichnete "Kazu & Co" als auch „Zombie Love Story“ für Éditions La Boite d' Aluminium. Im Jahr 2007 gelangte er zum Verlag Dupuis, wo er die Serie „Les Enfants d' Ailleurs“ mit Nykko startete, der 2008 die Kinderserie „Titoss et Ilda" folgte.

 

Die Charaktere von Bannister können in ihren Ausführungen die Nähe zum Manga nicht verleugnen, zu typisch sind gewisse Ausführungen in Gestik, Mimik und in der äußeren Gestaltung der Figuren. Was sich recht ungewöhnlich anhört, funktioniert allerdings in dem klassischen Bildaufbau mit vier bzw. maximal fünf Zeilen sehr gut und wird durch eine überzeugende Kolorierung unterstützt.

 

Metamorphose (Zeichner: Montilló)

Der Besuch im Odaiba-Zoo in Tokio, dem ersten Zoo für Alien-Rassen, sollte eigentlich eine große Überraschung für die Familie von Colonel Karlus Domann werden, aber die Ereignisse überschlagen sich, da scheinbar ein Koliptide aus seinem Gehege entwischt ist. Dieses Raubtier jagt seine Beute über die Gedanken und erscheint vor dessen Auge in harmloser Gestalt, als telepathische Illusion. Und so sind es nicht nur die Pfleger, die als erstes diesem Wesen zum Opfer fallen, sondern auch die Familienmitglieder von Domann geraten in Bedrängnis. Ein Drama, das seine Spuren auch bei den Isolationisten hinterlasst, die sich gegen die Öffnung der Erde für andere Planeten aussprechen.

 

Der Spanier Montillo Miquel (oder Miki Montlló) wurde im Jahr 1984 geboren und arbeitet als freier Illustrator. Zurzeit lebt und arbeitet er in Dublin. Er entwickelt vornehmlich die Farbgestaltung von Sets und Charakteren im Bereich von Animationsfilmen und Spielen. Obwohl eher ein Illustrator, so ist Miquel auch in der Welt der Comics zu hause und beweist mit seinem ersten Auftritt als Comiczeichner sein großes Talent.

 

Zeichnerisch ähneln sich Miki Montlló und Toledano, sowohl was die Gestaltung ihrer realistisch gezeichneten Figuren angeht, als auch die Kolorierung, die bei Miki jedoch etwas detailreicher und weniger großflächig ausfällt. Markante Gesichter in einem dynamisch inszenierten Seitenaufbau von vier Zeilen, der durch sein ungleichmäßiges Gutter zudem der sich langsam aufbauenden Spannung dient.

 

Das Symptom von Erko (Zeichner: Homs)

Weniger einen Comic als eine illustrierte Geschichte bietet der spanische Comic-Künstler José Homs ist ein, der für bereits für US-Unternehmen wie Marvel oder auch europäische Verlage wie Dupuis gearbeitet hat. Wenn auch nur wenige, so sind es dennoch mehr als beeindruckende Bilder, die Homs dem Betrachter liefert.

 

Die Geschichte „Das Symptom von Erko“ handelt von der Mission von Doktor Haja Jaziri auf Skonato, dem Ursprungsplaneten der Sandjaren im November 2281 und dessen Untergang durch den furchtbaren Anschlag der isolationistischen Kräfte, ein Angriff, der den Beginn des Krieges zwischen Menschen und Sandjaren markierte.

 

José Homs hat für die USA bereits mit dem Schriftsteller Christopher Hinz an Serien wie 'Blade' oder aber auch für „Marvel Western“ und die "Red Sonja"-Serie mit Frank Cho und Doug Murray als Szenaristen in den Jahren 2007-2008 gearbeitet. Die Arbeiten von Homs wurden in Heavy Metal-Magazin und in der spanischen Anthologien "Barcelona-TM" und "Revolution Complex' veröffentlicht. Seit 2010 konzentriert er allerdings seine Arbeit auf den europäischen Markt. In den Jahren 2010-2011 war er zusammen mit dem Szenaristen Frank Giroud für die Storyline "L'Angelus" in der Serie "Secrets" für Dupuis verantwortlich. Dann begann er eine überaus erfolgreiche Zusammenarbeit mit Sylvain Runberg, rund um die Comic-Adaption von Stieg Larssons Erfolgsroman-Serie "Millennium" in sechs Teilen für Dupuis.

 

Galaktische Chroniken (Zeichner: Pellé)

Der Szenarist Sylvain Runberg wurde 1971 in Tournai geboren und stillte seinen Hunger nach Comics in seiner Kindheit mit Asterix, Batman und Spirou und nährte seine Fantasiewelt zwischendurch mit historischen Erzählungen und zahllosen anderen Romanen. Nach seinem Abitur trieb es ihn an die Universität nach Aix-en-Provence, die er mit einem Magister in Geschichte verließ. Während seiner Studienjahre unternahm er viele Reisen durch Europa und veranstaltete unter anderem Konzerte mit Rockgruppen aus dem Independent-Bereich. Nach seinem Abschluss an der Universität arbeitete Runberg mehrere Jahre als Buchhändler, bevor er in der Verlagslandschaft Fuß fassen konnte, nach Paris umzog und eine Stelle bei dem Verlag „Les Humanoides Associés“ antrat.

 

Nach einem schweren Unfall im Jahr 2001 machte er sich ans Schreiben und stellte dabei seine eigentliche Berufung fest. 2004 erscheint sein erstes Album „Astrid“ beim Verlag „Soleil“, das er gemeinsam mit Karim Friha realisiert. Danach folgen diverse Projekte unterschiedlicher Genres: „Les Colcataires“ entsteht in Zusammenarbeit mit Christopher beim Dupuis-Verlag, eine Serie, die an seine Studienjahre in Aix anknüpft, „Hammerfall“ mit Boris Talijanic, eine fantastisch-mittelalterliche Saga, die im 8. Jahrhundert in Skandinavien angesiedelt ist und nicht zuletzt die Science-Fiction-Serie „Orbital“, die er gemeinsam mit Serge Pellé als Zeichner realisiert.

 

Wer erwartet, Sylvain Runberg würde lediglich nur Szenarios für talentierte oder befreundete Zeichner in diesem Band liefern, den muss ich enttäuschen. Unter der Überschrift „Galaktische Chroniken“ präsentiert er ein von Zeichner Serge Pellé ähnlich einem Lexikon gestaltetes Lesebuch über einige der zahllosen Rassen, Welten und Begebenheiten aus Universum von „Orbital“ und sprüht geradezu vor Ideen, die sich allesamt als weitere Szenarien für etliche Bände der Reihe geeignet hätten. In insgesamt 11 Abschnitten gibt es für den Leser einiges wissenswertes und interessantes zu entdecken und natürlich sind es nicht nur die Texte von Runberg, die den Reiz dieses Kapitels ausmachen, sondern auch die gelungenen Zeichnungen von Serge Pellé.

 

Der französische Zeichner Serge Pellé wurde 1969 geboren und studierte an der Brassart-Schule, die er 1989 mit einem Abschluss als Werbegrafiker verließ. Danach zog es ihn nach Paris, wo er seine Karriere zunächst in der Werbebranche begann und er Rasenmäher, Waschmaschinen, Schutzhüllen für Autos und andere Dinge zeichnete. 1993 traf er Laurent Galmont vom Vent-d'Óuest-Verlag und realisierte mehrere Auftragsalben mit Thomas Mosdi als Texter. Im Jahr 1996 zeichnet er unter dem Namen Torgnoll den ersten Band der Serie „Le Grand Chambardement“, die beim Téméraire-Verlag erscheint. Da dieser Verlag bedauerlicherweise schon recht bald aus finanziellen Gründen seine Tore schließen musste, endet auch die Serie entsprechend frühzeitig. In der Folgezeit hat Pellé sein vielfältiges Talent unter anderem beim Entwerfen von Bühnenbildern, beim Design von Videospielen und beim Zeichnen von Trickfilmen unter Beweis gestellt. So arbeitete er unter anderem für die Fernsehserie „Malo Korrigan“ und hat an dem Storybord für die Serie „Kaputt & Zosky“ mitgearbeitet. Seit 2005 realisiert er gemeinsam mit Sylvain Runberg die Comicserie „Orbital“, die in Frankreich beim Dupuis-Verlag erscheint.

 

Serge Pellé kann sich mit seinen detailreichen Zeichnungen von Raumschiffen, Fahrzeugen, futuristischen Gebäuden oder Gerätschaften oftmals großformatig austoben und es so dem Leser ermöglichen, in dieser Mischung aus Entwürfen und Bildern mehr von dem phantastischen Universum von „Orbital“ und seinen Bewohnern zu sehen. Im direkten Vergleich gefallen mir die Figuren von Serge Pellé sehr gut und werden allenfalls noch durch die Ausführung von Homs übertroffen.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität gibt es beim Splitter Verlag von meiner Seite eigentlich so gut wie nie etwas zu bemängeln – so auch bei dem vorliegenden Band: Ein weiteres solides Hardcover im Großformat mit haltbarer Heftung und guter Druckqualität. Die gelungene Übersetzung stammt von der hochgeschätzten Tanja Krämling, das durchgehend angenehm zu lesende Lettering von Delia Wüllner-Schulz. Was mich allerdings etwas stutzig gemacht hat, war der Info-Text auf der Rückseite des Bandes, der eigentlich überhaupt nicht zum Inhalt passt.

 

Fazit:

Mit seinen 72 Seiten nur unwesentlich teurer als die bisherigen Bände der Reihe „Orbital“, bekommt der Leser hier einen Spin-Off-Band, der mit seinem Inhalt diesen Namen auch verdient. Hier sind es nicht nur einfach talentierte Zeichner, die nach Szenarien von Runberg versuchen die Welt von „Orbital“ auszufüllen, sondern man erhält als aufmerksamer Leser der bisherigen Reihe eine ganze Fülle von Informationen über Personen, Begebenheiten und Hintergründe, über die man bislang noch nichts oder zumindest nicht viel in den bisherigen Veröffentlichungen der Reihe erfahren hat. Mit dem Kapitel „Galaktische Chroniken“ gibt es weiterhin ein einfach nur als grandios zu bezeichnendes Spektakel an Ideen und Figuren, von denen man nur hoffen kann, sie unter Umständen in späteren Bänden erneut zu sehen oder mehr zur erfahren.

 

Dieser Band dürfte sich zwar vornehmlich an Fans der Serie wenden, allerdings kann es auch nicht schaden, sich diesen Band vielleicht einmal als erstes anzuschauen, wenn man mit dem Einstieg in die eigentliche Serie liebäugelt. Es lohnt sich auf jeden Fall, dürfte diese SF-Reihe mit ihren Protagonisten und dem durchdachten Hintergrund seit langer Zeit wieder einmal ein großer Wurf für das Genre sein.