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Manara Werkausgabe 12: Click! Außer Kontrolle
Bewertung:
(3.6)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 27.11.2014
Autor:Milo Manara (Szenario und Zeichnungen)
Übersetzer:Michael Leimer
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Gegenwart
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86201-671-1
Inhalt:148 Seiten, Hardcover mit SU
Preis:29,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Der zwölfte Band der Werkausgabe beinhaltet die beiden Erzählungen „Click! – Außer Kontrolle 3" und „Click! Außer Kontrolle 4":

 

Click! – Außer Kontrolle 3

Brasilien: Eine junge Frau, namens Anna Rita, die von ihrem Onkel Advernon Vincente Sobrinho an einen schmierigen Typen namens „Culorva“ abgetreten wurde und die unter Einfluss eines indianischen Krautes Visionen von Goldfundstätten hat, gelingt die Flucht vor ihrem Peiniger, bei der sie auch auf die wundervolle Claudia Cristiani trifft, die es für NCC TV ins Amazonasgebiet verschlagen hat, um dort eine Reportage zu drehen. In einer Vision vor ihrer Flucht verrät sie Culorva eine Fundstätte in der Sierra Pelada, wo sich Gold finden lassen soll.

 

Claudia Cristiani will am Amazonas einen Bericht über einen Thaumaturgen aufnehmen, der auf einer Insel lebt und von sich behauptet mit dem Kosmos zu kommunizieren. Mittel zu diesem Zweck ist der Orgasmus, der in zahlreichen Variationen während eines Ritus ausgelebt wird. Claudia ist entsetzt über diese seltsame Sekte, doch wird sie betäubt und gefügig gemacht, um selbst den vermeintlich höheren Zielen zu dienen. Nur dank eines Teamkollegen gelingt ihr die Flucht in den Dschungel. Doch die Häscher sind ihnen schon auf den Fersen und unter ihnen ist jemand, der den Schalter für Claudia besitzt, was sie für den Thaumaturgen zu einem überaus interessanten Medium macht.

 

Auf ihrer unbekleideten Flucht durch den Dschungel geraten sie an einem Fluss auf ein Schiff, wo es ein Wiedersehen mit Culorva gibt, der mittlerweile zu einem reichen Mann geworden ist, da die Vision von Anna Rita ihn zu einem 32 Kilo schweren Goldnugget geführt hat. Doch die Reise hat noch weitem kein Ende, führt sie doch mit einem Flugzeug weiter in die Sierra Pelada. Aber auch von hier schaffen es Claudia und ihr Begleiter zu entkommen und schließlich nach einer wahren Odyssee endlich wieder in San Francisco anzukommen. Aber der Thaumaturg und sein Begleiter mit dem Schalter haben bei weitem noch nicht aufgegeben und so gibt es eine weitere Begegnung, welche Claudia letztlich doch noch einmal in die Sierra Pelada führt.

 

Click! Außer Kontrolle 4

Der angesehene Anwalt Aleardo Cristiani hat die Verteidigung des Chemieunternehmens Globalchemie übernommen, dem vorgeworfen wird, Methylalkohol für Lebensmittel verwendet zu haben, wodurch viele Menschen ihr Augenlicht verloren haben. Sollte es dem Anwalt gelingen, vor Gericht einen Freispruch zu erreichen, könnte sich Globalchemie eine nicht unbeträchtliche Summe an Schadenersatzforderung ersparen. Allerdings gehört zu den Opfern auch Professor Boralevi, ein angesehener Bürger der Stadt, dessen Tochter Angelina bereits ahnt, dass es bei Gericht mit der Verteidigung durch Anwalt Cristiani mit nicht ganz lauteren Mitteln zugehen wird. Gemeinsam mit ihrem Cousin Pio plant sie Claudia Cristiani (die dem Leser sicherlich nicht ganz unbekannt sein dürfte) für ihre eigenen Pläne einzuspannen, um das Ansehen von Aleardo zu zerstören.

 

Der Plan von Angelina bleibt Dr. Fes nicht verborgen, der sich als Helfer anbietet, um Claudia zu diskreditieren und damit den Ruf ihres Mannes zu schädigen. Während ein erster Versuch in der Villa der Christianis kläglich scheitert, bei dem sich Pio an Claudia heranmachen soll, bietet ihr Dr. Fes eine Fernbedienung an, mit der man die sexuelle Erregung von Claudia steuern kann. Gegen einen entsprechenden Anteil an dem zu erwartenden Schmerzensgeld ihres Vaters, gelangt Angelina in den Besitz der Fernsteuerung, die sich bei ihrem ersten Test auf einer Modenschau, bei der auch Claudia anwesend ist, als absolut überzeugend erweist und zu einem ausschweifenden Auftritt von Claudia auf dem Laufsteg folgt und die Reputation ihres Mannes schädigt.

 

Um weitere Skandale zu verhindern, schickt Aleardo seine vermeintlich hoffnungslos verdorbene Frau in das Kloster Zur heiligen Qual. Hier gelingt es Angelina Claudia zu entführen und ihren eigentlichen Plan umzusetzen: Claudia soll in die Umkleidekabine der Spieler des FC Mammon gebracht werden, wo in dem Moment, in dem die ganze Mannschaft anwesend ist, die Fernbedienung eingeschaltet werden soll. Doch der Plan entwickelt sich anders als Angelina es hätte ahnen können und so gibt es gegen Ende eine recht unerwartete Wendung.

 

Schreibstil & Artwork:

Milo (eigentlich: Maurilio) Manara wurde am 12.09.1945 in Lüsen, einem Ort nahe Bozen in Südtirol, geboren und gehört heute unumstritten zu den weltweit renommiertesten Comic-Künstlern, obwohl er als Zeichner für Comics erst in den späten 60er Jahren in Erscheinung getreten ist. Mit regelmäßigen Zeichnungen für zwei in Italien sehr populäre, zum Teil pornografische Comicmagazine des Genres „fumetti neri“ (ital.; zu Deutsch „schwarze Comics“) finanzierte er zwischen 1968 und 1971 sein Architekturstudium an der Universität in Venedig. Sein Erstlingswerk „Genius“ aus dem Jahr 1969 ist der erste Schritt in eine außergewöhnliche Comic-Karriere. Zwischen 1971 und 1973 zeichnete er die billig produzierte erotische Piratenstory „Jolanda de Almaviva“ und fertigte etliche Comicstrips für die italienischen Magazine „Telerompo“ und „Corriere dei Ragazzi“.

 

Der Durchbruch gelang Manara 1978 mit seiner Comicadaption des chinesischen Literaturklassikers „Der Affenkönig“, dem in unregelmäßigen Abständen ab 1978 die nach den Vorlagen von Hugo Pratt und Federico Fellini geschaffene Reihe um die Figur des Giuseppe Bergmann folgte. Sein besonderes Faible für Erotik (gemischt mit gediegenem Humor) führte Manara 1983 in der Reihe „Click!“ fort. Weitere internationale Erfolge stellten sich allerdings auch ein – so erschienen beispielsweise „Mann aus Papier“, „Der Schneemensch“, „Candid Camera“ oder aber Ende der 90er Jahre „Kamasutra“. Zu den Höhepunkten seines Schaffens im Bereich des anspruchsvollen erotischen Comics dürften zweifelsohne „Außer Kontrolle“ und „Der Duft des Unsichtbaren“ gehören.

 

In den 80er-Jahren begann Manara damit, verstärkt mit anderen großen Künstlern wie Hugo Pratt, Federico Fellini oder aber auch Luc Besson zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit Pratt schuf er die beiden Bände „Ein indianischer Sommer“ und „El Gaucho“, mit Fellini entstanden „Die Reise nach Tulum“ und „Die Reise des G. Mastorna, genannt Fernet“. Doch Manara zeigt sich auch in anderen Genres recht umtriebig. So schuf er mit dem französischen Regisseur Luc Besson zwei Werbespots für die Parfum-Marke „Chanel No. 5“, arbeitete an der Visualisierung verschiedener Spots für Autofirmen mit oder schuf CD-Cover für diverse Interpreten. Seine Leidenschaft für das Medium Comic ist jedoch ungebrochen. Zu seinen letzten Arbeiten gehört die gemeinsam mit dem Szenaristen Alexandro Jodorowsky entstandene historische Comic-Reihe „Die Borgia“, die zwischen 2006 und 2010 auf Deutsch bei „Kult Editionen“ erschien und der Band „X-Men – Frauen auf der Flucht“, den er mit Chris Claremont, dem wichtigsten und einflussreichsten Autor in der Geschichte von Marvels X-Men, schuf.

 

Wieder einmal ist es die wundervolle Claudia Cristiani, die Manara in diesen beiden Erzählungen als Lunte für eine ganze Serie von explosiven Situationen unter dem Einfluss der geheimnisvollen Fernbedienung des unermüdlichen Dr. Fes heranzieht. Diese beiden Erzählungen entstanden zu ganz unterschiedlichen Zeiten und zeigen zwei recht unterschiedliche Facetten von Manara: Während das erste Kapitel noch recht fröhlich und unbekümmert in seiner Entwicklung ist, wirkt die zweite Erzählung um einiges düsterer und melancholischer. In beiden Erzählungen zeigt Manara jedoch die Darstellung der Lust um ihrer selbst Willen ohne das Deckmäntelchen hehren Kulturanspruchs und so verwandelt er die vermeintliche Macho-Fantasie längst vergessener Tage in seinen Szenarien in eine ironische Komödie voller unerwarteter Wendungen. Insofern lässt sich die Frage, wo bei diesem Comic die Trennlinie zwischen Kunst und Pornographie, zwischen hehrem Anspruch und plumper Anmache verläuft, ohnehin nicht klären.

 

Zeichnerisch weiß Manara auch in diesen beiden Szenarien zu überzeugen und hält an seinem Stil der Serie fest. Es bleibt bei einem dreizeiligen Seitenaufbau, in dem er die Panels mit seinem feinen, aber dennoch markant-präzise Strich mit seinen Akteuren ausfüllt und einen klassischen Seitenaufbau ohne aufwendige experimentelle Ansätze bevorzugt, wie man sie vielleicht aus der Reihe „Giuseppe Bergmann“ kennt.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Auch der zwölfte Band der Werkausgabe erscheint als stattlicher Hardcoverband von 148 Seiten, den ein passender Schutzumschlag mit dem Bild von Claudia, der Protagonistin der Abenteuer ziert. Aber auch unverhüllt ist dieser Band recht hübsch anzuschauen, befindet sich doch unter dem Schutzumschlag ein in geschmackvollem Rot gehaltener Hochglanzband, den die Rückenansicht eine leicht bekleideten Dame ziert, wie man sie aus dem Oeuvre von Manara kennt. Wie bereits bei den anderen Bänden Reihe macht den ein überaus kurzweiliges Vorwort, welches sich mit den Hintergründen der Entstehung, zusätzlichen Informationen als auch Deutungsversuchen der Szenarien beschäftigt und einigen zusätzlichen Bildern garniert ist.

 

Als Bonus gibt es am Ende des Bandes noch das Portfolio Nr. 6 „Click! Außer Kontrolle 3 und 4“ von Manara, welches mit großformatigen kolorierten Entwürfen und Detailzeichnungen zu „Click!“ aufwarten kann und wieder einmal das zeichnerische Können von Manara eindrucksvoll unter Beweis stellt..

 

Fazit:

Die Erzählungen mögen vielleicht etwas angestaubt und mit ihren jeweiligen Szenarien recht konstruiert wirken, doch ist die Erotik, die Manara in seinen Geschichten erzählt, nie geträumt oder märchenhaft sondern vielmehr dient ihm der Eros als Quelle der Freiheit und als Spiegel, der unser Leben erzählt. So sollte man diese beiden Erzählungen nicht nur als blanke Unterhaltung mit erotischer Note verstehen, sondern zugleich auch als Plädoyer für die sexuelle und intellektuelle Befreiung, welche die Frau der damaligen Zeit durchläuft. So wird die vermeintlich prüde Anwaltsgattin Claudia Cristiani für Manara erneut zum Prototyp in einer sich verändernden Gesellschaft mit neuen Wertvorstellungen.

 

Für mich auf jeden Fall ein lesenswerter Abschluss der Click-Erzählungen, die deutlich Manaras Drang zum Fabulieren zeigt, zugleich aber Einblick in die sich ändernde Gemütsverfassung des Mannes gibt, der wie kaum ein anderer wunderschöne Frauen zu Papier bringen kann.