Links zur Rezension Brettspielumsetzungen von bekannten Computerspielreihen sind ja eigentlich nichts Neues. Es kann aber ganz unterhaltsam sein, digital eroberte Welten auch mal in analoger Form unsicher zu machen. Auf Might&Magic: Heroes – Das Brettspiel bin ich genau aus diesem Grund aufmerksam geworden, denn ich habe die Heroes-Spiele früher ganz gerne gespielt. Natürlich war ich darauf gefasst, dass das Brettspiel viele Dinge, die ja sonst der Computer „im Kopf“ behalten muss, vereinfacht, letztendlich hat es sich aber trotzdem als überaus komplex erwiesen, und das nicht zwingend im negativen Sinne. Das Design des Brettspiels basiert auf dem sechsten Teil der Computerspielreihe. Die Spieler kämpfen um den Thron von Ashan, wie in der digitalen Vorlage, der auch die Grafiken entnommen sind. Ich persönlich habe Heroes VI nicht gespielt, allerdings glaube ich nicht, dass mir dadurch beim Brettspiel irgendetwas entgangen ist.
InhaltDie standardgroße Spielbox, auf deren Cover ein junger Held seinen Ritterschlag empfängt, ist mit einer ganzen Menge an Spielmaterialen gefüllt. Die Initiativeleiste, 16 Landschaftsplättchen, vier Hauptstadtafeln, zwölf Heldenbögen, 150 Karten, 60 hölzerne Kontrollmarker, zwölf hölzerne Heldenmarker, vier hölzerne Hauptstadt-Marker, fünf achtseitige Kampfwürfel, der sechsseitige Elite-Würfel und über 300 weitere Marker sind ein mächtiger Wust, den man erst einmal einordnen muss. Die Pappplättchen sind wie gewohnt robust und gut verarbeitet, dasselbe gilt auch für die anderen Materialien – etwas anderes hätte mich bei den Heidelbären auch echt überrascht. Netterweise bekommt man ein paar Plastikbeutel für die Aufbewahrung der unzähligen Marker beigelegt, sodass man sie schön getrennt und übersichtlich lagern kann. Das Spiel enthält nur ein Regelheft, es gibt also keine Auftrennung in reine Spielablaufregeln und Schlüsselwörter-Referenz. Ein wenig habe ich eine solche Aufteilung vermisst, da das Spiel mit vielen unterschiedlichen Symbolen arbeitet, die nicht immer selbsterklärend und über das Heft verteilt aufgeschlüsselt sind. Der einleitende Stimmungstext fällt eher kurz aus, den Rest des 24-seitigen Heftes nehmen die eigentlichen Spielregeln ein. Diese sind sehr ausführlich und angenehm verständlich dargeboten; nach dem ersten kleinen Schock der „Pöppelflut“ kommt man recht schnell in die Materie rein. Vielleicht lag es in meinem Fall auch daran, dass ich die Computerspielreihe kenne und schon ein Gefühl dafür habe, wozu Ressourcen, Gebäude oder Schriftrollen gut sind. Aber auch allgemein finde ich die Regelerklärung gelungen. Hier und da ist das Regelheft mit Kreaturenbildern aus dem Computerspiel geschmückt; leider hat das Layout nicht ganz sauber gearbeitet – einige der Grafiken sind etwas pixelig. An dem deutschen Text gibt es nur eins auszusetzen – entweder die Übersetzerin oder das Lektorat scheinen mit Nebensatz-Kommata auf Kriegsfuß zu stehen, und das nicht nur in diesem Spiel. Schlussendlich ist es aber nur „Meckern auf hohem Niveau“. Die kleinen Schönheitsfehler haben mich nicht wirklich gestört, ich erwähne sie bloß der Vollständigkeit halber. Das Regelheft ist auf der Homepage des Heidelberger Spieleverlages als pdf-Datei einsehbar – auch ein gutes Service.
SpielablaufEin Spiel beginnt selbstverständlich mit dem Aufbau des Spielfeldes, sprich: man sortiert die vielen Spielkomponenten und legt sich einen Hauptstadtbogen zurecht, nachdem man sich für eine Fraktion entschieden hat. Zur Auswahl stehen Zuflucht (klassisch mittelalterlich/sakral inspiriert), Sanktuarium (fernöstlich/mystisch angehaucht), Nekropolis (Vampire und Nekromanten) und Bastion (wilde Barbaren) – wer auch nur einen Teil der Computerspielreihe kennt, wird die Fraktionen und deren Flair gleich wiedererkennen. Als Untoten-Fangirl habe ich mir für das Testspiel natürlich Nekropolis ausgesucht. Steht die Fraktionswahl, bauen die Spieler gemeinsam das Spielfeld aus 4x4-Geländefeldern zusammen. Je nach Spieleranzahl variiert auch die Anzahl der verwendeten Felder – neun bei zwei Spielern, zwölf bei drei und 16 bei vier Spielern. Dann platziert man Begegnungsmarker (neutrale Monster) und seine Hauptstadt, schnappt sich die Startressourcen und wählt einen Startheld. Jede Fraktion hat drei verschiedene Helden zur Auswahl, die allesamt unterschiedliche Schwerpunkte besitzen. Genau wie in den Computerspielen verfügt jeder Held über mehrere besondere Fähigkeiten, zum Beispiel Vergünstigungen beim Anwerben einer ganz bestimmten Art von Einheit, Vorteile im Kampf oder zusätzliche Ressourcen. Auch haben die Helden Affinitäten zu unterschiedlichen Fertigkeitskategorien, die ihnen nützliche Synergien mit entsprechenden Fertigkeiten gewähren. Das Regelheft empfiehlt, zum Start einen Helden mit hohem Führungswert zu wählen, denn das ermöglicht es ihm, mehr Truppen mitzunehmen. Ebenfalls während der Aufbauphase bestimmt man die maximale Spieldauer, indem man die Größe des Wochenstapels auf neun, zwölf oder fünfzehn Karten festlegt. Eine Wochenkarte repräsentiert eine Runde (außer der ersten); immer zu Beginn einer Runde wird eine gezogen – ist der Stapel alle, ist auch das Spiel vorbei. Jede Wochenkarte hat einen Effekt, der für die Dauer der Runde gilt und immer negativ ist. Dann legt man auch schon los. In jeder Runde handeln die Spieler abwechselnd ihre Aktionen aus. Die Aktionen entsprechen Aktionskarten, von denen jeder zu Beginn drei besitzt (die vierte erhält man, sobald man einen Marktplatz gebaut hat) und die jeweils zwei Optionen zur Auswahl haben. Man sucht also eine Aktion aus, die man noch ausführen kann, dreht die dazugehörige Karte um, handelt die Aktion ab und danach ist der nächste Spieler mit einer Aktion dran. So geht es hin und her, bis kein Spieler mehr offene Aktionskarten hat. Das bedeutet Rundenende – alle Aktionskarten werden wieder aufgedeckt, der Startspielermarker wandert weiter, und man zieht eine neue fiese Wochenkarte. Es gibt vier verschiedene Aktionsarten, die alle genau das widerspiegeln, was man in Heroes of Might&Magic normalerweise tut – Gebäude bauen, Truppen anwerben, Ressourcen fördern und natürlich mit seinen Helden durch die Lande ziehen. Ressourcen gibt es in Might&Magic: Heroes – Das Brettspiel nur zweierlei: Gold und Rohstoffe, der größere Pool an unterschiedlichen Baumaterialien wie Holz, Erz, Kristalle etc. wurde also kompakt zusammengefasst. Solange man weder eine Rohstoffquelle kontrolliert, noch eine Mine in der Hauptstadt errichtet hat, hat die Aktion „Ressourcen sammeln“ keinen Nutzen. Es empfiehlt sich daher, möglichst früh eine Mine zu bauen, um ein konstantes Einkommen zu sichern. Damit wären wir auch schon beim Bauen. Das Errichten von Gebäuden oder das Aufwerten der Hauptstadtstufe kostet logischerweise Gold und/oder Rohstoffe, mit denen man aber nicht unbedingt knausern sollte. Eine gut ausgebaute Hauptstadt ist, wie auch in der digitalen Vorlage, für den Erfolg unabdingbar. Unterschiedliche Gebäude haben verschiedene Hauptstadtstufen als Voraussetzung; im Grunde sind die Gebäude bei allen Fraktionen gleich, bis auf eine Ausnahme. Diese schaltet die besondere Fähigkeit der Fraktion frei – bei allen vier recht mächtig und auch nützlich. Den Tempel der Asha kann man nur bauen, wenn man auch die Artefaktkarte „Träne der Asha“ ergattert hat. Hat man das Glück, lohnt es auf jeden Fall, den teuren Tempel zu errichten, denn er bringt ordentlich Siegpunkte ein.
Ja, genau, Siegpunkte – diese sammelt man, um das Spiel zu gewinnen. Wer zuerst zwölf, vierzehn oder sechzehn (je nach Spieleranzahl) Punkte erreicht hat, besteigt den Thron von Ashan. Schafft es niemand, genug Siegespunkte zu sammeln ehe der Wochenstapel leer ist, gewinnt der Spieler mit den meisten Siegespunkten, oder der reichste, sollte da ein Gleichstand herrschen. Mit Bauen alleine kommt man aber nicht an die begehrten Punkte – dafür muss der Held (oder die Helden, sofern man zusätzliche anheuert) in die Welt ausziehen und sich den zahlreichen Gefahren stellen.
Genau wie im PC-Spiel verfügt jeder Held über eine Armee, die im Brettspiel durch Kreaturenplättchen dargestellt wird. In der Hauptstadt kann man neue Einheiten anheuern sowie bestehende zu Elitekreaturen aufwerten. Fraktionseinheiten kommen in vier Stufen mit jeweils der normalen und der Elitevariante vor und sind das Kernstück des Spiels. Allerdings besitzen sie keine Namen, sondern lediglich Bilder, und unterscheiden sich spielmechanisch nicht so stark voneinander, wie es ihre digitalen Pendants tun – im Grunde läuft es auf den Angriffswert, den Initiativewert, den Elitestatus und vier Sondereigenschaften hinaus. Hat der Held eine Armee, mit der er sich vor die Tür traut, kann er sich mit der Aktion „Helden aktivieren“ durch die Gegend bewegen. Was gibt es da draußen zu finden? Diverse Orte, die meistens einmalige, im Falle von Ressourcenabbaustellen aber auch anhaltende Vorteile gewähren – und die natürlich von neutralen Kreaturen, sogenannten Begegnungsmarkern, bewacht werden. Besiegt der Held den Begegnungsmarker, kann er den dazugehörigen Ort erkunden oder ihn unter seine Herrschaft bringen. Mit Ausnahme der Rohstoffminen werden erkundbare Orte „aufgebraucht“, sobald man sie zum ersten Mal benutzt hat. Die Abbaustellen können aber den Besitzer wechseln – wenn man einem Gegner eine Mine abluchst, steigert man nicht nur sein Einkommen, sondern erhält auch einen bis drei Siegespunkte (die mit dem Besitzerwechsel genauso von Spieler zu Spieler wandern). Das alles fühlt sich doch sehr nach Heroes an. Kommt es zu einem Kampf, wird dieser nicht auf einer separaten Karte ausgetragen (das wäre auch zuviel des Guten), sondern auf der Initativeleiste. Man ordnet die kämpfenden Armeen, inklusive des Helden, der austeilen aber nicht einstecken kann, in absteigender Initiativereihenfolge auf der Leiste an. Alle Kreaturen einer Art bilden dabei einen Stapel; sind normale und Eliteversionen einer Sorte anwesend, werden diese zwar getrennt, belegen aber trotzdem denselben Initiativeplatz und greifen gemeinsam an. Der Reihe nach hauen die Kreaturen und Helden zu. Zum Angreifen würfelt man mit achtseitigen Würfeln – in einigen Fällen darf man auch den sogenannten Elitewürfel hinzunehmen, der keine Zahlen, sondern Symbole enthält. Um zu treffen, muss man den Machtwert des angreifenden Trupps oder Helden unterbieten oder wenigstens erreichen. Jeder Treffer verursacht einen Schadenspunkt und Armeenkreaturen sind für gewöhnlich nach einem Schadenspunkt hinüber. Wenn Elitekreaturen Schaden erleiden, werden sie zur normalen Variante degradiert.
Ein Kampf gegen einen Begegnungsmarker dauert meist nicht länger als zwei bis drei Kampfrunden; treffen jedoch zwei Helden aufeinander, fällt die Schlacht ganz schön lang aus. Auch wenn die Spielmechaniken im Kampf im Vergleich zum Computerspiel extrem vereinfacht sind, lassen sie doch Raum zum taktieren, vor allem wenn man von Schriftrollen, Zaubern und Spezialfähigkeiten Gebrauch macht oder abwägen muss, ob man den Elitewürfel hinzunimmt oder nicht. Hier versteckt sich auch die größte Tücke des Spiels – man muss die vielen besonderen Fertigkeiten im Kopf behalten. Das sollte man auch, denn sonst verspielt man teilweise sehr gravierende Vorteile. Mit fortschreitendem Spiel werden die Extras nur mehr, nicht weniger. Zerstreute Spieler werden damit sicherlich Probleme haben. Durch das Bezwingen von Monstern sammelt der Held Schätze, meist in Form von Gold, Rohstoffen oder Erfahrungspunkten. Ganz selten kann auch ein Artefakt dabei sein – diese äußerst mächtigen magischen Gegenstände will man unbedingt haben, nicht nur der Siegespunkte wegen, die sie einbringen. Selbstverständlich kann man feindlichen Helden ihre hart erstrittenen Artefakte klauen – wenn man sie erstmal besiegt hat. Wie es sich für Heroes gehört können Helden aufsteigen. Konkret bedeutet das, dass man sich Fertigkeitskarten von seinen Fraktionsstapeln aneignet. Besitzt ein Held das passende Symbol zu dem auf der Karte, kann er die meist mächtigere Sekundäroption nutzen; die primäre Funktion steht jedem Helden zur Verfügung. Die Macht-Fertigkeiten sind bei allen Fraktionen gleich und auch die Magie-Fertigkeiten unterscheiden sich nur geringfügig – der Charakter der jeweiligen Fraktion schimmert eher durch die Sekundärfunktionen der Fertigkeiten durch. So wie man mit seinem Helden über die Karte zieht, Monster verdrischt, Schätze sammelt, Erfahrung gewinnt und mit den Gegenspielern um die Kontrolle über die Minen ringt, kommt sofort das klassische Heroes-Spielgefühl auf. Das Brettspiel ermöglicht ebenso wie die PC-Spiele unterschiedliche Spielstile – man kann alles auf einen Helden setzen oder bis zu drei parallel steuern; genauso kann man seine Mitspieler von Anfang an terrorisieren oder ihnen aus dem Weg gehen. Bei längerer Spieldauer (zwölf oder fünfzehn Wochenkarten) tritt man sich allerdings unweigerlich irgendwann auf die Füße, sobald die Karte frei geräumt ist – aber so ist es in der Computerspielvorlage ja auch. Hat man das Prinzip einmal begriffen, ist es auch gar nicht mehr so kompliziert, sondern erfordert nur etwas Konzentration und Gedächtnisleistung.
Fazit:So ein arges Regel-Schwergewicht, wie ich zunächst vermutet hatte, ist Might&Magic: Heroes – Das Brettspiel gar nicht. Verzeiht man dem Spiel seine kleinen Macken, etwa das häufige Nachschlagen der unzähligen grafischen Symbole, die etwas unübersichtliche Menge an Spezialfähigkeiten oder das ein wenig zu kurz kommende Flair der einzelnen Fraktionen, bekommt man eine überaus gelungene Umsetzung des PC-Klassikers auf den Tisch, die das Erkunden-Ausbauen-Erobern-Spielgefühl der digitalen Vorlage stimmig rüberbringt. Ein Spiel für zwischendurch ist Might&Magic: Heroes nicht – die auf der Packung angegebene Spieldauer von zwei Stunden aufwärts entspricht der Praxis. Nimmt man sich jedoch die Zeit und geht mit frischem Kopf ans Spiel heran, erwartet einen ein spannendes Ringen um den Thron von Ashan. Primär punktet das Spiel natürlich bei Fans der Computerspiel-Serie, könnte aber meiner Einschätzung nach auch Heroes-unerfahrene Liebhaber komplexerer Brettspiele begeistern: Daumen 70 bis 80 Grad nach oben.
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