5 Tipps für Horror-AbenteuerHorror im Rollenspiel wird von vielen Spielleitern als eine große Herausforderung empfunden. Tatsächlich ist eine Horror-Spielrunde allerdings viel leichter zu leiten als man glaubt. Eine gruselige Atmosphäre in deiner Spielrunde steht und fällt mir der Bereitschaft der Spieler, sich auf ein Spiel mit der Angst einzulassen. Nichts wird einen Spieler, der für einen unheimlichen Spielstil nichts übrig hat, in eine entsprechende Stimmung versetzen. Solche Spieler solltest du zu deiner Horror-Spielrunde erst gar nicht einlassen. 1. VorbereitungWir halten also den wichtigsten Punkt bei der Vorbereitung einer Rollenspielrunde fest: Frage deine Spieler, ob sie dazu überhaupt Lust haben. Ist auch nur einer darunter, der kein gruseliges Abenteuer erleben möchte, kannst du dir alle Mühe sparen. Die Atmosphäre ist das Wichtigste in einer Horror-Spielrunde. Aus dem Grund sollten die Regeln in den Hintergrund treten. Je mehr du dich mit Regeln abmühen musst und deine Spieler dazu verleitest zu oft auf ihr Charakterblatt zu schielen, umso unwahrscheinlicher ist es, dass es dir gelingen wird, Atmosphäre zu erzeugen. Sollten deine Spieler stark an ihren Regeln und ihren Charakterblättern hängen, spiele einfach mal eine Runde ohne Charakterblätter mit ihnen. Bereite ein reines Detektiv-Abenteuer vor, in dem es nicht viel zu würfeln gibt. Behalte die Werte der Spielercharaktere ungefähr im Kopf oder mach dir eine Übersicht und würfle für die Spieler. Am besten wäre es natürlich, dir fiele ein Abenteuer ein, das ganz ohne Regeln auskommt. Du wirst sehen, dass so eine Spielrunde in Vorbereitung auf ein richtig gruseliges Abenteuer wahre Wunder wirkt. Die Spieler werden merken, dass es auch ohne geht und der Spielspaß deswegen nicht weniger wird - im Gegenteil. Wenn du dich gleich für ein waschechtes Horror-Rollenspiel wie CTHULHU entscheidest (was sehr zu empfehlen ist), wirst du weniger Probleme mit den Regeln haben. Solche Spieler sind prinzipiell so ausgelegt, dass sie bereits mit einem Minimum an Spielregeln auskommen. Versuche die Gruppe für ein Horror-Abenteuer so klein wie möglich zu halten. Drei Spieler sind wahrscheinlich optimal, zwei sind in Ordnung. Vier Spieler sollten ein Maximum darstellen und fünf oder mehr Spieler sind meistens zu vielzuviel für eine Horror-Spielrunde. Es ist wichtig, dass jeder Spieler zu jedem Zeitpunkt des Abenteuers ins Geschehen einbezogen wird. Ansonsten bekommen die Spieler Gelegenheiten, sich anderen Dingen zuzuwenden und schweifen ab, die Atmosphäre leidet und die Spieldauer wird unnötig in die Länge gezogen. Außerdem ist es für die Atmosphäre der Spielrunde extrem wichtig, dass Spielercharaktere und Spieler eine Einheit bilden. Sollten die Spieler normalerweise zu ihren Charakteren eine Beziehung wie zu einem Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spielstein haben, muss diese Haltung dringend geändert werden. Du erkennst so eine Haltung daran, dass die Spieler selten den Namen ihrer Charaktere gebrauchen und in der dritten Person von ihm reden ("Mein Krieger geht ... " oder noch schlimmer "Mein 4.-Stufe-Magier hat .. "). Vor allem müssen die Spieler sich innerhalb der Gruppe mit ihren Charakternamen anreden und auch genau wissen, wie die Charaktere ihrer Mitspieler aussehen, welche Berufe sie haben und wie sie heißen. Ermutige deine Spieler, ihren Charakteren unverwechselbare Merkmale zu geben, die man an der Stimme erkennen kann, wie z. B. Sprachfehler, asthmatisches Pfeifen, eine besonders tiefe Stimme. Auch Utensilien wie Pfeifen, Sonnenbrillen, Spazierstöcke oder Hüte können zur Identifikation der Spieler mit ihren Charakteren beitragen. Achte darauf, dass die Charaktere in der Spielrunde eine Einheit bilden. Für eine Horror-Spielrunde ist es immer gut, wenn die Bedrohung von außen kommt und nicht dadurch, dass die Spielercharaktere sich gegenseitig umbringen. Natürlich dürfen nicht nur den Spielern schauspielerische Leistungen abverlangt werden. Auch du solltest dich intensiv in die Rollen eines jeden Nichtspielercharakters hineinversetzen. Verleihe jedem deiner wichtigen Charaktere Eigenheiten, eine spezielle Mimik und Gestik und vor allem eine eigene Stimme. Experimentiere ein wenig mit Körperhaltung, Stimmlage, Ausdrucksweise, Gesichtsausdrücken und Gesten, bevor die Spielrunde beginnt. Benutze einen Spiegel. Trainiere die NSCs ein bisschen. So bist du nachher im Spiel gut vorbereitet und gehst mit gutem Beispiel voran. Bestenfalls reißt du die Spieler mit. Neben dem Regelwerk, dem Verhältnis der Spieler zu ihren Charakteren und der Gruppendynamik in der Spielrunde solltest du bei einer Horror-Spielrunde unbedingt auf die äußeren Gegebenheiten achten. Der Raum, in dem ihr spielt, sollte natürlich dunkel und ruhig sein. Verkehrslärm und andere Umweltgeräusche können die Atmosphäre erheblich stören. Wichtiger ist allerdings noch, dass der Spieltisch nicht mit Chipstüten und Cola-Flaschen überladen ist. Je mehr Gelegenheit die Spieler zum Knabbern und Trinken haben umso unkonzentrierter werden sie. Deswegen sollten Horror-Spielrunden auch kurz sein. Veranschlage drei bis vier Stunden. So ist garantiert, dass es nicht zu viele Pausen zum Essen, Trinken und den Gang zur Toilette gibt. Handys sollten unbedingt abgestellt werden. 2. EröffnungAchte darauf, dass von Anfang an klar ist, dass es sich bei deinem Abenteuer um ein Horror-Abenteuer handelt. Du brauchst einen entsprechenden Schocker, um die Spielrunde zu eröffnen. Achte bei Horror-Filmen darauf, wie sie eingeleitet werden. Die Spielercharaktere sollten unvermittelt mit einem besonders grausamen Verbrechen konfrontiert werden. Vielleicht werden sie sogar selbst bedroht? Zur Not kannst du auch die Spielrunde auch mit einer besonders gruseligen Geschichte eröffnen. Lass einen Geschichtenerzähler auftreten, der eine alte, düstere Legende erzählt usw. Gute Gelegenheiten für Einführungen sind auch Alpträume (s. Spielleiter-Tipp #18: Traumszenen im Rollenspiel) Am besten ist es natürlich immer, die Spieler direkt ins Geschehen einzubeziehen und sie auch handeln zu lassen. Je mehr sie zu Beginn in die Handlung und in die Atmosphäre einbezogen werden, umso besser gelingt es dir, eine gruselige Stimmung zu erzeugen und durchzuhalten. 3. DurchführungIm eigentlichen Teil des Abenteuers kannst du die Zügel ruhig etwas locker lassen. Viele Spielleiter glauben, sie müssten jede Szene zu einem Schocker machen. Hierbei ist jedoch die Gefahr, dass die Spieler abstumpfen zu groß. Viel besser ist das Arbeiten mit untergründiger Spannung: Kündige Ereignisse an, lass die Möglichkeiten für Gefahr ständig präsent sein. Tatsächlich sollten Action und Gruseleffekte im Verlauf des Abenteuers aber eher sparsam eingesetzt werden. Im Laufe des Abenteuers solltest du tief in die Horror-Trickkiste greifen: Nutze Gelegenheiten für Traumszenen, unerklärliche Begebenheiten ("Lag das Messer nicht eben noch auf dem Küchentisch?"), unheimliche Zufälle ("Musste das Auto unbedingt jetzt einen Platten kriegen?") oder merkwürdige Begegnungen. Rücke das Abnorme in den Mittelpunkt des Geschehens. Abnormitäten können sich praktisch überall äußern: Beschreibe NSCs auf unheimliche Weise (Behinderungen, Verwüchse, entstellende Verletzungen usw.), gib deinen NSCs vor allem Macken, die du leicht ausspielen kannst und die Unruhe erzeugen (zwanghaftes Blinzeln, Muskelzucken, unheimliches, wahnsinniges Gekicher usw.). Allerdings solltest du wiederum darauf verzichten, es zu übertreiben. Je gehäufter solche Effekte eingesetzt werden, je mehr sie dem Klischee entsprechen, umso eher gleitet deine Spielrunde in die Parodie eines Horror-Abenteuers ab. Weitere wichtige Faktoren, die zu einer gruseligen Atmosphäre beitragen sind natürlich das Wetter (kein Spukschloss ohne Gewitter), entlegene Orte und überlebensfeindliche Landschaften, dunkle Vorzeichen usw. Sieh dir ein paar Gruselfilme aufmerksam an und du erhältst ein reiches Repertoire an Horror-Tricks. In der letzten Zeit ist das Verwenden von Soundeffekten und Musik in Rollenspielrunden mächtig im Kommen. Auch in Horror-Spielrunden kann eine akustische Untermalung des Geschehens viel zur Atmosphäre beitragen. Andererseits kann auch sehr viel Atmosphäre durch das lange Suchen von passenden Klängen mitten im Spiel zerstört werden. Aus diesem Grund würde ich von Musik und Effekten während der Spielrunde eher abraten (s. dazu auch Spielleiter-Tipp #23: Musik im Rollenspiel). Viel besser kann man Musik einsetzen, um die Spielrunde zu eröffnen und zu beenden. Auf diese Weise werden ein eindeutiger Anfang und Schluss markiert. Das trägt zur Strukturierung des Abenteuers bei und kann die Atmosphäre viel besser unterstützen als ein panisches Hantieren mit der Fernbedienung des CD-Spielers während einer spannenden Szene. 4. HöhepunktDer eigentliche - und im Idealfall auch einzige - Schocker des Abenteuers sollte erst am Schluss stattfinden. Das kann so ziemlich alles sein: Von einer rasanten Verfolgungsjagd der Charaktere durch ein Monster, bis hin zu einer furchtbaren Enthüllung stehen dir viele Möglichkeiten offen. Je enger der Höhepunkt des Abenteuers mit dem persönlichen Schicksal der Spielercharaktere verbunden ist, umso wirksamer wird. Du kannst die Wirksamkeit noch vergrößern, indem du den Höhepunkt auch mit der Persönlichkeit der Spieler verbindest. Ist einer deiner Spieler allergisch gegen Katzen? Was könnte es dann Schlimmeres für seinen Charakter geben, als in einem Dachboden mit lauter Katzen eingeschlossen zu sein? Selbst wenn der Spieler seine Allergie nicht auf seinen Charakter übertragen hat, so wird seine eigene Abneigung gegen Katzen ein Unwohlsein bei der Vorstellung auslösen, welche du nutzen kannst. Dies ist ein extrem wirksames Mittel, das du allerdings mit Vorsicht genießen solltest. Sollten ernsthaft bedrohliche Ängste bei den Spielern wachgerufen werden, musst du selbstverständlich auf solche Mittel verzichten. Bedenke, dass wir immer noch über ein Spiel reden, dass Spaß machen soll - nicht über Folter! Außerdem gibt es genügend Urängste, die jedem Menschen inne wohnen, die man nutzen kann: die Furcht vor der Dunkelheit, vor dem Ertrinken oder die Angst vor Feuer usw. Der Horror-Spielleiter unterscheidet sich von jedem anderen Spielleiter nur dadurch, dass er entsprechende Gefahren besonders eindringlich beschreiben kann. 5. StileEs gibt sehr, sehr viele Varianten des Horror-Genres, in denen auch Rollenspiel-Abenteuer stattfinden können. Vor allem kann Horror als Element sehr gut in andere Genres eingefügt werden, was sogar sehr empfehlenswert ist. Allerdings solltest du lieber davon abstand nehmen, in deine aktuelle Kampagne einfach eine Portion Horror einzufügen. Das gelingt nur in den seltensten Fällen. Horror-Abenteuer sollten kleine Pausen von den normalen Kampagnen darstellen, da sie auf Dauer zu anstrengend werden. Außerdem nutzt sich die Atmosphäre schnell ab. Deswegen ist es auch nicht erstaunlich, dass in den letzten Jahren Rollenspiele populär geworden sind, die Horror mit anderen Genres kombinieren. Beispiele dafür sind natürlich das Science-Fiction-Horror-Rollenspiel Space Gothic, Deadlands als Splatter- Western-Rollenspiel oder auch Spiele wie Gemini, das klassische Fantasy mit Horror-Elementen verbindet. Beginne also eine Horror-Spielrunde immer mit neuen Charakteren und einem neuen Abenteuer - am besten auch mit einem neuen System und in einer neuen Spielwelt. So signalisierst du deinen Spielern, dass mit den alten Konventionen der bisherigen Kampagne gebrochen wird. Aber auch eine pure Horror-Spielrunde kann auf verschiedene Traditionen zurückgreifen. Innerhalb des Horror-Genres gibt es viele verschiedene Stile. Splatter: Das Splatter-Genre ist hauptsächlich durch Filme berühmt geworden. In entsprechenden Streifen geht es hauptsächlich um besonders blutige Kämpfe, Rituale und Morde. Vertreter des Genres sparen keine Einzelheit aus, sondern zeigen jede blutige Detail. Eigentlich erzeugen diese Filme keine wirkliche Horror-Atmosphäre, sondern eher Ekel. Dieses Genre eignet sich relativ gut fürs Rollenspiel und ist von der Atmosphäre her nicht besonders aufwändig zu gestalten. Allerdings nutzt es sich auch schneller ab als alle anderen. Highschool-Horror: Ebenfalls ein Genre, das aus amerikanischen Filmen entstanden ist. In den Vertretern des Genres geht es um eine Gruppe Schüler, die von einer unheimlichen Gefahr bedroht werden, wie einem Schatten aus dem Jenseits, einem wahnsinnigen Mörder oder einer alten Prophezeiung. Auch Highschool-Horror lohnt sich fürs Rollenspiel, da die Vertreter des Genres stets sehr schematisch sind. Das macht es vor allem unerfahrenen Spielrunden leicht, erste Gehversuche im Horror-Genre zu unternehmen. Monster: In diesem Genre geht es um eine oder mehrere - natürliche oder übernatürliche - Bestien, die die Spielercharaktere bedrohen. Die Variationen für ein solches Thema sind nahezu unendlich, populäre Vertreter sind "Frankenstein", "Dracula" oder auch "Aliens". Der Horror entwickelt sich aus dem Kampf ums Überleben. Geistergeschichten: Im Prinzip sind die Geistergeschichten nur eine Abwandlung der Monster-Geschichte. Allerdings bieten sich hier noch eine Reihe zusätzlicher interessanter Möglichkeiten: Die Geister der Verstorbenen können in bestimmter Weise mit dem Schicksal der Spielercharaktere zusammenhängen. Suspense/Thriller: Der Thriller ist im Prinzip nichts Weiter als eine besonders mysteriöse und erschreckende Kriminalgeschichte. Viele Hitchcock-Filme folgen diesem Muster - es gibt aber auch eine Reihe moderner Thriller. Diese Spielart des Horrors stellt für eine Rollenspielrunde die größte Herausforderung dar, denn die gruselige Atmosphäre muss sich aus der Psychologie der Spielercharaktere und der Nichtspielercharaktere entwickeln. Übernatürliche Phänomene spielen meistens nur indirekt eine Rolle. Oft haben die Geschehnisse nur den Anschein des Übernatürlichen. 6. FazitEine Horror-Spielrunde ist um Einiges anstrengender als eine normale Spielsitzung, die ein Teil deiner Kampagne ist. Sie verlangt dir mehr Vorbereitung und deinen Spielern ein höheres Maß an Konzentration ab. Auf der anderen Seite sind Horror-Spielrunden nicht nur ausgesprochen unterhaltsam: Du kannst mit ihnen auch wichtige Erfahrungen machen, die wiederum die Qualität all deiner Spielrunden verbessern. Schon allein aus diesem Grund lohnt es sich, mal einen Abstecher in ein Horror-Abenteuer zu machen. Wer mehr über dieses Thema erfahren möchte, sollte mal einen Blick in das amerikanische Buch "Nightmares of Mine" von Kenneth Hite (erschienen bei ICE) riskieren. Es ist ein ultimativer Ratgeber für Horror-Abenteuer.
PDF-Download: © Marcus Johanus |
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