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Fairy Meat: Wicked Things - An outsider's perspective
Bewertung:
(3.7)
Von: Patrick Pricken
Am: 23.03.2004
Autor:Scott Leaton
Typ:
System:Tabletop Zusatzbuch
Setting:Fairy Meat
VerlagKenzer & Company
ISBN/ASIN:1-889182-18-4
Inhalt:32 Seiten Softcover
Sprache:Englisch

Fairy Meat: Wicked Things

Da stand es nun, monatelang. Niemand wollte es haben. Niemand liebte es. Niemand in der großen Weite des Gates erbarmte sich, um eine Rezension des Miniaturenspiels Fairy Meat: Wicked Things zu schreiben. Wirklich niemand? Nein, euer tapferer Redakteur fasste sich ein Herz, und so landete Wicked Things auf seinem Schreibtisch.

Das erste, was er sah: "Benötigt Wissen über die Fairy Meat-Grundregeln oder den Besitz des Grundbuchs." Das traf sich schon mal gut, denn dieser Redakteur besaß weder das eine noch das andere. Einer detaillierten Rezension stand also nichts mehr im Wege.

 

Fairy Meat: Eine Einführung

Als Leser von "Knights of the Dinner Table" weiß ich zumindest halbwegs, worum es bei Fairy Meat geht. Fairy Meat handelt vom Krieg zwischen kannibalischen Feenwesen, die einander töten und verspeisen wollen. Das Besondere: die Miniaturen sind in der Skala 1:1 gebaut (und so groß wie andere handelsübliche Miniaturen). Anders gesagt: die Feen sind etwa 3-5 cm groß. Gleichzeitig spielt Fairy Meat in der Realität, also kann man einfach seinen voll gepackten Esstisch zum Spieltisch machen, und die Feen müssen bei ihrer Jagd aufeinander um Flaschen herum, über Coladosen herüber und durch Pringlespackungen durch fliegen. Eine kongeniale Idee, die schon zeigt, dass sich das Spiel unheimlich ernst nimmt. Wer sich noch nicht sicher als: Als Maßstab für die Bewegung und Feuerreichweite der Feenwesen wird die Verwendung eines Maßbandes als langweilig abgetan und zu einem langen Regenwurm geraten, dem man die Maße mit einem Filzstift auf die Haut gemalt hat.

 

 

Wicked Things: Layout und Stil

Wicked Things ist mit Ausnahme des Farbcovers komplett in schwarzweiß gehalten. Der Stil der Coverillustration wird das Buch über durchgehalten; die Bilder finde ich nur mäßig gelungen. Jede Seite wird von einem großen Rand begrenzt, der verschiedene Symbole zeigt - die Symbole passen mehr oder weniger gut zum Inhalt des Buches. Die Schrift ist groß und sehr gut lesbar. Wenn man allerdings den Rand, die großen Überschriften und die großzügige Schrift berücksichtigt, hat man letztendlich eher 20 als die tatsächlichen 32 Seiten Inhalt. Da ist ein Preis von 19.95$ happig.

Der Stil des Inhalts macht jedoch einiges wieder wett. Scott Leaton schreibt sehr flüssig und gut lesbar, und verkneift sich keinerlei satirische Kommentare. So erklärt er z.B. die Regel, das Hexen unter einer seltenen Geistesstörung leiden, wodurch sie nicht korrekt buchstabieren können (Kommentar des Lektors dazu: "Das macht aus dir dann wohl eine Hexe, Scott?"). So entstehen Buchtitel wie "Feen und Ihro Arten" (Faeries and their Kynde). Gut zu wissen.

In der Mitte des Hefts ist noch eine Doppelseite mit herausnehmbaren (vorgestanzten) Plättchen auf eher dünner Pappe integriert, die als Spielmaterial dienen können (für z.B. Lebenspunkte oder herbeigerufene Pixiegeister).

 

Wicked Things: Inhalt

Und genau davon handelt das Buch: von Hexen. Einige der böseren Hexen nämlich haben begonnen, Feenwesen zu fangen und magisch zu verändern, um sie zu gemeinen Killern abzurichten. Alleine diese Nachricht sollte genügen, um jede normal kannibalische Fee vorsichtiger werden zu lassen - wenn es denn vernünftige bzw. vorsichtige Feen gäbe.

Zum Glück aber liefert uns das Buch einen Überblick über all die bösen Kreaturen, die Hexen so erschaffen können. Wichtig ist dabei zunächst einmal, dass die Libellenflügel durch Fledermausflügel ersetzt werden, und die Augen gefälligst weiß leuchten. Warum? Es sieht böse aus, darum! Blöde Frage. Außerdem lernen die neu gestalteten "Witch Fairies" von den "Hexlein", wie man richtig böse ist - was zu einer interessanten Rangfolge unter den Sklavenkreaturen führt (s.u.).

Es gibt aber auch "Blood Fairies", denen Arme und Beine durch eiserne Widerhaken ersetzt werden (Eisen verletzt Feen zwar, aber - ihr wisst schon - es sieht böse aus!), zzgl. den Fledermausflügeln. Blood Fairies sind die hirnlosen Metzler, die alles beißen, was sie sehen - auch ihr Spiegelbild.

Es gibt ebenfalls Wesen, die von den Hexen nicht verändert wurden, aber trotzdem für sie kämpfen. Dazu zählen die "Cricken", grillenartige Wesen, die sich für Teufel halten und nur dann kämpfen, wenn man ihnen ihre Seele (oder einen Teil davon) vertraglich zusichert. Natürlich sind die Cricken keine Teufel, aber dafür antimagisch, da unterschreibt man schon mal mit seiner Seele - vor allem, weil Feen diese komischen Vertragsdinger eh nicht ernst nehmen.

"Leperchauns" sind Verwandte der Gnome - genauso trinkfreudig, dafür aber leprakrank. Sie sind unheimlich langsam, dafür aber schwer zu stoppen.

 

Natürlich sind die Feenwesen nur die ausführenden Organe für die Hexen. Amerika beheimatet vier große Hexen, die einander (und andere Feen) bekriegen.

Cleo ist eine stilbewusste Hexe, die ihr Geld durch Fernsehratgeber verdient.

Dana ist eine Naturhexe unbestimmter Jugend, ein wenig verrückt, die sich für eine halbe Fee hält (wie man z.B. sagen würde: "Mein Hund ist halb Labrador, halb Fee.") - wie auch immer das gehen soll. Denkt gar nicht erst drüber nach!

Martin ist eine unsagbar mächtige Hexe, deren (oder dessen?) Macht nur von seinem Ungeschick übertroffen wird. Er will unbedingt Dana vernichten - sie weiß gar nicht, dass es ihn gibt. Das liegt wohl auch daran, dass Martin durch eine Zauber in seinem Kellerschrank eingesperrt ist, und seine Feenwesen dadurch nicht nur mit Kämpfen beschäftigt sind, sondern auch damit, Videos zurückzubringen (und bis sie erst mal den Fernseher im Keller hatten!). Außerdem ist Martin als Resultat eines fehlgeschlagenen Unsterblichkeitszauber in ständiger Pubertät gefangen (was seine Fixierung auf Dana teilweise erklärt). Man könnte ihn bemitleiden, wenn er nicht so böse wäre.

Und dann gibt es da noch Harlot, eine alte und bösartige Hexe mit unglücklichem Namen (lest es im Wörterbuch nach, wenn ihr müsst). Als solche kleiden sich ihre Feen in bösem Rotschwarz, trotz aller damit verbundenen Klischees.

 

Nun folgen im Buch die Erklärung der Sonderregeln, wie Pechzauber, Pixigeists, Avatare (Hexen können eine Fee zu ihrem Avatar machen), und die besonderen Fähigkeiten der einzelnen Kreaturen.

Dann folgen einige neue Waffen (Sense, Schrotflinte und Knochenstecken, um nur drei zu nennen) und Erklärungen, wie man einen Trupp von Hexenfeen zusammenstellt.

Anscheinend ist es so, dass jeder Spieler eine bestimmte Anzahl an "Kaufpunkten" bekommt, und je nach Stärke der einzelnen Feen kosten diese eine bestimmte Punktzahl, ebenso besondere Waffen oder z.B. ein Avatar. So haben Spieler zwar individuelle Truppen, aber letztendlich gleichwertiges Arsenal zur Verfügung. Je nachdem, welcher Hexe der Trupp angehört, kann man die Zauber für die Feen aus zwei Domänen wählen (ein Avatar beherrscht beide) - denn natürlich können Feen zaubern! Nur beißen und meucheln alleine macht doch keinen Spaß...

Dann werden die einzelnen Feen in Ränge unterteilt. Je besser sie sind, desto teurer sind sie. Die Feenränge sind dabei besonders interessant. Es gibt derer vier:

Zuerst sind es die "Bitter Fairies". Diese sind noch neu und wissen nicht so recht, wie man böse sein soll, und können sich noch nicht alle schmutzigen Witze verkneifen. Sie können nicht mal richtig böse kichern! Sie wollen wirklich böse sein, ziehen sich aber meistens nur dunkel an, tragen schwarzen Lidschatten und spitze Hüte, und belassen es dabei.

Danach kommen die "Gloom Fairies". Sie sind so voller Verachtung, dass jedes Ereignis nur mit einem düsteren Zucken im Mundwinkel und einem deprimierenden Kommentar bedacht wird. Sie sind melancholisch, trübe, tragisch. Manch andere Fee erzählt ihnen absichtlich schlechte Nachrichten, um sie noch mehr runter zu ziehen. Sie lächeln nie.

Dritte Station sind die "Night Fairies", die sich endlich mit ihrer Boshaftigkeit abgefunden haben. Sie tragen arkan aussehende Kleidung, viele Ringe und komische Kopfbedeckungen. Wenn sie zaubern, geben sie Nonsens von sich, und gerne lassen sie Sätze los, wie sie einem Bösewicht gebühren: "Bereite dein sterbliches Hülli-lein auf ewige Tödlichkeit vor!", oder "Die Geistlein sollen auf deinen Knöchelchen tanzen."

Die Krone der Hexenfeen aber tragen die "Doom Fairies". Sie sind gemein, hartherzig, und tragen SM-Klamotten (und Peitschen, die zwar wenig bringen, aber viel Spaß machen!).

So oder so ähnlich sind auch die anderen Wesen beschrieben, die man für seinen Trupp "kaufen" kann.

 

Das Buch endet mit einigen Kampfszenarien (in einem müssen die Feen gegen einen Hexenvertrauten, eine Katze antreten - auf dem Schlachtfeld durch ein Plüschtier dargestelllt) und ein paar Übersichtstabellen.

 

Fazit:

Ich hatte vorab keine Ahnung, was Fairy Meat genau ist, und vor allem nicht von den Regeln. Und in dieser Rezension liest man auch nicht viel von diesen Regeln. Das liegt natürlich daran, dass ich neue Regeln oder Änderungen alter Regeln nicht wirklich abschätzen oder erkennen kann.

Allerdings muss ich sagen, dass mir Wicked Things auf jeden Fall Appetit gemacht hat, Fairy Meat einmal auszuprobieren. Es scheint mir ein extrem unterhaltsames und schnell und einfach spielbares System zu sein, dass neben einem guten Regelwerk ein höllisch spaßiges Konzept hat. Schon alleine die Tatsache, dass man eine Bushaltestelle zum Spieltisch machen kann, wobei die Sitze dann erhöhte Plattformen darstellen, finde ich genial.

Zwar ist das Layout des Buches eher mau, und vielleicht hätte man den Inhalt besser organisieren können, aber der Text ist auch für Nichtspieler sehr unterhaltsam. Mehr als einmal musste ich schmunzeln oder gar - die Gloom Fairies mögen es mir verzeihen - lachen.

Für Nichtspieler ist allerdings der Preis von 20 $ viel zu hoch, und den Wert, den das Buch fürs Spiel hat, kann ich schwer abschätzen. Aber ich denke schon, dass sich Wicked Things im oberen Preissegment befindet.

Trotzdem muss ich dem Buch eine rundum gelungene Note geben, da es mich letztendlich gut unterhalten hat, und mich zumindest an dem Spiel interessierte. Ob das auch so wäre, wenn man nur "Magic of Faerûn" oder einen ähnlichen Rollenspielzusatzband lesen würde?