Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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Herr der Ringe RPG: Grundregelbuch
Bewertung:
(4.0)
Von: J.C. Post
Am: 25.03.2004
Autor:Steven S. Long u.a.
Typ:
System:Proprietär ("CODA")
Setting:Herr der Ringe / Mittelerde
VerlagPegasus Spiele
ISBN/ASIN:3-930635863
Inhalt:300 Seiten, Hardcover
Sprache:Deutsch

Grundregelbuch

Das Herr der Ringe Rollenspiel, natürlich entstanden und veröffentlicht im Zuge der auf die Filme folgenden Merchandise-Flut, ist mitnichten eine überarbeitete Version des altbekannten MERS, sondern eine von Grund auf neue Entwicklung. Es orientiert sich erfreulicherweise direkt an Tolkiens Werk, nimmt aber auch zum Film bezug, wo dieser von der Vorlage abweicht. Die Regeln, auf die ich später genauer eingehen werde, sind vom Komplexitätsgrad eher einfach gestrickt und richten sich eher an Einsteiger, oder aber Anhänger der "Storyteller" Spielweise.

 

Aufmachung

Der erste Eindruck ist sehr erfreulich. Das Grundregelwerk ist in hochwertiger Fadenheftung in einen festen Pappeinband eingefasst, auch ein Lesebändchen fehlt nicht. Das Buch ist komplett farbig auf Hochglanzseiten gedruckt, das Artwork beinhaltet ein gerüttelt Maß Screenshots aus den Filmen, abgerundet durch Zeichnungen im Stil der Bücher. Eine schön gezeichnete Karte ist ebenfalls enthalten. Eigenes Artwork ist eher unauffällig und dünn gesät, aber wo vorhanden auch von ansprechender Qualität. Insgesamt also sehr hochwertig gemacht.

 

Aufbau

Das Buch ist in zwölf Kapitel gegliedert, die allerdings – erster Kritikpunkt – zwar stimmungsvoll, aber kryptisch betitelt sind. Das Inhaltsverzeichnis listet Titel auf wie "Macht und Erhabenheit" oder "Gestrenge und entschlossene Männer". Daß sich dahinter die Beschreibungen der Attribute bzw. Merkmale verbirgt, muss man auch erstmal wissen. Erklärende Untertitel sucht man hier vergebens, was zu Anfang die Navigation nicht gerade erleichtert.

 

Inhalt

In der Einleitung wird zunächst die obligatorische Begriffserklärung eines Rollenspiels geboten, gefolgt von einem Glossar von systemspezifischen Begriffen, welches man durchaus öfters zu Rate ziehen darf, denn die Designer haben sich wirklich für alles einen neuen Namen ausgedacht. Selbst das altehrwürdige Amt des Spielleiters wird konsequent "die Erzählerin" genannt.

 

Kapitel 1 – Hin und wieder zurück – beschreibt zunächst auf 26 Seiten die Regionen Mittelerdes, was durchaus interessant und lehrreich ist, und auch bei der Auswahl des Charakterhintergrundes hilfreich sein kann. Dann kommen wir zur eigentlichen Charaktererschaffung, die in diesem Kapitel nur angedeutet wird; in erster Linie werden einige Archetypen vorgestellt. Die weitere Charaktererschaffung erstreckt sich gleich über die nächsten paar Kapitel.

Dazu ist vorweg zu sagen: die Charaktererschaffung ist nicht hinreichend genau beschrieben, zu weit verstreut sind die einzelnen Schritte, Regeln und Tabellen. Eine zusammenfassende Doppelseite hätte dieses Problem gelöst. Zum Glück lassen sich die fehlenden Informationen aus dem Netz ziehen.

 

Kapitel 2 – Macht und Erhabenheit – beschreibt die Attribute. Hier haben wir auch schon den zweiten Kiritkpunkt: leider hielten es die Designer für notwendig, sich unkonventionelle Attributsnamen auszudenken, was durch die deutsche Übersetzung nicht gerade verbessert wurde. Statt "Charisma" muss es "Auftreten" sein, und wer Geschicklichkeit mit Gewandheit gleichsetzt, wird kurz darauf in arge Bedrängnis kommen. Besonders dämlich sind deutsche Attributskürzel wie "STÄ" für Stärke, aber das mag von geringerer Wichtigkeit sein. Das normale Maximum bei Spielercharakteren ist 12 zuzüglich Rassenmodifikatoren, Durchschnitt (für NSCs) ist 4-7. Aus dem Attributswert errechnet sich nach D&D-Art ein Modifikator, der auf entsprechende Würfe angerechnet wird.

Zur Ermittlung der Attribute werden übrigens zwei Methoden zur Auswahl gestellt; man kann sie entweder auswürfeln, oder nach einem vorgegebenem Schema verteilen.

Ein besonderer Kniff ist, daß neben den sechs Hauptattributen auch vier abgeleitete Attribute oder "Reaktionen" gibt: Ausdauer, Gewandheit, Weisheit und Verteidigung. Diese Reaktionen müssen im Verlauf des Spiels separat gesteigert werden; d.h. ein gesteigertes Attribut hat keinen Einfluss mehr auf die zugehörige Reaktion. Hier haben wir also schon die erste Verwirrung, nämlich daß Geschicklichkeit und Gewandheit zwei Paar Stiefel sind.

Auch das Verwundungssystem wird hier vorgestellt, und ist etwas kompliziert. Wenn man eine Anzahl Schadenspunkte gleich seiner Lebenskraft genommen hat, erhält man einen Verwundungsgrad (was Abzüge für alle weiteren Proben bedeutet); nach fünf Verwundungsgraden (Hobbits: vier) segnet man das Zeitliche. Das gleiche gilt theoretisch auch für alle potentiellen Gegner, aber dazu später mehr.

Schließlich gibt es noch zwei weitere relevante Attribute: Mut und Ruhm. Beide erinnern etwas an Shadowrun, wobei ersteres dem Karmapool entspricht, letzteres der Reputation. Anders gesagt, kann unter Einsatz von Mutpunkten eine Probe verbessert werden, wobei die eingesetzten Mutpunkte in relativ kurzen Abständen wieder auffrischen.

 

Kapitel 3 – Von den Feinden des Schattens – stellt die spielbaren Völker Mittelerdes vor. Kurz gefasst, haben wir Elben, Menschen, Hobbits und Zwerge. Mit Ausnahme der Zwerge hat jedes Volk mehrere Unterrassen. So teilen sich Elben in Noldor, Sindar und Waldelben; Menschen in Dúnedain, Mittelvölker, Ostlinge und Wilde Menschen; Hobbits in die altbekannten Falbhäute, Harfüsse und Starren. Jedes Volk hat typische Volksfähigkeiten, jede Unterrasse unterschiedliche Attributsanpassungen und gegebenenfalls andere Modifikationen.

Balancefanatiker kommen hier übrigens nicht auf ihre Kosten; ausgewogene Modifikationen sucht man vergebens. Für den Powergamer käme ausschließlich ein Elb in Frage, denn an deren lange Latte von Sonderfähigkeiten kommt so schnell keiner heran. Das mag zwar zum Tolkienschen Bild von Elben passen, aber ein paar ausgleichende Nachteile, wenigstens im rollenspielerischen Sinne, wären dennoch wünschenswert gewesen.

Im Zuge der Volksauswahl darf der eifrige Spieler auch gleich die nächsten Punkte verteilen, nämlich auf bestimmte Fertigkeiten sowie Vor- und Nachteile. Hier haben wir übrigens eine Lücke in der Beschreibung, denn die Beispiele suggerieren, daß man nur einen Vorteil wählen dürfe, und der Rest müssten Fertigkeiten sein. Tatsächlich ist es absolut Regelkonform, alle Punkte in Vorteile zu investieren – worin der Numbercruncher mit vollem Recht immense Vorteile erkennen wird.

 

Kapitel 4 – Von Kriegern... – ist den Klassen gewidmet, oder wie es hier heißt: Berufungen. Die zu Spielbeginn zur Auswahl stehenden Klassen sind: Adliger, Barbar, Gelehrter, Handwerker, Krieger, Magier, Sänger, Seefahrer und Spitzbube.

Adliger, Barbar und Krieger sind die primären Kämpferklassen, wobei der Barbar nicht allen Völkern zur Verfügung steht und sich auch nur bedingt für Spielercharaktere eignet. Adliger und Krieger unterscheiden sich in erster Linie in Herkunft und bevorzugten Attributen sowie gewissen Fertigkeiten.

Gelehrte, Seefahrer und Handwerker dürften ebenfalls weniger attraktiv für Spieler sein, taugt aber allemal als Zweitberufung (ja, Multiclassing ist auch in Mittelerde gängige Praxis).

Völlig ratlos ließ mich hingegen der Magier – es muss sich hier wohl um ein Zugeständnis an den gemeinen Fantasy-Rollenspieler einerseits sowie den Möchtegern-Gandalf andererseits handeln. Es wird zwar sogleich der Unterschied zum Zauberer, also Istari deutlich gemacht: Magier sind deutlich weniger mächtig. Aber mich besänftigt das an dieser Stelle noch nicht so recht.

 

Grundsätzlich unterscheiden sich die Berufungen zum einen in ihren Fertigkeitslisten, die sich aber doch häufig stark überschneiden, zum anderen in den "Berufungsfähigkeiten", die einzigartig sind. Zu Spielbeginn darf man eine Fähigkeit wählen, und bei späteren Aufstiegen weitere dazu erwerben.

Das Multiclassing ist übrigens recht einfach gelöst: bei einem Aufstieg kann man sich entscheiden, statt anderer Verbesserungen eine neue Berufung zu erwerben. Bei den folgenden Aufstiegen stehen nun die Fertigkeitslisten und Fähigkeiten beider Klassen zur Verfügung. Man kann allerdings immer nur zwei Klassen gleichzeitig verfolgen – wählt man eine dritte, muß man eine frühere komplett aufgeben. Auf diese Weise wird exzessivem Multiclassing effektiv vorgebeugt.

 

Auch Prestigeklassen stehen zur Verfügung – hier "auserwählte Berufungen" genannt. Diese können frühestens ab der sechsten Stufe gewählt werden, bieten neue Fertigkeitslisten und einzigartige Fähigkeiten. Dazu gehören zum Beispiel Bogenschütze, Waldläufer, Ritter, und – aua aua – Zauberer.

 

Kapitel 5 – Der Klang von Amboß und Gesang – erklärt kurz gesagt den Erwerb und Gebrauch von Fertigkeiten. Etwas wirr geht es hier mit Fertigkeitsgruppen und Spezialisierungen durcheinander; mal steigert man eine Fertigkeit an sich (z.B: Suchen), mal darf man zusätzlich gratis eine Spezialisierung wählen (Unauffälligkeit > Verstecken), mal muss man erst eine Kategorie wählen, z.B. müssen Nahkampf: Schwerter und Nahkampf: Äxte getrennt gesteigert werden. Ansonsten ist zu diesem Kapitel nicht viel zu sagen, das Rangsystem ist ähnlich wie in D&D umgesetzt.

 

Kapitel 6 – Gestrenge und entschlossene Männer – dreht sich ganz um sogenannte Merkmale, bestehend aus Vor- und Nachteilen, im Volksmund auch Edges und Flaws genannt. Wie bei solchen System üblich, laden die Nachteile leicht zum Numbercrunchen ein, wenn der Spielleiter da nicht den Daumen draufhat.

Speziell die Vorteile sind zum Großteil direkt vom Roman inspiriert – jedes Merkmal ist mit einem Zitat aus Buch oder Film versehen, das zum Vor- oder Nachteil passt. Daher kommen dann auch die wohlklingenden Namen wie "Hammerhand" oder "Mannhaft". Im Ganzen ist das System nicht schlecht gemacht, da es durchaus zur epischen Stimmung des Spielt beiträgt.

 

Kapitel 7 – "Ich bin ein Diener des geheimen Feuers" – beschäftigt sich mit der Magie Mittelerdes. Zunächst wird bei Magie unterschieden zwischen Zauberei (gut) und Hexenwerk (böse). Die weitere Lektüre des Kapitels offenbart, daß die Magie eher unterschwellig und intuitiv funktioniert. Es gibt zwar eine Reihe Zaubersprüche, die aber in Tabellenform bequem auf anderthalb Seiten passen. Die Gesamtzahl mag bei ungefähr 80 liegen, wobei ein Magier neue Sprüche immer im Fünferpack erwirbt, und das auch nicht bei jedem Aufstieg. Ein Dutzend dieser Sprüche sind ausserdem bösen Magiern vorbehalten.

Limitiert wird die Magie unter anderem durch ein Shadowrun-ähnliches Entzugssystem. Mißlingt dem Magier beim Wirken des Spruchs ein Ausdauerwurf, geht der Spruch in die Robe und der Zaubernde erhält einen Erschöpfungsgrad.

Im Ganzen wird sehr klar und deutlich gemacht, daß Magie in Mittelerde immer etwas seltenes, subtiles und wundersames ist. Man verweist darauf, daß selbst Gandalf mit Schwert und Stab kämpft, und nur in Ausnahmesituationen Magie anwendet. Die Regeln sind ebenfalls darauf abgestimmt, daß ein Magier nicht zu oft zaubert. Die Sprüche selber sind im Vergleich zu anderen Rollenspielen eher subtil und wirken vergleichsweise harmlos. Feuerbälle, Teleport oder Totenerweckung wird man hier vergeblich suchen; direkte Schadenszauber sind überhaupt sehr dünn gesät.

Im gleichen Sinne sind auch magische Gegenstände sehr dünn gesät, und wirken im Vergleich zu handelsüblichen D&D Items eher mickrig. Und trotzdem ist so ein "Schwert +2" so in etwa die mächtigste Waffe, die man in Mittelerde finden kann. Daß wir uns nicht falsch verstehen: ich finde das durchaus positiv, da ich immer schon gegen den inflationären Einsatz von Magie gewesen bin.

 

Insofern kann ich meine vorausgegangene Skepsis teilweise revidieren. Die Magie scheint durchaus stimmungsvoll und ansprechend umgesetzt zu sein, doch würde ich mir nach wie vor genau überlegen, ob ich einen Magier als SC zulasse.

 

Kapitel 8 – Schwert und Axt – ist schnell zusammengefasst: auf wenigen Seiten wird hier das Währungssystem sowie Waffen und Rüstungen beschrieben, auch Preislisten für andere Gegenstände und Dienstleistungen sind vorhanden. Die Waffentabelle ist übrigens fehlerhaft, hier gibt es Errata im Netz und in anderen Supplements.

 

Kapitel 9 – Wahre und Gute Worte – befasst sich nun endlich mit dem eigentlichen System des Spiels, vor allem natürlich mit dem Kampf oder anderen Streßsituationen, die Würfe erfordern.

So hat man in einer Runde grundsätzlich zwei Aktionspunkte, wenngleich es bestimmte Merkmale und Klassenfähigkeiten gibt, die diese Zahl erhöhen können. Je nach Komplexität muss man für eine Aktion 1 oder 2 Aktionspunkte aufwenden. Auch eine kleine Auswahl "freier Aktionen" fehlt nicht.

 

Das ganze sog. CODA-System basiert auf zwei sechsseitigen Würfeln (2W6). Alle Würfe, ob Attributs-, Reaktions- oder Fertigkeitswürfe (inklusive Kampf) laufen nach demselben Schema ab: man wirft 2W6, rechnet anwendbare Modifikatoren hinzu, allein bei einem 6er-Pasch darf man einen Würfel nochmals rollen und das Ergebnis addieren, solange bis kein 6er mehr fällt.

Entspricht das Endergebnis genau dem Zielwert (Zw), wurde ein "knapper Erfolg" errungen. Liegt das Ergebnis darunter, handelt es sich natürlich um einen Fehlschlag. Je größer der Unterschied zwischen Ergebnis und Zw ist, umso überragender bzw. verheerender fallen Fehlschlag oder Erfolg aus.

 

Ähnliches gilt auch beim Kampf, der Zw ist hier normalerweise der "Verteidigungswert" des Gegners, der allerdings nicht besonders hoch werden kann und von jedem halbwegs geübten Kämpfer in den meisten Fällen erreicht werden dürfte. Opfert der Verteidiger eine Aktion, kann er einen Ausweichwurf machen, der allerdings nur mit Glück den Verteidigungswert wesentlich verbessern kann. Die einzige wirklich sinnvolle Variante ist die Parade, die zu den Kosten einer Aktion eine Nahkampfprobe des Verteidigers erlaubt, bei der wesentlich höhere Modifikatoren zu deutlich günstigeren Ergebnissen führen. Rüstung wiederum wirkt ausschließlich schadensreduzierend, hat also keinen Einfluß auf die Trefferchance. Ich schreibe das relativ ausführlich, da dies im Spiel handfeste Konsequenzen hat: wer nicht ständig Aktionspunkte für Paraden in Reserve behält, muss damit rechnen, extrem häufig getroffen zu werden.

 

Ansonsten gibt es auch noch unterschiedliche Kampfmanöver, wie z.B. zweihändigen Angriff, Sturmangriff, gezielter Angriff, und so weiter. Auch Regeln für Massenkampf werden angeboten.

Dem Einsatz von Pferden ist ein eigener Abschnitt im Kapitel gewidmet, auch die weiteren allgemein benötigten Regeln werden abgedeckt.

 

Kapitel 10 – Sagen und Erhabenheit – ist sozusagen ein "Flavour" Kapitel, und richtet sich vornehmlich an den Spielleiter. Es soll einstimmen auf die epische Fantasy und typische Atmosphäre von Mittelerde. Die einzelnen Abschnitte behandeln Charakteristika der Welt, Hinweise zu Respekt und Umgangsformen, Anleitungen, wie sich ein Held verhalten sollte, und dergleichen mehr. Schließlich wird zum nächsten Kapitel übergegangen, nämlich konkreten Hinweisen zur Spielleitung.

 

Kapitel 11 – Schwindelerregende Höhen... – trägt den Untertitel "Eine Chronik erschaffen und leiten". Eine Chronik ist hierbei das, was der gemeine Rollenspieler als Kampagne kennt. Da ist die Rede von Handlungsbögen, Akten und Szenen, Nebenrollen und Erzähltempo. Hochinteressant übrigens auch der Hinweis an "die Erzählerin", wie Kämpfe abgehandelt werden sollten: laut dieser Maßgabe ist es nicht vorgesehen, die Helden in ernsthafte Bedrängnis zu bringen, Feinde wie Orks werden unverhohlen als "Kanonenfutter" bezeichnet. An dieser Stelle werden die ganzen Verwundungsregeln über Bord geworfen, und NSCs pauschal in "Einser, Zweier und Dreier" eingeteilt – was die Anzahl der Treffer bezeichnet, nach denen sie zu Boden gehen. Davon, den Spielercharakteren Verwundungen zuzufügen, wird ausdrücklich abgeraten (da es sehr wenige Heilungsmöglichkeiten gibt).

Das ist natürlich ein sehr zweischneidiges Schwert. Erfahrungsgemäß geht ein Spiel extrem den Bach runter, sobald die Spieler merken, daß sie de fakto unbesiegbar sind. Es mag also nicht der klügste Zug gewesen sein, diese Anweisungen in das Hauptbuch zu schreiben, auf das alle Spieler Zugriff haben. Natürlich will man als SL seine Party nicht im Stundentakt den Heldentod sterben lassen, aber die Spieler sollen wenigstens gehörig ins Schiwtzen kommen.

 

Im Rest des Kapitels werden mögliche zeitliche Settings für Kampagnen vorgeschlagen, Richtlinien zu Vergabe von Erfahrungspunkten aufgelistet, und schließlich die Vorgehensweise beim Aufstieg eines Charakters erläutert. Man steigt übrigens linear alle 1000 Punkte auf, was natürlich zu einem ganz anderen Levelgefüge führt als z.B. bei D&D. Umgekehrt werden Punkte in erster Linie für das Erreichen von Zielen vergeben; erschlagene Gegner sind nicht als Erfahrungslieferanten vorgesehen.

 

Kapitel 12 – Die Furcht und der Schatten – könnte zwar ein eigener Roman- oder Filmtitel sein, ist aber lediglich eine Beschreibung diverser Feinde, wie Nazgul, Orks, Trolle, oder einzelner NSCs wie Saruman, aber auch Kreaturen wie den Balrog, Grabunholde, Warge und dergleichen mehr. Dies bildet dann auch den Abschluß des Buches, danach kommen nur noch Charakterbogen und Index.

 

 

Positives & Negatives:

Positiv:

+ Sehr schöne und hochwertige Aufmachung

+ Umfassende Grundregeln, Quellenbücher nicht zwingend erforderlich

+ Einfaches, auf schnellen Ablauf ausgelegtes Regelsystem, intuitives Spiel möglich

+ Sehr gute Vermittlung der Mittelerde-Atmosphäre

+ Internetforum für Support und Regelfragen

 

Negativ:

- Teilweise wäre etwas mehr Spielbalance wünschenswert (z.B. bei Volksfertigkeiten

- Verwirrende, teilweise wirre Nomenklatur, unkonventionelle Begriffe, oft sehr ähnlich und daher leicht zu verwechseln: z.B. Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gewandheit und Geschicklichkeit, Tapfer und Tapferkeit

- Regeln teilweise unvollständig und/oder inkonsequent; Tabellen z.T. fehlerhaft, Errata im Internet.

- Ungenügende, verwirrende Anleitung zur Charaktererschaffung, fehlende Mastertabelle, Abhilfe gibt es aber im Internet.

 

Anmerkung: fast alle genannten Nachteile lassen sich durch Errata und eigene Initiative ausgleichen – nur die beknackte Nomenklatur bleibt, und führt zur Abwertung.

 

Preis:

Der marktübliche Preis für die deutsche Ausgabe scheint um die 40 Euro zu liegen, teilweise kann man es aber schon für bereits 30 Euro ergattern. Für ein 300 Seiten Werk in Vollfarbe in Hardcover sicher nicht zu unverschämt.

 

Fazit:

Wenn man schon nicht per Dimensionsportal nach Mittelerde auswandern kann, so kann man doch wenigstens in Mittelerde spielen. Dieses Buch bietet alles, was man dazu braucht. Das Spiel eignet sich natürlich nicht für Hack&Slash Kampagnen, dürfte aber allen Tolkienfans eine Menge Spaß bieten, ohne unüberwindliche Hürden durch komplizierte Regeln aufzustellen. Insofern dürfte die Entscheidung für oder wider die Anschaffung recht einfach ausfallen, so oder so.