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Glauben und Ehre
Bewertung:
(2.8)
Von: Andreas Miebach
Alias: Trøll
Am: 19.06.2004
Autor:Rich Redman, James Wyatt
Typ:
System:D&D v3.0, Quellenbuch
Setting:Universell
VerlagAMIGO Spiel + Freizeit GmbH
ISBN/ASIN:3 933171 45 8
Inhalt:96 Seiten, Hardcover
Sprache:Deutsch

Das zweite offizielle Zusatzbuch für die Grundklassen von D&D beschäftigt sich hauptsächlich mit Klerikern und Paladinen und ist die deutsche Übersetzung des amerikanischen Titels „Defenders of the Faith“ von Wizards of the Coast (siehe auch die Rezension dazu hier im Gate), womit Amigo hier bei der Übersetzung erstmalig signifikant von der ursprünglichen Bedeutung des Titels abweicht – allerdings nicht zum Nachteil, wie ich finde. „Glauben und Ehre“ (im folgenden G&E) preist sich auf der Rückseite des Einbandes mit Erweiterungsregeln, neuen Talenten, Prestigeklassen, Waffen und Ausrüstung, neuen Anwendungsmöglichkeiten für Vertreibungsversuche, speziellen magischen Gegenständen, Informationen über besondere Organisationen und detaillierten Beschreibungen verschiedener Tempel an. Erstaunlicherweise hat man offenbar vergessen zu erwähnen, dass zudem auch noch eine ganze Menge neuer Zauber enthalten sind, aber bei einem Zusatzbuch für magiefähige Klassen setzt man das wahrscheinlich ohnehin als selbstverständlich voraus – wer weiß. Alles in allem ist das jedenfalls eine ganze Menge Holz für nur 96 Seiten, insbesondere wenn man bedenkt, dass zu seligen AD&D-Zeiten die beiden entsprechenden Quellenbücher „Alles über den Priester“ mit 136 und „Alles über den Paladin“ mit 128 Seiten „gesegnet“ waren. Ein Umstand, aus dem heraus sicherlich viele der Probleme entstanden sind, an denen G&E leidet – wobei ich jetzt hier nicht das Fazit vorwegnehmen möchte.

Es ist auch bei weitem nicht alles so neu wie im Klappentext behauptet: Bei den Credits findet man nämlich den Hinweis, dass einige der Artikel aus diversen amerikanischen Ausgaben des Dragon-Magazins stammen sowie aus den AD&D-Quellenbüchern „Aurora’s Whole Realms Catalog“ und „Bastion of Faith“. Auch die Prestigeklasse „Totenjäger“ wurde erstmalig im amerikanischen Dragon veröffentlicht (Nr. 276).

 

Aufmachung, Gestaltung und Verarbeitung

Als erstes fällt natürlich ungemein positiv auf, dass G&E wie die anderen Bücher dieser Reihe im Gegensatz zu den amerikanischen Originalen mit einem Hardcover-Einband daherkommt. Bei einem nur 96 Seiten starken Buch mag das zwar nicht unbedingt nötig sein, aber bei einem Kaufpreis von 24,- Euro halte ich auch eine handwerklich hohe Qualität für angebracht, und diese wird hier geboten. Auch die Bindung und die Papierqualität (Hochglanz) haben ein entsprechend hohes Niveau.

Das Titelbild stammt aus der Feder von Brom, der hier allerdings einen gänzlich anderen Stil an den Tag legt als man sonst von ihm kennt. Es scheint, als hätte er sich an den Stil der anderen Klassenbücher anpassen wollen oder müssen. Wie auch immer, das Bild zeigt jedenfalls die D&D-Ikonen Jozan und Alhandra im Kampf gegen ein satyrähnliches Wesen (wohl so eine Art Dämon oder Teufel), das gerade Jozans Streitkolben entzwei geschlagen hat. Ich habe schon schönere und passendere Titelbilder gesehen, aber auch schon hässlichere.

Innen findet man das typische, zweispaltige Layout mit der bekannten Randverzierung, die man auch aus sämtlichen Web-Enhancements kennt: Der sandfarbene Balken mit den runden Runen – allerdings hier natürlich wie alles andere im Inneren nur in schwarz-weiß. Die Innen-Illustrationen stammen allesamt von Dennis Cramer, dessen comicartigem Stil ich wenig abgewinnen kann. Die üblichen Lückenfüller-Bildchen halten sich zum Glück in einem erträglichen Rahmen: Die drei geradeaus führenden Spuren (Fuß, Tatze, Kralle) und den verlorenen Helm konnte ich nur jeweils drei Mal ausmachen, dazu ein Mal den zerborstenen Schild.

 

Kapitel 1: Kleriker und Paladine (22 Seiten)

Nach der sehr kurzen Einleitung, in der klargestellt wird, dass es sich bei dem gesamten Inhalt des Buches nur um optionale Regeln handelt, geht es gleich ans Eingemachte: In den Abschnitten „Wie man einen wirkungsvollen Kleriker spielt“ und „Wie man einen wirkungsvollen Paladin spielt“ werden allgemeine Tipps gegeben, wie man seinen Charakter am gewinnbringendsten für die Gruppe einsetzen kann. Wer hier allerdings bahnbrechend neue Erkenntnisse erwartet, der wird enttäuscht: Dass die Heilzauber des Klerikers für die Gruppe ausgesprochen wertvoll sind, ist wohl kaum ein Geheimnis. Ebenso wenig, dass eine möglichst schwere Rüstung für einen Paladin von Vorteil ist, da er sich wohl eher im Nah- als im Fernkampf aufhalten wird. Selbst wenn man unterstellt, dass diese Texte für Neueinsteiger mit wenig Erfahrung geschrieben worden sind, so halte ich die hier gegebenen Tipps doch für größtenteils dermaßen banal, dass sie selbst der blutigste Anfänger spätestens nach dem ersten Spielabend als absolute Selbstverständlichkeit ansehen wird. Auch die Ausführungen zum Kodex des Paladins, die in dem AD&D-Quellenbuch „Alles über den Paladin“ noch ein eigenes (wenn auch kurzes) Kapitel gefüllt haben, sind derartig oberflächlich gehalten, dass sie einem Neueinsteiger kaum weiterhelfen werden. Mal ganz abgesehen davon, dass es sich eh weniger um Informationen zum Kodex selbst handelt, als vielmehr um Tipps, wie man Konflikte mit seinen Gruppenmitgliedern handhaben sollte, die sich durch den Kodex des Paladins in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt fühlen. Für den Rest soll man den Spielleiter fragen. Toller Tipp.

Ein echter Lichtblick in diesem Abschnitt sind dann aber sicherlich noch die etwas umfangreicheren Ausführungen zu den besonderen Reittieren, die ein Paladin auf höheren Stufen erlangen kann. Wem sein schweres Streitross also zu langweilig geworden ist, der hat hier die Möglichkeit, sich die Celestischen-, Riesen- oder Schreckensversionen diverser Tiere zwischen die Schenkel zu klemmen. Darunter auch einige flugfähige Wesen, allen voran natürlich Drachen, denen hier ein besonderes Augenmerk zuteil wird: Grundsätzliche Hinweise dazu, wie man Drachen ausbildet, bei der Stange hält und später sogar als Gefolgsleute gewinnen kann, findet man hier.

Es folgen einige Anmerkungen (in Klammern immer die jeweilige Kernaussage) zum Kanalisieren von Energie (kann man auch für andere Dinge als Untote vertreiben einsetzen, z.B. um ein Portal zu versiegeln), zu göttlichen Interventionen (Spielleiter-Entscheid, aber ein Gott tritt nie direkt in Erscheinung) und zur Konvertierung zu einem anderen Glauben (mit Absolvierung einer Queste für den neuen Gott möglich), die leider wieder allesamt sehr oberflächlich gehalten sind und sich fast vollständig auf die hier angeführten Kernaussagen reduzieren lassen.

Im nächsten Abschnitt finden sich neue Anwendungsmöglichkeiten für Fertigkeiten, wobei es sich hier bis auf eine einzige Ausnahme um neue Fachgebiete für die Fertigkeiten Beruf, Handwerk und Wissen handelt. Die erwähnte Ausnahme stellt die Fertigkeit Heilkunde dar, die nun auch für Kenntnisse der Anatomie, zur Diagnose und zur Bestimmung von Todesursachen eingesetzt werden kann. Nichts, auf was ich nicht auch schon von selbst gekommen wäre.

Sehr interessant sind dann wieder die sogenannten „Göttlichen“ Talente. Diese stehen ausschließlich Klassen zur Verfügung, welche die Fähigkeit zum Vertreiben von Untoten besitzen, und geben die Möglichkeit, die dem Charakter zur Verfügung stehenden Vertreibungsversuche für andere Dinge zu verwenden, wie z.B. den Waffenschaden (insbesondere gegen Untote) zeitweilig zu erhöhen, sich und seinen Gefährten einen heiligen Bonus auf Zähigkeitswürfe zu verleihen, seine Konstitution und Bewegungsrate zu erhöhen, Resistenz gegen bestimmte Energieformen zu verleihen oder sogar dem eigenen Schild einen Verbesserungsbonus zu verpassen. Allerdings sollte man für diese Talente einen möglichst hohen Charismawert vorweisen können, damit sich der Einsatz einer Standard-Aktion für das Kanalisieren der Energie auch auszahlt (wie lange die vorteilhaften Effekte der Talente andauern, hängt nämlich in fast allen Fällen vom Charismamodifikator ab). Diese Talente dürften also hauptsächlich für Paladine interessant sein, da bei diesen das Vertreiben von Untoten nicht so wirkungsvoll ist wie bei den Klerikern, während bei den Göttlichen Talenten die Vertreibungsstufe keine Rolle spielt (kein Vertreibungswurf nötig).

Die anderen neuen Talente fügen sich ebenfalls problemlos in das Regelsystem von D&D ein, und so kann man diesen Abschnitt nur als gelungen bezeichnen. Es hätten jedoch alles in allem ruhig ein paar Talente mehr sein dürfen.

Der folgende Abschnitt über die sakrale Ausrüstung beinhaltet eine Liste plus Kurzbeschreibungen der elementarsten Ausrüstungsgegenstände für den fahrenden Gottesmann: Vom praktischen Camping-Klapp-Altar über Aspergill, Gebetsbuch, Kandelaber, Kerzen, Kohlenbecken und Rauchfass bis hin zum Weihrauch ist alles vorhanden, um seinen Schäfchen auch unterwegs einen standesgemäßen Gottesdienst bieten zu können.

Abgeschlossen wird dieses Kapitel durch einige neue magische Gegenstände, wobei es sich hier hauptsächlich um neue Rüstungs- und Schildverzauberungen handelt, die durchweg recht interessant sind. Die „Schnelligkeit“-Verzauberung wird sogar von nicht wenigen Leuten als viel zu interessant angesehen, weswegen man sie wohl besser ersatzlos streichen sollte (sie funktioniert wie der Zauber „Hast“, der in der dritten Edition ja ohnehin als zu mächtig bemessen wurde, und ist dafür vergleichsweise günstig). Die zweitgrößte Gruppe bilden die wundersamen Gegenstände, von denen aber einige reichlich kurios ausgefallen und/oder nur in seltenen Ausnahmefällen einsetzbar sind (Arm des Nyr, Spiegel der Enthüllung, Toramulett, Zeichen der Abtrünnigkeit), oder bei denen man sich ernsthaft fragen muss, was sie überhaupt in diesem Buch zu suchen haben (Schwarze Augenklappe, Umhang der Wälder). Dazu gibt es noch vier magische Waffen (zwei davon strenggenommen Munition), auf die hier näher einzugehen sich aber kaum lohnt, sowie ein Zepter.

 

Kapitel 2: Kirchen und Organisationen (24 Seiten)

Nach einer sehr allgemeinen Einführung über die Rolle der Kirche in einer Kampagne (Beitritt, Struktur, mögliche Aufträge und/oder Unterstützung für die SC und Kontakte innerhalb der Organisation) folgt ein Abschnitt, in dem versucht wird, für jede Kirche ein gewisses Grund-Verhaltensmuster vorzugeben. Dies will man erreichen, indem man jede Religion (im speziellen hier die Götter aus dem D&D-Pantheon) ihrer Gesinnung zuordnet und dann für jede der neun bei D&D möglichen Gesinnungskombinationen neben allgemeinen Angaben auch die Glaubensgrundsätze, das Aussehen der Tempel, die Rolle von Klerikern innerhalb der kirchlichen Organisation (insbesondere von solchen, die auf Abenteuer ausziehen) sowie eine Liste von (Prestige-) Klassen aufführt, die mit der Kirche zusammenarbeiten könnten.

Leider klingt das hier vielversprechender als es tatsächlich ist. Die Angaben wurden nämlich absichtlich nur rudimentär gehalten, um den Spielleiter nicht in seiner Kreativität einzuschränken. Und so kommt es, dass man hier nur Weisheiten erfährt, die etwa auf dem Niveau von „Rechtschaffene Kirchen haben eine straffe Organisation“ oder „Gute Kirchen helfen den Armen“ liegen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich es ohnehin schon für fragwürdig halte, Religionen überhaupt in ein solches Gesinnungsschema pressen zu wollen – meiner Ansicht nach sollte jede Kirche als individuelle Institution mit ganz eigenen Regeln betrachtet werden. Als Hilfestellung für totale Anfänger, die sich absolut überhaupt keine Vorstellung davon machen können, wie eine bestimmte Kirche aufgebaut ist oder welchen Prinzipien sie folgt, ist dieses Kapitel vielleicht hilfreich, für alle anderen eher weniger.

Zu allem Überfluss findet man hier auch noch drei kleine (sehr kleine!) Beispieltempel für je eine gute (Pelor), neutrale (Wee Jas) und böse (Erythnul) Gottheit. Dies wäre wirklich eine tolle Gelegenheit gewesen, einem Anfänger Beispiele für das tägliche Tempelleben oder die Rolle eines Tempels in der Gemeinschaft, in der er existiert, zu geben. Was bekommt man stattdessen? Simple Bodenpläne mit Raumbeschreibungen auch für die kleinste Abstellkammer, gefolgt von den kompletten Werteblöcken jedes einzelnen Bewohners inklusive der vorbereiteten Zauber. Wenn die Spieler nicht gerade vor haben, den Tempel zu stürmen, dann frage ich mich, was man mit diesen Informationen soll – und selbst dann gehen sie allenfalls den Spielleiter etwas an.

Im nächsten Abschnitt werden einige Organisationen bzw. Institutionen vorgestellt, die sich irgendwo im Dunstkreis von Klerikern und Paladinen entwickelt haben: Die Klingen der Gerechtigkeit (ein „Paladin“-Orden, der aus einem wild zusammengewürfelten Haufen von Klassen besteht, die sich zum Rittertum und dem Kampf gegen das Böse berufen fühlen), das Haus des Todes (eine Leichenhalle, die sich an der Oberfläche mit Gerichtsmedizin beschäftigt und im Untergrund einen Feldzug gegen Untote führt), das Konzil der Klingen (eine Organisation, die sich bei jedem Krieg oder jeder Schlacht für die Einhaltung von im Vorhinein festgelegten, humanitären Regeln einsetzt), die Lachenden Messer (eine anarchistische Gemeinschaft, die alle Despoten und Tyrannen der Lächerlichkeit preisgeben und damit ihre Autorität untergraben will), der Orden des Kelchs (ein Ritterorden, der sich dem Kampf gegen Dämonen verschrieben hat) und die Sterndeuter (ein Ritterorden, der seine Missionen aus dem Lauf der Gestirne herleitet). Auch hier findet man wieder zwei Beispielgebäude (ein Haus des Todes sowie ein Sektionshaus der Sterndeuter), die aber in diesem Fall vielleicht nicht ganz so sinnlos sind, da sie recht gut der Veranschaulichung solcher Lokalitäten dienen können. Auch die Organisationen selbst sind eine angenehme Inspirationsquelle für den Spielleiter, obwohl die Beschreibungen natürlich auch hier wieder nur sehr kurz und allgemein gehalten wurden.

Die letzten drei Seiten dieses Kapitels („Wenn das mein Tempel wäre...“) beschäftigen sich schließlich mit der wirtschaftlichen Organisation und den gesellschaftlichen Aufgaben eines Tempels. Ausgaben und Möglichkeiten für Einnahmen werden hier genannt, ebenso wie das nötige Personal, Zeremonien für verschiedene religiöse Anlässe (Hochzeiten, Bestattungen, etc.) sowie andere Aktivitäten, denen ein Tempel gemeinhin nachgeht. Wohlgemerkt: All diese Dinge werden nur genannt, nicht wirklich ausführlich beschrieben. Und damit erfüllt dann auch dieser Abschnitt den Tatbestand der Oberflächlichkeit.

Alles in allem hätte ich mir dieses Kapitel sehr viel ausführlicher und tiefgreifender gewünscht. Es ist ja in Ordnung, dass man mit den allgemeinen Beschreibungen für Anfänger beginnt, wenn dann für die Fortgeschrittenen die jeweiligen Themen eingehender behandelt werden. Auf Letzteres wurde jedoch völlig verzichtet, womit der Inhalt dieses Kapitels für fortgeschrittene Spieler und Spielleiter bis auf die vorgestellten Organisationen nahezu wertlos ist.

 

Kapitel 3: Prestigeklassen (24 Seiten)

Kein D&D-Klassenbuch ohne neue Prestigeklassen; in diesem sind es derer 14. Kleine Besonderheit hier: Fällt der Charakter bei seinem Gott in Ungnade, verliert er auch alle Zauber und Fähigkeiten, die ihm ggf. von den folgenden Prestigeklassen gewährt werden, und kann in diesen auch nicht weiter aufsteigen.

 

Gesegneter Häscher: Ein Kopfgeldjäger seiner Kirche oder Organisation, der Jagd auf alle Gotteslästerer, Häretiker oder direkten Angreifer seiner Kirche macht. Dazu erhält er einerseits Boni auf eine Reihe von Fertigkeiten, andererseits besondere Klassenmerkmale, die ihm die Verfolgung seiner Ziele erleichtern (Geheiligte Sicht, Falsche Erkenntnis, Unerbittliche Jagd). Als Ausgleich hat er dafür nur eine winzig kleine Zauberauswahl. Eine Prestigeklasse, die wohl hauptsächlich für Paladine interessant ist.

 

Göttliches Orakel: Ein auf Erkenntniszauber spezialisierter Anwender von göttlicher (oder auch arkaner) Magie. Neben dem durchaus sinnvollen Zugriff auf die Prestigedomäne der Erkenntnis (s.u.) erhält diese Prestigeklasse aber auch meines Erachtens eher unpassende Fähigkeiten, die eher im Kampf nützlich sind (eine Art Entrinnen, Reflexbewegung und Immunität gegen Überraschungen). Das passt meiner Meinung nach nicht wirklich zu meinem Bild von einem Seher oder Auguren, der von einer Art mystischen Aura umgeben sein sollte.

 

Heiliger Befreier: Dies ist sicherlich eine der beliebtesten Prestigeklassen aus diesem Buch, handelt es sich doch quasi um den von vielen Spielern heiß ersehnten chaotisch guten Paladin. Zudem ist diese Prestigeklasse auch noch regeltechnisch interessant: Die Voraussetzungen sind leicht zu erfüllen, man muss keinen restriktiven Kodex befolgen und erhält dafür einige der schönen Paladin-Fähigkeiten wie Böses entdecken/niederstrecken, Göttliche Würde, Verzauberung widerstehen, Untote vertreiben und später sogar Immunität gegen Bezauberungen und Zwänge. Als besonderes Bonbon kann der Heilige Befreier auf der 5. Stufe sogar ein Celestisches Tier zu sich rufen und zu seinem Gefährten machen (was ähnlich wie der Vertraute eines Hexenmeisters/Magiers gehandhabt wird, nicht wie der Tiergefährte eines Druiden oder Waldläufers).

 

Hospitaliter: Hierbei handelt es sich um den wandelnden Heilungsautomaten für die angeschlagenen Pilger der jeweiligen Kirche. Die Fähigkeiten Handauflegen und Krankheiten kurieren passen sicherlich zu dieser Aufgabe, aber warum es danach nur noch Kämpfer-Bonustalente gibt, will sich mir nicht erschließen. Es liegt wohl an den abstrakten D&D-Verletzungsregeln, die eine stimmigere Ausgestaltung dieser Prestigeklasse verhindern. Wenn letzten Endes immer nur alles auf das Heilen von Trefferpunkten oder bestenfalls mal Attributsschaden hinausläuft, wird das Spielen eines reinen Heilers eben schnell eintönig. Somit wird diese Prestigeklasse wohl auch eher etwas für NSC sein.

 

Kircheninquisitor: Ein Ermittler im Dienste der Kirche, der hauptsächlich gegen die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen vorgeht. Hierzu erhält er neben dem Zugriff auf die Prestigedomäne der Inquisition (s.u.) einige Klassenmerkmale, die bei seinen Untersuchungen hilfreich sind (Böses entdecken, Illusionen durchdringen, Gestaltwandel erzwingen, Lügen erkennen). Der durch die Prestigedomäne gewährte Bonus auf alle Bannwürfe macht ihn zudem zu einem passablen Exorzisten. Für Spieler halte ich diese Prestigeklasse trotzdem für problematisch, da sie m.E. doch eine zu starke Einbindung in die Kirchenhierarchie erfordert (nach meiner Vorstellung zieht ein solcher Charakter eben nicht aus freien Stücken auf Abenteuer aus, sondern wird von seiner Kirche auf entsprechende Missionen geschickt). Allerdings stelle ich es mir als sehr reizvoll vor, einen SC Besuch von einem Kircheninquisitor bekommen zu lassen, wenn seinen Vorgesetzten zu Ohren gekommen ist, dass er Kontakt mit Dämonen oder Teufeln hatte...

 

Kontemplat: Ein Charakter, der durch den Kontakt zu einem höheren Wesen zu einem religiösen Eiferer oder Fanatiker geworden ist, und der nun durch eine asketische Lebensweise und Meditation danach strebt, seinem Vorbild nahe zu kommen. Neben dem Zugriff auf zwei passende Prestigedomänen (s.u.) erhält er Fähigkeiten, die an den Mönch erinnern: Entschlüpfender Geist, Selbstheilung, Immunität gegen Gift, Zauberresistenz und Aussetzen der Alterung, bis er schließlich zu einem Externar mit Schadensresistenz wird. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Prestigeklasse auch einige sehr interessante rollenspielerische Möglichkeiten abseits gängiger Klischees bietet.

 

Kriegspriester: Ein Kleriker, der das Banner seines Gottes in die Schlacht führt und damit den eigenen Truppen vor allen Dingen moralische, aber auch sehr praktische Unterstützung zuteil werden lassen kann. Diverse Massenzauber sowie die Fähigkeit, die Truppen in seinem näheren Umkreis auch dann noch weiterkämpfen lassen zu können, wenn sie eigentlich schon längst tot sein müssten, machen den Kriegspriester in einer Schlacht ausgesprochen wertvoll. Außerhalb des Kampfgetümmels kann man mit ihm aber leider nicht sehr viel anfangen, wodurch er wohl eher als NSC denn als SC geeignet ist.

 

Meister der Leichentücher: Ein Kleriker, der sich auf das Herbeizaubern von körperlosen Untoten spezialisiert hat. Die einzige nennenswerte Besonderheit dieser Prestigeklasse ist die Möglichkeit, einen oder mehrere Schatten, Allips, Todesalben und/oder Schreckgespenster herbeizuzaubern, die den Kleriker im Kampf unterstützen. Nachteil dabei: Sind alle Gegner besiegt und die Wirkungsdauer der Herbeizauberung noch nicht abgelaufen, greifen die Untoten den Meister der Leichentücher an. Es dürfte klar sein, dass es aufgrund der Natur der Sache schwierig ist, einen Meister der Leichentücher in eine Gruppe zu integrieren, in der sich auch Paladine, rechtschaffen gute Kleriker, Celestische oder ähnlich orientierte Charaktere befinden.

 

Ritter vom Orden des Kelchs: Ein rechtschaffen guter Ritter, der sich dem Kampf gegen Dämonen verschrieben hat und in die gleichnamige Organisation (s.o.) aufgenommen wurde. Der Ritter vom Orden des Kelchs erhält extrem mächtige Fähigkeiten im Kampf gegen Dämonen (Boni auf Angriffe, Schaden und bestimmte Fertigkeiten, kann einen Dämon „ins Gebet nehmen“ (sprich: ihn benommen machen), ist immun gegen Furcht- und Verzauberungseffekte, die von Dämonen ausgehen und hat erst eine geweihte, später dann sogar eine heilige Aura, etc.), muss dafür aber auch sehr fiese Voraussetzungen erfüllen (u.a. über den Zauber „Schutz vor Bösem“, aber auch über Dämonen als Erzfeinde verfügen, wodurch man um eine Klassenkombination mit einem Waldläufer quasi nicht herumkommt – eine etwas merkwürdige Voraussetzung für einen Ritter). Diese restriktiven Einschränkungen dürften wohl dazu führen, dass der Ritter vom Orden des Kelchs für Spieler wenig reizvoll ist.

 

Ritter vom Mittleren Zirkel: Ein Mitglied des Ordens der Sterndeuter (s.o.), das in den Mittleren Zirkel eingeladen wurde und diese Einladung angenommen hat. Der Äußere Zirkel dieser Organisation besteht aus freischaffenden Abenteurern, der Innere Zirkel aus Paladinen, die vorher Ritter vom Mittleren Zirkel waren. Ein Ritter vom Mittleren Zirkel muss sich den strengen Verhaltensvorschriften des mysteriösen und geheimnistuerischen Ordens der Sterndeuter unterwerfen, die aber leider nirgends genauer definiert sind. Dafür bekommt er einige nette Fähigkeiten wie z.B. Blind kämpfen, Zungen und Zielsicherer Schlag (wie die gleichnamigen Zauber) sowie das Kampfgefühl, das es ihm erlaubt, sich im Kampf einen bestimmten Gegner auszusuchen, gegen den er einen Bonus auf den Angriff und seine RK erhält. Aufgrund der nicht näher beschriebenen Verhaltensvorschriften, nach denen sich der Ritter richten muss, und der recht vagen Beschreibung der Sterndeuter in Kapitel 2 weiß ich nicht so recht, was ich von dieser Prestigeklasse halten soll. So ist sie wohl auch mehr was für NSC, die als Auftraggeber der Gruppe auftreten.

 

Sakrale Faust: Die Sakrale Faust ist so etwas wie eine Mischung aus Kleriker und Mönch. Sie hat der Benutzung sämtlicher Waffen sowie mittelschweren und schweren Rüstungen abgeschworen und kann dafür ähnlich wie ein Mönch waffenlos kämpfen (also normalen Schaden anrichten) und erhält auch dazu passende Fähigkeiten: Schlaghagel, Entrinnen, Reflexbewegung, Blindsicht, kann ihre Fäuste in göttliches Feuer hüllen und sich schließlich sogar eine „Innere Rüstung“ verschaffen, die ihr einen Bonus auf die RK und Rettungswürfe sowie Zauberresistenz verschafft. In Kombination mit den Zaubern eines Klerikers und dem Zugriff auf eine weitere (Prestige-) Domäne nach Wahl (s.u.) ist dies mit Sicherheit eine für Spieler hochinteressante Klasse.

 

Sakraler Exorzist: Ein (meist wohl göttlicher) Magiewirker, der von einer Kirche oder einem Orden zum Sakralen Exorzisten geweiht wurde und dadurch Zugriff auf die Prestigedomäne der Austreibung (s.u.) erhält, die es ihm wiederum ermöglicht, Geister aus Körpern, von denen sie Besitz ergriffen haben, auszutreiben. Zusätzlich kann sich der Sakrale Exorzist Externare oder Untote als besondere Feinde auswählen und erhält gegen diese dann Boni auf bestimmte Fertigkeitswürfe, kann Untote vertreiben, Böses entdecken/bannen, Besessenheit widerstehen und erhält schließlich eine Gesegnete Aura, die wie der Zauber „Ort weihen“ funktioniert. Eine für Kleriker sicher nicht uninteressante Prestigeklasse.

 

Templer: Ein mit besonderem Kampftalent und Robustheit gesegneter Krieger, der sich der Verteidigung eines Tempels verschrieben hat. Der Templer ist außerordentlich widerstandsfähig gegenüber Zaubern, die einen Rettungswurf erlauben, und stellt eine hervorragende Möglichkeit dar, sich das Talent „Waffenspezialisierung“, das ansonsten nur Kämpfern vorbehalten ist, abzugreifen (allerdings nicht für Paladine, denn diese dürfen nicht Templer werden und danach weiter als Paladin aufsteigen). Die Schadensreduzierung und das Niederstrecken (Bonus auf Angriff und Schaden bei einem einzelnen Nahkampfangriff) sind auch nicht zu verachten, so dass der Templer wohl auch eine interessante Spielerklasse darstellt.

 

Totenjäger: Ein Charakter, der schon einmal „negative“ Bekanntschaft mit der Lebenskraft entziehenden Fähigkeit eines Untoten gemacht und Untote daraufhin zu seinen besonderen Feinden erklärt hat. Der Totenjäger erhält einige Fähigkeiten, die im Kampf gegen Untote besonders nützlich sind (Untote entdecken/niederstrecken, Boni auf Rettungswürfe, etc., bis er schließlich sogar eine Explosion aus positiver Energie von sich ausgehen lassen kann und gegen den Verlust von Erfahrungsstufen durch Untote immun ist), allerdings hat er auch die Voraussetzung, dass der Charakter bereits einmal eine Erfahrungsstufe oder einen Attributspunkt durch den Angriff eines Untoten permanent verloren haben muss – eine Voraussetzung, die wohl kaum ein Spieler gerne freiwillig erfüllen möchte.

 

Ich muss sagen, dass mir die Prestigeklassen verhältnismäßig gut gefallen, da sie ein breites Spektrum kirchlicher Aktivitäten abdecken und teilweise recht interessante Optionen bieten. Lediglich die böse Fraktion ist mit nur einer einzigen wirklich auf sie zugeschnittenen Prestigeklasse (Meister der Leichentücher), die zudem noch nicht einmal sonderlich interessant ist, in meinen Augen etwas unterrepräsentiert. Einige der Prestigeklassen sind sicherlich verbesserungswürdig, aber zumindest ist keine dabei, bei der ich von Vornherein hätte den Kopf schütteln müssen – und das ist ja auch schon etwas wert.

 

Kapitel 4: Göttliche Magie (17 Seiten)

„In diesem Kapitel findest du über 50 neue Zauber...“ heißt es vollmundig im Einleitungstext. Und tatsächlich: Es sind genau 51. Nicht, dass es eine große Rolle spielen würde, wie viele Zauber es nun genau sind, aber manchmal kann ich mir doch ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen.

Leider vergeht die gute Laune wieder etwas, wenn man mal genauer hinschaut: Außer den „über 50“ neuen Zaubern wird hier nämlich auch das Konzept der Prestigedomänen vorgestellt, wobei es sich um Domänen handelt, auf die nur Angehörige bestimmter Prestigeklassen Zugriff haben. Das Konzept an sich ist gewiss interessant, verliert allerdings erheblich an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass es bisher nur ganze fünf Prestigeklassen gibt, die überhaupt den Zugriff auf diese Prestigedomänen ermöglichen: Göttliches Orakel, Kircheninquisitor, Kontemplat, Sakrale Faust und Sakraler Exorzist. Drei von diesen Klassen sind auch noch auf eine bestimmte Prestigedomäne festgelegt – nur zwei, nämlich der Kontemplat und die Sakrale Faust, können sich ihre Domäne(n) frei (sprich: zu ihrem jeweiligen Gott passend) auswählen. Das bedeutet, dass von den insgesamt 14 vorgestellten Prestigedomänen (was ja erst mal nach viel klingt) 11 Stück ausschließlich von einem Kontemplaten oder einer Sakralen Faust gewählt werden können, ansonsten von niemandem. Dazu kommt noch, dass von den insgesamt 51 neuen Zaubern ganze 16 Stück exklusiv in den Zauberlisten der neuen Prestigedomänen auftauchen. Die Chance, diese Zauber tatsächlich einmal im praktischen Einsatz bewundern zu können, ist also äußerst gering, womit sich der Nutzwert dieses Kapitels leider merklich verringert. Einem Spielleiter, dem das Konzept der Prestigedomänen gefällt, sei also hiermit wärmstens ans Herz gelegt, weitere Prestigeklassen zu entwerfen, die den Zugriff auf diese Domänen ermöglichen, damit sie nicht zur totalen Randerscheinung mutieren.

Realistisch betrachtet bleiben somit noch 35 allgemein nutzbare neue Zauber übrig, von denen 29 für Kleriker, 6 für Paladine, 8 für Druiden, 1 für Waldläufer und 2 sogar für Hexenmeister und Magier zugänglich sind (wobei es hier natürlich Überlappungen gibt). Die mit Abstand meisten Zauber stammen aus den Graden 2 bis 4, Zauber aus anderen Graden sind eher Ausnahmefälle (die exklusiven Prestigedomänen-Zauber mal völlig außen vor gelassen).

Natürlich würde es den Rahmen dieser Rezension sprengen, hier jeden einzelnen Zauber kurz vorzustellen, weswegen sich der geneigte Leser damit begnügen muss, dass es sich bei den Zaubern selbst um ein buntes Gemisch aus allen möglichen Schulen und Bereichen handelt, die sich meinem Empfinden nach prima mit den Zaubern aus dem Spieler-Handbuch ergänzen, regeltechnisch nicht aus dem Rahmen fallen und einen insgesamt ausgewogenen Eindruck machen.

 

Anhang: Nichtmenschliche Kleriker (4 Seiten)

Ein etwas irreführender Titel für den Anhang, denn hier werden nicht direkt Kleriker vorgestellt, sondern insgesamt 37 nichtmenschliche Gottheiten aufgelistet, darunter 6 Götter der Drachen und 10 Götter der Riesen. Bei 37 Gottheiten auf vier Seiten kann man sich wohl vorstellen, dass hier für den einzelnen Gott nicht viel mehr übrig bleibt als ein kurzer, beschreibender Absatz (immerhin!) und eine Auflistung seiner Gesinnung, Domänen und typischen Anhänger (was in diesem Fall halt die jeweiligen Völker bzw. Monster sind). Das reicht gerade einmal dazu aus, um solche Kleriker regeltechnisch zusammenbauen zu können – der Fluff geht hier wieder einmal völlig unter. Ich erinnere mich, dass es zu AD&D-Zeiten zu diesem Thema noch ein eigenes Buch gegeben hat, nämlich „Monster Mythology“ bzw. „Die Mythen der Monster“. Und da wundern sich die Leute, wenn man nostalgisch wird.

 

Fazit:

Im Crunch-Bereich bietet G&E solide Hausmannskost: Die besonderen Reittiere für den Paladin und die Göttlichen Talente sind nett, die meisten Prestigeklassen durchaus brauchbar (einige wenige sogar richtiggehend interessant) und die neuen Zauber originell und stimmig (wenn auch ein knappes Drittel von ihnen nur sehr eingeschränkt nutzbar ist). Die Prestigedomänen sind eigentlich eine gute Idee, dürften aber in der Praxis kaum eine Rolle spielen (jedenfalls keine, die auch nur ansatzweise in einem angemessenen Verhältnis zu dem Platz steht, den sie in diesem Buch einnehmen). Im Fluff-Bereich jedoch versagt dieses Buch in meinen Augen total. Mit Ausnahme der vorgestellten Organisationen sind die enthaltenen Informationen ausschließlich für blutigste Anfänger von Nutzen – und selbst hier erscheint mir der Nährwert zweifelhaft. Allgemeine Richtlinien für Spiel-Einsteiger zu geben, ist ja an sich eine löbliche Sache, allerdings bezweifle ich, dass sich vollkommene Neulinge einen Band kaufen werden, auf dem groß und breit „Erweiterungsregeln“ steht. Die hier enthaltenen Tipps hätten prima ins „Hero Builder’s Guidebook“ gepasst, aber nicht in einen Band, der eigentlich für fortgeschrittene Spieler interessant ist. Viele Themen hätten eine sehr viel eingehendere Behandlung verdient und somit bleibt die bittere Erkenntnis, dass 96 Seiten für zwei Klassen, die ein so großes Potenzial bieten, einfach viel zu wenig ist. Alles in allem versinkt Glauben und Ehre damit leider ins – wenn auch gehobene – Mittelmaß, was angesichts der Tatsache, dass es sich um ein offizielles Quellenbuch handelt, von dem man eigentlich erwarten könnte, dass es als Referenzwerk dienen kann, und angesichts des horrend hohen Preises besonders enttäuschend ist. Da reißt auch leider das Hardcover nichts mehr heraus.