Einleitung und Vorwort Die Bewertung eines Produktes hängt immer auch von den Erwartungen und Erfahrungen des Rezensenten ab. Manchmal kann dieser sich dem Produkt größtenteils unvoreingenommen nähern, manchmal aber ist das Gegenteil der Fall. Dann sollte der Rezensent im Vorfeld seiner Besprechung seine Voreingenommenheit eingestehen. Wenn es um die d20-Version von Adventure! geht, bin ich voreingenommen.
Ich kenne Adventure! und die Trinity-Reihe noch in ihrer Inkarnation als Storyteller-Bücher von White Wolf. Ich betrachte das Trinity-Universum und insbesondere Adventure! als den mir bekannten Schaffenshöhepunkt kommerzieller Rollenspiele; das w10-System von White Wolf wurde bereinigt, und die Bücher warten mit einer Fülle von Inspiration auf, die seinesgleichen suchte. In den Foren von Rpg.net galt Adventure! sogar lange Zeit als der heilige Gral des Rollenspiels, mit dem man jede beliebige Spielweise abdecken könnte. So weit würde ich nicht gehen, aber dennoch ist dieses Spiel immer noch mein absolutes Lieblingssystem/-setting. Und nun also eine d20-Version. Einerseits frohlocke ich bei dem Gedanken, dadurch vielleicht eher zu einer Gruppe zu kommen, die Adventure! spielen wollen, andererseits schrecke ich vor dem Gedanken zurück, wie viel bei einer Konvertierung schief laufen kann. Im Grunde genommen hatte es Adventure! schwerer, mich zu überzeugen, aber würde es leichter haben, mit einer überzeugenden Arbeit auf eine gute Note zu kommen. Meine Befürchtungen jedenfalls waren sehr groß. Wie man an der Bewertung sehen kann, waren sie unbegründet.
Erster Eindruck: Der erste Eindruck ist: Wow! War das ursprüngliche Buch noch ein DinA5-Softcover und schwarzweiß, haben wir nun ein "normal großes" Hardcover - auch schwarzweiß. Das Cover ist allerdings farbig gehalten und zeigt Max Mercer in einer Ruine, umgeben von Skeletten. Das Buch ist auf Hochglanzpapier gedruckt. Die Illustrationen sind in verschiedenen Stilen gehalten, aber allesamt von sehr guter Qualität, auch wenn die Bilder der wichtigen NSC, die aus retuschierten Fotos bestehen, auf den ersten Blick ein Lächeln hervorrufen können.Der Regelteil ist übersichtlich und recht neutral ausgelegt, mit einer eher kleinen Schriftart und ohne große Seitenränder. Auf manchen Seiten ist viel weiß geblieben, dafür beginnen neue Einträge wie z.B. die einzelnen Prestigeklassen immer auf einer neuen Seite. Hier wurde Platz geopfert, um Übersichtlichkeit zu erhalten, was mich eher freut. Der Setting-Teil des Buches ist in einer Vielzahl von Designs erstellt. Manche Informationen gleichen herausgerissenen Zeitungsartikeln, andere sind handschriftliche Briefe, wieder andere mit Schreibmaschine verfasste Berichte. Insgesamt entsteht der Eindruck, man würde eine Akte durchblättern, in der alle verwandten Informationen gesammelt wurden. Ein wie ich finde sehr stimmiger Ton. Dazu passen auch die Andeutungen und Kurzgeschichten, die einige Abenteuer der wichtigen NSC schildern. Die Titelseite selbst ist einem Groschenheft aus dem Jahre 1930 nachempfunden. Wie bereits angedeutet, ist das Buch in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil umfasst die Informationen über das Setting von Adventure!, eine alternative Realität der Erde im Jahre 1924. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Regeln und den Anforderungen an eine Kampagne in dieser Welt. Außerdem gibt es drei Kurzgeschichten von sehr guter Qualität, die im Buch verteilt sind. Wer sich nicht sicher ist, ob das Buch etwas für ihn ist, sollte nur die erste Kurzgeschichte lesen, um einen guten Eindruck davon zu bekommen, was ihn erwartet. Layout: 3.7 für stimmungsvolles, manchmal leicht nüchternes (Regelteil) und schwarzweißes Design.
Teil Eins: Die Welt von Adventure! Traditionsgemäß in dieser Reihe besteht der erste Teil des Buches aus subjektiven Informationen über das Setting. Diese Informationen sind Möglichkeiten und Interpretationen, die durchaus auch nicht der Wahrheit entsprechen könnten. Deshalb hat das Buch auch unterschiedliche Designs. Das Buch beginnt mit einer Begrüßung durch den wichtigsten NSC von Adventure!, Maxwell Mercer, und einer Einführung in die AEon Society of Gentlemen sowie eine Definition von Tellurischer Energie. Kurz gesagt wurde bei einem fehlgeschlagenen Experiment eine bislang unbekannte Energieform freigesetzt, die kurz darauf weltweit auftrat und für Veränderungen sorgte. Diese "tellurische Energie" kann Maschinen antreiben, Kontinente verändern (die Welt ist hohl?) und wer weiß was noch. Mit Sicherheit liefert sie die Energie für die neuesten Z-Strahlen-Todeskanonen auf dem Markt. Aber sie kann noch mehr. Manche Menschen erlangen durch diese Energie besondere Kräfte, sie werden "inspiriert". Indem sie auf diese Inspiration zurückgreifen, können sie erstaunliches vollbringen: Brände überleben, Gedanken lesen, Stahlwände durchschlagen und jene vorgenannten Todeskanonen bauen. Maxwell Mercer versammelte nun einige der Inspirierten (Inspired) und gründete AEon, um der Menschheit Hoffnung und eine Zukunft zu geben. Die Spieler können, müssen aber nicht der Gesellschaft angehören. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den Gruppierungen der Zeit von Adventure!, wie z.B. der International Detective Agency (eine Art Interpol) oder dem Salon des Femme Nouveaux (eine Organisation frei denkender... Frauen), der für Emanzipation und Gleichberechtigung eintritt - in den zwanziger Jahren ein eher neuer Gedanke. Dabei sind diese Informationen immer in Form von Berichten und Memos geschrieben, was ihre Subjektivität unterstreicht. Dabei sind immer wieder Anmerkungen oder Randnotizen angefügt, die ein größeres Bild ergeben. Ebenso verhält es sich mit dem folgenden Kapitel, in dem die Welt detailliert wird. Deutschland ist hier z.B. ein hoffnungsvoller Staat, dessen industrielles und wissenschaftliches Know-how die Welt voran bringen könnte. Wichtig ist hierbei, dass der erste Weltkrieg erst kürzlich beendet wurde, und viele europäische Staaten sich immer noch davon erholen. Aber es wird neben Europa und Amerika auch Afrika und Asien beschrieben - und natürlich versteckte Bereiche wie der Hohlraum im Inneren der Erde. Insgesamt verschafft der erste Teil des Buches einen hervorragenden Eindruck von der Welt. Die Kurznotizen bei den Beiträgen und Abenteuerschnipsel verursachen große Lust, direkt loszulegen und Adventure! kennen zu lernen. Ansätze zu ersten Erkundungen gibt es hier in Hülle und Fülle, und man bekommt auch einen guten Eindruck von den wichtigen NSC der Welt, indem man ihre Berichte und Anmerkungen liest. Dieser Teil ist im Übrigen nahezu komplett aus der Originalfassung übernommen, was für mich verständlich ist, denn es ist einerseits systemunabhängig und andererseits kaum zu verbessern. "Fluff": 5.0 - nicht nur so gut wie irgend möglich, sondern besser!
Zweiter Teil: Die Regeln hinter den Abenteuern Zunächst einmal werden die Klassen und Prestigeklassen vorgestellt, sowie die Schablonen für die Inspirierten Charaktere. Grundsätzlich spielt jeder Menschen, die durch Z-Strahlung bzw. tellurische Energie verändert wurden. Dadurch bekommen die Charaktere Zugriff auf eine von drei Schablonen, die ihre Fähigkeiten definieren. Es gibt Daredevils, Mesmerists und Stalwarts. Stalwarts sind Supermenschen in dem Sinne, dass bei ihnen bestimmte Fähigkeiten einfach übermenschlich stark entwickelt sind. Große Körperkraft, eine Haut aus Stahl, oder extrem schnelle Reflexe sind einige Beispiele für die Fähigkeiten von Stalwarts, aber auch ein veränderbares Gesicht oder blitzschnelle Auffassungsgabe sind Teil der Palette. Die Kräfte von Stalwarts werden durch Inspiration angetrieben und sind in drei Stufen unterteilt; man erhält nur Zugriff auf eine höhere Stufe, wenn man mindestens eine niedrigstufigere Kraft mehr besitzt. Die gleiche Einteilung und Kraftquelle haben auch die Fähigkeiten des Mesmerists. Diese Charaktere besitzen große Geisteskräfte, mit denen sie ihre Umwelt beeinflussen können: Gedanken lesen, Feuer erschaffen oder einen Geistesblitz zur Lösung eines Problems sind allesamt Bereiche, in denen Mesmerists Fähigkeiten haben können. Die Daredevils hingegen sind etwas anders gestrickt. Eigentlich sind sie nur "normale" Menschen, sie haben nur einfach viel Glück. So überleben sie z.B. auch tödliche Unfälle oder es passiert, dass Hindernisse plötzlich vor Verfolgern auftauchen, wenn sie es am wenigsten erwarten. Die "Fähigkeiten" der Daredevils sind nicht unterteilt oder beschränkt. Natürlich kann man, wenn man will, auch einfache Menschen spielen, aber es empfiehlt sich, den Charakteren dann die Schablone für Daredevil zu verpassen, da sie damit einen kleinen Vorteil gegenüber anderen Figuren haben - und auf Dramatic Editing zurückgreifen können (s.u.). Die Fähigkeiten der Daredevils sind auch am ehesten diejenigen, die von typischen Filmhelden dieses Genres besessen werden. Man könnte sagen, dass "Shadow" (Shadow und der Fluch des Khan) ein Mesmerist ist; Indy (Indiana Jones), Phantom (das Phantom) oder Rick (Die Mumie) Daredevils, und Doc Savage (kein Film) wäre ein Stalwart. Im Gegensatz zur Storyteller-Version erfolgt hier der Aufstieg in Klassen. Während jede Schablone ein oder zwei spezifische Klassenstufen besitzt, die eine Vertiefung der Fähigkeiten ermöglicht, bietet Adventure! auch sechs Grundklassen an, welche die Klassen im Spielerhandbuch ersetzen. Jede dieser Klassen hat zehn Stufen. • Der Aristokrat ist ein Mitglied der High Society, der eine Resident besitzt und auch in schwierigsten Situationen stilvoll bleibt (kann auch unter Stress bei einigen Fertigkeiten 10 nehmen). Er kommt auf jede Party und kann seinen Reichtum dazu nutzen, andere einzuschüchtern. • Der Entertainer hat verstreutes Wissen gesammelt, er kann Menschen inspirieren und beeinflussen, und erlangt großen Ruhm bis hin zu Fangemeinden. • Ein Investigator findet auch versteckte Hinweise, kann schlaue Pläne entwickeln, Geheimnisse erspüren und den Ruf angesehener Persönlichkeiten beschmutzen. • Ein Scholar kennt viele Wissensgebiete und Sprachen. Sie kann Werkzeuge und Erfindungen improvisieren und somit z.B. aus einem Bindfaden, einer Haarklammer und einer Batterie einen elektrischen Türöffner basteln. • Ein Scoundrel kann Fallen finden, Angriffen ausweichen und selbst hinterhältig zustechen. Natürlich bleibt sie immer cool (10 nehmen), und später entwickelt sie einen sechsten Sinn für Gefahren. • Ein Warrior schließlich kann gut kämpfen und bekommt Talente ohne Ende.
Außerdem gibt es bei Adventure! neun Prestigeklassen, die jeweils über fünf Stufen gehen. • Das Ace ist ein genialer Pilot/Fahrer/Steuermann. • Der Barbarian Lord ist ein Wilder, dem sogar ein Tier zur Seite steht. • Ein Disciple ist eine Schülerin der Kampfkunst, tödlich und schnell. • Der Explorer kennt sich mit lokalen Gepflogenheiten aus und übersteht selbst Stürme, während er im Treibsand steckt. • Ein Inventor ist in der Lage, die größten Erfindungen zu erschaffen und jede Maschine zu steuern und zu reparieren. • Der Mercenary hat seine Kampffähigkeiten ausgeweitet und verbessert, bis er zum perfekten Soldaten wurde. • Ein Occultist stählt ihren Geist und sammelt okkultes Wissen. • Der Spy hat überall Kontakte, für alles eine Identität, und ist kaum zu entdecken. • Das Mastermind kann Misstrauen säen, Gefolgsleute beschwören, Monologe halten und einen diabolischen Plan aushecken.
Insgesamt muss ich sagen, dass die Klassen sehr interessant sind, aber sich das d20-System vor allem bei den Prestigeklassen nicht immer von seiner besten Seite zeigt. Die Notwendigkeit, genaue Zahlen vorzugeben, raubt mancher interessanten Fähigkeit ein wenig die Stimmung. Trotzdem gibt es hier Highlights, wie z.B. diese Fähigkeit des Masterminds: "Once per session, a 5th-level mastermind may stop a group of heroes cold with an explanation of his diabolical plan. The mastermind makes an Intimidate check; the result is the DC for a Will save of each hero. Any character who fails is paralyzed for 2 rounds as the mastermind's diabolical plan sinks in. A character who makes the save is still startled by the revelation and is considered shaken instead." Es gibt einige neue Fertigkeiten in diesem Buch; wie man erwarten konnte, sind nicht alle Notwendigkeiten einer beinahe-neuzeitlichen Kampagne im Spielerhandbuch abgedeckt. Unter den Fertigkeiten ist aber keine Besonderheit. Im Kapitel über die Talente wird am deutlichsten, dass Adventure! seine Wurzeln als Storyteller-System hat. Zunächst einmal gibt es die üblichen Talente für den Umgang mit Schusswaffen oder Kraftfahrzeugen. Dann aber folgen Background Feats. Im Storyteller-System hat jeder Spieler die Möglichkeit, Hintergründe zu erlangen und mit Punkten zu steigern. Diese Hintergründe stehen für Freunde, Geld oder auch Geheimidentitäten. Zudem sind diese Hintergründe in das d20-System übernommen worden. Kurz gesagt erhält jeder Charakter alle drei Stufen ein freies Hintergrundtalent; manche Klassen erhalten zusätzliche Hintergrundtalente. Einerseits kann man damit seinen Charakter sehr schön ausbauen, indem man ihm z.B. einen festen Kontakt bei der Polizei verschafft; andererseits ist diese Mechanik etwas sehr ungewöhnliches für d20. Während ich die Idee der Hintergründe immer sehr gut fand, stellt der Zwang (schließlich bekommt jeder Hintergrund-Talente) und die Umsetzung mich nicht wirklich zufrieden. Es wirkt zu sehr wie auf das d20-System aufgesetzt. Meiner Meinung nach hätte man sich eine andere Möglichkeit überlegen müssen oder vielleicht sogar die Hintergründe ganz streichen, um dem neuen System gerecht zu werden. Hintergrundtalente sind in drei Abstufungen unterteilt. So gibt es z.B. den Hintergrund "Nemesis", der einem Charakter einen persönlichen Feind einbringt. Die erste Stufe ist "Thorn in the Side", bei der man in der Konfrontation mit seinem Feind Inspiration zurückgewinnt und die Spuren dieses Feindes besser deuten kann. Danach folgt "Dedicated Foe", womit man Boni auf gesellschaftliche Fertigkeiten gegen Schergen des Feindes erhält, bis man schließlich einen "Archenemy" besitzt, wo man einmal pro Sitzung gegen den Feind oder seine Untergebenen einen kritischen Treffer automatisch bestätigen kann. Zu guter Letzt folgen in diesem Kapitel die Talente der Daredevils, wie z.B. "One Man Army", mit dem man nicht in die Zange genommen werden kann und bei drei oder mehr Gegnern in Reichweite einen Zusatzangriff erhält. Dann endlich geht es in die Vollen: Inspiration wird erklärt. Inspiration sind Mengen an tellurischer Energie, die ein Inspirierter Charakter in sich hat und abgeben kann. Der simpelste Einsatz von Inspiration gleicht Heldenpunkten, Schicksalspunkten oder ähnlichen Systemen, indem man einen +4 Bonus auf eine Aktion bekommen kann. Des Weiteren kann man eine Ahnung erzwingen (man erhält Spielleiter-Info), Erfindungen aufladen oder einen "Knack" (s.u.) aktivieren. Die wichtigste Einsatzmöglichkeit ist jedoch das Dramatic Editing bzw. der Cliffhanger. Inspiration erhält man durch heroische Taten, großartige Erfolge oder auch Ruhe. Inspiration ist in drei Facetten aufgeteilt, die je nach Charakter unterschiedlich stark bewertet werden. Intuition hilft einen Charakter, schnell zu reagieren, Reflection erleichtert andauernde Tätigkeiten, und Destruction unterstützt zerstörerische Akte. Insgesamt ist auch diese Regelung ein Aufsatz auf das d20-System, ein Merkmal, das sich im Laufe des Buches wiederholt.
Kommen wir nun zum Dramatic Editing. Dies war neben der Einführung das absolute Highlight im Originalsystem, und auch hier überstrahlt es alles. Kurz gesagt können die Spieler (nicht die Charaktere, die davon nichts merken) Inspiration einsetzen, um die Wirklichkeit zu verändern. Je nachdem, wie vorteilhaft und umfassend die Veränderung ist, kostet es zwischen 0 und 3 Punkten an Inspiration (man hat ca. 3 bis 15 Punkte zu einem beliebigen Zeitpunkt zur Verfügung). Wichtig dabei ist, dass die Veränderung glaubhaft ist, keine vorher festgelegten Fakten widerruft, und dass der SL zustimmt. Nur, wenn der Spieler einen SC vor dem Tod retten will, kann er vorherigen Ereignissen widersprechen (z.B. wird die tödliche Kugel durch den Flachmann aufgehalten, den Scott McWhiskey immer in der Brusttasche trägt). Will der Spieler also mitten in New York ein leeres Taxi vorfahren lassen, ist dies eine kleine Veränderung. In der Einöde von Kentucky ist dies schon schwieriger, und wenn zuvor erklärt wurde, dass in Peking keine Taxis fahren, dann findet man auch keine. Die Unterteilung der Einschnitte, die man vornehmen kann, ist übersichtlich und verständlich, zumal auch immer einige Beispiele angegeben werden. Im Grunde genommen ist diese Regel einer der enormen Reize für mich, Adventure! zu spielen. Hier können die Spieler noch aktiver als sonst an der Gestaltung des Abenteuers teilnehmen. Will man als SL ihnen einen Assassinen auf den Hals jagen, der sich dann als Schulfreund eines der SC entpuppt, muss man schon gut aufpassen, wie es weiter geht. Die einzelnen Klassen werden auf höheren Stufen besser in bestimmten Facetten des Dramatic Editing; so kann z.B. ein Ace diese Fähigkeit besser auf Verfolgungsjagden anwenden. Während man Dramatic Editing immer durchführen kann ("Da ist dem Doktor bei der Flucht doch glatt ein Blatt Papier aus seinen Aufzeichnungen gefallen!"), stellt der Cliffhanger eine besondere Form davon dar. Der Cliffhanger findet immer am Ende eines Spielabends statt und endet in einer aussichtslosen Situation für die Spieler. Zu Beginn der nächsten Sitzung dann können die Spieler reihum Inspiration einsetzen, um aus der Falle zu entkommen, wobei sie die Veränderungen der vorher gehenden Spieler mit verwenden können. Cliffhanger sollen regelmäßig, aber nicht ständig eingesetzt werden, und sind in meinen Augen ein großartiges Mittel, um Spieler geistig bei der Kampagne zu halten. Mehr noch als dies in anderen Systemen der Fall wäre, weil die Spieler hier wirklich überlegen können und sich zusammen setzen könnten, um die Situation tatsächlich zu ihren Gunsten zu verändern. Vielleicht sind die Piranhas gerade erst gefüttert worden, oder im Flugzeug befindet sich zwar kein Fallschirm mehr, dafür aber ein großes Gummiboot, mit dem man abspringen könnte?
Zum Ende des Regelteiles hin erfahren wir mehr über die "Knacks", die Kräfte der Mesmerists (Psi Knacks) und Stalwarts (Quantum Knacks). Diese gleichen in ihrer Niederschrift Zaubern und sind auch so zu verstehen, nur dass manche dieser Fähigkeiten permanent sind. Andere erfordern den Einsatz von Inspiration, um zu funktionieren. Und dann kommt die Super-Science, die Inspirierte Wissenschaft, die in diesem Buch tatsächlich besser in Regeln gefasst wurde als im Original. Mit Super-Science kann man Fluggeräte, Todesstrahlen oder Riesenroboter erschaffen, aber auch Tiermenschen oder gewaltige Sprengstoffe. Man benötigt zunächst einmal ein entsprechendes Talent und passende Fertigkeiten für die Erfindung. Danach muss man forschen, ob die Idee überhaupt funktioniert, was sie kostet, und wie lange der Bau dauert. Wenn man Assistenten hat, können sich der Zeitaufwand und damit die Kosten verringern, aber billig wird es wohl nie. Im zweiten Schritt muss man das Gerät bauen, im dritten Schritt dann testen. Erst danach weiß man endgültig, ob man erfolgreich war. Im Grunde genommen erschafft man mit diesen Regeln magische Gegenstände mit der Ausnahme, dass es in Adventure! eben keine Magie gibt, sondern Z-Strahlen. Hier ist alles (pseudo-)wissenschaftlich. Jegliche Art von technischem Schnickschnack und Anachronismus lässt sich so erschaffen, auch bestehende Dinge lassen sich verbessern (z.B. ein Auto zu einem James-Bond-Vehikel zu machen). Super-Science ist ein stimmungsvoller Weg, um besonderes Flair in die Kampagne zu bringen, Raketenrucksäcke zu erklären und wahnsinnigen Wissenschaftlern etwas zu tun zu geben. Waren die Regeln in der Storyteller-Version eher für NSC praktikabel und ein wenig klobig, bietet sich hier das d20-System erstmals wirklich für die Abwicklung an.
Insgesamt ist dieses Kapitel klar verständlich und gut gelungen. Leider sind manche Regeln deutlich einem anderen System als d20 entnommen, was einen nicht ganz schlüssigen Gesamteindruck hinterlässt. Ansonsten jedoch keine Beanstandungen meinerseits. Regeln: 3.8
Dritter Teil: Abenteuer in Adventure! Die letzten Kapitel bestehen dann noch aus grundsätzlichen Überlegungen und Systemen, die eher für SL gedacht sind, auch wenn die ersten Regeln für alle wichtig sind. Adventure! verteilt zunächst einmal Boni für besonders gelungene Beschreibungen von Manövern. Der Bonus kann zwischen +1 und +3 liegen, wenn der SL sich zur Vergabe entscheidet. Hier finde ich, geht es etwas zu weit. das d20 System ist ohnehin stärker auf Seiten der Spieler bei seinen proben als es beim Storyteller-System der Fall ist (wo man einen zusätzlichen Würfel bekommen kann, was m.E. nicht einem +1 entspricht). Zudem ist durch das Flair des Spiels, Inspiration und die Fähigkeiten der Spieler ohnehin ein starker Zug hin zu solchen Beschreibungen bereits im Spiel, ohne dass noch ein weiterer Anreiz nötig wäre. Als nächstes hat Adventure! ein anderes Geldsystem als das normale d20. Die Spieler erhalten je nach Reichtum einen Bonus auf einen w20-Wurf, und sie müssen für den Kauf eines Gegenstandes einen bestimmten Schwierigkeitsgrad schlagen. Einerseits entfällt dadurch viel buchhalterisches, und tatsächlich finde ich das System nicht schlecht; andererseits aber ist es eben wieder nicht d20, sondern eher eine Konvertierung der Storyteller-"Ressourcen". Es folgen Tabellen mit Gegenständen und ihren Kosten bzw. Schwierigkeitsgraden. Danach aber kommt ein weiteres absolutes Highlight, dass diesmal nicht aus der Feder der Adventure!-Designer stammt. Um Verfolgungsjagden schnell und actionreich zu gestalten, haben sie die Regeln für Verfolgungen aus dem Buch "Spycraft" von AEG übernommen, und ich muss sagen, diese Regeln sind genial. Noch dazu sind sie absolut einfach anzupassen an jede Form der Verfolgung, weshalb ich für meine D&D-Runde eben diese Regeln übernehmen werde. Kurz gesagt wird eine Entfernung der beiden Parteien festgelegt, und jede darf dann ein Manöver versuchen, mit dem sie aufholen oder davonrasen kann. Dazu kommen noch Überlegungen, das Terrain betreffend, und fertig ist eine einfache, schnelle und spannende Verfolgungsjagd. In den folgenden Abschnitten nun wenden sich die Designer ausschließlich an Spielleiter. Zunächst wird sich ausführlich über die Reale Welt und die Unterschiede zwischen ihr und der Welt von Adventure! ergangen. Es folgt eine Definition von "Pulp" und eine Hilfe, was dieser Begriff eben nicht umfasst (Noir, Camp, Four-Color Superheros). Grundsätzlich sind die Überlegungen, die in diesen Abschnitten vorkommen, sehr nützlich und für jeden Spielleiter durchaus die Lektüre wert. Der Umgang mit Abenteuergruppen (im Gegensatz zu einzelnen Helden), der Aufbau eines Abenteuers und einer Kampagne, Plotstrukturen, Aufhänger und Nebenschauplätze sind allesamt Teil der Diskussion, sowie ein langer Abschnitt über die Erschaffung von Bösewichtern. Im ersten Anhang finden wir die NSC von Adventure! Erwähnenswerte Helden und Schurken werden hier vorgestellt, wobei auffällt, dass kaum Regeln in der Beschreibung vorkommen. Es werden ein paar Talente oder Fähigkeiten genannt, die der jeweilige NSC wohl hat, aber Stufe und genaue Werte bleiben dem SL überlassen. Damit kann dieser die NSC genauso stark oder schwach machen, wie er möchte. In weiteren Anhängen finden wir zwei neue Schablonen, den Sentient Ape (ein Affe mit menschlichem Intellekt) und den Minion (den klassischen Schergen). Der Minion ist dabei der Versuch, einen schnell beseitigten NSC zu bilden, der dennoch in großer Zahl problematisch wird. Bei Storyteller funktionieren solche "Statisten", da die Kampfkraft und Überlebensfähigkeit der Charaktere nicht so stark steigt wie bei d20. Für dieses System hingegen denke ich, hätte man auf die Schablone auch verzichten können und einfach niedrigstufigere Gegner nehmen können, auch wenn die Besondere Eigenschaft, keine Taktiken anwenden zu können, amüsant ist. Es folgt eine Auflistung der NSC und Organisationen des Buches mit kurzer Zusammenfassung, eine zeitliche Übersicht der Ereignisse zwischen 1900 und 2106 (die Zeit von "Trinity"), sowie eine Liste von Quellen, die Spielern und Spielleitern als Inspiration dienen können, von Filmen über Comics bis hin zu Gedichten und Webseiten.
Das Buch endet mit den Credits und der OGL. Der letzte, kleinste Teil des Buches (technisch gesprochen noch Teil der Regelhälfte) ist wiederum äußerst gut gelungen. Die wenigen Probleme entstehen auch hier im Konflikt zwischen d20 und der ursprünglichen Systematik. Aber die Hilfen und Ratschläge für Spielleiter sind wohl durchdacht und letztendlich auch für erfahrenere SL noch nützlich. Spielleiter-Teil: 4.6
Fazit: Was mir an diesem Buch gefallen hat, ist größtenteils das, was mir auch am Originalbuch gefiel. Adventure! gleicht einem Hybriden aus Storyteller und d20. Einerseits ist es wesentlich freier und ungenauer als d20, andererseits werden viele thematische Ideen und Erwägungen in härtere Regeln gebunden, als man dies bei Storyteller finden würde. Letztendlich ist Adventure! auch eher ein Fluff- denn ein Crunch-Buch; trotz der vielen Regeln, die es enthält, kann man dem Fluff nicht entkommen. Was bleibt ist immer noch eines der stimmungsvollsten Rollenspiele, die ich kenne, und gleichzeitig ein Rollenspiel das trotzdem sehr viel Spaß, Tempo und Action verspricht. Super-Science und Dramatic Editing sind ebenso wie die Verfolgungsjagden von Spycraft ein absolutes Highlight auf dem d20-Markt. Der Einführungsteil des Buches setzt eigentlich unerreichbare Maßstäbe and Stimmung, Flair und Stil. Leider sind die Regeln nicht immer klug übersetzt worden. Manche Systeme wirken zu sehr wie die Umsetzung einer Storyteller-Eigenheit, als wirklich d20-Eigengewächse zu sein. Das bedeutet nicht, dass diese Systeme mir nicht gefielen, oder schlecht sind. Sie fügen sich nur nicht in das Gesamtbild und hätten vielleicht radikaler verändert werden sollen. Letztendlich würde ich Probleme haben, welches Spiel ich lieber hätte. Einerseits liegt die freie Gestaltung des Originalsystems dem Spiel besser, andererseits sind Verfolgungsjagden und Super-Science deutlich verbessert. Dass ich Adventure! in einer seiner Inkarnationen spielen würde, ist jedoch ohne Frage. Letzten Endes ist d20 nicht ganz das richtige System dafür; wenn die Mühe von Andrew Bates und Bruce Baugh, den Erschaffern des Trinity-Universums aber dadurch belohnt wird, und wenn nun diese Highlights des Rollenspiels (ich zähle Trinity mal dazu) wenigstens einer größeren Masse bekannt werden - dann her mit d20!
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