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Spielleiter Set 3.0
Bewertung:
(4.2)
Von: Andreas Miebach
Am: 04.08.2004
Autor:Monte Cook, Jonathan Tweet, Skip Williams
Typ:
System:D&D v3.0 Grundregeln
VerlagAMIGO Spiel + Freizeit GmbH
ISBN/ASIN:3-933171-35-0
Inhalt:320 Seiten, Hardcover, 24 Seiten-Heft in einer Box
Sprache:Deutsch

Spielleiter Set 3.0

Erst Ende Juli 2002, also knapp über ein Jahr nach dem Erscheinen des Spieler-Sets für die dritte Edition von Dungeons & Dragons, konnte Amigo das zugehörige Spielleiter-Set auf den Markt bringen. Nicht etwa Komplikationen bei der Übersetzung des amerikanischen „Dungeon Master’s Guide“ von Wizards of the Coast (siehe auch die Rezension dazu hier im Gate) waren der Grund für diese Verzögerung, sondern Lizenzprobleme mit eben jener Firma. Leider rückte Amigo erst sehr spät – nämlich kurz vor Erscheinen dieses Sets – mit dieser Information heraus, so dass sich bei der deutschsprachigen Fangemeinde bereits ein erhebliches Maß an Frustration angestaut hatte.

Wenn man den Deckel der relativ voluminösen Box zum ersten Mal öffnet und nicht weiß, was einen erwartet, dann könnte es sein, dass man sich ein klein wenig verschaukelt vorkommt. In der Box befinden sich nämlich nur das dicke Spielleiter-Handbuch, ein dünnes Heftchen und etwa 75 Prozent Luft. Wer angesichts der dicken Box mehr Inhalt erwartet hat, ist sicherlich erst mal erschrocken und dürfte auch nur wenig Verständnis dafür aufbringen, dass Amigo diese Art der Veröffentlichung gewählt hat, um eine bessere Platzierbarkeit im regulären Spielwarenhandel zu erreichen (der sich mit einzelnen Büchern offenbar schwer tut). Dem erbosten Käufer, der sich hier gut und gern als Opfer von Augenwischerei sehen könnte, sei hiermit aber versichert, dass das enthaltene Spielleiter-Handbuch den geforderten Kaufpreis absolut rechtfertigt.

 

Aufmachung, Gestaltung und Verarbeitung

Das Spielleiter-Handbuch ist wie das amerikanische Original ein echtes Schmuckstück: 320 vollfarbig bedruckte Seiten in edlem Design und auf hochwertigem Papier. Der Hardcover-Einband macht einen etwas stabileren Eindruck als noch beim Spieler-Handbuch und die (natürlich nur aufgedruckten) Applikationen, die einen dicken, fantastisch anmutenden Metallverschluss des Buches darstellen sollen, machen dieses Werk zu einem Blickfang im Bücherregal. Die zahlreichen Innenillustrationen sind von durchgehend sehr guter bis mittelprächtiger Qualität, wobei jedoch ausgerechnet die von Scott Fischer verbrochenen Illustrationen der Prestigeklassen „Finsterer Streiter“ (mit seinem albernen Fledermaus-Helmchen eher eine Lachnummer) und „Wissenshüter“ besonders negativ hervorstechen. Wie im Spieler-Handbuch wird auch hier wieder jedes Kapitel mit einer von Arnie Swekel stilvoll veredelten Seite eingeläutet. Der Text ist ebenfalls wie gehabt durchgängig zweispaltig und besitzt trotz hoher Dichte, die auf eine Menge Informationsgehalt schließen lässt, eine sehr gute Lesbarkeit. Der Index ist leider nicht ganz so brauchbar wie im Spieler-Set: Als ich beispielsweise einmal verzweifelt die Regeln für den Schaden durch Stürze aus großer Höhe gesucht habe, bin ich im Index unter „Stürze“, „Sturzschaden“ oder „Abstürze“ nicht fündig geworden. Gründliches Durchforsten des dritten Kapitels zeigte ebenfalls keinen Erfolg. Erst später zu Hause fand ich schließlich nach langem Rätselraten den „Fallschaden“ (auf diese Bezeichnung muss man erst mal kommen) in Kapitel 4 bei der Beschreibung von Hindernissen, Gefahren und Fallen in einem Dungeon. Ein so schöner Glossar wie im Spieler-Set fehlt leider gänzlich. Alles in allem ist das Spielleiter-Handbuch aber natürlich trotzdem ein sehr hochwertiges Buch, das den Kaufpreis des Sets von ca. 30,- Euro voll und ganz wert ist. Auch die Verpackung in die zunächst sinnlos erscheinende Box erweist sich als Vorteil: So kann der Spielleiter noch seine ganzen Papiere oder weitere Bücher bequem mit in die Box packen und so seine ganzen Unterlagen auf angemessene Art und Weise zum Spielort transportieren. Neben dem Spielleiter-Handbuch finden wir in der Box als Beigabe noch ein dünnes, ebenfalls durchgehend vollfarbig gedrucktes Heftchen ähnlich der Starthilfe aus dem Spieler-Set mit 24 Seiten, in dem sich ein Kurzabenteuer („Das Ettin-Rätsel“) sowie ein Tabellenteil, der im Stil der Seiten aus dem Spielleiter-Handbuch gehalten ist, befinden.

 

Kapitel 1: Der Spielleiter (16 Seiten)

Die sehr kurze Einleitung des Spielleiter-Handbuchs gibt neben ein paar warmen Worten einen Überblick über die einzelnen Kapitel und allgemeine Richtlinien dafür, wie das Runden von Brüchen und das Multiplizieren mehrerer Faktoren auf den gleichen Wurf bei D&D gehandhabt wird. Interessant ist, dass in der Einleitung noch von einem Beiheft mit zwei Abenteuern die Rede ist – anscheinend war ursprünglich statt des Tabellenteils in dem Heftchen noch ein zweites Abenteuer vorgesehen, was dann aber aus irgendwelchen Gründen wieder geändert wurde.

Im ersten Kapitel werden einem Spielleiter-Neuling die Grundlagen des Leitens nahegebracht: Welche Aufgaben ein Spielleiter hat, worauf man als SL achten muss und wie man mit typischen Problemen fertig wird. Für einen Neueinsteiger sind diese Tipps, auch wenn sie nur Grundlagencharakter besitzen, sicherlich ausgesprochen wertvoll. Wobei ich mir wünschen würde, dass auch so manch fortgeschrittener SL einigen der hier gegebenen Hinweise etwas mehr Beachtung schenken würde.

 

Kapitel 2: Charaktere (50 Seiten)

Dieses Kapitel enthält alle Regeln zur Charaktererschaffung, die über diejenigen im Spieler-Handbuch hinausgehen. Zunächst werden weitere Methoden zur Ermittlung der Attributswerte vorgestellt (inklusive dem Punkte-Kauf-System), danach folgen Alternativen zu den Standard-Völkern aus dem Spieler-Set, wobei es sich um Unterarten der bestehenden Völker (Dunkelelfen, Waldgnome, Grauzwerge, usw.) oder auch um die Möglichkeit handelt, eine Monsterrasse zu spielen. Für Letzteres wird das Konzept der Stufenentsprechung eingeführt, mit der die größeren Fähigkeiten von bestimmten, spielbaren Monsterarten gegenüber den Standard-Völkern ausgeglichen werden sollen. So wird beispielsweise ein Grottenschrat-Kämpfer der 1. Stufe zur Berechnung von Begegnungsstufen und Erfahrungspunkten immer so behandelt, als wäre er ein Charakter der 4. Stufe, während er in allen anderen Aspekten ein Charakter der 1. Stufe bleibt. Leider wird die Höhe der Stufenentsprechung nicht nach irgendwelchen Gesetzmäßigkeiten festgelegt, sondern allein nach der Einschätzung der Autoren, wie mächtig eine bestimmte Kreatur im Vergleich zu den Standard-Völkern oder anderen Kreaturen mit Stufenentsprechung ist. Es darf also bezweifelt werden, dass dieses System immer einen ausgewogenen Wert produziert, außerdem ist es so für den SL schwierig, eine Stufenentsprechung für Monsterarten festzulegen, für die hier kein Wert vorgegeben ist. Die Werte für die einzelnen Monster finden sich natürlich erst im Monster-Set.

Es folgen Regeln zur Abwandlung der bestehenden Klassen, wobei hier beispielhaft die Hexe vorgestellt wird, bei der es sich allerdings lediglich um einen Hexenmeister mit veränderter Zauberliste handelt. Sehr viel interessanter ist jedoch das hier ebenfalls erstmalig dargebotene Konzept der Prestigeklassen. Dabei handelt es sich um Klassen, die regeltechnisch ganz genau so behandelt werden wie die Standard-Klassen (auch und gerade in Bezug auf Klassenkombinationen), jedoch mit zwei Unterschieden: Einmal gilt eine Prestigeklasse immer als bevorzugte Klasse, zum anderen muss der Charakter bestimmte Voraussetzungen erfüllen, bevor er eine Prestigeklasse nehmen kann. Im Klartext heißt dies, dass eine Prestigeklasse nicht auf der ersten Stufe genommen werden kann, sondern erst, nachdem der Charakter mehrere Stufen in einer bzw. mehreren Grundklasse(n) besitzt. Sechs Prestigeklassen werden im Anschluss vorgestellt:

Arkaner Bogenschütze: Ein Elf oder Halb-Elf, dessen Pfeile einen magischen Verbesserungsbonus erhalten, und der mit ansteigender Stufe auch speziell verzauberte Pfeile abfeuern kann.

Assassine: Ein Meuchelmörder, der wie ein Schurke einen Hinterhältigen Angriff und später sogar einen Todesangriff durchführen kann, den gefahrlosen Umgang mit Gift beherrscht, usw.

Finsterer Streiter: Ein gefallener Paladin, dem sein neuer Zustand gefällt, und der sich einem dunklen Gott verschrieben hat. Seine Fähigkeiten sind denjenigen des Paladins weitestgehend entgegengesetzt, so erhält er z.B. kein besonderes Reittier, sondern einen infernalischen Diener, usw.

Schattentänzer: Ein Meister des Versteckens, der Heimlichkeit und der Täuschung, der für seine Künste die Schatten zu Hilfe nimmt.

Wissenshüter: Ein Magieanwender, der durch den Zugang zu geheimem und Spezialwissen seine Fähigkeiten verbessern kann (Boni auf bestimmte Werte, zusätzliche Talente, Zauber, etc.).

Zwergischer Verteidiger: Ein Zwerg, der sich in eine (dann allerdings nicht mehr wandelnde) Festung verwandeln kann.

Es dürfte klar sein, dass der Assassine und der Finstere Streiter nur für böse Charaktere gedacht und somit für Spieler nur bedingt geeignet sind. Die kleine Auswahl an Prestigeklassen soll hier sicherlich nur exemplarischen Charakter haben – die Zeit hat bereits gezeigt, dass es kaum noch ein offizielles oder inoffizielles Quellenbuch gibt, in dem nicht zumindest ein paar neue Prestigeklassen enthalten sind.

Als letztes Novum in diesem Kapitel werden dann noch die NSC-Klassen Adept, Adliger, Bürgerlicher, Experte und Krieger eingeführt. Dabei handelt es sich um Klassen für die ganze restliche Bevölkerung der Spielwelt, die keine Helden sind. Sie sollen hauptsächlich dem Spielleiter als Instrument dienen, um die Unterschiede in den Fähigkeiten der einzelnen Bewohner seiner Welt herauszustellen.

Danach folgen Regeloptionen zum Stufenaufstieg sowie zum Erschaffen von Charakteren höherer Stufen. Hier findet man auch eine Tabelle, wie viel Vermögen für einen Charakter in jeder Stufe angemessen wäre. Ich bin mir ziemlich sicher, dass so mancher Spieler leuchtende Augen bekommen und sich danach über seinen knauserigen Spielleiter empören würde, bekäme er diese Tabelle zu Gesicht. Danach folgen relativ oberflächliche Ausführungen über die Rolle der Klassen in der Kampagnenwelt, die Beschreibung des Talents „Anführen“ und eine nähere Erläuterung zu Tiergefährten (hier werden auch einige grundlegende Tricks erklärt), wonach dieses Kapitel mit 14 Seiten voller Werte für typische NSC aller Klassen abschließt.

Alles in allem lässt dieses Kapitel die Variationsmöglichkeiten bei der Charaktererschaffung nahezu ins Unendliche ansteigen, wodurch auch Spieler, die mal einen Charakter abseits der gängigen Völker- und Klassenkombinationen spielen möchten, voll auf ihre Kosten kommen können. Allerdings sehe ich auch nicht wirklich einen zwingenden Grund, warum Teile dieses Kapitels (insbesondere die Alternativen zu den Standard-Völkern und die Prestigeklassen) nicht auch im Spieler-Handbuch hätten stehen können – sind sie doch gerade für Spieler von besonders großem Interesse.

 

Kapitel 3: Ein Spiel leiten (50 Seiten):

In diesem Kapitel finden sich all jene Regeln, die ein Spielleiter zum Leiten einer laufenden D&D-Runde benötigt, und die über das Maß, das den Spielern bekannt sein sollte, hinausgehen. Es beginnt mit den Ausführungen zu Begegnungen, der Abwicklung des Kampfgeschehens (wobei auch einige optionale Regelvarianten wie z.B. der Verteidigungswurf oder der Tod durch massiven Schaden vorgestellt werden) und zur Bewegung auf Bodenplänen und in der Luft. In einem äußerst umfangreichen Abschnitt werden sämtliche besonderen Fähigkeiten ausführlich beschrieben, mit denen viele der Monster aus dem Monster-Set ausgestattet sind, z.B. Ätherform, Blickangriffe, Körperlosigkeit, Lebenskraftentzug, Odemwaffen oder Zauberresistenz. Hier finden sich auch die Tabellen für alle Gifte und Krankheiten, denen die SC zum Opfer fallen können. Sehr hilfreich ist sicherlich auch die Zusammenfassung aller Zustände, in denen man sich wiederfinden kann: benommen, betäubt, erschöpft, erschüttert, verstrickt, wankend, etc. Auch die Gefahren der Umgebung und des Wetters werden hier abgehandelt, seien sie so eindrucksvoll wie Erdrutsche, Tornados, Sand- oder Schneestürme oder so unspektakulär wie Verhungern, Verdursten oder das Gegenteil davon: Ertrinken. Den Abschluss dieses Kapitels bilden dann noch einige Hinweise, wie man den Schwierigkeitsgrad von Fertigkeits-, Attributs- und Rettungswürfen festlegen kann (insbesondere für Aktionen, die nicht explizit durch die Regeln abgedeckt sind), sowie ein paar kurze Anmerkungen zur Handhabung von Magie, insbesondere zur Erforschung neuer Zauber.

Erst die Lektüre dieses Kapitels hat mir so richtig deutlich gemacht, wie rund und in sich geschlossen das Regelsystem der dritten Edition eigentlich ist. Es fehlt zwar noch ein kleines Eckchen (dieses findet sich dann im Monster-Set), aber man bekommt hier doch bereits sehr deutlich den Eindruck eines stimmigen Gesamtbildes. Auch die Aufteilung in den Spieler- und den Spielleiter-Teil ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen: Die Kenntnis der hier vorgestellten Regeln ist für den Spielleiter natürlich obligatorisch, aber einen Spieler gehen diese ganzen Regelmechanismen nicht unbedingt etwas an – ganz im Gegenteil: Kennt ein Spieler diese Regeln, kann dies für eine kräftige Entmystifizierung des Systems sorgen und damit einen wichtigen Spannungsfaktor aus dem Spiel nehmen.

 

Kapitel 4: Abenteuer (56 Seiten)

Das Schreiben eigener Abenteuer ist für viele Spielleiter einer der größten Anreize für die Ausübung ihres Amtes, können sie doch hier ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Dieses Kapitel möchte eine Anleitung und ein Hilfsmittel sein, um eigene Abenteuer entwerfen zu können. Zu diesem Zweck werden alle Abenteuer zunächst in zwei grundlegende Gruppen unterteilt, nämlich in „auf Schauplätzen basierende Abenteuer“, also im Wesentlichen Dungeons (oder wie es auf deutsch so schön heißt: Gewölbe), und „auf Ereignissen basierende Abenteuer“, also all jene Abenteuer, die über eine vorgesehene Handlung verfügen. Es folgen ein paar allgemeine Anmerkungen über die Motivation der SC, den guten und schlechten Aufbau und den Informationsfluss innerhalb eines Abenteuers, die zwar durchaus nicht falsch, aber eben auch nur sehr oberflächlich sind. Nach einigen detaillierteren Ausführungen zum Thema Begegnungsstufen und Herausforderungsgrade, wobei die Frage im Mittelpunkt steht, wie man eine zur Gruppenstufe passende Begegnung zusammenstellt, dreht sich fast der ganze, nicht unbeträchtliche Rest dieses Kapitels leider nur noch um die Erstellung von (im schlimmsten Fall sogar zufällig ausgewürfelten) Dungeons. Auf vielen, vielen Seiten wird hier jedes Element beschrieben, aus denen ein Dungeon bestehen kann – von der „Fallgrube mit Speerspitzen (24 m tief)“ über streunende Monster bis hin zum Wandteppich – und dann noch einmal in Tabellenform zusammengefasst und mit einem Zahlenbereich versehen, um es auch per Würfelwurf zufällig ermitteln zu können. Abgerundet wird das Ganze durch ein Beispiel für ein Dungeon (der Keller einer Klosterruine), auf dessen Karte zwar 38 Räume eingezeichnet, aber nur die ersten drei davon auch beschrieben sind (Anm.: In der Ausgabe 84 des amerikanischen Magazins „Dungeon“ befindet sich ein Abenteuer, in dem dieses Gewölbe fortgesetzt wird). Auch ein Beispiel für eine typische Spielrunde ist hier angefügt, in dem man nachlesen kann, wie sich die Spieler der vier D&D-Ikonen Jozan, Tordek, Lidda und Mialee durch diese ersten drei Räume quälen. Auf den letzten Seiten finden wir dann noch die Anleitung, wie man sich Zufallsbegegnungstabellen für die Wildnis erstellen und Gemeinden (vom Weiler bis zur Metropole) erschaffen kann – sogar das geht auch zufällig per Würfelwurf. Und wenn man schon dabei ist, kann man sich bei den „Einhundert Abenteuerideen“ auch gleich den Aufhänger für sein Abenteuer auswürfeln.

Die grundsätzliche Frage, die sich mir beim Lesen dieses Kapitels gestellt hat, ist: Wer bitte braucht so was? Sollte es irgendwo da draußen Spielleiter geben, die tatsächlich die Chuzpe besitzen, ihren Spielern als Ergebnis ihres kreativen Schaffens einen ausgewürfelten Zufallsdungeon zu präsentieren? Mal ernsthaft: Dieses Kapitel braucht man nur dann, wenn man sich seine Dungeons selbst entwerfen möchte, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich bei den Abenteuern, die von Spielleitern mit kreativer Ader typischerweise selbst entworfen werden, ausgerechnet um Dungeons handelt. Für die Herausgeber von Kaufabenteuern könnte dieses Kapitel noch als grundsätzliche Richtlinie dienen, aber mit Kreativität hat es nicht im Entferntesten zu tun. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Wenn einen die eigene Kreativität vollständig im Stich lässt, dann braucht man dieses Kapitel.

 

Kapitel 5: Kampagnen (16 Seiten):

In diesem sehr kurzen Kapitel kann man nachlesen, wie man mehrere Abenteuer stimmig zu einer Kampagne verknüpfen kann. Neben allgemeinen Hinweisen zur Zusammenführung der Gruppe, der Einbindung in die Kampagnenwelt und der Handhabung von NSC-Gegnern und -Freunden findet man hier an handfesten Regeln die laufenden Kosten für die Lebenshaltung, Preise für Mietlinge und Zauber, die von NSC für die Gruppe gewirkt werden, sowie eine Erweiterung der Ausrüstungslisten aus dem Spieler-Handbuch um Schiffe, Transportmittel, Gebäude und Belagerungsgeräte.

 

Kapitel 6: Eine Welt erschaffen (16 Seiten):

Wenn man sich die Mühe machen möchte, eine eigene Kampagnenwelt zu entwerfen, dann findet man in diesem Kapitel Hinweise dazu, wie man dies bewerkstelligen kann. Natürlich nimmt einem dieses Kapitel nicht die Arbeit ab, sondern zeigt nur auf, welche Aspekte bei der Erschaffung einer eigenen Welt wichtig sind: Geographie, Demographie, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Kultur, große Ereignisse, Religion und Magie werden kurz abgehandelt. Auch Hinweise zur Erschaffung einer Welt mit einer anderen Technologiestufe werden hier gegeben, wobei sich diese aber lediglich auf die Angabe der Werte einiger weniger Waffen aus der Zeit der Renaissance, der Neuzeit und der Zukunft beschränken.

 

 

Kapitel 7: Belohnungen (10 Seiten):

Erfahrungspunkte und Schätze sind der Lohn für das harte und gefährliche Leben eines Abenteurers. Die Erfahrungspunkte errechnen sich anhand der Durchschnittsstufe der Gruppe und des Herausforderungsgrades jedes überwundenen Gegners und jeder überwundenen Falle, wobei man als Grundsatz festhalten kann, dass es umso mehr Erfahrungspunkte gibt, je höher der Herausforderungsgrad im Vergleich zur Gruppenstufe ist, und umgekehrt. Die erarbeiteten Erfahrungspunkte werden dann gleichmäßig auf die Gruppenmitglieder verteilt. Leider funktioniert dieses System nur dann einwandfrei, wenn alle Charaktere auf der gleichen Stufe sind. SC, deren Charakterstufe unter der Gruppenstufe liegt, erhalten so zu wenig und SC, deren Charakterstufe über der Gruppenstufe liegt, zu viele Erfahrungspunkte, wodurch die Differenz zwischen ihnen wächst, anstatt sich zu verringern. Unterschiedliche Stufen innerhalb einer Gruppe gleichen sich bei diesem System also nicht langfristig wieder an (was wünschenswert wäre), sondern im Gegenteil: der Abstand zwischen ihnen wird immer größer. Es ist also dringend anzuraten, nicht das hier vorgestellte, sondern das System aus dem Kampagnenset: Vergessene Reiche bzw. dem Spielleiter-Set 3.5 zu verwenden, bei dem die Erfahrungspunkte für jeden Charakter einzeln ermittelt werden.

Neben den Berechnungsmethoden für Erfahrungspunkte enthält dieses Kapitel auch Tabellen, mit denen man passende Schätze für die jeweils entsprechende Begegnungsstufe zufällig ermitteln kann. Ein Schatz setzt sich dabei aus bis zu drei Komponenten zusammen: Münzen, Wertgegenstände (Edelsteine oder Kunstgegenstände) und/oder andere Gegenstände (normale oder magische).

 

Kapitel 8: Magische Gegenstände (93 Seiten)

Das letzte und mit Abstand umfangreichste Kapitel dieses Buches enthält nicht nur eine riesige Auswahl an magischen Gegenständen und deren Beschreibung, sondern auch die Regeln zu deren Handhabung, Identifizierung und Herstellung in bisher noch nie da gewesener Ausführlichkeit. Die magischen Gegenstände werden dazu in die folgenden Kategorien unterteilt:

Ringe: Ein Ring kann von jedem getragen werden (strenggenommen sogar zwei), und das macht sie so besonders wertvoll. Die meisten Ringe haben eine permanente Wirkung, andere wiederum verfügen über eine gewisse Anzahl Ladungen.

Rüstungen (und Schilde): Neben dem üblichen Verbesserungsbonus auf die Rüstungsklasse kann man einer Rüstung oder einem Schild auch eine oder mehrere von speziellen Verzauberungen verpassen, wodurch sich diese wunderbar nach den Wünschen und Vorlieben des Trägers kombinieren lassen. Natürlich gibt es auch außergewöhnliche Einzelstücke oder Rüstungen aus besonderen Materialien wie Mithral oder Adamantit.

Schriftrollen: Schriftrollen sind die grundlegendsten magischen Gegenstände eines jeden Zauberwirkers, enthalten sie doch Zauber, die sofort gewirkt werden können, in niedergeschriebener Form und stellen somit praktisch eine Erhöhung der täglich verfügbaren Zauberkapazität eines magiefähigen Charakters dar.

Tränke: Auch Tränke haben oftmals die gleiche Wirkung wie bestimmte Zauber, können aber im Gegensatz zu Schriftrollen von jedem getrunken werden. Dafür sind aber auch nicht alle Zauber als Trank erhältlich.

Waffen: Magische Waffen zählen sicherlich zu den begehrtesten magischen Gegenständen überhaupt. Wie bei den Rüstungen und Schilden gibt es auch für Waffen neben dem Verbesserungsbonus eine breite Palette von speziellen Verzauberungen, die sich beliebig kombinieren lassen. Auch hier findet sich wieder eine erkleckliche Anzahl an außergewöhnlichen Waffen sowie Waffen aus besonderen Materialien.

Wundersame Gegenstände: Hierunter fällt alles, was sich nicht in eine der anderen Kategorien einordnen lässt, und dies ist auch die mit Abstand größte Kategorie in diesem Kapitel. Über 150 wundersame Gegenstände werden hier detailliert beschrieben, darunter Umhänge, Amulette, Perlen, Stiefel, Edelsteine und besondere magische Einzelstücke. Auch viele alte Bekannte aus der zweiten Edition finden sich hier wieder.

Zauberstäbe: Ein Zauberstab funktioniert ähnlich wie eine Schriftrolle, nur dass in dem Stab der jeweilige Zauber bis zu fünfzigmal enthalten sein kann. Dafür kann man aber auch nur Zauber bis einschließlich zum 4. Grad in einem Zauberstab speichern.

Zauberstecken: In Zauberstecken sind ebenfalls Zauber gespeichert und auch Stecken besitzen eine gewisse Anzahl Ladungen, jedoch sind die Zauber hier für den jeweils bezeichneten Stecken fest definiert.

Zauberzepter: Zauberzepter sind in ihrer Wirkungsweise sehr unterschiedlich. Sie besitzen in der Regel keine Ladungen und können von jedem eingesetzt werden, der die entsprechende Aktivierungsmethode kennt.

Intelligente Gegenstände: Ein magischer Gegenstand mit einem eigenen Bewusstsein, einer eigenen Persönlichkeit und vor allen Dingen einem eigenen Willen kann Segen und Fluch zugleich sein. Zwar sind diese Gegenstände ungemein nützlich und außerordentlich vielseitig einsetzbar, aber wenn das Ego eines intelligenten Gegenstandes zu groß ist, dann macht der Gegenstand nicht das, was sein Besitzer möchte, sondern umgekehrt.

Verfluchte Gegenstände: Neben den bei Spielleitern beliebten speziellen verfluchten Gegenständen finden sich hier auch Vorschläge, wie man jeden magischen Gegenstand mit einem kleinen, aber u.U. unangenehmen Haken versehen kann. Ob nun ein Gegenstand, der nur unter bestimmten Bedingungen oder bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen funktioniert, oder der unerwünschte Nebenwirkungen beim Anwender auslöst – alles ist möglich.

Artefakte: Hierbei handelt es sich um äußerst mächtige magische Gegenstände, die nicht selbst hergestellt werden können.

Dem Spielleiter wie auch den Spielern bietet sich hier ein nahezu unerschöpflicher Fundus an Möglichkeiten. War in der zweiten Edition die Herstellung von magischen Gegenständen noch weitestgehend der Interpretation und dem Goodwill des Spielleiters überlassen, so bietet die dritte Edition nun ganz handfeste Regeln dafür an. Bei jedem magischen Gegenstand sind dessen Marktpreis sowie die zur Herstellung notwendigen Voraussetzungen angegeben, so dass ein SC mit dem notwendigen Kleingeld und dem passenden Talent theoretisch jeden Gegenstand selbst herstellen kann. Gerade für die magiefähigen Klassen ist dies natürlich eine hochinteressante Option, allerdings liegt hier auch die Crux an der Sache: Bevor ein Spieler ein Talent zur Herstellung von magischen Gegenständen opfert, möchte er natürlich wissen, welche Möglichkeiten er mit diesem Talent hat oder welche Voraussetzungen er zur Herstellung bestimmter magischer Gegenstände erfüllen muss – und das bedeutet im Zweifelsfall Zugriff auf Wissen aus diesem Kapitel. Die Gefahr ist also groß, dass ein Bereich, der vorher noch fest in der Hand des Spielleiters und für die Spieler damit geheimnisumwittert und voller Rätsel war, nun plötzlich völlig durchschaubar und zu einem schematisierten System wird, und damit erheblich an Mystik verliert. Es dürfte einem Spielleiter extrem schwer fallen, seinen Spielern einerseits die an sich sehr schöne und auch logisch nachvollziehbare Möglichkeit, magische Gegenstände selbst herzustellen, nicht zu verbauen, andererseits aber dafür Sorge zu tragen, dass dieses Kapitel nicht zu einem Versandhauskatalog verkommt.

 

Beiheft: „Das Ettin-Rätsel“ und Tabellen für die Spieler

Bei dem aus 13 Seiten plus zwei Seiten mit Kartenmaterial bestehenden Abenteuer handelt es sich um die (natürlich ins Deutsche übersetzte) Printversion des Abenteuers „The Ettin’s Riddle“, das man sich als PDF-Datei kostenlos von der Webseite von Wizards of the Coast herunterladen kann. Das Abenteuer ist für vier bis sechs Charaktere der Stufen 2 bis 3 ausgelegt und kann von daher wohl als Einstiegsabenteuer bezeichnet werden. Für Einstiegs-Spieler eignet sich dieses Abenteuer aber meiner Meinung nach eher weniger, denn um das Ettin-Rätsel lösen zu können, muss man schon über sehr genaue Kenntnisse der Glaubensgrundsätze von Heironeous und Hextor, zwei Göttern aus der Greyhawk-Kampagnenwelt, verfügen – und zwar derartig genau, dass man da selbst als fortgeschrittener Spieler mit fundiertem Greyhawk-Wissen leicht in Bedrängnis geraten kann.

Die restlichen Seiten des Beihefts sind mit allerlei Tabellen gefüllt und dürfen sogar zum persönlichen Gebrauch kopiert werden. Dies deutet darauf hin, dass diese Seiten zur Weitergabe an die Spieler gedacht sind. So finden sich hier einige für Spieler sicherlich sehr nützliche Informationen: Alphabetische Listen der Waffen, Rüstungen und Ausrüstungsgegenstände, mögliche Aktionen im Kampf und andere Kleinigkeiten. Leider befinden sich aber auch einige Tabellen darunter, die einen Spieler meiner Meinung nach überhaupt nicht zu interessieren haben: Listen von magischen Gegenständen samt Marktpreis (auch wenn es sich hier nur um schwächere Gegenstände handelt), Tabellen über die RK von Gegenständen, Härte und TP von Substanzen, Waffen und Gegenständen sowie Schwierigkeitsgrade zum Sprengen oder Aufbrechen von Gegenständen und Türen.

 

Fazit:

Mir ist durchaus klar, dass diese Rezension kaum als Kaufentscheidung dienen kann: Als D&D-Spielleiter kommt man um den Besitz dieses Sets ohnehin nicht herum, während alle anderen es – auch wenn es das großartigste Werk der Welt wäre – eigentlich nicht benötigen (außer, sie wollen sich den Spaß verderben). Die Bewertung sagt also nur aus, wie gut das Spielleiter-Set seinen Job macht und wie nützlich es für den SL ist. Das Spielleiter-Handbuch ist weniger ein Buch, das man von vorne bis hinten durchliest, sondern dient eher als Werkzeug, Hilfsmittel und Nachschlagewerk. Diese Funktion erfüllt es ganz hervorragend: Unerfahrene wie auch fortgeschrittene Spielleiter finden hierin alles, was man zum Leiten einer D&D-Runde benötigt, und noch mehr. Der recht knappe Index ist dabei leider ein kleiner Wermutstropfen, ebenso die ärgerlichen und vermeidbaren Druckfehler (z.B. fehlen die Voraussetzungen des Finsteren Streiters gänzlich und in der Erfahrungspunktetabelle sind die Spaltenköpfe für die Stufen 11 bis 20 falsch beschriftet). Das Kapitel über Abenteuer ist für meinen Geschmack leider viel zu dungeonlastig und ich befürchte, dass dadurch bei vielen Leuten – insbesondere bei Neueinsteigern – der Eindruck entsteht, dass es bei D&D um nichts anderes als um Gewölbekriecherei geht. Zwar muss ein Dungeon nicht unbedingt etwas Schlechtes sein, aber für eine reine Beschränkung auf diese Spielart ist das System einfach zu schade. D&D besitzt das durchdachteste und durchschematisierteste Regelwerk, das ich bis jetzt gesehen habe, und bietet den Spielern eine Unzahl von Möglichkeiten, ihren Charakter weiterzuentwickeln. Das hört sich einerseits natürlich positiv an (ist es auch), birgt aber auf der anderen Seite auch eine Gefahr: Die Versuchung, den eigenen Charakter nur noch als ein auf Effektivität getrimmtes Zahlenwerk anzusehen und darüber das Ausspielen der Persönlichkeit oder die Trennung zwischen Spieler- und Charakterwissen mehr oder weniger absichtlich zu vergessen, ist für die Spieler riesengroß, da diese Dinge häufig einer optimalen regeltechnischen Effektivität (vermeintlich) im Wege stehen. Somit geht für die Spieler mit den größeren Möglichkeiten, welche die dritte gegenüber der zweiten Edition bietet, auch mehr denn je die Verantwortung einher, für eine schöne, spannende und in gewissem Maße mysteriöse Atmosphäre beim Rollenspiel zu sorgen. Was sich hier in der Theorie einfach liest, ist jedoch in der Praxis oftmals nur mit erheblichen Schwierigkeiten umzusetzen, und erfordert auch von den Spielern eine gewisse Reife. Eine Erkenntnis, die das Spielleiter-Handbuch leider nicht vermittelt.