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Munchkin: Das Kartenspiel
Bewertung:
(4.3)
Von: Dominik Stieler
Am: 19.08.2004
Autor:Steve Jackson (Illustrationen von John Kovalic)
Typ:
System:Kartenspiel
VerlagPegasus Spiele
ISBN/ASIN:Verlagsnr.: 17100G
Inhalt:168 Karten, Anleitung
Sprache:Deutsch

Töte die Monster - Klau den Schatz - Erstech deine Kumpel

Gehe in den Dungeon. Töte alles, was sich bewegt. Fall deinen Freunden in den Rücken und klau ihr Zeug. Greif dir denn Schatz und dann RENN! Gib’s zu, du liebst es.

Dieses eigenständige Kartenspiel fängt die Erfahrungen eines Dungeons ein – ohne das nervige Rollenspiel.

 

Na? Seid ihr neugierig geworden? Solltet ihr auch, denn mit „Munchkin“ aus dem Hause Steve Jackson Games wartet ein Kartenspiel auf euch, dass zwar True Roleplayers keinen Spaß bereiten wird, allen anderen dafür aber womöglich umso mehr.

 

Erster Eindruck:

„Munchkin“ macht schon beim Ansehen des Covers sofort einen albernen und abgedrehten Eindruck. Dieser wird beim Studium der lustig illustrierten 168 Karten, die in „Dungeonkarten“ und „Schatzkarten“ unterteilt sind, nur noch verstärkt (ich denke hier zum Beispiel an den „Geilen Helm“ oder die „Käsereibe des Friedens). Vor dem ersten Spielen ist natürlich die Lektüre der Regeln angesagt. Jeder, der an dieser Stelle noch dachte, Munchkin wäre ein normales, seriöses Spiel, wird hier eines Besseren belehrt, denn die Anleitung rät explizit dazu, „sich immer an die Karten zu halten. Jede andere Streitigkeit sollte dadurch geregelt werden, dass ihr euch gegenseitig laut anschreit , wobei der Besitzer des Spiels das letzte Wort hat!“

 

Die Regeln:

Jeder Spieler beginnt das Spiel auf Stufe 1 und ohne Klasse. Das Ziel ist es – wie könnte es auch anders sein – Stufe 10 zu werden! Wie sich das erreichen lässt? Ganz einfach: Monster töten, „Steige eine Stufe auf“- Karten ziehen (besonders erwähnenswert: „Besteche den Spielleiter“) oder Gegenstände im Wert von genau 1000 Goldstücken verkaufen.

Jeder Spieler bekommt zu Beginn 2 Dungeon- und 2 Schatzkarten und kann diese in seiner Runde ausspielen, um sich Kampfboni zu verschaffen (wie z.B. die beiden oben erwähnten Gegenstände), Levels aufzusteigen (wenn man Monster ausspielt), oder den anderen kräftig in den Hintern zu treten – und zwar mit Flüchen. Diese Flüche machen den eigentlichen Reiz von Munchkin aus.

Doch am besten ist es, wenn ich zuerst mal das – eigentlich recht einfache – Spielgeschehen schildere. Jeder Zug eines Spielers besteht aus 4 Phasen:

Als Erstes muss man eine „Tür öffnen“, was sich durch Aufdecken einer Dungeonkarte äußert. Da können einen entweder Monster (die man dann bekämpfen muss), Flüche (die sofort anfangen zu wirken) oder verschiedene andere Karten wie zum Beispiel Klassen oder Rassen erwarten. Letztere dürfen gleich ausgespielt werden (oder auch nicht).

Es folgt die gefährlich klingende Phase „Auf Ärger aus sein“, in welcher man ein Monster von seiner Hand spielen darf. Danach kommt endlich das, wonach sich alle schon lange gesehnt haben: „Den Raum ausplündern!“ Der Dämpfer folgt jedoch gleich auf dem Fuß: Musste man vor dem Monster fliehen (s.u.), gibt es nichts! Andernfalls darf man so viele Schätze ziehen, wie auf der Monsterkarte angegeben sind, und auch sofort ausspielen.

Ist man überhaupt keinem Monster begegnet, darf man eine 2. Karte vom Dungeonstapel ziehen. Am Ende der Runde muss man noch alle überzähligen Karten (maximal 5) an den Spieler mit der niedrigsten Stufe abgeben.

 

Der Kampf:

Der Kampf ist das Herzstück von Munchkin. „Wie langweilig“, denkt man sich beim 1. Durchlesen der Regeln. Aber denkste! In der Tat ist das Grundprinzip – eigene Stufen + Boni durch Gegenstände addieren und schauen, ob man damit eine höhere Stufe als das Monster erreicht – recht einfach. Doch was passiert, wenn ein Gegner plötzlich die Karte „Uralt“ spielt und der Gegner viel stärker wird? Hier ein ausführliches Beispiel, wie ein Gefecht in Munchkin aussehen könnte:

Die Ausgangssituation:

Tom ist mit Stufe 8 vor Klaus und Tobias, die beide Stufe 4 sind, und dem armen Pascal (Stufe 2) deutlich in Führung. Diese warten nur auf eine Gelegenheit, Tom heftig eine reinzuwürgen. Doch es scheint aussichtslos: Er hat zusätzlich noch mächtige magische Gegenstände wie die „Kettensäge der blutigen Zerstückelung“(Bonus +3) oder das „Coole Tuch für harte Kerle(ebenfalls Bonus +3)“, das nur von Menschen nutzbar ist (Tom hat noch keine Rassenkarte gefunden und ist daher Mensch). Insgesamt hat er also eine effektive Stufe von 14. Zusätzlich kann er durch seine Klassenkarte „Krieger“ je 3 Karten ablegen, um einen weiteren +1-Bonus zu erhalten und gewinnt bei Gleichstand im Kampf.

Das Geschehen:

Tom spielt nichts ahnend(Urks – neue Rechtschreibung) den „Gesichtsauger“, der Stufe 8 ist, +6 gegen Elfen bekommt und 2 Schätze bringt. Ein scheinbar leichtes Unterfangen! Scheinbar! Denn dies ist die Situation, auf die die anderen geduldig gewartet haben. Mit einem wahnsinnigen Glitzern in den Augen beginnen Klaus und Tobias ein wahres Feuerwerk an Flüchen, denn diese dürfen laut Regelwerk „ZU JEDEM BELIEBIGEN ZEITPUNKT auf JEDEN BELIEBIGEN SPIELER“ gewirkt werden. Zuerst muss Tom (durch den 1.Fluch) seine Klasse wechseln und durchsucht den Ablagestapel nach der am höchsten liegenden Klassenkarte : Einem Elfen! Plötzlich wird der Gesichtsauger viel gefährlicher, da er ja +6 gegen dieses Volk bekommt und Toms Cooles Tuch nicht mehr wirkt (er ist ja kein Mensch mehr). Doch es kommt noch schlimmer: Ein „Flammender Gifttrank“ verschafft dem Monster einen weiteren Bonus von +3 und der „Wirklich beschissene Fluch“ raubt Tom auch noch seine Kettensäge. Damit ist er nur noch Stufe 8 und der Gesichtsauger 17! Doch er gibt sich noch nicht geschlagen und spielt das „Magische Geschoss“, das +5 für eine der Kampfparteien (ihm in diesem Fall) bringt, sowie das „Yuppie-Wasser“ (+2 für jeden Elf im Kampf). Dennoch ist er damit nur Stufe 15. Hier kommt Pascal ins Spiel. Er bietet Tom seine Hilfe an , denn er ist mit Gegenständen (namentlich der Strumpfhose der Riesenstärke) Stufe 6 und würde den Kampf entscheiden (15+6 =21 gg. 17). Aber nur, wenn er ALLE SCHÄTZE BEKOMMT. Tom stimmt zähneknirschend zu und will gerade aufatmen, als Klaus ein weiteres Ass aus dem Ärmel zieht: Eine Karte, die dem Monster +5 auf die Stufe bringt, bringt, aber einen Extraschatz, falls es besiegt wird. Plötzlich fängt Pascal diabolisch an zu lachen. Die anderen sind total verwirrt, doch dieser Gefühlszustand schlägt schnell in Entsetzen um, als sie die Karte sehen, die Pascal gerade abgelegt hat: Den „Polly-Verwandlungstrank“ nämlich, der das Monster in einen Papagei verwandelt, welcher seine Schätze zurücklässt. Und da er ausgehandelt hat, alle Schätze zu bekommen, darf er jetzt 3 Karten vom entsprechenden Stapel ziehen.

 

Na? Habt ihr Blut geleckt? Ich geb zu, ganz so wild wie in meinem Beispiel geht es bei Munchkin nicht immer zu, aber der Schadenfreude-Effekt, der auftritt, wenn man einem der Gegner mal wieder gehörig in die Suppe gespuckt hat, ist schon unschlagbar. Natürlich könnte ich jetzt noch weiter auf die Regeln eingehen, aber ich glaube, dass jeder, der einigermaßen aufmerksam mitgelesen hat, erkannt hat, worum es bei diesem Kartenspiel geht.

 

Fazit:

Munchkin ist ein sehr unterhaltsames Spiel, das man nur mit einer echten Rollenspielgruppe spielen sollte, denn sonst geht womöglich der Reiz verloren. Es gibt zwar manchmal kleinere Regelunklarheiten, diese werden jedoch sofort wieder beiseite gefegt, wenn sich jemand „auf obskure Regeln beruft“ oder die Laufende Nase in einem nervenaufreibenden Kampf besiegt. Die Hatz nach den besten Gegenständen und der höchsten Stufe darf einerseits als Aufforderung zum Spielen für jeden Powergamer, andererseits aber auch als Affront gegen die erlesene Schar der True Roleplayers gewertet werden. Und gerade wenn man seinen Horizont etwas erweitert und Munchkin einfach nur als stinknormales Kartenspiel betrachtet, sieht man den Heidenspaß, den dieses Spiel auch mehrere Partien lang macht.

 

Anm.d.Autors: Die Übersetzung des Addons „Abartige Axt“ ist bereits im Gange. Es soll im September erscheinen.

Anm.d-Red.: MIttlerweile gibt es einen Reprint der deutschen Variante, bei dem auch einige Fehlerchen ausgebessert wurden.