Mit dem Necronomicon hat Pegasus Press einen weiteren Quellenband für Cthulhu herausgebracht, den ich an dieser Stelle schon als sehr gelungen bezeichnen kann. Es handelt sich hierbei um 260seitiges Hardcover mit ausschließlich schwarz-weißen Illustrationen, die hervorragend passen. Das Coverdesign gefällt mir nicht ganz so gut, da man meiner Meinung nach bei so einem Werk ein wenig einfallsreicher hätte sein können. Ist aber nur ein kleiner Makel, der sich nicht negativ in der Bewertung niederschlagen wird.
Kommen wir zum Inhalt. Nach einer netten Einführung inklusive einer Abhandlung über die Geschichte des geschriebenen Wortes wird sehr schnell auf das wichtigste Thema dieses Quellenbandes eingegangen: Bücher. Bücher sind bei Cthulhu das wahre Salz in der Suppe. Immer wieder werden Charaktere in die verbotenen Schriften schauen müssen, um dunkle Geheimnisse lösen zu können und noch viel öfter werden sie dafür bezahlen müssen. Denn fast alles, was in den Werken des Mythos steht, ist nicht für das menschliche Auge bestimmt und führt zu furchterregenden Konsequenzen. Bevor auf über 80 Seiten auf bedeutende Werke des Mythos eingegangen wird, gibt es noch zahlreiche Hilfen für den Spielleiter, wie er Bücher des Mythos noch interessanter in seine Kampagne einbauen kann.
Dann geht es, wie schon gesagt, ans Eingemachte. Auf den folgenden 80 Seiten werden die verschiedensten Werke dem Leser auf wunderbare Art und Weise nähergebracht. Zuerst werden Erfahrungen einer Person mit diesem Werk dargestellt, sei es in einer Beschreibung, einem Brief oder einem Tagebuch. Diese Erfahrungen wirken allesamt wie kurze Horrorkurzgeschichten, die dem Leser ein schönes Bild über die Auswirkungen des Werkes vermitteln. Dann folgen immer die nackten Werte: Wie hoch ist der Stabilitätsverlust? Um wieviel steigt das Cthulhu-Mythoswissen? Wie lange beträgt die Studierdauer? Welche Zauber könnten enthalten sein? Was die Beschreibungen, neben den sehr gelungenen Illustrationen und den immer wieder erscheinenden Randbemerkungen, aber so auszeichnet, sind die optionalen Regeln für Auswirkungen beim Querlesen bzw. Studieren dieser Mythoswerke. Hier wird der wahre Horror deutlich, denn der Leser wird niemals ungeschoren davonkommen.
Beispiel: Die drei Codices Es handelt sich hierbei um den Codex Spitalski, den Codex Maleficium und den Codex Dagonensis, die um 400 n. Chr. in Ortschaften auftauchten, die heute wohl Norddeutschland liegen würden. Die Codices befinden sich an verschiedenen Orten in der Welt, unter anderem im Vatikan, und enthalten Beschwörungsrituale und mächtige Zauber. Wird eines dieser Werke nur quer gelesen, hat es noch keine größeren Auswirkungen. Der Leser fühlt sich lediglich krank und unwohl. Dies ändert sich aber schlagartig, wenn eines dieser Werke intensiv studiert wird. Liest man den Codex Spitalski intensiv, treten im Laufe der Zeit um den Leser herum immer mehr Krankheiten bis hin zu Epidemien auf, ohne aber, daß er selbst betroffen wäre. Der Codex Maleficium dagegen löst mit jedem Tag des Studiums beim Leser eine neue Phobie aus, wobei es durchaus sein kann, daß er sich dieser gar nicht bewußt wird, da er nicht mit ihr konfrontiert wird. Beim Codex Dagonensis wird dem Leser ziemlich schnell schmerzhaft bewußt, daß etwas nicht stimmt: Er bekommt Dauerschnupfen und Nebenhöhlenentzündung, und in seinem Muskelgewebe sammelt sich Wasser an, so daß es zur Ausbildung von Ödemen kommt. Wenn er Pech hat, kann er durch den erhöhten Salzgehalt in seinem Körper dehydrieren und sogar sterben. Es muß gesagt werden, daß selbst diese Auswirkungen durchaus noch harmlos sind. Manche Werke treiben den Leser unaufhaltsam in den Wahnsinn oder markieren ihn als den Paarungspartner für ein cthuloides Wesen, das ihn verfolgen wird, bis es zur Paarung kommt (widerliche Vorstellung!). Wie schon gesagt, bildet dieser Abschnitt das Herzstück des Necronomicons. Und es wird diesem Titel vollkommen gerecht. Obwohl es eigentlich nichts anderes ist als eine simple Aufzählung bzw. Beschreibung von bestimmten Werken, so hat mich dieses Kapitel doch nächtelang gefesselt. Nimmt man noch die Zeichnungen, Fotos und die Beschreibungen von historischen Persönlichkeiten dazu....dies alles läßt es zu einem wirklichen Lesevergnügen werden. Nachdem diese wirklich grausamen Werke abgehandelt worden sind, widmet sich das Necronomicon weiteren Schriften des Mythos bzw. Büchern, die sich mit Okkultismus befassen. Auf 56 Seiten werden auch hier verschiedene Werke besprochen, deren Auswirkungen keinesfalls mit denen von den wahren Werken des Mythos zu vergleichen sind und somit meiner Meinung nach im Spiel viel öfter eingesetzt werden können. Häufig bekommt der Leser einen Bonus auf Okkultismus oder andere Fertigkeiten, wobei ein Stabilitätsverlust nur noch bei den geringeren Mythoswerken auftritt. Okkulte Bücher sind in diesem Sinne allerdings vollkommen harmlos, aber nicht weniger interessant. Als wäre diese Ansammlung an vorgeschlagenen Büchern noch nicht genug, gibt das Necronomicon dem Spielleiter eine weitere Hilfe mit auf dem Weg. In den folgenden drei Abschnitten wird recht detailliert beschrieben, wie man Mythosbücher in seine Kampagnen einbindet bzw., wie man eigene Werke bzw. Auszüge davon erschafft. Es wird auch auf eine Vielzahl von Verschlüsselungsmöglichkeiten eingegangen, so daß jedem Hobbybastler beim Lesen wohl das Herz aufgehen dürfte. Auch hier kann ich nur wieder betonen, daß diese Abschnitte von einem Spielleiter gelesen und beherzigt werden sollten, denn zielloses Einstreuen der Mythoswerke in eine Kampagne könnte den Flair der Bücher sehr schnell zerstören. Obwohl Bücher sicherlich die wichtigsten Gegenstände in diesem Quellenband darstellen, so wurden auch andere Gegenstände/Artefakte nicht vergessen. In den nächsten beiden Kapiteln werden sowohl magische Artefakte wie etwa „Das Amulett des Hundes“ oder „Das Auge des Swarog“ wie auch technische Werkzeuge wie die Gas-Pistole, der Gemütszersetzer oder ODIN (Optisch distribuiertes interaktives Neuroimplantat) vorgestellt. Auch hier kann sich ein Spielleiter hemmungslos austoben und Ideen sammeln, zum einen, wie er diese Gegenstände in Szenarios einbauen kann, aber auch, wie er eventuell eigene Dinge erschaffen kann. Wieder rundum gelungen. Den Abschluß des Necronomicon bilden eine Geschichte, die mit zahlreichen Auszügen aus Werken unterstützt wird, und einem Anhang, an dem sich manch anderer Verlag mal ein Vorbild nehmen sollte. Nicht nur, daß hier neue Zauber aufgeführt sind, es werden zusätzlich noch einmal alle im Necronomicon beschriebenen Werke und Gegenstände aufgelistet, ihre Wirkung aufgezeigt und die Seite angegeben, wo sie zu finden sind. Mehr Übersichtlichkeit kann man sich eigentlich nicht wünschen
Fazit: Wenn man ganz ehrlich ist, dann handelt es sich beim „Necronomicon – Geheimnisse des Mythos“ um nichts anderes als um ein „Crunch“-Buch (um mal in den D&D-Jargon zu fallen). Das schöne daran: Der Leser merkt es nicht! Durch die ausführlichen Beschreibungen und die eingefügten Illustrationen wird das ganze so eingekleidet, daß eigentlich beim Lesen nie Langeweile aufkommt. Deshalb kann ich nur sagen, daß man dieses Werk trotz des stolzen Preises von 34,95 € unbedingt kaufen sollte, wenn man in seinen Cthulhu-Szenarien mit Werken/Gegenständen arbeiten möchte, was ich wohl uneingeschränkt empfehlen würde. In diesem Sinne: Fhtagn!
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