Wer bis jetzt noch nichts von World of Warcraft (im weiteren Verlauf: WoW) gehört bzw. gesehen hat, ist entweder blind/taub oder tot. Aber auch für diese Menschen erkläre ich gerne, um was es sich eigentlich handelt. World of Warcraft ist das erfolgreichste MMORPG aller Zeiten, das weltweit Millionen von Menschen in seinen Bann gezogen hat. Zu diesem PC-Spiel ist nun ein englischsprachiges Kampagnen-Setting von Sword&Sorcery auf den Markt gebracht worden, daß noch entfernt an die schon bestehenden Inhalte der älteren Warcraft-Produkte (d20) anschließt, aber auch merkliche Unterschiede aufweist, wie später in dieser Rezension noch deutlich werden sollte.
Wichtig: Diese Rezension richtet sich an d20-Rollenspieler! Wer noch nie Erfahrung mit Pen&Paper-Rollenspiel gemacht hat und nur über das PC-Spiel in diese Welt eingetaucht ist, kann mit dem Inhalt dieser Rezension wohl wenig anfangen.
I. Erster Eindruck und Aufmachung Beim WoW-RPG handelt es sich um ein 400seitiges Hardcover, das komplett farbig gestaltet ist. Das Cover zeigt das vom PC-Spiel bekannte Bild eines Nachtelfengesichtes und eines Zwergen-Jägers. Die verwendeten Zeichnungen haben allesamt einen sehr farbenprächtigen Stil, der aber zum Gesamtbild dieses Werkes paßt. Im Großen und Ganzen gibt es am Layout nichts auszusetzen.
II. Die Kapitel Das WoW-RPG ist in insgesamt sieben Teile untergliedert (die „Credits“ nicht mitgezählt), die wiederum teilweise noch in weitere Unterkapitel aufgeteilt sind. Ich werde im weiteren Verlauf Schritt für Schritt die einzelnen Teile samt Kapitel vorstellen.
Teil 1: Introduction In dieser 22-seitigen Einführung werden zwei grundsätzliche Dinge vorgestellt: Das Spielkonzept und ein, wenn auch sehr grober, Überblick der Spielwelt. Es ist für viele Spieler sicherlich sehr interessant, daß das Regelsystem des WoW-RPG grundsätzlich nicht ausschließlich auf dem Player´s Handbook basiert, sondern viel mehr von Monte Cook´s Arcana Unearthed, wie später noch näher aufgezeigt wird. Wichtig ist auch, zu wissen, daß keines der Grundregelwerke benötigt wird, um das WoW-RPG zu spielen! Trotzdem ist es, natürlich, auf Basis des d20-Systems entwickelt worden. Aber leider zeigt sich hier der erste Haken an dem ganzen Werk. Schon hier wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß für mehr Informationen über diese Spielwelt andere Werke benötigt werden. Was für Werke? Richtig, „alte“ Warcraft-Quellenbücher, die leider kaum etwas mit den hier vorgestellten Regeln zu tun haben. Sehr unbefriedigend. Mit dieser Vorinformation belastet, hilft es auch nicht wirklich weiter, daß der kurze Einblick in die Spielwelt und ihrem Hintergrund an sich gut gelungen ist. Mir stellte sich viel mehr immer die Frage, was ich denn in jenen Büchern noch erfahren könnte bzw. wie klein dieser Ausschnitt wirklich ist. Es steht für mich auf jeden Fall fest, daß mit dem hier gebotenen Hintergrund sich auf keinen Fall eine „weltgetreue“ Kampagne auf dem Kontinent Azeroth erstellen läßt. Schade.
Teil 2: Part 1: Heroes Dieser Abschnitt ist mit Abstand der Größte im ganzen Buch und umfaßt dabei ca. 150 Seiten, die noch in weitere Unterkapitel aufgeteilt sind. In „Chapter 1“ werden die Abilities vorgestellt. Ein alter Hut denkt Ihr? Nicht ganz. In Anlehnung an das PC-Spiel wurden einfach mal kurzer Hand drei Abilities umbenannt, denn Dexterity ist nun Agility, aus Constitution wurde Stamina und Wisdom mußte Spirit weichen. Nicht wirklich störend, aber in meinen Augen nicht notwendig. Ansonsten dürften die Regelungen in diesem Abschnitt jedem d20-Spieler bekannt sein. „Chapter 2“ befaßt sich mit den Völkern, die im WoW-RPG gespielt werden können, wobei hier insgesamt 10 Völker vorgestellt werden. Eigentlich sind hier nur zwei Dinge von wirklich wichtiger Bedeutung: 1. In der Welt von Warcraft gibt es zwei große Fraktionen: Die Horde und die Allianz. Jedes dieser Völker wird nun einer der beiden Fraktionen zugeordnet oder ist, im Falle der Goblins, neutral. Auf Seiten der Alllianz kämpfen die Ironforge Dwarves, High Elves, Night Elves Gnomes und Humans, während die Horde aus Orcs, Tauren, Jungle Trolls und Forsaken (Undead) besteht. Dies ist nicht unwichtig, denn eine glaubwürdige Warcraft Kampagne sollte sich meiner Meinung nach mit diesen Begebenheiten beschäftigen. 2. Manche Völker sind mächtiger als andere. Dieses „Problem“ ist nicht neu. Doch statt hier, wie so häufig, mit ECL zu arbeiten, werden Racial Level verwendet. Dies bedeutet, daß sich ein Charakter eines machtvollen Volkes entscheiden muß, ob er eines dieser Racial Level nehmen will oder weiter in seiner Klasse aufsteigt. Für mich eine sehr sinnvolle Lösung, denn das Konzept des ECL hat mir noch nie wirklich behagt. „Chapter 3“ präsentiert dann endlich die möglichen spielbaren Klassen. Hier bitte nicht täuschen lassen: Nur, weil dort Paladin steht, ist es nicht mehr der Paladin aus dem Grundregelwerk! Exakt gleichgeblieben sind eigentlich nur der Barbar, Kämpfer (wobei dieser jetzt Warrior heißt) und der Schurke (Sneak Attack ist nun Backstab... Willkommen im Diskussionsforum!), während bei den anderen Klassen etwas verändert bzw. neue Klassen eingeführt wurden. Neu sind der Hunter, der Scout und der Tinker. Ebenfalls neu ist das Konzept für die Zauberwirker, daß durchaus seinen Reiz haben kann. Zauberwirker werden hier grob in zwei Parteien aufgeteilt, die Arcanists und die Healer. Jedoch hat man als Spieler dann die Möglichkeit, einen bestimmten Pfad einzuschlagen, der einem dann spezielle Fähigkeiten verleiht, die den anderen Klassen natürlich nicht zur Verfügung stehen. Als Healer kann man sich für den Priest, Druid oder Shaman entscheiden, während den Arcanists Warlock, Necromancer und Mage dargeboten wird. Kein d20-Buch ohne Prestigeklassen! Ihr ahnt es schon? Richtig, „Chapter 4“stellt genau diese vor und zwar insgesamt 10 Stück. Allerdings sind einige nicht wirklich neu, denn den Assassin hat man irgendwo schon mal gesehen und auch der Archmage of Kirin Tor unterscheidet sich nicht wirklich von der bekannten PrC. Also bleibt nur zu sagen, daß das Kapitel zwar nett ist, aber einem Spieler oder einem Spielleiter nicht wirklich weiterhilft. Aber zum Glück gibt es ja genug PrC im d20-Multiversum. „Chapters 5+6“ fasse ich mal eben schnell zusammen: Skills & Feats. Mehr gibt es nicht zusagen. Manche Feats sind neu, das war es aber auch schon. Punkt. „Chapter 7“ geht noch einmal ein wenig auf den Hintergrund von Warcraft ein, wobei gerade Gesinnungen in Verbindung mit der Fraktion und der Glaube hier im Vordergrund stehen. Im Prinzip nett gestaltet, aber leider viel zu kurz.
Teil 3: Part 2: Equipment: Vorweg: Ab jetzt bitte nicht wundern, wenn meine Ausführungen immer kürzer werden. Es gibt einen ganz einfachen Grund dafür: Diese Kapitel kennt jeder D&D/d20-Spieler! In den nächsten Kapiteln wird eigentlich nichts anderes gemacht, als die Regeln aus dem PHB und zum Teil aus dem DMG noch einmal niederzuschreiben und sie mit einer Prise Warcraft zu würzen. In diesem Kapitel sind es die „Technological Devices“, die sicherlich interessant sind und auch zu Warcraft dazugehören, aber ich gestehe ganz ehrlich, daß ich die Regeln nach zweimaligen Lesen nicht verstanden habe und ich sie insgesamt auch für zu komplex halte, als daß man sie sinnvoll in eine „normale“ Kampagne einbauen könnte.
Teil 4: Part 3: Playing the Game Ihr kennt sicherlich das Kapitel aus dem SRD, das sich mit Kämpfen beschäftigt? Oder die Kapitel aus dem DMG, die Special Abilities und Conditions erklären? Gut, dann spart Euch diesen Abschnitt. Er beinhaltet nämlich nichts Neues.
Teil 5: Part 4: Magic Von diesen über 100 Seiten waren für mich die genau ersten 5 interessant. Denn dort wird auf die Magie innerhalb der Welt von Warcraft eingegangen, ihre Herkunft und ihre Natur. Danach wieder altbackene Regeln zur Magie (PHB Seite X bis Seite Y) mit der anschließenden Auflistung der Zauber, von denen ein Teil neu ist. Sicher, die schon angesprochene Aufteilung in Healer und Arcanists mit den entsprechenden Pfaden ist auch einen Blick wert, aber wirklich vom Hocker hat es mich auch nicht gehauen...
Teil 6: Part 5: Campaigns Die letzten 37 Seiten. Ich hoffte auf Hintergrund. Auf Neues. Ein bisschen davon bekam ich, wenn es auch nur wirklich ein ganz kleiner Teil war. Und dann kam ich zur Seite 364 und meine Halsschlagader trat bedrohlich hervor.... Was ist Seite 364? Nun, ich nenne es mal, liebevoll ausgedrückt, „Werbung“. Denn hier wird dann mal aufgeklärt, wo man wirklich seinen Hintergrund für eine Warcraft Kampagne herbekommt. Nämlich aus 5 Zusatzbüchern, die lange vorher erschienen sind! Super! Da kam bei mir aber mal richtig Freude auf! Natürlich werden im Folgenden weitere Hintergrundinformationen zu Warcraft geliefert und auch der Abschnitt zur Erstellung einer Community ist in meinen Augen gut gelungen, doch jene Seite 364 hat mir zumindest den Spaß an diesem Werk gründlich verdorben.
Fazit: Wie schon eingangs erwähnt, ist dies eine Rezension für d20-Spieler, die schon einen Grundstock an Materialien ihr eigen nennen dürfen. Warum sollten also diese Leute dieses Buch kaufen? Meiner Meinung nach nur aus purem Idealismus gepaart mit zuviel Geld. Natürlich könnte man jetzt sagen, daß dieses Werk nicht für erfahrene d20-Spieler ausgelegt ist, aber was ist, wenn man dann doch mal in der Welt spielen möchte? Zusammenfassend bleibt zu sagen, daß man hier für ca. 40 $ ein Buch bekommt, bei dem man die Hälfte schon kennt und die andere Hälfte zwar gute Ansätze zeigt, die aber leider nicht ausreichen, da wirkliche Hintergrundinformationen in anderen Werken enthalten sind. Ich hätte mir einfach mehr gewünscht. So ist das WoW RPG bestenfalls ein mittelmäßiges Buch für Liebhaber, die vielleicht noch ältere Warcraft-Utensilien besitzen. Schade.
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