Vampire: RequiemUnd es begab sich eines schönen Tages im Sommer 1994, dass ein junger Mann von einem Freund zu einem Rollenspiel-Nachmittag eingeladen wurde. Das Spiel, „Vampire- Die Maskerade“ war dem jungen Mann fremd, doch er hatte schon erste Erfahrungen mit dem Rollenspiel sammeln können. Also packte er fröhlich seine Würfel ein und ging, mit einem weißen Polo-Hemd und einer Jeans, die sehr tief saß, bekleidet, zu dem Treffen. Dort angekommen, musste er schnell bemerken, dass „Weiß“ bei diesem Spiel wohl nicht unbedingt die beliebteste Farbe war... Trotzdem entwickelte sich ein lustiger Spiele-Nachmittag, der sich bis spät in die Nacht hinzog. Leider war dies eine der wenigen Erfahrungen, die besagter junger Mann mit diesem Rollenspiel sammeln konnte.
Warum schreibe ich diese Anekdote? Nun, weil diese Rezension sich nur auf dieses „Vampire“ beziehen wird. Wer erwartet, hier Vergleiche mit „Vampire- Die Maskerade“ lesen zu können, kann ab hier aufhören zu lesen, denn ich kenne das System nicht gut genug, um mir anzumaßen, Bewertungen oder Vergleiche zu ziehen.
Erster Eindruck und Aufmachung Es gibt wenige Bücher, an denen ich nichts zu mäkeln habe. Dies ist eines davon. Sowohl der Einband des über 300-seitigen Hardcovers, das auf den Regeln der „Welt der Dunkelheit“ basiert, wie auch die dargebotenen Illustrationen wissen voll zu überzeugen. Es stört im keiner Weise, daß die Bilder nur in Schwarz/Weiß gehalten sind, sondern tragen noch zu der in diesem Werk vermittelten Stimmung positiv bei. Rundum gelungen!
Die Kapitel Vampire-Requiem ist ein sehr umfassendes Buch, das sich in insgesamt 4 Kapitel aufteilt, wobei es noch einen Prolog, eine Einleitung, 2 Appendixe und einen Epilog gibt. Ich werde im weiteren Verlauf der Rezension auf die einzelnen Kapitel eingehen, wobei ich den Inhalt der Kapitel nur kurz anreißen werde, da die dargebotene Fülle an Informationen den Rahmen dieser Rezension sprengen würde.
Im Prolog, der passend „Totentanz“ heißt, werden vier kleine Kurzgeschichten präsentiert, die aus den unterschiedlichsten Sichtweisen das Leben eines Vampirs aufzeigen. Sicher, für das spätere Spiel ist so was nicht allzu wichtig, aber es ist eine wunderbare Einführung in die Welt der Vampire und dieses Buch.
Die Einleitung steht unter dem Gesichtspunkt: Was sind Vampire? Hier werden erste Ansätze aufgezeigt, was die Kinder der Nacht eigentlich wirklich sind (und Nein, sie sind nicht „cool“!) und außerdem mit Mythen und Legenden aufgeräumt, die sich in unserer Gesellschaft über diese Kinder der Nacht halten. Bemerkenswert ist, daß in dieser Einleitung sowohl weitere Quellen zur Inspiration angegeben werden wie auch für zukünftige Spieler und Spielleiter der „Tenor“ dieses Rollenspiels aufgezeigt wird. Im Prinzip sind es nur 4 Seiten, die man lesen muß – aber vier sehr informative und wichtige Seiten in meinen Augen.
Kapitel Eins: Gesellschaft der Verdammten- Hintergrundinformationen at ist best! Wer dieses Buch kauft, sollte dieses Kapitel nicht nur als erstes sondern in meinen Augen auch direkt mehrmals lesen, denn es ist das Kernstück dieses Buches! Auf knapp 70 Seiten wird alles Wissenswerte über Vampire im Rahmen dieses Rollenspiels vermittelt. Ihr Abstammung, ihre Lebensgewohnheiten, ihre Sprache. Es werden ebenso die Clans (Vampirische Abstammungslinien) wie auch die Bünde (Zusammenschlüsse von Vampiren, die ungefähr mit Parteien, Nationen oder Religionsgemeinschaften gleichzusetzen sind) vorgestellt, wobei die Bünde in aller Ausführlichkeit auch mit Einbeziehung ihrer Philosophien, Bräuchen, Hierarchien und Zielen dargestellt werden. Wie gesagt: Dieses Kapitel ist der Grundstein für alle Dinge, die noch in diesem Werk kommen. Und für mich auch mit Abstand der interessanteste Abschnitt, denn wenn man sich zwei- oder dreimal wirklich intensiv damit auseinandergesetzt hat, ist man mit dem „Feeling“, das man für Vampire sicherlich braucht, schon relativ gut vertraut.
Kapitel Zwei: Charaktere. Klingt nach einem Regelabschnitt von über 70 Seiten. Ist es auch, aber nur im gewissen Maße. Denn im Unterschied zu anderen Rollenspielen trifft ein Spieler mit der Erschaffung bzw. Auswahl eine ganz konkrete Wahl, wie sich sein Charakter im weiteren Verlauf des Rollenspiels verhalten wird und welche Möglichkeiten ihm offenstehen- oder auch nicht. Die Charaktererschaffung wird Spielern bei Vampire-Requiem leicht gemacht, da sie quasi an die Hand genommen werden, um Schritt für Schritt ihrem Wunschcharakter näherzukommen. Und dies ist auch wichtig, denn wie sich im Laufe einer Charaktererstellung herausstellen wird, ist das endgültige Konzept am Ende viel komplexer, als es im ersten Moment den Anschein hat. Welchem Clan möchte ich angehören, was sind meine bevorzugten Attribute, welche Disziplinen (besondere Fähigkeiten) kann ich lernen, gehöre ich einem Bund an, etc.? Diese Fragen werden alle nacheinander beantwortet und die regeltechnische Umsetzung erläutert. Sehr positiv fiel mir auf, daß die Erschaffung zu keiner Zeit „trocken“ wurde, da auch immer wieder Fragen zum Hintergrund eines Charakters gestellt wurden, was vielen Neueinsteigern sicherlich eine große Hilfe sein wird, um ihren Charakter am Ende auch Tiefe zu verleihen. Wurden in Kapitel Eins die Bünde ausführlich behandelt, so sind es in diesem Abschnitt die Clans. Auch hier wird neben den regeltechnischen Dingen auch viel Wert auf Hintergrund gelegt, wie z.B. die Beziehungen zwischen den Clans oder ihre bevorzugten Lebensräume.
Kapitel 3: Regeln und Systeme. Der Name ist Programm. Auf 40 Seiten. Wer mich kennt, der weiß, daß ich kein Problem mit Regeln habe. Hier störten sie mich. Warum? Nun, weil ich von den anderen Kapiteln begeistert war und hier dann doch mit dem trockenen Regelstoff konfrontiert wurde. Im Grunde basiert Vampire-Requiem natürlich auf den Regeln aus dem Grundwerk „Welt der Dunkelheit“. Aber genauso natürlich gibt es für dieses Rollenspiel auch einzigartige Regeln, die in diesem Abschnitt erläutert werden. Blutraserei, Geisteskrankheiten, Schaden.....alles wird erklärt. Und das auch gut, denn es wird sich bemüht, immer wieder Hintergrund mit einfließen zu lassen. Man möge mich nicht falsch verstehen, dieses Kapitel ist gut und natürlich auch wichtig. Trotzdem habe ich es nur überflogen, da der Hintergrund in diesem Werk viel spannender ist.
Kapitel 4: Erzählen und Antagonisten. Ihr wollt Vampire leiten? Lest diesen Abschnitt. Gründlich. Wieder einmal wird man an die Hand genommen und auf 32 Seiten in die Tiefen des Spielleitertums bei Vampire eingeführt. Sei es die Erzeugung von Stimmung, der Aufbau einer Chronik (Für D&D-ler: Kampagne) oder nur die Beschreibung mancher Situationen- ein Spielleiter wird hier auf das vorbereitet, was ihn bei Vampire erwartet bzw. wie er den Tenor von Vampire auf seine Spielgruppe übertragen kann. Abschnitte dieser Art halte ich persönlich für sehr gut, denn nicht jeder hat die Möglichkeit, sofort in die Stimmung eines bestimmten Rollenspiels einzutauchen. Natürlich sollte man solche Bereiche immer nur als Vorschläge sehen, aber hier sind es aus meiner Sicht sehr, sehr gute!
Appendix Eins: Blutlinien und gebundene Disziplinen. Blutlinien? Warum stehen die hier? Erklärung: Blutlinien sind Vampire, die von einem der großen Clans ursprünglich abstammen, aber mittlerweile quasi eigenständig sind. Dies macht sie in einigen Dingen mächtiger, jedoch verfügt jede Blutlinie über eine ihr eigene Schwäche, die sie auch nie ablegen kann. Der Abschnitt ist sehr interessant, da es Spielern noch einmal mehr Möglichkeiten gibt, ihre Charaktere individuell zu gestalten. Um so mehr wunderte ich mich, warum dieser Abschnitt in einen Appendix gepackt wurde. Ebenso wie die Vorschläge zur Erschaffung eigener Blutlinien und Disziplinen. Meiner Ansicht nach hätte dies viel früher im Werk erscheinen können vielleicht sogar müssen. Trotz dieser Kritik natürlich absolut zu empfehlen!
Appendix Zwei: New Orleans. Die Vorstellung einer möglichen Spielstätte. Nichtspielercharaktere und wichtige Ortschaften werden aufgezeigt. Tips für den Spielleiter zum Aufbau einer Chronik in dieser Stadt. Kurzum: Eine Hilfe, die man annehmen kann, aber nicht muß. Wenn man es möchte, dann hat man ein solides Fundament.
Epilog: Streicher und Klavier. Wieder einige Kurzgeschichten. Perfektes Ende für ein großartiges Buch.
Fazit: Vampire – Requiem ist ein sehr, sehr gutes Buch, das sowohl vom inhaltlichen wie vom sprachlichen voll überzeugen kann. Natürlich gibt es ab und an auch hier etwas auszusetzen, aber diese Dinge sind so vernachlässigbar im Vergleich zu dem Rest, der einem hier geboten wird, so daß ich gerne bereit bin, eine sehr hohe Punktzahl zu verteilen. Wer Vampire spielen will, kann bedenkenlos zugreifen!
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