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Harry Potter and the Half-Blood Prince (Book 6)
Bewertung:
(3.2)
Von: Patrick Pricken
Am: 07.12.2005
Autor:J.K. Rowling
Typ:
System:Roman
Setting:---
VerlagBloomsbury Berlin
ISBN/ASIN:0-7475-8108-8
Inhalt:607 Seiten Hardcover
Sprache:Englisch

Für mich waren die verschiedenen Harry-Potter-Bände immer eine große Freude. Nicht nur, dass diese Reihe einer neuen Generation die Freude am Lesen vermitteln konnte (wenn ich auch leider genug Leute kenne, die nur Harry Potter lesen). Aber was noch viel schöner war - die Bücher taugen sogar was. Hier war kein "Dieter-Bohlen-Hype", sondern tatsächlich eine beginnende Autorin.

 

Und es machte Spaß, dieser Autorin dabei zuzusehen, wie sie ihre eigene Stimme fand, sich von Buch zu Buch steigerte und wohler fühlte. Erzählerisch und stilistisch waren die ersten Bücher jeweils eine Steigerung des vorherigen, in demselben Maß, wie ihre Geschichten komplexer und anspruchsvoller wurden. Und natürlich waren die Bücher voller Analogien und zumeist zusammengeklauter Ideen, die dennoch ein charmantes Ganzes ergaben.

 

Band Fünf, Harry Potter und der Orden des Phoenix, war das erste Buch, das diesen Trend in meinen Augen nicht fortsetzen konnte. Und Harry Potter and the Half-Blood Prince ist das zweite Buch. Entfernt frage ich mich, ob die Bücher stagnieren, weil J. K. Rowling an ihre Grenzen gestoßen ist, oder ob die Serie nur nicht mehr hergibt. Womit wir endlich bei der Rezension wären.

 

Harry Potter and the Half-Blood Prince (Prince von jetzt an) handelt - wenig überraschend - von Harrys sechstem Jahr in Hogwarts. Wieder einmal gibt es einen neuen Lehrer für "Defence against the Dark Arts", und alle lieb gewonnenen Charaktere sind zurück, ebenso wie diejenigen, die man eher genussvoll verabscheut, allen voran natürlich Severus Snape. Und natürlich gibt es wieder eine Bedrohung an der Schule, die trotz aller Sicherheitsvorkehrungen das Ende des Buches gefangen nimmt.

 

Und sonst? Tja, da sind wir beim Problem des Ganzen. Ansonsten passiert in diesem Jahr nicht sehr viel. Wochen ziehen vorbei, die Zeit scheint zu verfliegen, ohne das irgend etwas in Gang kommt. Auch offene Ideen aus dem letzten Buch werden nicht wirklich aufgegriffen: Cho Chang wird zweimal erwähnt, und davon, dass Harry den Tod seines Ziehvaters verarbeitet, merkt man auch nicht viel. Stattdessen wird ein wenig geturtelt, Harry agiert ein ums andere Mal unbeherrscht (wenn auch Gottseidank nicht so schlimm wie in Buch Fünf, Harry Potter und die Pubertät.

 

Prince macht hauptsächlich dadurch Spaß, dass man die Charaktere kennt und mag, und dass man ihr Schicksal weiter verfolgen will. Dabei sind die Nebenfiguren, die Rowling einstreut, wie die etwas schräge Luna Lovegood ein leider zu seltenes Salz in der Suppe. Und ja, wie schon angekündigt, kommt es zu einem gewichtigen Todesfall in Harrys Umgebung. Wieder. Und damit rutschen wir vom Inhaltlichen in eine wesentlich theoretischere Ebene dieser Besprechung.

 

Fantasy wird von Vielen als "Bestätigungsgenre" wahrgenommen, als konservativ-reaktionäres Gegenstück zur gleichfallls vorverurteilten und grenzüberschreitenden Science-Fiction. Dass diese Einteilung nicht stimmen muss, beweisen leider noch zuwenig Autoren, während sich viele im Schein Tolkiens sonnen. Leider scheint J.K. Rowling eben diesen Weg zu gehen, und damit ihr zweifellos bemerkenswertes Werk zu sehr dem Klischee nachzuformen. Tatsächlich folgt sie in den Entwicklungen ihres Helden ausgetretene Pfade - klassische Campbellsche Prinzipien lassen sich ebenso feststellen, wie man mit einem Mindestmaß an Auffassungsgabe das schon im letzten Buch stark angedeutete Ende vorausahnen kann.

 

Und auch da bin ich enttäuscht. J.K. Rowling hat eine so große Anhängerschaft, so viel Einfluss im Genre und der Buchwelt überhaupt, dass sie erfolgreich Grenzen einreißen könnte; leider scheint sie wie viele ihrer Vorgänger der Ansicht zu sein, einer solchen revolutionären Aufgabe nicht zu bedürfen. Harrys Antwort auf Probleme ist Zorn und Gewalt, und scheinbar gibt Rowling dieser Einstellung Recht. Harry ist selbstgerecht, egoistisch, und von der bei zumindest literarischen Helden typischen Sehnsucht nach Selbstkasteiung durchdrungen. Aber all seine Voreiligkeit und sein Herumkommandieren werden entschuldigt, denn er ist ja der Junge mit der Narbe. Er ist "der Auserwählte", da verzeiht man so manches, oder muss so manches verzeihen. Ein wirkliches Wachstum in Harrys Charakter ist weniger spürbar.

 

Wohlgemerkt, all dies ist noch nicht völlig in Stein gemeißelt. Noch kann J. K. Rowling das siebte Buch schreiben, noch kann sie das Ende und die damit verbundene Enthüllung, die jetzt schon klar ist, ebenso ins Gegtenteil verkehren und Scar (angeblicher Titel) zu dem Genrebruch machen, der sie endgültig über die Kategorie Medienphänomen erheben würde. Noch kann sie mit einer tiefen Verbeugung und erhobenen Hauptes abtreten (versucht das mal - gleichzeitig!).

 

Wir haben also wenig thematische Relevanz, und inhaltlich plätschert das Buch vor sich hin bis am Ende in einem etwas sehr zufälligen Zusammenspiel alle Ereignisse kulminierend aufeinandertreffen. Und stilistisch? Wie schon gesagt, kann Rowling sich im Prince nicht weiter steigern. Es gibt viele Fälle, in denen uns der Zusammenhang erklärt wird, anstelle ihn zu zeigen ("Show, don't tell"); vor allem wenn es um Harrys Beweggründe geht, werden diese doch sehr dezidiert auseinander genommen.

 

Ich habe auch wie schon angedeutet den Eindruck, dass Rowling der Serie etwas müde wird. Sowohl das Ende deutet darauf hin, dass sie Hogwarts und seine inwzischen doch engen Korridore verlassen möchte, als auch der unerklärliche Beginn, in dem wir zunächst den Premierminister (den Muggle-Minister) begleiten, und anschließend eine weitere Figur, während die übrigen 28 Kapitel wie gewohnt aus Harrys Sicht geschrieben sind. Noch dazu ist das erste Kapitel nahezu vollständig Exposition, während das zweite nur aus Vorausdeutungen besteht, gesprenkelt mit ein paar Expositionen, natürlich.

 

Fazit:

Prince ist ein lesbares Buch, dessen sechshundert zugegeben weit und groß bedruckten Seiten nur so vorüber fliegen. Es macht immer noch Spaß, in diese Welt einzutauchen, wenn sie inzwischen auch etwas abgegriffen scheint (sind wohl die amerikanischen Touristen von Warner Brothers), und die Nebenfiguren verleihen der Lektüre immer wieder einen Schuss Spritzigkeit. Am Ende bleibt nur wenig übrig, und aus den ersten vierhundert Seiten wohl nicht eine einzige, an die man sich erinnern wollte oder könnte. Noch nie war die Bewertung "Für Fans" so treffend wie hier - glücklicherweise gibt es ja genug.