Links zur Rezension Lone Wolf RPGDas alte Abenteuerspielbuch „Einsamer Wolf - Flucht aus dem Dunkel“ (auf Deutsch erschienen in den 80er Jahren beim Goldmann Verlag) dürfte nicht nur für mich, sondern auch für andere alteingesessene Rollenspieler mit die erste Berührung mit einem Fantasy-Rollenspiel gewesen sein.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich dieses Buch auf dem Rücksitz unseres Autos durchgespielt habe, auf einer langen Fahrt in den Urlaub. Vor Ort angekommen wurde dann solange gequengelt, bis auch der zweite Band angeschafft wurde. Das ist nun gut und gerne 15-20 Jahre her. Soloabenteuerbücher haben mit den Jahren ihren Reiz verloren; nicht aber Fantasy Rollenspiele oder aber die Welt von Magnamund und der Kai. Nach all diesen Jahren wird es endlich möglich, die alleine gesammelten Spielerfahrungen von Einst mit Freunden zu teilen und gemeinsam neu zu erleben. Die Herausgeber des englischen RPG and Wargame Verlages Mongoose Publishing haben sich mit Joe Dever, dem geistigen Vater des Einsamen Wolfes (englisch: Lone Wolf), darauf verständigt ein Rollenspielsystem auf den Markt zu bringen und damit die Welt Magnamund endlich für Rollenspielgruppen zugänglich zu machen.
Die Idee war es, möglichst nah an den ursprünglichen Werken und dem in den Büchern enthaltenen Regelsystem Devers zu bleiben, um mit einem ausgewachsenen Rollenspielbuch ebenso nostalgische Abenteuerbuchspieler anzusprechen wie auch eine neue, jüngere Generation mit der Welt des Einsamen Wolfes vertraut zu machen. Autor August Hahn hat die Vorteile der Open Gaming License (OGL) genutzt um kein komplett neues Regelwerk entwerfen zu müssen. Er machte das dank D&D im Bereich der Fantasy Rollenspiele weit verbreitete und aktzeptierte d20 System zur Grundlage für seine Adaption der Abenteurbuch Spielmechaniken. Allerdings haben sich der Autor und die Testspieler die Freiheit genommen, dass klassische d20 System deutlich auszudünnen. Was entstanden ist, bezeichnen sie selber passend als „d20 Lite“.
Dies hat allerdings zur Folge, dass alle die ein absolut D&D kompatibeles Buch erwartet, zwangsläufig enttäuscht werden. Vieles wird vereinfacht um einen schnellen, unkomplizierten Spielablauf zu erzeugen, der sowohl den Geist der Bücher einfängt, als auch kompletten Neueinsteigern sperrige Regelerläuterungen erspart. Ich empfinde dies aber nicht als eine Schwäche des Buches, sondern als eine seiner Stärken. Ich kann das Buch bedenkenlos all denjenigen ans Herz legen die gerne zurückversetzt werden möchten in die Zeit, als man in den Abenteuerbüchern des Goldmann Verlags in die Haut des Einsamen Wolfs schlüpfte und als letzter Überlebender des Orden der Kai das Land Magnamund durchstreifte.
Sprache und Voraussetzungen: „Lone Wolf, The Roleplaying Game“ (Im Nachfolgenden LW-RPG) ist bei Mongosse Publishing erschienen und augenblicklich nur auf Englisch erhältlich. LW-RPG ist ein Buch nach der OGL und enthält alle Regeln um Lone Wolf zu spielen. Ein eigenes D&D Player's Handbook wird nicht benötigt.
Zum Inhalt: Egal was man von den ausgedünnten d20 Regeln halten mag, allein schon als liebevoll angefertigter Quellenband über die Welt des Einsamen Wolfes, weiss das Buch auf ganzer Linie zu überzeugen. Hier liegt ein Werk vor, welches von Fans der Einsamen Wolf Abenteuerspielbücher für andere Fans geschrieben wurde. Anzumerken ist, dass der Zeitrahmen auf den sich das Buch bezieht 50 Jahre vor den Handlungen der Abenteuerbücher angesiedelt ist. Der Kai Orden ist in voller Blüte und nicht wie zu Begin des ersten Buches quasi völlig ausgelöscht.
Die Charaktere: Anders als bei D&D wird beim LW-RPG nicht erst ein Volk und dann eine Klasse gewählt. Vielmehr bietet das Regelwerk sieben vorgefertigte Charakterklassen an. Der Teil des Buches mit den Beschreibungen der Charakterklassen nimmt ungefähr 60 Seiten ein. Auf diesen Seiten findet man den Kai-Lord, die Dwarven Gunners of Bor, die Telchos Warriors, die Brothers of the Chrystal Star, die altehrwürdigen Magicians of Dessi und Sommerlund Knights of the Realm, sowie die Shadaki Bucaneers. Bei diesen sieben Klassen findet sich für jeden Geschmack etwas. Die Kai-Lords sind sicherlich die beliebteste und bekannteste Klasse, während sich die Gunners of Bor dadurch auszeichnen, dass sie sich als einziges Volk in der von Joe Dever geschaffenen Welt darauf verstehen mit dem Schwarzpulver umzugehen und im Besitz von Schusswaffen sind. Mit den Magicians of Dessi und den Brothers of the Chrystal Star stehen neben den Kai gleich noch zwei weitere magiebegabte Klassen zur Auswahl. Die Sommerlund Knights machen jeden Spieler froh, der bei der Charaktererschaffung weniger auf die Magie, dafür mehr auf physische Stärke abstellt. Die Telchos Warriors und die Shadeki Bucaneers sind die beiden Klassen die das Gesamtbild abrunden, mit denen ich persönlich aber am wenigsten anfangen konnte. Im Buch sind Regeln enthalten, wie man Charaktere entwickelt, die zu mehr als einer Klasse gehören, aber es wird gleichzeitig davon abgeraten, solche Figuren zu entwickeln. Dies war ja auch in den Originalbüchern nicht vorgesehen. Besonders deutlich wird die enge Verbundenheit mit den alten Abenteuerbüchern daran deutlich, dass die beiden Grundbegriffe eines Charakters aus den Bücher übernommen wurden. Es handelt sich dabei um die Kampfstärke (Base Combat Skill) und Ausdauer (Endurance Die). Dabei entspricht die Kampfstärke, dem Grund-Angriffsbonus und die Ausdauerpunkte den Trefferpunkten. Allerdings stellen die Trefferpunkte nicht nur die Fähigkeit eines Charakters dar, Schaden zu widerstehen, sondern spiegeln auch dessen Erschöpfungsgrad wieder. So kosten z.B. das Wirken von Zaubern oder manchen besonderen Fähigkeiten Erschöpfungspunkte. Allgemein hat das Magiesystem mit dem von D&D nichts mehr gemein. Die Regeln zu den jeweiligen magischen Fähigkeiten oder den Kai-Disziplinen finden sich bei den Beschreibungen der jeweiligen Charakterklassen. Die magischen Fähigkeiten, insbesondere auch die Kai Disziplinen, deren Namen angenehmer Weise Eins zu Eins übernommen wurden, orientieren sich sehr genau an den Vorgaben aus den Originalspielbüchern.
Bleiben wir beim Beispiel der Kai-Disziplinen: Wie in den Spielbüchern auch, wird während der Charaktererschaffung eine Disziplin ausgewählt. Steigt der Charakter in eine neue Stufe auf, tritt eine weitere Kai-Disziplin hinzu, die frei gewählt werden darf. Es verbessern sich auch bereits bekannte Disziplinen durch den Aufstieg. Hat man irgendwann alle 10 Grund Kai-Disziplinen erlernt (also seinen Charakter bis zur 10. Stufe geführt) kommen die aus den Büchern bekannten Magna-Kai Disziplinen in greifbare Nähe. Diese können erst ab der 11. Stufe angewendet werden. Man sieht, die Autoren haben an alles gedacht. Anders als bei D&D können einmal gewählte Zauber und magische Fähigkeiten beliebig oft gewirkt werden, so lange dem Charakter die nötige Anzahl an Erschöpfungspunkten zur Verfügung stehen.
Die Regeln: Ein recht kleiner Teil des Buches ist den Regeln gewidmet. Die Regeln über die Skills, Ausrüstung und den Kampf finden auf circa 50 Seiten ihren Platz. Mich hat es nicht gestört, dass das Werk nicht zu regellastig ist. LW-RPG zielt bewusst auf die Gruppe von Lesern und Spielern ab, die seinerzeit Spass an den unkomplizierten Systemen aus den Abenteuerbüchern hatten und diese ähnlich auf ein RPG angewendet sehen wollen. Das Spielsystem selber ist einfach und glatt. Dies wird aber frei heraus angesprochen und mit dem Wunsch nach leichter Spielbarkeit begründet.
Desweiteren bietet eines der hinteren Kapitel ein paar Tipps an, wie man seinen Lone Wolf Charakter in andere d20-Welt konvertieren kann, wenn man ihn mit in eine „anspruchsvollere“ Regelwelt nehmen möchte. Dabei fällt auf, dass einige verwandte Fähigkeiten (Skills) oftmals unter einem Oberbegriff zusammengefasst wurden, um mit weniger verschiedenen Skills im Spiel auskommen zu können. Dies ist angenehm für den Spielfluss, kann allerdings die Berechnung von genauen Fähigkeitswerten bei der Konvertierung deutlich erschweren. Wie nah man sich an den Originalbüchern orientiert hat, zeigt die nette Idee auf einer der letzten Seiten des Buches, die für die Originalbücher ja obligatorische Seite mit den Zufallszahlen, abzudrucken. So braucht man nicht unbedingt einen Würfel zum Spiel, sondern kann mit der hinteren Seite eines Stiftes blind eine Nummer zwischen 1 und 20 bestimmen. Ist zwar nicht immer effizient, ist aber ein liebevolles Detail.
Die Welt: Die beiden lohnenden Abschnitte "The Magnamund Gazeteer" sowie das "Magnamund Bestiary" nehmen zusammen weit über 100 Seiten ein. Hier erfährt der Leser mehr über die Hintergrundgeschichte von Magnamund und seinen Bewohnern, egal ob Mensch oder Monster. Wenn die Charakterklassen das Herz des Werkes sind, so sind diese hundert Seiten das Blut welches die ganze Welt zum Leben erweckt. Im „Magnamund Gazeteer“ findet man (fast) alle Informationen über die Entstehung der Welt, über den Verlauf der Geschichte, über die Verteilung von Gut und Böse in der Welt und lernt viele Landstriche und Reiche kennen. Im „Magnamund Bestiary“ findet man mehr als genug gefährliche Wesen um einem Abenteurer in Magnamund das Leben schwer zu machen. Obgleich es in Magnamund keine Orcs oder Goblins gibt, darf man sich nie zu sicher fühlen. Schließlich gibt es ja unter anderem gefährliche Wesen wie die Giaks.
Allgemeines: Der Rest des Buches widmet sich allgemeinen Einführungen zum Thema Rollenspiel, sowie Hinweisen für den Lone Wolf GamesMaster und Tipps und Anmerkungen über Abenteuer in der Welt Magnamund. Dieser Bereich ist nett gemacht, enthält aber nichts wirklich atemberaubend Neues.
Qualität und Verarbeitung: (Für mich eine der wichtigsten Rubriken: Hält mein Buch es aus, benutzt zu werden?) Das LW-RPG ist nicht, wie etwa die Babylon 5 Reihe aus dem Hause Mongoose Publishing, farbig auf teurem, beschichteten Papier gedruckt. Das Buch kommt schlicht und ergreifend in einem ordentlichen schwarz-weiss Druck daher. Die Qualität des dabei benutzten weissen Papieres ist ordentlich. Der Hardcovereinband macht einen stabilen Eindruck, ebenso die Bindung, die ja leider allzu oft ein Schwachpunkt vieler ansonsten toller Bücher ist. Alles in allem "fühlt" es sich gut an, das Buch in Händen zu halten.
Die Optik: Layouttechnisch sagt mir das Buch zu, obgleich das ja nicht unbedingt viel zu bedeuten hat. Schliesslich sind die Geschmäcker doch arg verschieden. Das Werk ist nicht mit Bildern überfrachtet, es ist aber die eine oder andere Illustration zu finden und die Seiten sind mit einer Art Borte mit verschiedenen Lone Wolf Motiven eingefasst. (Gut zu sehen in der Preview (Link rechtsseitig)
Die Unterstützung durch den Herausgeber: Als kleinen Bonus hat sich Mongoose Publishing von Joe Dever die Rechte gesichert, das erste Originalabenteuerbuch als Download anzubieten. Das Buch wurde auf die d20-Lite Regeln umgeschrieben, so dass man alleine ein weiteres Mal zum Einsamen Wolf werden und sich mit den neuen Regeln vertraut machen kann. Diese Idee ist natürlich für Neu- oder Wiedereinsteiger in die Welt des Einsamen Wolfes fantastisch. Tatsächlich ist es ein netter Marketing Gag, der pfiffig wirkt und viel Spass bereitet. Es handelt sich logischerweise um die englische Version mit dem Titel "Flight from the Dark".
Wer erst einmal kein Abenteuer oder Quellenbuch kaufen will und das Spiel testen möchte, der wird auch auf der Homepage fündig: Dort gibt es neben dem Abenteuerbuch, ein fertiges Szenario mit dem Titel "Blood Moon Rising" sowie diverse Charakterbögen zum herunterladen (siehe Rechts). Die verlagseigene, monatlich kostenlos im Netz erscheinende Veröffentlichung Signs & Portents hat in Ausgabe RPG 33 eine weitere LW-RPG Charakterklasse (Palmyrion Knight of the Shield) eingeführt.
Daneben sind passend zur Serie noch mehrere Miniaturen erschienen, die man sowohl für ein hauseigenes Miniaturen Spiel oder aber fürs RPG einsetzen kann. Bis heute sind noch drei weitere Zusatzbände bei Mongoose Publishing erschienen. Zwei Quellenbücher: Zum einen "The Darklands" und zum anderen "The Magic Of Magnamund". Und ein Abenteuer, welches fertig ausgearbeit mit dem Titel "Dawn of Destruction" daher kommt. Auf den Foren Seiten von Mongoose Publsihing hält sich beharrlich das Gerücht, dass noch ein weiterer Quellenband in der Mache ist und bald erscheinen soll. Näheres dazu ist mir aber nicht bekannt.
Fazit: Die Freunde der Reihe „Einsamer Wolf“ mussten lange warten, aber das Warten hat sich gelohnt: Mongoose Publishing liefert eine sehr gelungene d20 Adaption eines der Klassiker des Fantasy-Spiel-Genres ab, die sich nicht vor anderen Rollenspielbüchern zu verstecken braucht. Die Anpassung der Regeln erfolgte in angenehmer Art und Weise und erhält den liebenswerten Charakter der original Bücher. Ich bin der Meinung, dass LW-RPG sowohl für erfahrene Rollenspieler als auch für Neueinsteiger eine lohnende Sache ist. Ich bin jedenfalls sehr gerne nach Magnamund zurück gekehrt.
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