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Freeport Trilogy 5th Anniversary Edition
Bewertung:
(4.5)
Von: Stephan Schobloch
Alias: Talwyn
Am: 14.10.2006
Autor:Chris Pramas, Robert J. Toth, William Simoni
Typ:Abenteuer
System:D20 3.5
Setting:Freeport: The City of Adventure
VerlagGreen Ronin Publishing
ISBN/ASIN:1-932442-51-0
Inhalt:144 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

Freeport Trilogy

Als auf dem GenCon 1999 die 3. Edition von Dungeons & Dragons vorgestellt wurde, machte auch das junge Verlagshaus Green Ronin Publishing erstmals auf sich aufmerksam – Firmengründer Chris Pramas war auf die Messe gekommen, um das erste Produkt seines Hauses vorzustellen: Das Abenteuer „Death in Freeport“, welches das erste Produkt war, das unter der von Wizards of the Coast bereitgestellten Open Game License für das d20-System veröffentlicht wurde.

Das Abenteuer spielte in der Piratenstadt Freeport und verwickelte die Abenteurer in die finsteren Machenschaften einer mysteriösen Sekte, die einen finsteren Gott verehrte. Das Abenteuer bestach vor allem durch eine gute Mischung aus Rollenspiel, Detektivarbeit und Dungeon Crawling und mauserte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem wahren Verkaufsschlager. In kurzen zeitlichen Abständen folgten damals zwei weitere Abenteuer: „Terror in Freeport“ und „Madness in Freeport“, die die Geschichte des ersten Moduls konsequent fortsetzten und so eine in sich geschlossene Mini-Kampagne bildeten, in deren Verlauf die Spielercharaktere eine große Verschwörung aufdeckten und die Stadt Freeport vor den Machenschaften der oben erwähnten Sekte bewahrten.

Die Abenteuer erfreuten sich seitdem großer Beliebtheit und gehören zu den wenigen d20-Produkten, die sogar ins Deutsche übersetzt wurden. So ist es kaum verwunderlich, dass die Abenteuer relativ bald vergriffen waren und nur noch gebraucht erstanden werden konnten.

Es folgten zahlreiche weitere Publikationen zur Piratenstadt Freeport, darunter einige weitere Abenteuer und ein Hardcover-Quellenbuch, das die Stadt in äußerst detaillierter Weise beschrieb (Freeport: The City of Adventure; eine Rezension ist hier im Gate vorhanden).

Im Jahr 2003 schließlich veröffentlichte Wizards of the Coast die überarbeitete Version der D&D-Grundregeln, die einige Regeländerungen mit sich brachte. Bei Green Ronin war man sich der Tatsache bewusst, dass die Freeport-Abenteuer inzwischen etwas in die Jahre gekommen waren. So basierten sie nicht nur auf Version 3.0 der D&D-Regeln, sondern waren auch in einigen Punkten nicht ganz korrekt gestaltet, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass es sich bei diesen Modulen um Produkte der ersten Stunden des d20-Systems handelte. Eine Überarbeitung schien also sehr sinnvoll zu sein, gerade angesichts der großen Beliebtheit der Abenteuer.

So kam es, dass die Module einer Generalüberholung unterzogen wurden, die zunächst als PDF-Version über das Internet verkauft wurde. Im Sommer 2005 erschien dann schließlich und endlich die lang erwartete „Freeport Trilogy – 5th Anniversary Edition“ als 144 Seiten starkes Softcoverbuch, das neben den überarbeiteten Abenteuern auch noch das eine oder andere Extra enthält – und um eben dieses Buch geht es in der vorliegenden Rezension.

 

Hinweis

Bei der vorliegenden Rezension handelt es sich um ein Playtest Review. Ich habe sowohl die alte als auch die neue Version der Module bereits für verschiedene Gruppen geleitet. Die Einschätzungen in dieser Rezension beziehen sich also auf meine persönlichen Erfahrungen im Spiel.

 

Wie bereits erwähnt, beinhaltet das Softcoverbuch alle drei Abenteuer der beliebten Freeport Trilogy in auf Regelversion 3.5 aktualisiertem Gewand. Das Titelbild stammt von Wayne Reynolds und zeigt eine Gruppe von Abenteurern im Kampf mit dem Orkpiraten Scarbelly, einem wichtigen NSC aus dem ersten Teil der Trilogie („Death in Freeport“). Die Illustrationen im Innenteil sind allesamt in schwarzweiß gehalten und entstammen zum größten Teil den alten Modulen, wobei es aber auch die ein oder andere neue Zeichnung zu bewundern gibt. Die Qualität der Illustrationen schwankt dabei meiner Meinung nach stark zwischen weniger gelungen und hervorragend. Ein Lichtblick hingegen sind die (ebenfalls schwarzweißen) Karten von Sean MacDonald, die wirklich hübsch anzusehen sind und ihren Zweck voll und ganz erfüllen. Leider sind die Karten direkt in das Layout des Abenteuers eingearbeitet, weshalb man beim Leiten der Trilogie des Öfteren in dem Buch herumblättern muss. Hier wäre ein herausnehmbares Booklet, wie z.B. bei „Return to the Temple of Elemental Evil“ von WotC, meiner Meinung nach eine bessere – wenn auch sicher teurere – Lösung gewesen. Eine weitere strukturelle Änderung gegenüber den Originalmodulen besteht darin, dass die Stat-Blocks der NSC nun endlich da sind, wo sie hingehören – nämlich direkt bei der Begegnung, in der der entsprechende Charakter auftaucht. Zeitraubendes Blättern und Suchen in einem entsprechenden Anhang wird dadurch vermieden.

Unter den Autoren des Abenteuers findet man natürlich die altbekannten Namen wieder: Chris Pramas, Robert J. Toth und William Simoni zeichnen jeweils für einen Teil der Trilogie verantwortlich. Die Aktualisierung der Regeln auf Version 3.5 wurde von Tim Emrick, einem Freeport-Enthusiasten und äußerst aktiven Community-Mitglied auf den Green Ronin Boards, vorgenommen, der schon zu Zeiten von D&D 3.0 eine umfangreiche Sammlung inoffizieller Errata zu den verschiedenen Freeport-Produkten pflegte, die durch den vorliegenden Band nun zu offiziellen Korrekturen erhoben wurden. Weiterhin beteiligten sich Graeme Davis und Robert J. Schwalb an der Entwicklung der 5th Anniversary Edition.

Da sich an der Geschichte der Abenteuer nichts verändert hat und es hier im Gate auch schon Rezensionen zu diesen Modulen gibt, will ich an dieser Stelle nur sehr kurz den Plot der Abenteuer skizzieren. Natürlich sind dabei Spoiler nicht zu vermeiden, weshalb diese Rezension ab hier nur noch für Spielleiter zur Lektüre empfohlen wird.

Freeport kann in jeder beliebigen Kampagnenwelt angesiedelt werden, wodurch eine Verwendung des Buchs sehr leicht fällt. Sowohl in den Vergessenen Reichen als auch in Eberron sollte es kein Problem sein, einen passenden Flecken für die Stadt zu finden. Außerdem verweist das vorliegende Buch nicht auf andere Publikationen, abgesehen von den D&D Core Rules. Eine allgemeine Verwendbarkeit ist also vollkommen gewährleistet.

In „Death in Freeport“ werden die Helden von dem jungen Priester Egil beauftragt, seinen verschollenen Freund, den Bibliothekar Lucius aufzuspüren, dessen Lebensgeschichte allein schon äußerst merkwürdig ist. In ihren Ermittlungen stoßen die Abenteurer schließlich auf einen unheimlichen Kult, der sich die „Bruderschaft des Gelben Zeichens“ nennt, und einen cthulhoiden Gott anbetet, der nur als der „Unaussprechliche“ bezeichnet wird. Der Kult besteht nicht nur aus Menschen, sondern auch aus hybriden Schlangenmenschen, die im Untergrund unter Freeport ihr Unwesen treiben. Das Abenteuer ist relativ linear angelegt, wobei Linearität nicht mit Railroading verwechselt werden sollte. Das Abenteuer endet mit der Befreiung Lucius’ und dem (scheinbaren) Sieg über die Bruderschaft, deren Anführer ein Priester aus Egils Tempel war.

Das zweite Abenteuer („Terror in Freeport“) beginnt damit, dass sich Egil erneut an die Abenteurer wendet. Obwohl die Regierung der Stadt Freeport versprochen hat, sich um die Bruderschaft zu kümmern und sämtliche Geheimnisse in dieser Affäre aufzuklären, ist nach Meinung des jungen Priesters bisher nicht viel geschehen. Er bittet deshalb die Abenteurer, auf eigene Faust zu ermitteln, da Egil befürchtet, dass der im ersten Abenteuer besiegte Schlangentempel nur die Spitze des Eisberges war. Im Lauf des Abenteuers stellt sich heraus, dass er mit dieser Einschätzung richtig lag. Langsam wird deutlich, dass es sich hier um eine weit reichende Verschwörung handelt, in die auch die Obrigkeit der Stadt verwickelt zu sein scheint. Der Höhepunkt des Abenteuers besteht in der Verteidigung von Egils Tempel gegen Mitglieder der Bruderschaft. Am Ende des Abenteuers wissen die Helden dann auch, dass anscheinend selbst Seeherr Milton Drac, der Herrscher von Freeport, in die Verschwörung verwickelt ist, und dass der monumentale Leuchtturm, den dieser in den letzten zehn Jahren errichten ließ, irgendeine Rolle in dem Komplott spielt. Außerdem wird im Lauf des Abenteuers klar, dass nichts so ist wie es scheint.

Das Finale der Trilogie findet in „Madness in Freeport“ statt. Zu Beginn des Abenteuers werden die SC vom Seeherrn von Freeport auf den großen Ball anlässlich der Einweihung des großen Leuchtturms geladen. Auf diesem Ball wird den Helden ein Orden verliehen und Drac hält ihnen zu Ehren eine Rede, in der er die Heldentaten der SC preist. Dennoch wissen die Abenteurer an dieser Stelle schon, dass Drac mit der Bruderschaft unter einer Decke steckt. Die Ehrung ist also eine bloße Farce. So versucht Drac auch während des Balls erneut, die Charaktere durch einen listigen Plan unschädlich zu machen. Sobald sich die Helden dieses Versuchs erwehrt haben, erscheint ein mysteriöser Prophet im Palast des Seeherrn und verkündet der Ballgesellschaft einen seltsamen Rätselreim. Mit Hilfe von Egils Vorgesetzten, dem Priester Thuron, können die SC den Reim entschlüsseln und daraus einen Hinweis ableiten, was Drac tatsächlich im Schilde führt und was sie dagegen unternehmen können. Dieser Hinweis führt die Abenteurer schließlich in die Schatzhöhlen des Piraten Black Dog und weiter in einen versunkenen Tempel des Schlangengottes Yig (nicht identisch mit dem Unaussprechlichen), wo sie nach einem mächtigen Artefakt suchen müssen, um das finstere Ritual zu unterbrechen, das die Bruderschaft für die drei Tage nach dem Ball stattfindende Einweihung des Leuchtturms geplant hat. Aus diesem Grund ist „Madness“ zu gut zwei Dritteln ein reinrassiger Dungeon Crawl – allerdings ein sehr abwechslungsreicher, da die Abenteurer drei verschiedene, eher kleine Verliese erkunden müssen (Black Dogs Schatzhöhlen, den versunkenen Tempel und schließlich den großen Leuchtturm). Außerdem bietet der große Leuchtturmball mehr als genug Gelegenheit zum Rollenspiel. Der Teil des Abenteuers, der in den Verliesen spielt, wird zusätzlich dadurch noch spannender, dass die Abenteurer hier unter Zeitdruck stehen – eine Tatsache, die am Spieltisch für ständige Anspannung auf Seiten der Spieler sorgt und der Kampagne damit ein würdiges und fulminantes Finale beschert.

Zusätzlich zu diesen drei Abenteuern enthält das Buch zwei Interludien, kleine Mini-Abenteuer, die man als SL zwischen den eigentlichen Abenteuern spielen kann. Das erste der beiden ist das Szenario „A Holiday in the Sun“, bei dem die Abenteurer den politisch ambitionierten Kapitän Lydon einen Tag lang auf das „Beutefest“ begleiten, einem der wichtigsten Feiertage in Freeport. Das Szenario ist sehr einfach gestrickt und wird wohl kaum einen großen Aha-Effekt hervorrufen, allerdings ist es nicht schlecht gemacht und kann mit ein wenig Aufwand seitens des Spielleiters zu einem abendfüllenden Zwischenspiel erweitert werden. Der größte Vorteil des Szenarios besteht meiner Meinung nach darin, dass seine Handlung fast nichts mit der eigentlichen Trilogie zu tun hat und somit gut dazu geeignet ist, der Stadt mehr Profil und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auch spielt Kapitän Lydon in anderen Freeport-Publikationen noch eine kleine Rolle und kann durch das Szenario in eine Kampagne eingeführt werden. „A Holiday in the Sun“ ist ursprünglich als kostenloser Download auf der Website von Green Ronin erschienen. Die vorliegende Version wurde überarbeitet und auf den Stand von D&D 3.5 gebracht.

Das zweite Interludium trägt den Namen „Thieves & Liars“ und führt ebenfalls einen neuen NSC ein, der in anderen Produkten erneut auftaucht. Die Rede ist von Dutch Tillinghast, dem Kommandanten der Wache des Seeherrn. Dieser Wachhauptmann ist ziemlich korrupt und noch dazu herrschsüchtig und brutal veranlagt. Deswegen wird er sich auch die Affäre nicht gefallen lassen, die seine Frau Maggie mit dem stadtbekannten Barden Pete Putnam hat. In dem Interludium bittet Maggie die Abenteurer um Hilfe. Sie sollen Pete die Flucht aus Freeport und damit vor den Schergen ihres Mannes ermöglichen. Auch dieses Szenario ist eher einfach gehalten und birgt keine größeren Überraschungen. Aber auch hier gilt, dass es vom SL mit geringem Aufwand in ein gutes Abenteuer verwandelt werden kann. Außerdem ist es eine optimale Gelegenheit, um Dutch Tillinghast in die Kampagne einzuführen, der die Rolle des Antagonisten in dem PDF-Abenteuer „Gangs of Freeport“ von Ronin Arts spielt.

Schließlich findet man in dem Buch noch einige Anhänge, die neben den obligatorischen Handouts auch einige neue (alte) Monster enthalten, wie z.B. die Schlangenmenschen oder die Schattenschlangen, die im Versunkenen Tempel des Yig ihr Unwesen treiben. Auch einige Regeln aus dem Quellenbuch „Freeport: The City of Adventure“ wurden auf den neuesten Stand gebracht, so z.B. die NSC-Klasse des Kultisten oder eine Reihe von Talenten und Zaubern. Die Regeln machen einen soliden Eindruck und haben sich beim Einsatz im Spiel bewährt.

Insgesamt scheint das Buch relativ frei zu sein von groben Fehlern, das Lektorat hat also gute Arbeit geleistet. Man stößt nicht auf Tippfehler oder dergleichen. Einzig die Seitenzahlen in Verweisen sind teilweise nicht korrekt, da sie offensichtlich noch aus den alten Modulen stammen (die ja in drei einzelnen Heften erschienen sind). Dieses Manko ist zwar ein wenig lästig, insgesamt aber doch eher eine Kleinigkeit.

 

Fazit:

Die Freeport Trilogy gehört zu Recht zu den beliebtesten Abenteuern, die für das d20-System erschienen sind. Die Geschichte ist spannend und entfaltet sich im Lauf der Trilogie immer weiter, so dass sich das einfache Modell „vernichtet den Tempel der bösen Sekte“ im Lauf der drei Module zu einer groß angelegten Intrige ausweitet, in der die Spielercharaktere zeitweise wohl nicht mehr wissen werden, wem sie überhaupt noch vertrauen können. Die Handlung verläuft stets äußerst dramatisch – man kann sowohl innerhalb der einzelnen Abenteuer als auch über die ganze Kampagne hinweg einen deutlichen Spannungsbogen erkennen, der schließlich bei „Madness in Freeport“ seinen Höhepunkt erreicht.

Insgesamt handelt es sich bei der 5th Anniversary Edition auf jeden Fall um ein sehr gutes Produkt, das einer Rollenspielgruppe viele spaßige Abenteuer bescheren sollte, vorausgesetzt man mag die Mischung aus Piratenromantik und cthulhoidem Horror, die das Setting Freeport an sich ausmacht.

Ob man das Buch kaufen sollte, auch wenn man die alten Module schon besitzt, ist schwer zu beantworten. Die Qualität des Buches ist den alten Heften auf jeden Fall weit überlegen, sowohl optisch als auch inhaltlich. Ansonsten ist die vorliegende Version natürlich eine wunderbare Gelegenheit, die schon lange vergriffenen Abenteuer doch noch zu bekommen.

 

Nachtrag des Rezensenten:

Die Trilogie beginnt mit Death in Freeport auf der 1. Stufe und führt die SC bis etwa auf die 6. oder 7. Stufe (meine letzte Gruppe war Lvl 7 nach Madness).