Links zur Rezension The Crystal ShardStory (Achtung Spoiler): Drizzt do'Urden ist ein Dunkelelf. Seiner grausamen Heimat entflohen und den Oberflächenbewohnern Torils verhasst, hat er sich das wilde Eiswindtal als neue Heimat auserkoren. Und auch wenn ihm dort ebenfalls offenes Misstrauen entgegenschlägt, ist er mehr als bereit, die Zehnstädte zu warnen, als ein Barbarenheer sich aufmacht, die Städte zu erobern. Mit Hilfe seiner beiden einzigen Freunde, dem Zwergen Bruenor und dem Halbling Regis, gelingt es ihm, die Verteidigung der Zehnstädte zu organisieren und den Barbaren eine vernichtende Niederlage zuzufügen. Doch schon bald nach dem Sieg zerfällt die Allianz der Zehnstädte wieder, und so bleibt die einzige nennenswerte Folge der Schlacht die Gefangennahme des jungen Barbaren Wulfgar, der so gar nicht dem Klischee des brutalen, blutrünstigen Barbaren zu entsprechen scheint. Fünf Jahre später: Die Zeit ist nahe, da der junge Wulfgar seinen Dienst bei Bruenor Battlehammer abgeleistet hat. Der Zwerg betrachtet seinen Gefangenen inzwischen mehr als Adoptivsohn denn als einstigen Feind, und so setzt er seine ganzen Fähigkeiten ein, um Aegis-Fang zu erschaffen, einen magischen Kriegshammer, den er seinem Schützling zum Abschiedsgeschenk macht. Zuvor aber überlässt er den jungen Barbaren den kundigen Händen Drizzts, der Wulfgar nicht nur in der hohen Kunst des Kampfs unterweist, sondern zugleich seinen begabten Geist schult und seine natürlichen Führungsfähigkeiten ausbildet. Ist Wulfgar zunächst der Zusammenarbeit mit einem ihm verhassten Dunkelelfen völlig abgeneigt, akzeptiert er doch schnell die überlegenen Fähigkeiten seines Lehrmeisters, und so bildet sich auch zwischen diesen beiden bald eine enge Freundschaft aus. In der Zwischenzeit sind die Pläne des Magiers Akar Kessel zur Reife gelangt. Früher nur ein völlig unbegabter Lehrling eines Magiers aus Luskan, den zu töten er verführt wurde, ist er nun durch den Fund des Artefakts Crenshinibon selbst zu einem der mächtigsten Zauberer Faerûns geworden. Durch die Einflüsterungen des Kristalls in seinem Begehren nach absoluter Macht bestärkt, stellt Kessel eine riesige Armee aus Goblins, Orks und Giganten auf, die er unter der Führung seines Generals, des Dämonen Errtu, in Richtung der Zehnstädte in Marsch setzt. Sogar die Barbarenstämme, die sich nur langsam von der vernichtenden Niederlage erholt haben, zwingt er in seinen Dienst. Mehr durch Zufall erfahren Drizzt und Wulfgar von diesem Plan. Und während Drizzt, Bruenor und Regis diesmal vergeblich versuchen, die Städte im Widerstand zu vereinen, macht sich Wulfgar auf den Weg, einen alten Eid zu erfüllen, den weißen Drachen Ingiloakastimizilian zu töten und mit dessen Hort als Rückhalt Heafstaag, den Führer der Barbaren, zum Kampf um die Königsschaft herauszufordern. Mit Hilfe Drizzts gelingt ihm auch der Sieg über den Drachen, und während der Elf zu den Zehnstädten zurückkehrt, macht Wulfgar sich daran, auch den zweiten Teil seines Plans umzusetzen. Bei seiner Rückkehr muss Drizzt feststellen, dass der Angriff auf die Städte bereits begonnen hat. Fast alle Städte wurden erobert und zerstört, und während die Überlebenden des Angriffs sich auf ihre Schiffe gerettet haben, statuiert Kessel an der Stadt Targos ein Exempel, um so Bryn Shander zur bedingungslosen Kapitulation zu erpressen. Das Einzige, was nun noch helfen kann, ist der Tod des Zauberers. Und während die vereinten Armeen der Menschen, Zwerge und Barbaren einen verzweifelten Abwehrkampf führen, tritt Drizzt alleine dem Dämonen Errtu und dem Zauberer Kessel gegenüber...
Beurteilung: „The Crystal Shard“ ist der Erstlingsroman von R.A. Salvatore, der mit diesem und den nachfolgenden Romanen um den Dunkelelfen Drizzt do'Urden mehrfach in den Bestsellerlisten landete und damit sehr zur Popularisierung von D&D im Allgemeinen und den Vergessenen Reichen im Besonderen beigetragen hat. Und wie bei seinem Vorbild Tolkien lässt sich auch bei Salvatore eine gewisse Diskrepanz zwischen seinen erzählerischen und seinen stilistischen Fähigkeiten feststellen: Die Handlung ist durchweg spannend und eilt von einem Höhepunkt zum nächsten; die Kampfszenen sind von einer ungeheuren Dichte, die von kaum einem anderen Autor erreicht wird, und stellen sicher die Glanzpunkte des Romans dar. Die Figuren, die Salvatore auftreten lässt, werden zwar oft nur in ihren grundlegenden Eigenschaften beschrieben, immerhin aber vermeidet der Autor die üblichen Klischees (abgesehen vom Halbling Regis), was dem Interesse an diesen Helden durchaus gut tut. Und während Drizzt, Bruenor und Wulfgar nahezu als Superhelden beschrieben werden, ist es doch der kleine Regis, der, wenn auch widerwillig, zweimal zum Helden des Tages wird. Verbunden mit dem ab und an aufblitzenden Humor Salvatores (köstlich, wie die entscheidende Wende im Kampf Drizzts gegen Kessel mit dem lapidaren Satz „Regis blew out the candle.“ beschrieben wird) ergibt sich ein durchaus lesenswerter und unterhaltsamer Roman. Doch leider verrät Salvatore auch einige Schwächen in seinem Schreib- und Erzählstil, die zu durchaus kontroversen Diskussionen um die Qualität seiner Romane geführt haben. Da wäre zum einen die bereits angesprochene mangelnde Charaktertiefe seiner Protagonisten. Zwar gibt Salvatore sich Mühe, von den normalen Klischees Abstand zu gewinnen, ansonsten scheint er sich für das Innenleben seiner Charaktere nicht allzusehr zu interessieren. Wenn ihm aber doch mal ein Charakterzug wichtig erscheint, dann präsentiert er ihn gleich mit dem Holzhammer. So zum Beispiel das Mitgefühl (compassion) Drizzts mit den Einwohnern der Zehnstädte oder Bruenors mit dem jungen Wulfgar. Salvatore reicht es nicht, die Handlungen der beiden für sich sprechen zu lassen. Nein, Drizzt und Bruenor müssen sich mehrfach gegenseitig dieses Charakterzugs versichern, damit es auch nur von keinem Leser übersehen werden kann. Man bekommt fast Zahnschmerzen davon, so nervig ist das manchmal. Und gerade die erzählerische Geschwindigkeit, die die Kämpfe so spannend und lesenswert macht, wird Salvatore an anderer Stelle zum Verhängnis, wenn er nämlich einzelne Handlungsstränge in einer atemberaubenden Geschwindigkeit abarbeitet, die dem Leser kaum Zeit lässt, sich in die jeweilige Situation hineinzuversetzen. So geschehen mit der ersten Schlacht um die Zehnstädte (kaum geht die Schlacht los, ist sie auch schon wieder vorbei), aber auch mit dem Kampf Wulfgars gegen den Eisdrachen. Was andere Autoren in einem eigenen Roman verarbeitet hätten, nämlich den Kampf eines jungen Barbaren um die Anerkennung seines Führungsanspruches, handelt Salvatore in gerade mal 11 Seiten ab (5 für den Drachen, 6 für den Kampf um die Königswürde). Durch diese Kürze gelingt es dem Autor zwar, unglaublich viel Handlung auf relativ wenigen Seiten unterzubringen, der erzählerischen Dichte tut dies aber alles andere als gut. Richtig ärgerlich wird es dann, wenn man feststellt, dass der Hauptzweck des Kampfes Wulfgars und Drizzts gegen den Drachen war, den Dunkelelfen in den Besitz einer Waffe zu bringen, mit der er effektiv gegen den Dämonen Errtu antreten kann. Ein Deus ex Machina, wie er leibt und lebt und wie er in einem Roman eigentlich nichts zu suchen haben sollte, auch wenn dergleichen in einer Rollenspielrunde durchaus öfter vorkommen mag.]
Fazit: [Bei mir hinterlässt „The Crystal Shard“ einen zwiespältigen Eindruck. Zwar habe ich es nahezu verschlungen und finde es nach wie vor äußerst unterhaltend, dennoch fällt es schwer, dem Werk eine gute Beurteilung zu geben, da die schriftstellerischen Schwächen Salvatores zu deutlich sind. Anspruchsvolle Leser seien daher gewarnt: Wer schon Tolkien für einen schlechten Autoren hält, wird an diesem Salvatore-Roman nur wenig Freude haben, vor allem da es Salvatore nicht gelingt, wenigstens eine erzählerische Dichte zu erzeugen, die seinem Vorbild nahekäme. Fans der Vergessenen Reiche werden aber sicher nicht schlecht bedient, und seine eigentliche Funktion, die Unterhaltung des Lesers, erfüllt „The Crystal Shard“ durchaus. Letztenendes habe ich mich daher entschlossen, dem Autor einen kleinen Bonus zu geben; immerhin ist es sein Erstlingswerk, und dass Talent da ist, ist unschwer zu erkennen. Fehlt nur noch der Drizzt, der seinen Wulfgar in die hohe Kunst des Romanschreibens einweist.
„The Crystal Shard“ wurde ursprünglich 1988 veröffentlicht und war nach „Darkwalker on Moonshae“(Douglas Niles, 1987) erst der zweite überhaupt veröffentlichte FR-Roman überhaupt. Seit 2005 liegt er als Teil 4 der „Legends of Drizzt“-Reihe vor. Für 2007 ist eine Neuauflage als Taschenbuch (Amazon-Preis: ca 7€) geplant. Eine deutsche Übersetzung - “Der gesprungene Kristall“ - wurde 1991 im Goldmann-Verlag veröffentlicht und ist heute Teil 1 der Reihe „Die Vergessenen Welten“, die von Blanvalet herausgegeben wird.
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