Links zur Rezension Ravenloft – The Covenant Series„To Sleep with Evil“ ist der vierte Roman aus der Reihe „Ravenloft: The Covenant“, in der alte Ravenloft-Romane von Wizards of the Coast neu aufgelegt werden. Bereits erschienen sind die Titel „Death of a Darklord“, „Vampire of the Mists“ (siehe auch die Rezension dazu hier im Gate) und „I, Strahd: The Memoirs of a Vampire“. Angekündigt werden in diesem Band die Titel „Tapestry of Dark Souls“ (Juni 2007) und „Scholar of Decay“ (Oktober 2007). „To Sleep with Evil“ ist erstmalig 1996 als 16. Roman der ursprünglichen Ravenloft-Reihe erschienen und leider nie auf Deutsch übersetzt worden. Bei der Autorin handelt es sich um Andria Hayday – ein Name, der allen Ravenloft-, Planescape- und Al-Qadim-Kennern ein Begriff sein sollte. Warum sie sich für dieses Buch extra ein Schriftsteller-Pseudonym zugelegt hat, bleibt wohl ihr Geheimnis, denn „To Sleep with Evil“ ist ihr bisher einziger Roman. Aufmachung, Gestaltung und VerarbeitungBemerkenswert ist zunächst einmal, dass man überall im Internet nur ein Cover findet, welches nicht das des Buches ist – selbst auf der Seite von Wizards of the Coast wird bei der Produktbeschreibung das falsche Cover mit dem merkwürdigen „Azalin Rex im Ballkleid“-Motiv präsentiert. Das tatsächliche Cover ist also bisher nur hier zu bewundern. Es ist zwar atmosphärisch und wirkt professioneller gestaltet als das Cover von 1996, gaukelt jedoch etwas vor, das im Roman so nicht vorkommt (selbst auf die Gefahr hin, dass ich hier so manchem gleich jegliches Interesse an dem Buch verleide: Es wird keiner schwangeren Frau der Bauch aufgeschnitten). Das Format des Buches entspricht etwa einer DIN-A5-Seite, ist also etwas größer als ein normales Taschenbuch. Bei dem verwendeten Papier handelt es sich vermutlich um recyceltes Material, zumindest fühlt es sich so an. Auch bei der Druckstärke gibt es ein Déjà-vu: Manche Seiten sind so fett gedruckt, dass man Angst hat, mit dem Daumen die Schrift zu verschmieren, andere wiederum so schwach, dass man das Licht heller drehen muss, um etwas erkennen zu können. Auch wenn es im Gegensatz zu „Vampire of the Mists“ nur vereinzelte Seiten gibt, auf denen einer dieser Effekte auftritt, so muss man sich doch ernsthaft fragen, ob Wizards of the Coast für Rezensionen nur Mängelexemplare herausgibt oder ob dies auch die Qualität im Handel ist. Im letzteren Fall würde der ohnehin schon happige empfohlene Verkaufspreis von 12,95 US-Dollar (hierzulande knapp 11,- Euro) an eine Frechheit grenzen. HandlungHinweis: In diesem Abschnitt wird die Handlung des Romans wiedergegeben. Leser, die sich überraschen lassen möchten, sollten ihn besser überspringen und bei „Stil“ weiterlesen. Die ersten zwei der folgenden Absätze kann man aber gefahrlos lesen, wenn man sich nur einen groben Überblick verschaffen möchte.
„To Sleep with Evil“ erzählt die Geschichte von Marguerite de Boche, einer einfachen Bürgermeister-Tochter aus einem kleinen Dorf in Darkon, die gezwungen ist, vor den Vampir-Schergen der Kargat zu fliehen. Marguerites Vater konnte eine Vereinbarung mit einem gewissen Lord Donskoy treffen, der sich bereit erklärt hat, Marguerite Unterschlupf in seinem Schloss zu gewähren. Natürlich nicht ohne Gegenleistung – Marguerite soll den unbekannten Lord heiraten und ihm einen Sohn gebären. Mit dem Transport hat Lord Donskoy eine Vistani-Karawane beauftragt, die Marguerite in ihr neues Domizil bringen soll. Bereits bei der Ankunft geschehen einige Merkwürdigkeiten: Die Vistani setzen sie nachts mitten im Nirgendwo ab – zusammen mit einer langen Kiste – und behaupten, dass genau dies ihr Auftrag wäre. Tatsächlich wird Marguerite dann von den wenig vertrauenerweckenden Bediensteten Lord Donskoys aufgelesen und zum Schloss gebracht. Dort wird sie zunächst in ihre Kammer geführt, wo sie sogleich in einen tiefen Schlummer fällt – Nachwirkungen des Schlafmittels, mit dem die Vistani sie für den Transport ruhiggestellt hatten – und einer ungewissen Zukunft entgegensieht.
Wieder erwacht, lernt Marguerite gleich eine neue Bedienstete kennen: Zosia, eine Vistani-Hexe, die als Köchin und vermeintlich einzige vertrauenswürdige Freundin für Marguerite fungiert und die sie auf ihr erstes Treffen mit Lord Donskoy vorbereitet. Dieser entpuppt sich als älterer, aber durchaus nicht unattraktiver Herr mit feinen Manieren. Beim gemeinsamen Abendessen lernen sich die beiden kennen, Marguerite erfährt, dass die erste Frau Donskoys tragisch ums Leben kam, und Donskoy verkündet bereits den Hochzeitstermin: Übermorgen. Marguerite ist zwar etwas überrascht, aber da sich Donskoy dringend nach einem Erben sehnt, willigt sie ein. Als sie sich zur Ruhe begibt, geschieht aber gleich die nächste Merkwürdigkeit: Sie wird die Nacht über in ihrem Zimmer eingeschlossen. Außerdem sieht sie noch aus ihrem Fenster, wie Lord Donskoy vor dem Schloss eine Frau verabschiedet, und vermutet eine Nebenbuhlerin. Am nächsten Morgen hilft ihr Zosia, unbemerkt aus dem Schloss zu gelangen, so dass sie die Gegend erkunden kann. In den großen Wäldern verirrt sie sich jedoch und trifft auf Ramus, einen jungen, geheimnisvollen Vistani, der ihr den Weg zurück weist. Zosia und die anderen Bediensteten helfen ihr dann dabei, den wütenden Lord Donskoy zu beruhigen (er wollte, dass Marguerite nur in Begleitung ausgeht). Die Hochzeit findet dann nur in kleinem Kreis statt, die Dame, die Marguerite aus ihrem Zimmer heraus gesehen hatte, ist allerdings auch anwesend: Es handelt sich um Jacqueline Montarri (wem dieser Name nichts sagt, sollte einen Blick in den Anhang des „Ravenloft Gazetteer Volume I“ werfen oder in das „Monsterkompendium IV – Die Kinder der Nacht“ aus der 2nd Edition). Diese versichert ihr jedoch, dass ihr Interesse an Donskoy rein geschäftlicher Natur ist. Bei der anschließenden Feier lernt Marguerite auch die „Associates“ ihres Gatten kennen, einen Haufen grobschlächtiger Handlanger. Darauf folgt die Hochzeitsnacht, die Marguerite allerdings halb im Delirium verbringt. Als sie in ihr Zimmer zurückkehrt, entdeckt sie noch einen Geheimgang, mit dem sie ihr Gefängnis verlassen kann. Sie beschließt, das Schloss ein wenig auf eigene Faust zu erkunden, kommt dabei an einen unterirdischen Flusslauf und begegnet dort dem Geist einer Vistana, vor dem sie jedoch flieht (später stellt sich heraus, dass dies der Geist der ersten Gattin des Lords war). Gleich am nächsten Morgen ordnet Donskoy einen Schwangerschaftstest der Marke Vistani-Hexenritual an, der negativ verläuft, und ist schwer enttäuscht. Zosia empfiehlt ihm, seine Frau positiv zu stimmen, also unternimmt er mit ihr einen Ausritt an die neblige Domänengrenze. Dort hören sie Stimmen von im Nebel verlorenen Menschen. Donskoy erklärt Marguerite, dass die Nebel oft jene an seine Grenzen spülen, die sich irgendwo in ihnen verirren. Sie reiten zurück zum Schloss und er beauftragt seine Bediensteten, eine „Rettungsaktion“ zu starten. Es vergehen viele Wochen und Monate, in denen Lord Donskoy und Marguerite versuchen, ein Kind zu zeugen, bis er schließlich die Geduld verliert und Zosia anweist, ihre Hexenkünste einzusetzen, um Marguerites Fruchtbarkeit zu steigern. Zosia schickt Marguerite in den Wald, um eine bestimmte Zutat für ihren Trank zu holen, wobei sie erneut auf Ramus trifft, der sie verführt. Nach einer weiteren Nacht mit Donskoy ist sie dann tatsächlich schwanger, allerdings stammt das Kind wahrscheinlich von Ramus (wovon Donskoy natürlich nichts ahnt). Die Schwangerschaft scheint schneller fortzuschreiten als normal – Marguerite hat bereits nach dem 1. Monat einen riesigen Bauch – und schlägt sie auch gesundheitlich an. Nichtsdestotrotz gelingt es ihr eines Nachts, ihrem Mann, Jacqueline Montarri und den „Associates“ ihres Mannes zu folgen, als diese auf eine Jagd gehen. Sie muss miterleben, wie die Jagdgesellschaft die im Nebel verlorenen Menschen zu sich lockt, niedermetzelt, deren Ausrüstung an sich nimmt und sich an den Leichen vergeht. Schockiert zieht sie sich danach zurück, verursacht dabei jedoch ein Geräusch und wird entdeckt und gestellt. Trotzdem sie nun von seinem Geheimnis weiß, lässt Donskoy sie in Frieden, da sie ja sein vermeintliches Kind trägt. Für die Zeit nach der Geburt verkündet er allerdings Unheil. Marguerite sieht nur noch eine Chance: Die Flucht. Zunächst wendet sie sich an Ramus, dieser kann ihr jedoch nicht helfen. Da gedeiht in ihrem Kopf ein verwegener Plan: Sie will sich in eine der langen Kisten schmuggeln, die Jacqueline Montarri immer von Donskoys Schloss auf ihrer Kutsche mitnimmt, und sich darin durch die Nebel nach Barovia retten... StilWer bei der Lektüre des obigen Abschnitts festgestellt hat, dass die Story wahrscheinlich wenig Spannung aufkommen lässt, dem sei versichert: Das geht einem beim Lesen des Buches genauso. Auf den ersten 200 Seiten kann „To Sleep with Evil“ in punkto Langeweile locker mit Effi Briest mithalten, und das will schon was heißen. Erst auf den letzten 100 Seiten kommt die Geschichte in Fahrt, und dann ist sie auch schon vorbei. Mit Ausnahme des Prologs wird der gesamte Roman aus der Sicht der Protagonistin Marguerite de Boche erzählt, was bedeutet, dass der Leser nichts erfährt, was nicht auch Marguerite erfährt. Dies sorgt zwar einerseits dafür, dass die Aura des Geheimnisvollen, welche die Vorgänge auf dem Schloss und Lord Donskoy umgibt, lange erhalten bleibt, andererseits aber auch für wenig Abwechslung. Außerdem gibt es viel zu viele Szenen, in denen man erwartet, dass gleich etwas besonders Schlimmes oder Widerliches passiert – und dann ist doch wieder alles nur ganz harmlos. So etwas kann man ein- oder zweimal machen, aber irgendwann sollte auch mal was passieren, ansonsten wird es langweilig. Leider sind das nicht die einzigen Schwachpunkte des Buches. Bei sämtlichen Charakteren in diesem Roman handelt es sich um absolut stereotype Klischeefiguren (mit Ausnahme von Jacqueline Montarri, deren Potenzial aber völlig verschenkt wurde): Der dicke, eklige und einfältige Stallknecht, der steife, distinguierte Butler, das stumme, schüchterne Hausmädchen, die allwissende Vistani-Hexe mit Kröten-Vertrautem, der verführerische Vistani-Liebhaber, der geheimnisvolle Lord und die Protagonistin selbst als die hilflose Unschuldige – die klassische Besetzung eines Edgar-Wallace-Streifens. Hinzu kommt noch, dass die Geschichte ein äußerst unbefriedigendes, verworrenes Ende hat, das den Leser mehr als ratlos zurücklässt. Zwar kann man sich als Kenner der Ravenloft-Kampagnenwelt das ein oder andere zusammenreimen, trotzdem bleiben viele Fragen unbeantwortet (und wer nichts über die Natur der Kampagnenwelt weiß, dem werden noch weitaus mehr Dinge auch schon lange vor dem Ende rätselhaft bleiben). Leider hat „To Sleep with Evil“ auch für Fans des Settings nicht viel zu bieten. Lord Donskoy ist offensichtlich der Darklord einer kleinen Insel-Domäne, die aber nie namentlich erwähnt und auch in keinem anderen offiziellen Ravenloft-Produkt beschrieben wird. Ob die Domäne nach den Ereignissen dieses Romans weiter existiert, ist zudem fraglich (eine der vielen offenen Fragen, mit denen man zurückgelassen wird). Somit beschränken sich die Gemeinsamkeiten mit Ravenloft auf die Erwähnung der Domänen Darkon und Barovia sowie auf den Charakter Jacqueline Montarri. Neben der ganzen Kritik muss man aber zugestehen, dass der Autorin auch ein paar Dinge gelungen sind. Durch die Fokussierung auf die Protagonistin kann man sich leicht in Marguerites Situation hineinfühlen und erlebt die Geschichte quasi aus ihren Augen, während ihr Misstrauen gegenüber ihrem Ehemann im Laufe der Geschichte immer weiter anwächst – was ein durchaus interessanter Ansatz ist und atmosphärische Dichte erzeugt. Marguerites Motive und Taten sind zwar nicht immer rational und bisweilen erschreckend naiv, aber immer nachvollziehbar (die der anderen Charaktere allerdings manchmal nicht). Die Beschreibung der Szenerien – sei es das finstere, bedrohliche Schloss, der gefährliche Wald oder die Hochzeitsnacht in Donskoys Salon – ist immer atmosphärisch und stilvoll, so dass man sich gut in die Geschichte einfinden kann. FazitLeider kann eine dichte Atmosphäre keinen Roman retten, wenn die zugrundeliegende Geschichte langweilt, zumindest dann nicht, wenn sich das ganze „Gothic Horror“ schimpfen will. „Gothic“ mag für „To Sleep with Evil“ noch zutreffen, „Horror“ sicher nicht. Und das, obwohl Marguerites Hilflosigkeit und die Ausweglosigkeit ihrer Lage hervorragende Voraussetzungen für jede Menge Horror geboten hätten. Nur – es passieren ihr eben einfach keine wirklich schlimmen Dinge und diejenigen, die ihr passieren, nimmt sie auch noch relativ gelassen hin. Nicht, dass sie mal eine Träne über ihr Schicksal vergießen würde oder so. Und Lord Donskoy? Gut, er ist ein Mörder und Räuber und ziemlich unsympathisch, aber viel mehr auch nicht – da bin ich bei Ravenloft-Darklords aber ganz andere Sachen gewohnt. Die fade Story mit dubiosem Ausgang, die nicht einmal die Betroffene selbst betroffen macht, hinterlässt das Gefühl, dass man gerade 300 Seiten umsonst gelesen hat. |
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