Inhalt: Cutter arbeitet als Geldeintreiber für den Boromar-Clan. Nicht, dass ihn dieser Job ausfüllen würde, aber bevor er nicht genügend Geld zusammen hat, um sich mit seiner geliebten Rowen, eine ebenfalls für die Boromars arbeitenden Prostituierten, abzusetzen, bleibt ihm kaum eine Wahl. In der ersten Nacht der langen Schatten nimmt sein Schicksal eine völlig neue Wendung, als Rowen sich auf eigene Faust aufmacht, um einem Professor der Morgrave-Universität ein Päckchen mit Drogen zu stehlen, von dessen Lieferung sie zufällig erfahren hat. Als sie nicht zurückkehrt, macht Cutter sich auf zur Universität. Doch ist Rowen verschwunden, und der Professor wurde auf brutalste Weise ermordet. Zufällig beobachtet der Zwerg Torin, der Freund und Assistent des berühmten Detektiven Abraxis Wren, Cutter am Tatort und glaubt, diesen auf frischer Tat ertappt zu haben. Und während dieser sich auf die Suche nach seiner Geliebten macht, wird er plötzlich zum von drei Parteien verfolgten Flüchtling: von Wren, der den Auftrag erhält, den Mörder des Professors dingfest zu machen; vom Boromar-Clan, der glaubt, er habe Gelder veruntreut... und vom eigentlichen Mörder, der in der Universität nicht das fand, wonach er suchte. Zu diesem Zeitpunkt ahnen weder Cutter noch Wren, dass viel mehr auf dem Spiel steht als das Schicksal einer jungen Frau und die Aufklärung einer Mordtat. Das Schicksal der Stadt Sharn selbst ist es, dass an einem seidenen Faden hängt, und nur ihre Zusammenarbeit mag dieses Schicksal noch abwenden können.
Bewertung: Nachdem der erste Roman der „Inquisitives“-Reihe, „Bound by Iron“, von mir für seine schlechte Bearbeitung des Detektiv-Themas kritisiert wurde, hat mich die „Night of the long Shadows gerade unter diesem Aspekt positiv überrascht. Mit Abraxis Wren und seinem Gefährten Torin tritt uns eine Variation des Sherlock Holmes/Dr. Watson-Motivs entgegen, die gerade deswegen so erfrischend ist, weil der Watson (Torin) dem Holmes(Wren) durchaus ebenbürtig, manchmal sogar überlegen erscheint. Der Plot wirkt durchdacht, die einzelnen Abschnitte fügen sich (fast) nahtlos ineinander. Auch die Charaktere wirken glaubwürdig, besitzen einen interessanten, nicht immer voll ausgeführten Hintergrund, aus dem heraus ihre Beweggründe und Handlungen verständlich werden. Das gilt insbesondere für die Hauptfigur Cutter, der sich den größten Widrigkeiten stellen kann, weil er schon schlimmeres überstanden hat. Aber auch die vielen anderen Figuren, die den Roman bevölkern, wirken nie platt, immer haben sie eine kleine Besonderheit, die sie für den Leser erkennbar und merkenswert machen. Sehr lobenswert ist außerdem die Art und Weise, wie Crilley die Handlung in die Geschichte Sharns einbettet. Der Autor kennt die Welt, soviel steht fest, insbesondere in Sharn scheint er sich mächtig wohl zu fühlen. Das sein Wissen sich nicht darauf beschränkt, zeigen viele kleine, liebevoll gestaltete Details (wie z.B. die Vergangenheit Cutters, die für den Roman zwar nicht direkt wichtig, für den Charakter Cutters aber von um so größerer, weil prägender Bedeutung ist). Eigentlich gibt es nur zwei Dinge, die mich an dem Roman gestört haben. Eine davon ist eigentlich nur eine Kleinigkeit, die gerade deswegen so ins Auge sticht, weil der Rest der Handlung so harmonisch ineinander übergreift. Mitten im Roman nämlich, Wren und Cutter haben inzwischen festgestellt, dass sie gar keine Feinde sein müssen, gibt es ein kleines Intermezzo mit einem Lich, über das fast mit Leuchtschrift gemalt die Aufschrift „Abenteuer am Wegesrand“ aufgemalt hätte werden können. Es gibt keinen echten Zusammenhang mit dem Rest des Romans, man hätte es einfach weglassen können, ohne dass sich dadurch etwas an der Gesamtkomposition geändert hätte. Nicht, dass es nicht spannend gewesen wäre; nur relevant ist es eben nicht und wirkt daher als Störfaktor. Letzteres gilt noch in viel höherem Maße für den Humor des Autors, der sich besonders in den Wortgefechten Wrens und Torins äußert, dem aber nicht nur des öfteren die Pointe fehlt, sondern der außerdem manchmal ziemlich aufgesetzt wirkt, da die Handlung selbst nicht den geringsten Grund zum Lachen liefert. Sicher als Auflockerung gedacht, meinen Geschmack (und schlimmer noch: meinen Humor) trifft er damit nicht. Mehr als einmal wird man dadurch komplett aus der Handlung gerissen, was dem Lesefluss nicht gerade zugute kommt. Möglicherweise bin ich da etwas empfindlich, aber ich kann nun mal mit Slapstick-ähnlichem Humor nichts anfangen. Ansonsten aber gibt es nur wenig zu kritisieren. „Night of the long Shadows“ ist ein durchaus vergnüglicher, spannend geschriebener Unterhaltungsroman, mit dem sich Paul Crilley auf Anhieb in die Riege der Autoren einreiht, von denen ich auch weitere Romane lesen würde.
Fazit: Der Roman-Neuling Paul Crilley liefert mit „Night of the long Shadows“ einen sehr gelungenen Einstand ab. Interessante Charaktere, eine gut durchdachte Handlung und die gelungene Integration der Story in die Welt Eberron machen Lust auf mehr. Abraxis Wren und Torin sind ein Detektiv-Paar, von dem man gerne mal wieder etwas lesen möchte und auch der eigentliche (Anti-)Held Cutter hätte das Potential für wenigstens einen weiteren Roman. Wären nicht der teilweise misslungene Humor und der kleine Ausrutscher mit dem Lich ( für die Leser, die sich auf das Fazit beschränken: ein nicht unspannender, aber völlig irrelevanter Handlungseinschub) zu beanstanden, hätte ich ernsthaft darüber nachgedacht, das Teil mit einer 4.0 oder besser zu werten. So aber bleibt es bei einem gelungenen Erstlingsroman eines Autors, von dem ich gerne mal wieder etwas lesen möchte. |
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