Das Reich von Thay lebt seit langem in einem unsicheren Frieden, regiert von einer Allianz von Magiern. Doch seit jeher gibt es einen unter ihnen, der glaubt das er der wahre Herrscher sei. Und wenn dieser eine Magier jetzt gegen seine früheren Verbündeten antritt, könnte sein Heimatland nur die erste seiner Eroberungen sein.
Vorab: Das im Osten der Vergessenen Reiche gelegene Reich von Thay / Tay ist Handlungsort der neuen dreiteiligen Serie des Autors Richard Lee Byers, The Haunted Lands. Nach dem vorliegenden Unclean wird im März 2008 Undead, im Frühjahr 2009 dann Unholy folgen. Der Trilogie hängt man dann noch eine Anthologie namens Realms of the Dead an (im Frühjahr 2010). Die Wizards folgen also auch hier dem Trend, die "Reichserschütternden Ereignisse" in Trilogien an die Leserschaft zu bringen, ehe dann etwas später (eine kleine Untertreibung meinerseits) ein Quellenbuch die Geschehnisse zusammenfasst und im Setting selbst verarbeitet. Gerade ging die sechsteilige Serie um den so genannten Krieg der Spinnenkönigin zu Ende - nur um in dem neuen Dreiteiler um Lady Penitent weitergesponnen zu werden. Die Last Mythal - Trilogie handelte das Thema um die dämonische Countess Sarya und die Rückkehr der Elfen nach Cormanthor ab, während Paul S. Kemp nach der Erevis Cale - Trilogie nun einen neuen Dreiteiler um seinen Haupthelden und die zurückgekehrten Shades begonnen hat - The Twilight War. Richard Lee Byers selbst brachte zuletzt ebenfalls einen Dreiteiler zu Papier, der es über Feder & Schwert auch ins Deutsche geschafft hat - die Das Jahr der Abtrünnigen Drachen / The Year of the Rogue Dragons - Reihe. Das ist alles schön und gut, doch wenn es schließlich Jahre braucht, um zum einen die Ereignisse abzuschließen und zum anderen dann für all jene, die die Romane nicht gelesen haben (oder dies nicht können) zusammenzufassen, hört der Spaß für viele Spielleiter und Spieler auf. Das, was der Autor jetzt in Thay begonnen hat ist in der Tat ein wichtiges Ereignis. Wenn wir jetzt noch gut zwei Jahre auf das Ende der Serie und - grob geschätzt - 3 bis 4 Jahre auf ein neues Quellenbuch zum Thema Thay warten müssen, wird das die Freunde der Roten Magier nicht gerade froh stimmen. Dies ist aber eher eine generelle Betrachtung der Mehrteiler-Strategie und hat keineswegs Einfluss auf die Qualität der Bücher, die meines Erachtens immer besser wird.
Der Autor war, wie bereits geschrieben, schon recht fleißig und hat neben der Drachenreihe für die Forgotten Realms auch Band I der Krieg der Spinnenkönigin - Reihe (Dissolution / Zersetzung), Queen of the Depths, The Black Bouquet, The Halls of Stormweather, The Shattered Mask und einiges für White Wolf verfasst. Er zeigt in dem Buch eine hohe Kenntnis der Materie und bringt viele Quellen- und Regelbücher wirkungsvoll und korrekt ein.
Aufmachung: Wie gewohnt, ist das Paperback der Wizards von guter Qualität, Greg Ruth Einbandbild zeigt uns eine Burg, die das Ziel einer Horde von Untoten ist, der sich eine klauenartige Hand nähert.
Genereller Inhalt: Was einem vom Titel her nicht sofort klar wird ist der Fakt, dass The Haunted Lands eine Trilogie um die (zunächst noch) Innenpolitik Thays ist. Der Nekromant Szass Tam, eine der mächtigsten Personen der Vergessenen Reiche, plant, die "eben" erst begonnene Politik der eher friedlichen Koexistenz seines Landes mit den Nachbarn - Stichwort: Enklaven - neu zu gestalten, indem er selbst die führende Rolle im Land übernimmt. Dazu gilt es zunächst, seine politischen Gegner um den Zulkir* und Tharchion* von Priador, Aznar Thrul, auszuschalten. Danach muss Tam die Tharchions, Zulkire sowie die Bevölkerung davon überzeugen, dass ein "Erster unter Gleichen" allein nicht mehr ausreicht, um Thay vor den Gefahren von außerhalb wie auch von Innen wirkungsvoll zu beschützen. Einzige Nebenhandlung zu diesen politischen Ereignissen, die natürlich auch eigene Hauptdarsteller haben, ist die Rückkehr eines Barden, der in der Ferne das Geld zu einem Leben ohne Sorgen er-abenteuert hat, um nun mit seiner Auserwählten alt werden zu können. Beshaba lächelte ihm allerdings zu, denn eben jene Frau namens Tammith musste sich, um die Schulden ihres Vaters abzuzahlen, als Sklavin verkaufen. Sie fiel auf geradem Wege dem Nekromanten Szass Tam in die Hände und so liegt es nun an Bareris, seine Geliebte wieder zu finden. Byers gelingt es sehr gut, alle wichtigen Persönlichkeiten gut in Szene zu setzen, seien es nun Zulkire, Tharchions oder Kreaturen wie der Blood Fiend*. Dem geneigten Leser sei jedoch ans Herz gelegt, sich nicht allzu sehr mit den Charakteren anzufreunden. Die Verlustquote ist eingedenk der Gegner relativ hoch.
Inhalt (Vorsicht, hier gibt es Informationen, die den Lesespaß arg reduzieren!): Wie üblich beginnt der Autor mit vielen Handlungssträngen, die mal mehr, mal weniger mit den wichtigen Ereignissen direkt zu tun haben. Genannter Barde kehrt nach Bezantur* zurück und stellt fest, dass seine Auserwählte verkauft wurde. Natürlich macht er sich sofort auf und sucht die Dame seine Herzens, die Spur ist auch nicht wirklich schwer zu finden. Glück hat er dabei jedoch nicht, kommt aber bei eine Gruppe Gnolle* unter, die im Rahmen der Abwicklung der Truppen Thays (Stichwort II: Handelsenklaven) entlassen wurden. Inzwischen begleiten wir einen Blood Fiend namens Tsagoth auf seiner Jagd nach diversen Gegnern seines zunächst noch unbekannten Auftraggebers. Erstes Opfer wird Druxus Rhym, ein Verbündeter Szass Tams und einer der Zulkire Thays. Dann wendet sich der untote Dämon gegen Bezantur und dessen Herrscher Aznar Thrul. Byers nutzt hier die wenig bekannte Information, dass die vormalige Herrscherin dieses Tharchs, die Zulkir Mari Agneth, von Aznar Thrul als Sklavin gehalten wird und ihm zu Diensten sein muss. Tsagoth schleicht sich in die Festung des Zulkirs ein, gelangt in die Nähe Maris und macht sie - ähnlich wie ein Vampir - zu einer der seinen. Aznar Thrul und viele seiner Wachen haben daraufhin ein einmaliges Erlebnis. Der Barde findet inzwischen zwar seine Geliebte, doch hat sie in der Burg nahe Delhumide eine Transformation durchgemacht, die eine Rückkehr in die Arme von Bareris unwahrscheinlich werden lässt. Der Barde entkommt knapp mit dem Leben, hat jedoch zuvor den vermeintlichen Erschaffungsort jener Untoten gefunden, die im Osten Thay verwüsten. Sie werden von einem Wesen (vmtl. Atropal Scion*)namens Xingax und einigen Nekromanten ins Untotendasein gerufen. Auf der anderen Seite Thays greifen besagte Untote den Außenposten Thazar Keep an, und ein weiterer wichtiger Charakter, Aoth Fezim, Kampfmagier und Hauptmann der Greifenreiter von Pyarados, kommt gerade noch mit dem Leben davon. Die Ereignisse scheinen sich zu überschlagen, nachdem ein Heer zweier Tharchions an der Grenze zu Rashemen von den Hexen und Berserkern überrascht wird und Szass Tam ihnen - wie gerufen - zu Hilfe eilt. Die Anführer dieser Truppen vertuschen ihre Niederlage vor dem Volk und ziehen schnell in den Kampf gegen die Horde von Untoten. Unterdessen versucht Dmitra Flass, eine Tharchioness, die Szass Tams Reich verwaltet, die Lage zu ergründen und stellt schnell fest, wer die Fäden hinter den Ereignissen in Thay führt und was seine Ziele sein könnten. Sie bedient sich dazu eines ehemaligen Mönchs des Langen Todes*, dem Unsterblichen Malark Springhill, welchem ebenfalls ein Handlungsstrang gewidmet wird. Beide versuchen nun, die anderen Tharchions und Zulkire an einen Tisch zu bekommen, um sie von der Bedrohung durch Szass Tam zu warnen - keine leichte Aufgabe, wenn man sich unter den Roten Magiern und ihren Dienern auskennt. Das Heer steht inzwischen im Osten vor den Toren Thazar Keeps und greift die Burg mit Unterstützung der Kleriker von Kossuth* an. Hinter den Mauern lauern mächtige untote Monster (nighthaunt, quells) und ein Feind in den eigenen Reihen sorgt für "Abwechslung". Byers hat sich hier gut belesen und seine Auswahl an Monstern ist beispielhaft. Der Kampf nimmt zwar keine epischen Ausmaße an, ist aber recht unterhaltsam. Bareris trifft auf seine Geliebte und kann sie knapp besiegen - die von ihr angestrebte Blutsverwandtschaft ist ihm dann doch nicht so geheuer. Die Thayer nehmen die Burg ein und die Heerführer - die Tharchions von Pyarados und Thazalhar - stehen vor der Entscheidung, gegen oder für Szass Tam zu Felde zu ziehen. Dessen Heer marschiert unterdessen auf Bezantur, Sitz des neuen Tharchions Samas Kul, um diese Stadt möglichst schnell zu besiegen und damit quasi ganz Süd-Thay zu beherrschen. Nur dem schnellen Eingreifen der Greifenreiter Fezims ist es zu verdanken, dass das Heer des Nekromanten so behindert wird, dass ihm kein Blitzangriff gelingen kann. Somit steht - wie Szass Tam es den Anführern der Greifenreiter nebst Bareris und Malark persönlich erklärt - Thay kein kurzer und fast schmerzloser, sondern ein langer und schrecklicher Krieg bevor.
Rollenspiel - Bemerkungen: Der Autor hat sich, wie bereits angemerkt, sehr gut in die Materie eingelesen und kennt augenscheinlich die alten wie neuen Bücher und Regelwerke sehr gut. Er benutzt sehr viele verschiedene Klassen, Prestigeklassen und Monster und setzt diese entsprechend ihren Fähigkeiten ein. Man erhält so einen rundherum guten Einblick in die Welt dieses Reiches von Faerûn, seine Politik, das Handeln seiner Herrscher und die Strategien eines der mächtigsten Personen dieses Settings. Für Spielleiter, die in dieser Region eine Kampagne planen, ist Unclean daher zweifelsohne eine Bereicherung. Natürlich wird einigen das eher plötzliche Ableben einiger Zulkire Kopfzerbrechen bereiten, sind sie doch meist zentrale Figuren in anderen Quellenbüchern und Romanen. Interessant wird sicher auch die Handhabung der Beziehung zwischen dem Greifen und seinem Reiter Aoth Fezim sein, denn diese Tiere gehören ja für gewöhnlich nicht zu den Vertrauten oder Begleitern eines Charakters. Ebenso treten in Unclean Gnolle als Verbündete in Erscheinung und man ist bald geneigt, die Rolle dieser Hyänenwesen in zukünftigen Runden abwechslungsreicher zu gestalten. Einzig der Atropal Scion fällt etwas aus dem guten Gesamtbild heraus, ist es doch eher eine jener Alptraumkreaturen**, derer sich FR-Autoren bislang recht selten bedient haben. Auch sind viele Spieler wie Spielleiter sicher gespannt darauf, zu erfahren wie der Trank genau aussah, der Malark Springhill unsterblich machte. Die wichtigsten politischen Charaktere werden des Überblicks halber im Anhang nochmals kurz aufgeführt, was bei den zum Teil exotischen Namen und Titeln nicht schlecht ist.
**Also jene aus der Kategorie: das musste man jetzt aber nicht erfinden, benutzt nämlich nie jemand!
Fazit: Nach Red Magic, The Simbul's Gift und (ansatzweise) Maiden of Pain ist Unclean wieder ein Buch, welches sich mit der Heimat der berüchtigten Roten Magier beschäftigt. Wir bekommen einen Umriss fast jeder Schicht der Bevölkerung, vom Sklaven über den Söldner, die niederen Ränge und die Tharchions bis hin zu den Werkstätten der Macht. Für einen Einblick in die Welt Thays jenseits der allgemeinen Angaben aus den Quellenbüchern ist Unclean daher wirklich empfehlenswert. Natürlich ist der Abstand zwischen den Bänden der Trilogie recht lang, so dass eingefleischte Freunde Thays sicher etwas murren werden, wenn man ihnen die Auflösung der recht beträchtlichen Veränderungen in Thay so lange vorenthalten wird. Eins ist allerdings gewiss: Band 2 wird sicher mit Heißhunger erwartet werden und Unclean allein ist seine Bewertung mit 4,2 allemal wert.
*Erklärungen Atropal Scion - eine untote Kreatur aus Libris Mortis Bezantur - größte und wichtigste Stadt Thays, auch genannt die "Stadt der 1000 Tempel", Sitz Aznar Thruls Blood Fiend - ein untotes, dämonisches Monster aus City of the Spider Queen Gnoll - Wolfs- oder Hyänenmenschen Kossuth - ein mächtiger Feuergott, quasi die Staatsreligion in Thay Mönch des Langen Todes - eine Prestigeklasse aus dem Players' Guide to Faerûn Tharchion - Landesherr/-in in den jeweiligen Teilen (Tharch)von Thay. Diese können, müssen aber keine Zulkire sein. Zulkir - Höchster bzw. mächtigster Magier einer der Arkanen Zauberschulen |
||||||||||||||||||||||