Seit einiger Zeit gibt es für das deutsche Cthulhu die Reihe „Expeditionen“ der Cthulhoide Welten Bibliothek, in der Abenteuer und Hintergrundmaterial für exotische Schauplätze abseits der wohlbekannten Pfade in Deutschland und Neuengland veröffentlicht werden. Das neueste Produkt der Reihe führt Spielleiter und Spieler nach Nordafrika, genauer gesagt in das „Geheimnisvolle Marokko“ der 1920er Jahre.
Zwei Abenteuer und fünf Kapitel Hintergrundinformationen sollen versunkene Wüstenstädte, brennende Sonne, Wüstenstürme und das exotische Flair von Medina (Altstadt) und Souk (Markt) zum Leben erwecken. Das Buch basiert auf dem Werk „Mysteries of Morocco“ des amerikanischen Cthulhu-Autors William Jones, das hier übersetzt und durch ein Abenteuer von Jakob Schmidt ergänzt wurde. Der äußere EindruckNachdem ich zuletzt die unglaublich aufwändig gemachten Spieler- und Spielleiterhandbücher von Cthulhu in den Händen gehalten und rezensiert habe, wirkt das schmale Softcover mit seinen 80 Seiten eher bescheiden. Dafür liegt es mit 12,95€ natürlich auch längst nicht so schwer auf dem Geldbeutel. Das Cover ist glücklicherweise nicht ganz so chaotisch und unübersichtlich wie sonst so häufig bei deutschen Cthulhu-Publikationen und sein Titelschriftzug mit den arabischen Schriftzeichen im Hintergrund passt sehr gut zum Inhalt des Buches. Es wäre nur toll, wenn sich jemand des „H.P. Lovecrafts Cthulhoide Welten Bibliothek“-Schriftzugs mit seinen drei (!) unterschiedlichen Schriftarten erbarmen und von seinen Leiden erlösen würde.
Der Inhalt ist im selben Layout und Design gehalten wie das Magazin „Cthulhoide Welten“ und ich habe nur einen Kritikpunkt daran: Zahlreiche Texteinschübe sind nur sehr schwer vom Rest des Textes zu unterscheiden, so dass ich mehrfach nach dem Umblättern suchen musste, wo mein Absatz denn nun eigentlich weiterging.
Leider ist bei diesem Buch das Gesamtdruckbild sehr dunkel geraten. Das ist sicher Schuld des Druckers und nicht der Autoren, und der Text bleibt auch gut lesbar, aber manche Fotos sind so finster, dass man nur noch wenig darauf erkennen kann. Das trübt den ansonsten guten Gesamteindruck leider etwas. Der Inhalt:Der erste Teil des Buches – mit 27 Seiten ziemlich genau ein Drittel des Inhalts – befasst sich mit dem Hintergrund: Marokko. Fünf Kapitel stellen die Geschichte des Landes dar („Wie Marokko wurde, was es ist“), die beiden wichtigsten Städte des Landes („Rabat“ und „Casablanca“), die Geographie („Rif- und Atlas-Gebirge und die Sahara“) und – last but not least – die Konfliktlinien und Bezüge zum Mythos („Konflikte, Untergrundbewegungen und Kulte“).
Insgesamt geben diese Kapitel einen ganz guten Überblick über das Land, seine Geschichte und seine Bewohner. Aber mehr als ein Überblick, den man so auch durch ein paar Stunden Internet- oder Bibliotheksrecherche bekommen könnte, ist es nicht geworden. Eingestreut gibt es ein paar einzelne Orte und Personen, die man im Spiel verwenden kann (der obligatorische Amerikaner „Rick“ darf natürlich nicht fehlen). Die Mythos-Bezüge sind mit insgesamt vielleicht einer knappen Seite Material denkbar knapp.
Ich bin mit einer etwas falschen Erwartungshaltung an das Buch heran gegangen – gerechnet hatte ich mit mehr Hintergrund und weniger Szenarien – deshalb war ich ein wenig enttäuscht. Was dem Einzelnen besser gefällt ist aber auf jeden Fall Geschmackssache.
Den größeren Teil des Buches nimmt entsprechend mit 53 Seiten der Abenteuerteil ein. Zwei recht umfangreiche Szenarien führen die Spieler direkt an den Schauplatz Nordafrika. Schön an ihnen ist, dass sie beide einen direkten und unverzichtbaren Bezug auf den Hintergrund haben und nicht beliebig in andere Regionen der Welt verlegt werden könnten – das zweite vielleicht noch eher als das erste.
Das erste Abenteuer - „Die Tafeln von Ur-Nansha“ - erscheint mir ansonsten aber leider als rechte Durchschnittsware. Mal wieder geht es darum, Kultisten davon abzuhalten, etwas großes, böses Uraltes herauf zu beschwören, das sonst möglicherweise die Stadt, das Land, die Welt oder das gesamte bekannte Universum vernichtet. So oder so ähnlich hat man es schon in zu vielen Abenteuern gelesen. Liegt es daran, dass dieses Abenteuer die Übersetzung des Szenarios aus dem ursprünglichen „Mysteries of Morocco“ ist? Vielleicht.
Das zweite Abenteuer aus der Feder von Jakob Schmidt ist dagegen neu und auch sehr viel frischer und überraschender. Ich will hier nicht zu viel verraten, denn die Grundidee ist wirklich spannend, auch wenn sie dem Spielleiter und einem der beteiligten Spieler einiges abverlangt. „Zwischen den Zeiten“ sollte einer Spielrunde auf jeden Fall zwei bis vier Abende hervorragenden Spielspaß bieten.
Toll finde ichden Spielbericht der Autoren- oder Testrunde, wie ich ihn jetzt in einigen Abenteuern von Pegasus/Cthulhoide Welten gesehen habe. Aus der Beschreibung des tatsächlichen Spielgeschehens kann man als Spielleiter häufig mehr Tipps und Ideen ziehen, als aus dem reinen Abenteuertext.
Nach den beiden ausgearbeiteten Szenarien folgen noch ein paar Seiten mit kurzen Abenteuerideen und dann die Beschreibungen der NSCs und die bei Cthulhu üblichen Handouts. Sehr schön gelungen sind die stimmungsvollen „Passfotos“ für die NSCs, sie geben den Beschreibungen viel Flair. Fazit:„Geheimnisvolles Marokko“ lässt mich mit etwas gemischten Gefühlen zurück. Einerseits enthält es durchaus nützliche Hintergrundinformationen und ein hervorragendes Abenteuer, aber dem gegenüber stehen ein wenig inspirierendes Szenario und die enttäuschte Hoffnung, etwas tiefer in Kultur und Geschichte Marokkos einzutauchen. Für mich hätte man das erste Abenteuer weglassen und dafür mehr Informationen unterbringen können.
Wegen des guten zweiten Abenteuers, das schon alleine fast den Preis rechtfertigt, bekommt der Band von mir grundsätzlich noch eine 3.2, von der ich aber wegen des schlechten Druckbildes noch 0.2 Punkte abziehen und somit auf eine glatte 3.0 komme – ein gutes Produkt, mit Schwächen in ein paar Bereichen. |
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