Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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Harry Potter and the Deathly HallowsHarry Potter and the Deathly Hallows
Bewertung:
(3.3)
Von: Patrick Pricken
Alias: Berandor
Am: 04.08.2007
Autor:J. K. Rowling
Typ:Roman
VerlagBloomsbury Berlin
ISBN/ASIN:978-0-7475-9105-4
Inhalt:607 Seiten Hardcover
Sprache:Englisch

Damit auch niemand sagen kann, ich sei nicht einsichtig: Ich hatte Unrecht, was ich in meiner Rezension von Harry Potter and the Half-Blood Prince über Harry Potter and the Deathly Hallows (ab hier Deathly Hallows) gesagt habe. Aber ich hatte auch Recht.

 

Recht hatte ich in meinen Vermutungen darüber, wie der Plot wohl weitergehen würde; bestimmte Entwicklungen schienen mir zu eindeutig über die Bücher aufgebaut, als dass sie eine andere Erklärung finden würden. Dies betrifft sowohl das Schicksal von Severus "Verräter an Dumbledore" Snape als auch die Horkruxe, Harrys großes Ziel am Ende des sechsten und am Beginn des siebten Bandes. Zur Erinnerung: Voldemort hatte diese Horkruxe erschaffen, um seine Seele in siebe Teile zu schneiden und so selbst bei einer Niederlage wieder vom Tode auferstehen zu können. Einen Horkrux hatte Dumbledore vernichtet, die anderen waren noch "unterwegs". Aber der Reihe nach.

»But you're dead,« said Harry.

»Oh, yes,« said Dumbledore matter-of-factly.

»Then… I'm dead, too?«

»Ah,« said Dumbledore, smiling still more broadly. »That is the question, isn't it?«

Diese Frage werde ich nicht beantworten, soweit zur Beruhigung unbefangener Leser. Aber ich werde sicherlich den ein oder anderen Satz zu späteren Ereignissen fallen lassen. Wer also furchtbare Angst vor Spoilern hat, der oder die soll einen Blick auf die Benotung werfen und meinetwegen noch den letzten Absatz lesen und diesen Text ansonsten vorerst in Ruhe lassen.

 

Einen Satz möchte ich vorab noch zum Titelbild verlieren. Ich weiß nicht, wer das verzapft hat, aber die Zeichnungen von Hermione, Ron und vor allem Harry sind absolut misslungen. Das Titelbild hat mich beinahe vom Kauf zurückgehalten, so schreckte es mich ab. Grauslich. Andererseits finde ich hervorragend, dass auch der feste Einband von Deathly Hallows bedruckt ist – leider eben nur mit dem komischen Titelbild. Damit genug der Formalitäten; im Folgenden werde ich in einer übersichtlichen Liste die guten und schlechten Punkte dieses Buches aufführen – und es gibt sowohl gute als auch schlechte zu vermelden. Also angeschnallt.

 

Your point about wizard dominance being FOR THE MUGGLES' OWN GOOD – this, I think, is the crucial point. Yes, we have been given power and yes, that power gives us the right the rule, but it also gives us responsibilities over the ruled. We must stress this point, it will be the foundation stone upon which we build. Where we are opposed, as we surely will be, this must be the basis of all our counter-arguments. We seize control FOR THE GREATER GOOD.

 

(Das ist natürlich nicht Voldemort da über mir.)

Stil

In Rowlings Stil kommt Humor ganz besonders zur Geltung; sei es über Beschreibungen oder Anmerkungen oder auch durch die vielen freundschaftlichen Kabbeleien. Die Geschichte ist immer leichtfüßig und sogar in den ernstesten Momenten ist immer noch Platz für etwas Schmunzelei. Das führt zu einem sehr sympathischen Leseerlebnis.

 

Auf der anderen Seite – ob als Resultat des Humors oder nicht – wirken viele andere Momente oberflächlich, gehen nicht wirklich nahe. Ob es nun romantische Momente sind (und außer einem einzigen Kuss ist für [romantische] Liebe oder gar Begierde kein Platz in Deathly Hallows), tragische oder sonst aufwühlende, sie wirken nur schwach oder erscheinen unecht. So sind die angekündigten Tode eher Beiwerk. Leider wird der emotionalste Moment auch noch abgeschwächt (s. u.).

 

Gut wiederum sind die Charakterisierungen; wie zuvor bleibt Rowling fast ausschließlich in Harrys Perspektive; trotzdem werden auch andere Figuren klar gezeichnet und geschildert. Auf der Gegenseite verbuchen wir dann den unnötigen Gebrauch von Expositionen, also Erklärungen, die mehr zum Verständnis des Lesers gegeben werden. Vor allem zum Ende des Buches hin kommen da einige richtige Klopse (s. u.) und es gelingt Rowling nicht, diese Momente stilistisch in das Buch zu integrieren.

›The Ministry is determined to root out such ursurpers of magical power, and to this end has issued an invitation to every so-called Muggle-born to present themselves for interview by the newly appointed Muggle-born Registration Commission.‹

»People won't let this happen,« said Ron.

»It is happening, Ron,« said Lupin. »Muggle-borns are being rounded up as we speak.«

Plotting

Die Abfolge bzw. der Zusammenhang der Ereignisse erweist sich als einer der Schwachpunkte in Deathly Hallows. Zwar ist die Hauptqueste – die Suche nach den Horkruxen – klar definiert, aber diese Suche erfolgt denn doch nur rudimentär. Zudem gibt es einige holprige Momente, die einzig für bestimmte weitere Plotfolgen zu existieren scheinen, z. B. wenn Voldemort abrupt den Raum verlässt und damit einem sterbenden Opfer noch einen Ausweg ermöglicht. Schön ist, dass Rowling wirklich alle Figuren, die in einem der vorherigen Bände vorkamen (und noch leben), auftauchen lässt – aber auch dazu muss schon mal die Glaubwürdigkeit gedehnt werden.

 

Und die Exposition, die ich oben erwähnte, kommt auch hier ins Spiel. Warum Rowling es für eine gute Idee hielt, die (mitreißende) Konfrontation von Gut und Böse gleich zweimal durch eher unwichtige Kapitel zu unterbrechen, die einzig dazu dienen, weitere Erklärungen abzuliefern, ist mir ein Rätsel. Selbst das letzte Duell mit Voldemort besteht darin, dass ihm sein Gegner erst einmal ein paar Erklärungen liefert. Vor allem im Hinblick auf die Story (s. u.) ist diese Entscheidung sehr fragwürdig.

 

Allerdings muss man zugestehen, dass die Andeutungen und Entwicklungen aus den vorherigen Bänden hier abgeschlossen werden.

Neville shrugged.

»Doesn't matter. They don't want to spill too much pure blood, so they'll torture us a bit if we're mouthy but they won't actually kill us.«

Harry did not know what was worse, the things that Neville was saying or the matter-of-fact tone in which he said them.

Story

Im Rahmen der Story passieren auch noch ein paar weniger gelungene Dinge; dafür sind hier auch die stärksten Vorzüge dieses Buches zu finden. Die Tatsache, dass alle Figuren wieder auftauchen, deutet schon darauf hin, wie genau Rowlings Wissen um ihre Schöpfung ist. Das beweist sie in Deathly Hallows auch dadurch, dass sie wirklich mit Kleinigkeiten und Details hantiert, die entweder auf frühere Bände verweisen oder sich später im Buch auszahlen.

 

Auch auf die Figuren möchte ich noch einmal eingehen. Sehr gut gefällt mir, dass die Charaktere nahezu allesamt ambivalente Züge haben oder bekommen; der einzige wirklich eindimensionale ist Voldemort. Selbst Bellatrix Lestrange, Mrs Weasley oder auch der böse Schreckensmagier Grindelwald sind mehr als eine literarische Funktion. Das macht die Reihe um einiges komplexer als billige Kinderbücher. Dazu zählt auch, dass Gerüchte über Dumbledore auftauchen und Harry weder der positiven noch der negativen Seite glauben will, sondern einfach die Wahrheit wissen möchte – wissen, nicht glauben – um sich dann seine Meinung selbst zu bilden. Zu diesem Komplex zählt auch, dass "für das Gute" (s. o.) als Schlachtruf in seiner Verlogenheit offenbar wird.

 

Kommen wir nun zu meinem Irrtum aus der letzten Rezension. Die Guten greifen keineswegs auf die Mittel der Bösewichter zurück; sie benutzen hauptsächlich Lähm-, Entwaffnungs- und Bindezauber und helfen sogar Bösewichten aus, wenn diese nicht unrettbar finster sind. Worauf die Figurenzeichnung implizit hinweist, das wird von Harry und Freunden auch vorgelebt, nämlich die zweite Chance für Missetäter. Und so weit ist Deathly Hallows dann doch Phantasie, dass diese Chancen fast immer genutzt werden.

 

Schwächen in der Story findet man vor allem in ihrer Wirkung und man bekommt wirklich den Eindruck, dass J. K. Rowling die Figuren zu sehr ans Herz gewachsen sind. Die vielzitierten Opfer von Voldemorts Kampf sind zwar bekanntere, aber doch eher sekundäre Charaktere; bis auf eines (na gut, zwei, s. u.) finden diese Opfer auch abseits der Erzählung ihren Tod. Wenn dann die letzte Konfrontation (in Hogwarts natürlich) noch zweimal für Expositionen unterbrochen werden, dann geht die Spannung schon mal verloren. Rowlings Schwäche ist, dass es dazu kommt; ihre Stärke ist es, dann trotzdem schnell wieder Spannung aufkommen zu lassen.

 

Was sich durch die ganze Rezension zieht: Die Exposition will hier nicht unerwähnt bleiben. Die Geschichte schien nach Halbblutprinz klar zu sein: Harry jagt die Horkruxe, Voldemort jagt ihn. Aus irgendeinem Grund hat aber Rowling sich entschieden, die Ereignisse trotzdem auf ein (Schul-)Jahr auszudehnen. Und so haben wir lange Momente zu Beginn des Buches, wo Harry, Ron und Hermione nur in der Wildnis hocken, ratlos sind und sich streiten. Währenddessen türmen sich Gerüchte und Ideen und es bleibt immer weniger Raum, sie zu lösen. So werden mehr als hundert Seiten wirklich verschwendet und dann am Ende muss Rowling zwei Kapitel mit Erklärungen einschieben. Das wäre viel besser gegangen und könnte wohl genauso gut ein Problem des Plottings sein, wenn beim Camping viel passierte. Die Fantastischen Vier würden sagen: "Es könnte so spannend sein – isses aber nicht."

 

Drei Dinge wollen noch erwähnt werden. Erstens: Dobby stirbt! Wer weiß, ob das wirklich viele interessiert, aber zweitens: Dobby bekommt mehr Platz als Severus Snape, das ist dann schon interessant. Eine der besten Figuren und – nicht zu vergessen – Alan Rickman tauchen in Deathly Hallows nur am Rande oder indirekt auf. Drittens: der Epilog.

 

Das kann man nun wirklich in jeder Kritik lesen, die derzeit herumgeistern und in der Zeitungen sich darin überbieten, einerseits Ereignisse auszuplaudern und andererseits Rowling in den Rang von literarischen Genies zu erheben (ihr Einfluss auf die Popkultur ist sicherlich riesig; ihre Schreibe ist "nur" gut). Aber es will wiederholt sein. Der Epilog ("Neunzehn Jahre später") ist nutzlos, schlecht geschrieben und wirklich, wirklich unsinnig. Wir erfahren nicht einmal wirklich, was aus den ganzen Helden geworden ist, sondern erleben die nächste Generation von Magieschülern – ohne dabei aber gleichzeitig den Beginn einer neuen Geschichte zu erleben, sondern nur das Ende der alten. Mein Vorschlag: Rausreißen und so tun, als habe es ihn nie gegeben. Oder alle Seiten zusammenkleben.

 

Und wo wir gerade bei den Rezensionen sind: Ich habe gerade eine gelesen, die Deathly Hallows bzw. Rowling wegen des politischen Anspruchs lobte, der in dem Buch stecke. Das ist totaler Schwachfug. Während frühere Bücher vielleicht politische Kommentare enthielten (Orden des Phönix), ist das Geschehen in Deathly Hallows eine klare Parallele auf das Dritte Reich. Und für die Aussage "Hitler war schlecht" gibt es von mir nicht auch noch Lob, als wäre das eine besonders scharfsinnige Erkenntnis.

 

Nein, Rowlings Stärke liegt in der Menschlichkeit ihrer Botschaft. Jeder hat Fehler oder macht sie, Leute verdienen eine zweite Chance und nutzen sie sogar, Mord oder Totschlag oder Gewalt sind nahezu immer zu vermeiden und Geheimnisse sowie blinder Glaube sind schlecht.

Fazit:

Letztendlich sind es diese Qualitäten, die Deathly Hallows auszeichnen. Hinzu kommen die gut gezeichneten Charaktere, der Humor und die Detailliebe der Autorin sowie natürlich die Tatsache, dass hier eine siebenbändige Reise zu Ende geht. Manchmal zieht es sich etwas, am Ende hagelt es geradezu Expositionen, die letzte Konsequenz (und damit die Schwere der Situation) ist nicht vorhanden – und den Epilog haben wir ja rausgerissen.

 

Kurz und gut: Harry Potter and the Deathly Hallows ist ein unterhaltsamer Abschluss der Reihe, ein Knallbonbon, aber kein Geniestreich. Damit ist Harry Potter und der Feuerkelch nicht nur die Mitte, sondern auch der Höhepunkt einer letztendlich gelungenen Fantasy-Reihe. Angesichts der Tatsache, dass über ein Viertel der Deutschen in einer Befragung angaben, im vergangenen Jahr nicht ein einziges Buch gelesen zu haben, kann man nur hoffen, dass die pottersche Leselust ein wenig Strahlwirkung hat. (Fanta4: "Hatse aber nicht"?)