Ich finde Dinge. Das ist eine Gabe – und manchmal ... finden sie mich.
Zum zweiten Mal entführt uns Simon R. Green in die Nightside und läßt uns durch die Figur des John Taylor obskure, phantastische Geschichten erleben. Die Nightside ist ein Ort ohne Grenzen, gebildet aus den dunklen Seiten aller Städte und, wie wir in Band 1 gelernt haben, nur eine falsche U-Bahn-Station entfernt. Ein Ort, wo weder Himmel noch Hölle Macht haben und sich dennoch der Abschaum des Abschaums, die hinterlistigsten Schlitzohren und der Bodensatz, der nicht nur anhaftet, sondern sich gleich chemisch mit der Tasse verbindet, aufhält. Kurzum, kein Ort, wo man als normaler Mensch hingeraten möchte.
Es war drei Uhr morgens, aber das ist es ja in der Nightside immer.
John Taylor ist aber kein normaler Mensch. Er ist Detektiv. Genauer, ein in der Nightside geborener und nun zurückgekehrter Detektiv mit einer ganz besonderen Fähigkeit: Er findet Dinge. Und diese müssen nicht unbedingt physikalischer Natur sein, üblicherweise gelingt es ihm auch, den Schwachpunkt eines Gegners zur rechten Zeit zu finden...
Es gab in der Nightside keinen Mangel an mächtigen Gegenständen, von Wunschringen bis hin zu Beschreibungstheorie-Bomben, und jeder beschissene einzelne davon stand zum Verkauf.
Beim letzten Mal war es eine verschwundene Tochter, deren Spur in der Nightside verschwand, welche John von London in die Nightside zurückbrachte. Diesmal ist es ein Artefakt, von dem John hört, als er mal wieder beruflich in der einzigen Kirche der Nightside ist: St. Judas. Jemand flieht in die Kirche, bittet um Asyl, will den „Gral“ loswerden, wird dann aber von einem schwarzen Schatten verschleppt.
„Woran glaubst Du, John Taylor?“ „An meine Gabe. An meinen Beruf. Vielleicht auch an meine Ehre.“
Kaum zurück im Strangefellows, Johns Stammkneipe, gibt ein gewisser Tate gerade damit an, John um den Lohn seines letzten Jobs prellen zu wollen. Natürlich findet John aber den richtigen Zeitpunkt, um durch die Tür zu kommen... Und bekommt von einem Priester des Vatikans den Auftrag, den Gral zu finden. Es handelt sich allerdings nicht um den Heiligen Gral, sondern um den Unheiligen Gral, das Gefäß, aus dem Judas zuletzt getrunken hat. Ein Artefakt, welches die ganze Nightside in den Abgrund ziehen kann.
Touristen sind dort nicht gern gesehen und werden gelegentlich direkt beim Eintreten erschossen.
Denn nicht nur der Vatikan interessiert sich für den Gral, auch andere Kräfte: der Sammler, die Autoritäten und Engel – von oben und von unten. Und so beginnt eine abenteuerliche Hatz nach dem Gral, eine Spurensuche, bei der man alte Bekannte (aus Teil 1) wiedertrifft und viele neue, noch schrägere Gesichter kennen-, lieben und hassen lernt!
Mit Alex kann man gut reden, wenn man schlecht drauf ist, weil er absolut keine Anteilnahme und nicht die leiseste Toleranz für Selbstmitleid kennt, da er selbst ununterbrochen Trübsal bläst.
Simon R. Green brilliert darin, eine wirklich phantastische Geschichte zu schreiben, bei der man nicht weiß, was im nächsten Moment passiert. Natürlich ist es anfangs ein einfacher Kriminalfall, aber schon die Begegnungen zu Beginn sind erfreulich skurril und unerwartet. Er schafft es mindestens alle zwei, drei Seiten einen Satz abzulassen, der vor schrägem Humor nur so trieft und über den man sich kringeln muss. Obwohl sich das Buch in keinster Weise ernst nimmt, gibt es schon eine gewisse Konsistenz des Hintergrunds – auch wenn Figuren manchmal so phänomenale Kräfte haben, dass sich Superhelden bockig in die Ecke zurückziehen würden!
Auf einem Schild unter der Glasvitrine stand „In Falle einer Apokalypse Glas einschlagen“.
Seine Hauptfiguren untermauert er auch mit Motiven, Schwächen, Stärken, Vorlieben und allem, was sonst noch dazugehört, zu richtigen An- und Protagonisten. Das Buch ist nicht lang (201 Seiten), dafür aber sehr kurzweilig. Die Mischung, die schon im ersten Teil so gemixt war, macht es: coole Detektivstory irgendwo zwischen Mike Hammer und Film Noir, absurde Phantastik in der Jetztzeit und eine gute Portion trockener Humor.
Engel sind die Vollstrecker Gottes, die Manifestation seines Willens in der Welt der Menschheit. Das spirituelle Gegenstück zur GSG9.
Die Übersetzung ist gut lesbar, viel vom gar nicht so einfach zu übertragenden Humor kommt auch im Deutschen an. Die Aufmachung von Feder & Schwert kann sich sehen lassen, da ist der Verlag einfach mittlerweile an die Spitze gerückt. Der Preis von 10,95 Euro bei etwa 200 Seiten ist nun nicht gerade das untere Ende der Skala – ganz eindeutig nicht – andererseits, bei diesem Autor lohnt es sich. Da gibt es viermal so dicke Bücher zum gleichen Preis, die nichtmal halb so lesenswert sind.
Ein total panischer Gestaltwandler verwandelte sich in einen Barhocker und hoffte, so nicht aufzufallen.
Fazit: Nachdem mich Band 1 gut unterhalten hatte, konnte mich dieser Roman nochmal ein Stück mehr fesseln! Der Schauplatz Nightside ist für Green noch lange nicht ausgelutscht, er überrascht auch in diesem Buch wieder und wieder. Freunde skurriler Phantastik sollten trotz der Dünne des Buchs mal reinlesen.
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