Links zur Rezension BESM 3rd Ed.Der Rollenspielverlag »Guardians of Order« hatte mit dem Rollenspiel zu George R.R. Martins A Game of Thrones einen Achtungserfolg. Leider trieb dieses lang erwartete Rollenspiel den Verlag in den Konkurs. Die Konkursmasse wurde von White Wolf aufgekauft. Das von Guardians of Order komplett überarbeitete TriStat-Rollenspielsystem sah über diesen Umweg doch noch das Tageslicht: Arthaus, eine Tochterfirma der Weißen Wölfe, nahm sich des Verkaufsschlagers der Ordnungswächter an, dem Anime-Rollenspiel »Big Eyes, Small Mouth« (BESM). Das Manuskript für das Grundregelwerk der neuen Edition lag mehr oder weniger fertig der Konkursmasse bei, und mit einer Menge alten und ein paar neuen Illustrationen wurde das Buch als Einzelprodukt herausgebracht. So weit die Vorgeschichte des Ganzen. Jetzt zum eigentlichen Buch.
Erster Eindruck BESM sieht gut aus. Mehr noch: Es ist eines der hochwertigsten Bücher, die ich in den Händen halten durfte. Schon die Deluxe-Edition des »Game of Thrones« war klasse, aber dort waren doch recht wenig Illustrationen zu finden. Bei BESM ist es anders. Auf den 240 Seiten gibt es insgesamt 74 Illustrationen, davon 21 über eine ganze Seite (bzw. einmal sogar über zwei Seiten). Die Illustrationen sind bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr gut, und bis auf ebenso wenige Ausnahmen ganz im Manga-Stil gehalten; große Augen und kleine Münder eben.
Das Buch ist auf Glanzpapier gedruckt und vollfarbig. Neben den Illustrationen betrifft das auch das Layout des Textes. Hier findet sich eine Farbkodierung: Kapitel sind orange unterlegt, Unterpunkte hellblau. Regeltabellen sind ebenfalls hellblau mit dunkelblauer Überschrift. Beispiele sind grün abgesetzt, und Anmerkungen der Designer orange. Das erleichtert die Orientierung sehr.
Die Schrift ist relativ groß und im üblichen zweispaltigen Format gehalten. Die Schriftarten sind gut lesbar, und auch hier hat man unterschiedliche Schriftarten für Tabellenelemente und Beschreibungen gewählt, was tatsächlich die Lesbarkeit erhöht. Ein letzter Hinweis: Da die Bilder über das ganze Buch verteilt sind – auch die Bilder der Klassen- und Rassenschablonen – findet sich, wo nötig, die Seitenzahl des dazugehörigen Regelelements neben dem Bild, und beim Regelelement wiederum steht die Seitenzahl, unter der man die Illustration findet. Das finde ich ebenfalls sehr gelungen – einzig in den Fällen, wo das Bild auf der Seite der Regel steht, hätte man vielleicht darauf verzichten können.
Das Layout von BESM ist natürlich bunter und poppiger als z.B. die Cthulhu-Bücher von Pegasus oder die hochwertigen Bände von WotC, aber ich würde das Buch durchaus in die selbe Kategorie einordnen. Sehr gefällig. All der schöne Schein nützt aber natürlich wenig, wenn die Regeln nicht stimmen – also sehen wir uns diese jetzt an.
Anmerkung: Im Folgenden werde ich die Kapitel nacheinander durchgehen. Zur besseren Anschaulichkeit der Regeln werde ich dabei einen Beispielcharakter erstellen. Diese Beispielelemente werde ich jeweils kursiv absetzen, so wie diese Anmerkung.
Keeping it simple Bevor wir das Buch durchgehen, möchte ich noch eine Bemerkung zum generellen Layout machen. Im Verlauf des gesamten Buches finden sich Anmerkungen mit der Überschrift »Keep it simple«. Hier werden Möglichkeiten aufgezeigt, das System weiter zu vereinfachen, als es ohnehin schon ist. Die Idee dazu gefällt mir gut; die Produzenten haben definitiv versucht, mit BESM alle irgendmöglichen Kundenstämme anzusprechen, und sowohl Zahlenfüchsen als auch Lockernehmern etwas zu bieten.
Chapter 1: Introduction Im ersten Kapitel und dem Vorwort werden die grundlegenden Termini angesprochen: Was ist Anime, was ist Manga, wo kommt das her und welche Hauptquellen gibt es? Daraufhin folgt der klassische Einstand mit der Frage, was ein Rollenspiel überhaupt ist, und was BESM sein soll. Zitat: »BESM was designed to (...) accomodate nearly any setting or time period.« Zudem soll das System eine schnelle, unkomplizierte Handlungsabwicklung ermöglichen. Eine letzte Anmerkung verrät uns, dass die dritte Edition mit der zweiten nicht wirklich kompatibel ist (das kennen wir ja schon).
Am Anfang des Buches findet sich auch das Rollenspiel-Manifest der Guardians of Order, dem ich inzwischen deutlich skeptischer gegenüberstehe als noch bei meinem entsprechenden Weisen Rat. Entscheidend hierbei ist der Stellenwert, den die Autoren der Geschichte im Spiel geben – diese geht vor Regelmechanik – und die Anmerkung, dass Min/Maxing und »Munchkinismus« Probleme mit dem Spieler, nicht dem Spiel darstellen. Hier wird deutlich, dass die Autoren das Betreffende als Problem ansehen, das es abzustellen gilt. Hierauf komme ich im Verlauf der Rezension noch einmal zurück.
Chapter 2: Character Creation Im zweiten Kapitel werden die neun Schritte der Charaktererschaffung formuliert, außerdem kommen die ersten beiden zur Anwendung. Der erste Schritt ist die »GM Discussion«, also die Absprache mit dem SL. Je nachdem, welche Art von Kampagne geplant ist, gibt es unterschiedliche Punktezahlen, mit denen man dann seinen Charakter erstellen kann – BESM ist ein Punktesystem. Aus den Punkten ergeben sich auch vorgeschlagene Maximalwerte, die man zu Beginn in einzelnen Fähigkeiten haben kann. Der zweite Schritt ist die »Character Outline« bzw. das Charakterkonzept. Stärken, Schwächen, andere Merkmale des Charakters und natürlich der Name werden gewählt.
Spielbeispiel: Ich möchte versuchen, einen D&D-mäßigen Charakter zu erstellen. Ich entscheide mich dafür, dass die Kampagne »mythisch« wird, dass also der Charakter deutlich über dem gemeinen Commoner steht, aber noch angegriffen werden kann. Ich habe daher nach Maßgabe von Schritt 1 zwischen 300 und 499 Punkte zur Erschaffung. Ich entscheide mich für eine Summe von 350 Punkten. Die Grenzwerte durch diese Punktezahl sparen wir uns hier, aber ich halte mich daran. Als »Outline« wähle ich den Paladin Berandor Marikulis von Drachenstein, einen edlen, aber etwas eitlen Ritter.
Chapter 3: Stats In BESM gibt es drei Stats: Body, Mind und Soul. Die Werte der Stats reichen von 1 bis 12; menschlicher Durchschnitt ist 4. Stats kosten 10 Punkte pro Wertzuwachs um 1. Body beschreibt alle körperlichen Einzelheiten (Stärke, Ausdauer, Geschick), Mind die geisten Fähigkeiten (Witz, Intelligenz) und Soul alles »schwer fassbare« (Willenskraft, Charisma, Glück, Magie). Wer in einer besonderen Sparte nicht ganz so gut sein will, kann einen Defect kaufen, eine Schwäche.
Spielbeispiel: Berandor sollte als Krieger natürlich schon recht robust sein; allerdings war der Paladin mit den AD&D-Mindestwerten erwürfelt worden. Also gebe ich ihm ein Body von 6, ein Mind von 4 und ein Soul von 7 – die 17 muss eben ins Charisma. Da ich mit dem Charakter regelmäßig Konstitutionsproben verhunzt habe, behalte ich im Hinterkopf, mir den entsprechenden Defect »Less Capable [Endurance]« zu gönnen. Grundsätzlich habe ich erst einmal ((4+6+7)=17, x10=)170 Punkte ausgegeben und noch (350-170=)180 Punkte übrig.
Chapter 4: Attributes Damit kommen wir zum wichtigsten Regelmoment von BESM, den »Attributes«. Als Attribute werden grundsätzlich alle Fähigkeiten eines Charakters bezeichnet, seien es Zauber, Fertigkeiten oder sogar Gegenstände. Die Quelle, aus der die Attributes gespeist werden, ist dabei flexibel und wird offen gelassen. Attributes können durch Punktevergabe und einzelne Zusatzmerkmale verändert und personalisiert werden. Dabei folgen sie entweder einer festen Skala oder auch jeweils speziellen Erweiterungsformaten.
Die Punktekosten sind für jedes Attribute unterschiedlich, und oft können Attributes noch genauer eingeschränkt oder spezifiziert werden. Hier wird jeder die meiste Zeit der Charaktererschaffung verbringen, weil man einzelne Attributes gegeneinander abwägt. Die Attributes sind in sehr allgemeiner Sprache gehalten, da sie ja für jede beliebige Kampagne herhalten sollen. Außerdem fallen hier ein paar Dinge auf:
Zunächst einmal gibt es sehr freie Attributes, deren Effekte quasi unbestimmt sind und vom Spieler in Absprache mit dem SL festgelegt werden. Das bedeutet natürlich, dass diese Attributes nicht von vornherein ausgewogen sind – eine entsprechende Warnung findet sich im Text. Hier kommt die Auffassung der Autoren zum Tragen, dass ein Missbrauch ein Problem des Spielers darstellt, was ich ein wenig zu einfach finde, selbst für erfahrenere Gruppen.
Zweitens gibt es »Items«, also Gegenstände. Diese müssen bezahlt werden, als wären sie Fähigkeiten. Im Grunde ist es also gleich, ob ein Magier Punkte für seinen Feuerball ausgibt oder ein Kämpfer Punkte für sein Schwert. Er muss letzteres nicht mit Gold kaufen, sondern mit Charakterpunkten. Das halte ich für eine interessante Variante, um die Ausrüstung auf die Gruppe abzustimmen. Gleichzeitig bedeutet dies aber, dass der SL die Ausrüstung nicht dauerhaft wegnehmen sollte, da der Spieler schließlich seine Charakterpunkte dort hinein investiert hat.
Spielbeispiel 1: Um das klarer zu machen, werde ich hier ein paar klassiche D&D-Zauber umsetzen, obwohl mein Paladin diese natürlich nicht wirken kann. Angriffszauber werden wie jeder andere Angriff auch gehandhabt. Grundsätzlich empfiehlt sich hier die Einschränkung »Activation«, dass der Zauber also auf Kosten von Aktionen und Verteidigung aktiviert werden muss. »Feuerball« wäre z.B. als Waffe 5 (Area 3, Range 3, Activation) denkbar, was einem Radius von 10m und einer Reichweite von 100m entspräche. »Fliegen« mit Flight 2 (Duration 4, Target 2, Activation, Concentration) würde es erlauben, 5 Leute für 10 Minuten mit 30 km/h fliegen zu lassen, solange man sich auf den Zauber konzentriert.
BESM kann verschiedene Magiesysteme unterstützen. Es könnte ein völlig kostenfreies System sein, bei dem man quasi zauberähnliche Fähigkeiten besitzt, die man nach Gutdünken einsetzt. Oder man kann die Nutzung auf Ladungen beschränken, z.B. 3/Tag. Man kann der Fähigkeit einen »Backlash« zuordnen, die Möglichkeit, Schäden wie z.B. Gedächtnisverlust oder Krankheiten zu erleiden – Raistlin aus den Drachenlanze-Romanen wäre dafür ein gutes Beispiel. Oder man verlangt einen Fokus oder andere Ausrüstung. Man kann auch ein Energiepunktesystem verwenden, oder verlangen, dass zwischen einzelnen Nutzungen Zeit vergeht. Diese Möglichkeiten kann man natürlich auch kombinieren oder mixen. Einzig die »Vancian Magic« des D&D-Memorisierens lässt sich nicht so einfach umsetzen.
Spielbeispiel 2: Zurück zum Paladin. Ich möchte Berandor eine gute Rüstung geben, ein Drachentöterschwert sowie natürlich das klassische Handauflegen (auch gegen Untote), das Paladinpferd, die Krankheitsimmunität und Böses Niederstrecken. Ich kaufe Armour 5 für 10 Punkte und habe damit einen Plattenpanzer (Rüstungswert 10). Sein Langschwert ist eine Weapon 5 (Target: Dragons 2, Linked (Weapon 2, Aura 2)) – es ist ein Flammenschwert (die zweite »Waffe«), dessen Grundschaden gegen Drachen verdoppelt wird, und kostet 19 Punkte. Da sowohl Rüstung als auch Waffe als Gegenstände gelten, zahle ich jeweils die Hälfte (aufgerundet): 5 bzw. 10 Punkte.
Handauflegen ist Healing 2 (Charges 2) für insgesamt 2 Punkte, womit Berandor dreimal am Tag 20TP heilen kann. Ebenso ist die Anwendung gegen Untote eine Weapon 4 (Charges 2, Exclusive: Undead, Contact 2) für 3 Punkte. Zusätzlich verleihe ich beiden den Zusatz »Unique«, da die beiden Attributes gemeinsam von den 3 Ladungen pro Tag zehren. Damit verringere ich die Kosten noch einmal und bezahle insgesamt nur 3 Punkte. Die Krankheitsimmunität ist Special Defence: Disease 2 für 4 Punkte. Das Pferd ist ein Companion 1 und kostet 60 Punkte (so viele Charakterpunkte hat das norrmale schwere Streitross – ich könnte es verbessern und mehr Punkte ausgeben). Böses Niederstrecken schließlich ist eine Weapon 2 (Unique, Exclusive: Evil, Charged 1) für 4 Punkte, wobei ich mit dem Unique die Tatsache abdecke, dass sich diese Waffe auf den normalen Waffenschaden addiert.
Bislang habe ich also 5+10+1+2+4+60+4 = 86 Punkte ausgegeben und habe noch 94, um sie in Fertigkeiten und andere Attributes zu stecken. Um das Ganze etwas abzukürzen, nehme ich noch Massive Damage: Longsword 2 (8 Punkte), Attack Combat Mastery 3 (30 Punkte) und Defence Combat Mastery 2 (20 Punkte). Damit verbessere ich meinen Angriff um 3, die Verteidigung um 2 und erhöhe den Schadensmultiplikator für das Langschwert um 2. Diese Attributes könnten natürlich ebenfalls noch eingeschränkt werden, aber das spare ich mir. Nach diesen Zusatzkosten von 58 Punkten bleiben mir also noch 26 Punkte übrig.
Habt ihr das alles mitbekommen? Wie man merkt, kann es da sehr leicht unübersichtlich werden, zumal die Attributes alle verschiedene Kosten und Progressionen haben. Auch muss man sich mehr oder weniger darauf verlassen, dass die unterschiedlichen Punktekosten tatsächlich halbwegs ausgewogen sind – selbst bei Spielern, die die Regeln nicht ausnutzen, können sich sonst Probleme ergeben. Wenn ihr euch übrigens fragt, wie es sich mit dem Geld verhält – auch »Wealth« ist ein Attribute, das jedoch erst greift, wenn man wirklich reich ist. Der erste Punkt in diesem Attribute verleiht ein Barvermögen von grob 300.000 Dollar (10 Euro), der zweite Punkt kennzeichnet einen Millionär. Normale Charaktere werden in der Regel keinen Punkt in diesem Attribute haben und trotzdem Nahrungsmittel kaufen können.
Chapter 6: Skills Der nächste Schritt der Charakererschaffung ist die Festlegung von »Skill Specialisations«. Dazu braucht man aber erst einmal Skills, also Fertigkeiten. Diese sind streng genommen auch Attributes, erhalten aber ihr eigenes Kapitel. Skills können zwischen 1 und 3 Punkte pro »Rang« kosten, je nachdem, welche Art von Kampagne man spielt. Hier liefert BESM eine dreiseitige Tabelle mit den üblichen Kosten für alle möglichen Kampagnenarten.
Ein Skill gibt +1 auf den Würfelwurf pro Rang, es gibt maximal 6 Ränge. Mit einem oder zwei Rängen ist man schon geübt, also z.B. eine Krankenschwester oder ein Leutnant im Militär. Um ein Auto fahren zu können, benötigt man an sich keine Ränge. Skill Specialisations bringen für das spezielle Gebiet einen weiteren Bonus von +1; die erste Spezialisierung pro Skill ist kostenlos, man kann aber zusätzliche kaufen.
Spielbeispiel: Für Berandor halte ich mich an die Skala für High Fantasy. Ich entscheide mich für die folgenden Skills und Specialisations: Etiquette 2 (Upper Class) [4 Punkte], Intimidation 1 (Political) [2], Law 2 (Political) [2], Medical 2 (Emergency) [4], Military Sciences 2 (Teamwork) [6], Riding 2 (Horse) [4]. Insgesamt also 22 Punkte – ich habe noch vier Punkte übrig.
Wie man sehen kann, sind die Namen der Skills relativ generisch; BESM empfiehlt, diesen stattdessen der Kampagne angepasste Namen zu geben. Statt Medical könnte also Wundheiler oder Feldscher verwandt werden, Military Sciences als Kriegskunde durchgehen. Den Skills sind jeweils ein oder mehrere Stats zugeordnet, die einen Würfelwurf ebenfalls beeinflussen. Etiquette z.B. funktioniert mit Mind; auf einen Würfelwurf würde man also die Ränge im Skill sowie den Wert in Mind addieren. Andere Skills sind offener: Intimidate könnte mit allen drei Stats gewürfelt werden, je nach Art der Einschüchterung.
Chapter 7: Defects Zum Abschluss kann man seinem Charakter noch Nachteile verleihen, eben »Defects«. Diese kommen in drei Varianten: lesser, greater und serious. Je nach Einordnung bringen sie unterschiedlich viele Charakterpunkte, die man in Attributes oder Stats stecken kann. Die meisten Defects haben drei Abstufungen, je schwerwiegender ihre Auswirkung auf die Kampagne ist, nämlich leicht, mittel und schwer. Die Effekte können sich in diesen Stufen stark unterscheiden. Andere Defects verlaufen auf einer rein rechnerischen Basis, also z.B. –1 auf bestimmte Würfe pro Punkt, den man durch sie gewinnen möchte.
Spielbeispiel: Wie ich zu Beginn schon erwähnte, hat Berandor in seiner Karriere gerne mal Ausdauerproben verhauen. Also gebe ich ihm Less Capable [Endurance 2]. Damit hat der Charakter, wenn es um Ausdauer geht, einen um 2 Punkte niedrigeren Wert in Body. Dies bringt mir 2 zusätzliche Charakterpunkte. Der zweite Defect betrifft den Paladinkodex. Hier schwanke ich zwischen Owned – der Charakter gehört einer festen Organisation an, die ihm befehlen kann – und Special Requirement – der Charakter muss bestimmte Auflagen erfüllen, um voll einsatzfähig zu sein. Da beide Greater Defects sind, ist die Entscheidung aber letztendlich egal. Da der Paladinkodex oft vorkommt, aber in den meisten Kampagnen nicht extrem hinderlich ist, wähle ich die mittlere Abstufung und habe daher Special Requirement (Kodex) –4. Wie man sich denken kann, bringt mir das vier weitere Charakterpunkte.
Insgesamt habe ich 10 Punkte übrig (4 ohnehin, 2+4 wg. Defects). Diese investiere ich in weitere Attributes. Ich wähle noch Organisational Ties 3 für 6 Punkte, da Berandor Anführer der Falken von Unterbrück ist, einer kleinen Abenteurergruppe, die durchaus schon von sich reden gemacht hat. Und ich kaufe ihm einen Schild als Item (Shield 2) für (bereits halbierte) 4 Punkte.
Chapter 8 : Finishing Touches Zum Schluss müssen wir noch ein paar Werte errechnen: Base Combat Value sowie Attack und Defence Combat Value, Damage Multiplier, Health Points, Energy Points, Shock Value. Combat Value ist der Angriffs- bzw. Verteidigungswurf. Dieser errechnet sich aus dem Schnitt der drei Stats plus etwaige Attributes. Gut finde ich hierbei, dass alle Stats für diesen Wert entscheidend sind. Selbst für den reinen Kämpfer gibt es also keinen »dump stat« per se. Der Damage Multiplier erhöht den Schaden und beträgt 5 + Attributes. Der Shock Value ist die Summe aus Body und Soul, Health Points sind das Fünffache davon (+ Attributes). Health Points sind die klassischen Trefferpunkte, wohingegen der Shock Value bei harten Treffern dafür sorgen kann, dass man kurzzeitig betäubt ist. Für den Schaden ist es vielleicht jetzt schon erwähnenswert, dass Rüstung diesen verringert, also quasi wie »damage reduction« funktioniert. Energy Points schließlich repräsentieren Müdigkeit, Hunger u.Ä., können Attributes speisen und als eine Form von Action Points benutzt werden. Dieser Wert errechnet sich aus der fünffachen Summe von Mind und Soul.
Spielbeispiel: Machen wir Berandor also fertig. Der Base Combat Value ist (6+4+7=17, 17/3=) 5. Attack Combat Value ist demnach dank Attack Combat Mastery 8, Defence Combat Value wird durch Defence Combat Mastery und den Schild modifiziert und beträgt daher 9. Damage Multiplier ist 5 bzw. 7 mit Langschwertern, Shock Value ist 13, Health Points 65 und Energy Points 55.
Wenn wir Berandor jetzt statistisch erfassen, sieht das also so aus: Berandor (350 CP) Body 6 / Mind 4 / Soul 7 Attack Combat Value 8 Defence Combat Value 7 (9 with shield) Damage Multiplier 5 (7 with longsword) Health Points 65 / Shock Value 13 / Armour 10 (12 with shield) Energy Points 55 Weapons Longsword (43 + 10 fire; vs. dragons 86 + 10) Smite Evil (6/day, +10 damage vs. evil) Lay on Hands (3/day; heal 20 or deal 28 to undead with touch) Skills Etiquette 2 (Upper Class) +6 Intimidation 1 (Political) Law 2 (Political) +6 Medical 2 (Emergency) +6 Military Sciences 2 (Teamwork) +6 Riding 2 (Horse) +8 Special Less Capable (Endurance 2) Special Requirements (Kodex) –4 Companion (Fury, heavy Warhorse, 60 CP) Special Defence (Immunity to Disease) Organisational Ties 3 (Falken von Unterbrück)
Das ist der gesamte Charakter. Ein paar Werte muss ich hier noch erklären. Die Skillwerte ergeben sich aus den zugeordneten Stats; Intimidation ist wie gesagt nichts zugeordnet, der Rest (außer Riding) gehört zu Mind. Was soll die Zahl hinter dem Langschwert und den anderen Waffen? In BESM ist der Schaden grundsätzlich festgelegt und besteht aus der Waffenstärke mal dem Multiplikator plus dem Angriffswert (daher auch das Handauflegen von 28 Schadens- oder 20 Heilpunkten). Sekundärer Schaden (z.B. die Feueraura) profitiert nicht von den erhöhten Modifikatoren und addiert auch nichts mehr auf. Zu guter Letzt steht der Schild nur hinter dem Rüstungswert, weil je nach Regel der Schild auch DR geben kann anstelle eines Verteidigungsbonus. Die Zahl dient also der Vollständigkeit.
Chapter 9: Templates Das nächste Kapitel bezieht sich zurück auf den vierten Schritt der Charaktererschaffung. Da man in BESM alles mit Punkten kauft und zusammenstellt, fallen unter die Stats und Attributes natürlich auch Völker bzw. Klassen. Um die Erschaffung aber etwas zu erleichtern, gibt es Templates, also vorgefertigte Bündel, die man zu den normalen Punktekosten kaufen kann. Ein Zwerg (Dwarf) kostet z.B. 30 Punkte, ein Vampir (Vampire) 160 Punkte. Die vorgegebenen Racial Templates stammen aus Fantasy, Animes (Giant Living Robot) und Science Fiction/Space Opera (Woolie, also »Wookie«). Es gibt natürlich auch Occupational Templates aus verschiedensten Bereichen: Ninja (190 CP), Mecha Pilot (140 CP) oder auch Student (60 CP).
Nach den Occupational Templates folgen ein paar Power Templates, mit denen man seine Attributes verändern kann, um eine bestimmte Quelle zu suggerieren. Göttliche Kräfte (Divine) müssten demnach durch ein Gebet aktiviert werden, funktionieren nur dreimal am Tag, sind klar erkennbar (der Charakter glüht) und klappen nur, wenn der Charakter gläubig genug ist. Zauberei wiederum hat die Möglichkeit, dem Zauberer zu schaden, benötigt einen Fokus und kostet Energy Points. Nach den Power Templates folgen noch zehn magische Beispieleffekte.
Die Templates können die Charaktererschaffung beschleunigen und auch einen guten Anfangspunkt setzen, von dem man ausgeht. Es ist ja auch möglich, das Fähigkeitenpaket zu nehmen und zu verändern, indem man z.B. beim Student anstelle der sportlichen Fähigkeiten Okkultes einbaut.
Chapter 10: Game Mechanics Ein wenig habe ich diesem Kapitel schon vorgegriffen, als ich oben den Beispielscharakter beschrieben habe. Jetzt aber tauchen wir richtig ins System ein. BESM verwendet eigentlich nur zwei Zeitbegriffe, die Runde und die Szene (Round bzw. Scene), um das Spiel zu beschreiben – Effekte wiederum werden durchaus in Minuten o.Ä. gemessen. Die Runde umfasst 1-10 Sekunden, üblicherweise 3-4; die Szene ist ein zusammenhängendes Ereignis (die Audienz, die Verfolgung, usw.).
BESM benutzt zur Abwicklung 2W6, wobei man analog zum d20-System »sechs nehmen« kann. Auf diese 2W6 kommen Modifikatoren aus Stats und Skills oder auch Combat Values. Man muss dabei eine vorgegebene Zielgröße zumindest erreichen. Diese Target Number (TN) kann zwischen 6 (sehr leicht) und 24 (hammerschwer) liegen und noch weiter durch den SL modifiziert werden, in den Schritten 1, 3, 6, 12, 18 jeweils als Bonus oder Malus auf den Wurf.
Im Grunde genommen erinnert das System stark an das d20-System, weshalb ich mich hier gut zurechtfand. Natürlich gibt es Regeln für Würfe auf Skills, in die man keine Punkte investiert hat (entweder kein Problem oder ein Abzug oder Unmöglich).
Kommen wir zum Kampf. In BESM beginnt der Kampf mit Initiativewürfen – höhere Initiativen agieren zuerst, und die Initiative bleibt den Kampf über gleich. Bei seiner Aktion kann der Charakter nun abwarten (in etwa »ready action«), eine normale Aktion durchführen, eine taktische Aktion (z.B. Zielen) oder einen Angriff starten. Zusätzlich zu seiner Aktion kann sich der Charakter ein wenig bewegen (falls gewünscht, werden auch Entfernungen angegeben, dies ist allerdings nicht zwingend) und ein paar Worte sagen. Dabei hat der Charakter nur einen Angriff, der durch den Verteidigungswurf des Gegners abgewehrt werden kann. Es ist also das alte Attacke-Parade-Spiel. Aber bevor jemand »DSA!« schreien kann: Es gibt eine kleine Anpassung dieses Systems, die bei mehreren Gegnern zum Tragen kommt und m.E. das System spielbar macht: Nach der ersten Parade nämlich werden alle weiteren mehr und mehr erschwert – wobei hier wiederum ineffektive Angriffe keine Paraden aufbrauchen.
Ein erfolgreicher Angriff verursacht nun den festen Schaden der Waffe abzüglich der Rüstung des Gegners. Übertrifft der Angriffswurf die Verteidigung um 12 oder mehr, handelt es sich um einen kritischen Treffer für doppelten Schaden, bei 18 oder mehr sogar für dreifachen Schaden. Fallen die Health Points eines Charakters auf 0, so wird er bewusstlos. Erreicht der Schaden das Doppelte dieser Punkte, so stirbt der Charakter ohne sofortige medizinische Hilfe. Energy Points können schließlich (von SC und wichtigen NSC) ausgegeben werden, um für je 10 Punkte ein +1 auf einen Wurf zu erhalten, maximal in Höhe des Soul-Werts des Charakters. Eine Zusatzregel ermöglicht, für 50 Energy Points das Spielgeschehen direkt umzudeuten (»Der Ork hält inne, als er in mir einen alten Saufkumpanen erkennt.«). Energy Points kann man nur einsetzen, wenn es sich um eine kritische Situation handelt (SL-Entscheidung).
Spielbeispiel: Berandor begegnet nachts auf Patrouille drei Schlägertypen. Die Werte der Schläger: Attack 5 (Base 4, Langschwert 20), Defence 5, Health Points 60 (Armour 6). Den Grundangriffswert habe ich hinzugefügt, weil dies der Initiativemodifikator ist. Die Schläger haben ein Attribute, das ihnen speziell den Angriff mit dem Schwert verbessert. Bei Berandor zählt der volle Wert von +8 auf die Initiative. Mit einer gewürfelten 8 ist er dann auch als erster dran, danach erst sind die Schläger an der Reihe.
Berandor geht einen Schritt vor und zieht als Aktion seinen Drachentöter. »Ihr verschwindet besser.« Der SL lässt ihn einen Einschüchterungswurf mit Body ablegen und entscheidet sich für eine normale TN von 12, allerdings mit einem Malus von –1, weil die Schläger in der Überzahl sind. Berandor würfelt 5 +6 (Body) +1 (Skill) –1 (Malus) = 11. Fehlschlag. Als sie ihre Initiative erreichen, fächern die Schläger ein wenig auseinander und ziehen ihrerseits ihre Schwerter. Der Kampf beginnt.
Berandor weiß, dass er die Schläger schnell dezimieren muss. Er benutzt Smite Evil und schlägt zu: 7+8 = 15 gegen den Verteidigungswurf des ersten Schurken (S1) von 5+5 = 10. Der Schlag trifft und verursacht 43 +10 Feuer +10 Smite Evil –6 (Rüstung) = 57 Schaden. Die Lederrüstung bewahrt S1 davor, direkt umgehauen zu werden.
S1 ist jetzt selbst dran. Er attackiert Berandor mit dem Mut der Verzweiflung. Er würfelt 7+5 = 12 gegen Berandors 6+9 = 15. Der Paladin blockt mit dem Schild. Der zweite Schurke (S2) folgt seinem Kumpel auf dem Fuß und würfelt 9+5 = 14. Berandor hat 8+9 = 17, aber für die zweite Verteidigung in dieser Runde erleidet er einen Abzug von –1: 16 genügt aber auch noch, um auch den zweiten Angriff abzuwehren. Der dritte Schurke (S3) lässt sich nicht lange bitten. Auch er attackiert den Paladin. Sein Angriff ist eine 8+5 = 13. Berandor würfelt 6+9 = 15, aber für den dritten Angriff erleidet er einen Abzug von –3, also bleibt nur eine 12 übrig. Von der Übermacht bedrängt, erleidet er einen kleinen Kratzer von 20 –10 (Rüstung) = 10 Schaden.
Berandor nimmt sich S2 vor und hofft auf einen kritischen Treffer. Wieder benutzt er Smite Evil. Er würfelt eine 9+8 = 17. Sein Gegner hat eine 5+5 = 10. Das ist die Gelegenheit. Obwohl die Situation nicht sehr dramatisch ist, erlaubt ihm der SL, Energy Points einzusetzen. Berandor setzt volle 50 Punkte ein und kommt mit +5 auf 22, also 12 mehr als sein Gegner. Der Grundschaden der Waffe wird verdoppelt und Berandor verursacht 43x2 + 10 Feuer +10 Smite = 106 Schaden! Da macht die Rüstung von 6 auch nix mehr aus. S2 sackt schwer verletzt und bewusstlos zusammen. Berandor sieht die anderen beiden Schläger an, und diese wissen, dass sie hätten verschwinden sollen...
Wie man sieht, ist der Kampf eigentlich recht simpel und schnell zu absolvieren. Allerdings kann durch den festen Schaden mit gleich bleibender Rüstung auch ein Rechenspiel entstehen – im obigen Beispiel war klar, dass ein einfacher Treffer die Schläger nicht umhauen konnte, sondern mindestens zwei Angriffe oder ein kritischer Treffer nötig war. Die Werte der Schläger habe ich i.Ü. aus dem »Game of Thrones«-Regelwerk entnommen.
Chapter 11: Expanded Game Mechanics Bislang hat man ein relativ einfaches Spiel, das in der Erstellung einige Zeit dauert, in der Abwicklung aber zügig abläuft und mit den einfacheren Regeln sogar sehr frei und fast würfellos stattfinden kann. Im elften Kapitel geht es in die andere Richtung, und das betrifft vor allem den Kampf. Hier folgen optionale Regeln für Angriffe mit zwei Waffen, gezielte Angriffe, Berührungsangriffe, Ringkampf, Abzüge durch Bewegung (des Angreifer oder Ziels), andere verteidigen, und mehr. Es werden Möglichkeiten vorgestellt, wie man den Waffenschaden variabler gestalten kann, indem man den Modifikator oder auch den Gesamtschaden an den Angriffs-, den Schadens- oder noch einen zusätzlichen Wurf koppelt. Schaden durch Stürze oder Verhungern wird behandelt, Wundabzüge, Exekutionen. Außerdem kommt hier der Shock Value ins Spiel: Verursacht ein Angriff Schaden in Höhe dieses Werts, könnte der Gegner für eine Runde betäubt werden oder sogar direkt ohnmächtig. In beiden Fällen muss ein Wurf auf Soul abgelegt werden (den S1 im Beispielkampf niemals hätte bestehen können). Die Anwendung von Attributes im Kampf wird noch einmal etwas ausgeführt, allerdings nur sehr knapp.
Diese optionalen Regeln sind sehr nett und beziehen sich, wie man sehen kann, eigentlich ausschließlich auf Kampf oder andere Schadensarten. Mir gefällt das, da es in meinen Augen einen Unterschied macht, ob ich als Hausregel Kampfoptionen entferne oder hinzufüge: Die Grundannahme bei D&D ist z.B., dass ich mit Grapple spiele, bei BESM spiele ich erst einmal ohne. Die wichtigste Frage will ich auch noch beantworten: der Ringkampf sieht mir ganz tauglich aus, hantiert aber auch mit unterschiedlichen Mali, was diese Regel nicht intuitiv macht. Aber das ist man als D&Dler ja gewohnt.
Chapter 12: Items In diesem Kapitel finden sich Waffen und Ausrüstungsgegenstände aller Art und vielerlei Ausprägungen, vom Knüppel bis zum Kampfroboter, von der Kettensäge bis zum Lichtschwert. Durch die Vielseitigkeit wird allerdings einiges an Breite aufgegeben, und es findet sich für jede »Epoche« nur eine begrenzte Auswahl Gegenstände. Allerdings helfen diese Listen dabei, eigene Gegenstände zu erschaffen, weil sie einen Vergleich ermöglichen: Da das normale Langschwert als Weapon 3 gelistet wird, ist der Drachentöter meines Beispielcharakters als Weapon 5 schon um einiges besser und ziemlich sicher magisch. Das Kapitel enthält schließlich noch Regeln, um Gegenstände zu zerbrechen oder zu zerstören (inklusive Gebäuden).
Chapter 13: Playing an Anime Game Je nachdem, mit welchem Ziel man BESM kauft, ist dies ein sehr nützliches oder völlig überflüssiges Kapitel. Hier werden stereotype Inhalte von Animes aufgeführt und erklärt, z.B. dass Elfen immer superlange Ohren haben. Außerdem gibt es eine Karte von und Infos über Japan bzw. Tokyo bzw. Shinjuku als klassischem Spielort solcher Geschichten. Diese Informationen sind tatsächlich sehr hilfreich, wenn man eine Kampagne an dem entsprechenden Ort und mit der entsprechenden Atmosphäre bespielen möchte. Die Informationen eignen sich dabei auch für Spieler, da hier wirklich nur klassische Spielelemente und grobe Informationen geliefert werden und sich das nächste Kapitel eher mit dem Leiten der jeweiligen Kampagne beschäftigt.
Chapter 14: Game Mastering an Anime Game Hier folgt also der Ratgeberteil: Welche Elemente kann oder sollte ein Animespiel haben, wo kann man Abenteuer stattfinden lassen, in welche Epoche kann ich gehen? Welches Genre bietet sich an, wie erstelle ich ein Abenteuer? Nach diesen generellen SL-Fragen wird das Shojo-Genre genauer beleuchtet mit Augenmerk auf den definierenden Elementen, Charakterrollen, und was man sonst noch beachten sollte. Dieser Teil geht sehr ins Detail und ist für mich als mehr oder weniger Laien extrem informativ gewesen. Ich würde mir zutrauen, nach diesem Teil eine halbwegs vernünftige Shojo-Kampagne zu erstellen, allein fehlt mir das Interesse an »Mila – Volleyball und RPG«. Das Kapitel endet mit Ratschlägen für die Vergabe von Erfahrungspunkten (Standard: 1-5 CP pro Sitzung) und ein paar Hinweisen für den SL, die allerdings auch einen konkreten Spielstil fördern: »Keep dice rolling to a minimum.«
Chapter 15: Anime Multiverse Im letzten Kapitel wird das Standard-Setting vorgestellt, das passend zur Reichweite des Systems als Multiversum beschrieben wird. Grob gesprochen ist dies ein Netz aus verschiedenen, durch Tore verbundenen Welten. Da gibt es die Erde und die folgenden sechs Prime Worlds (sowie andere, nicht näher beschriebene Welten): »Aradia, a paradise inhabited by the angelic Asrai and the fairy; Bazaroth, a hell inhabited by demons and damned souls; Cathedral, a mysterious pirate haven in the heart of a cluster inhabited by strange hyperspatial ›plasma birds‹; Enid, a world devastated by heavy weather, where two opposing alliances are engaged in a global war fought with giant robots and psychic weapons; Ikaris, a medieval world dominated by powerful sorcerers and warring clans; Imago, a high-tech reality-punk world controlled by powerful megacorps.«
Das Buch selbst spricht davon, dass hier die Genres Erde, Post-Apokalypse, Fantasy, Space Opera, (Cyber-)Punk, Horror und »Angelic« abgedeckt werden sollen. Berücksichtigt man, dass diese sieben (oder sechs, ohne die Erde) Welten auf fünfzehn Seiten Platz finden, ahnt man, wie grob die Beschreibung ausfällt. Dem Kapitel folgen noch ein detaillierter Index und ein Charakterbogen, der zwar farbig codiert ist, aber dennoch ziemlich für die Katz. Denn entscheidende Spielwerte finden darauf nicht Platz (Schaden, Rüstung, Skillboni, usw.), und das Feld für die Attributes ist zu klein, wenn man die ganzen Zusätze berücksichtigt, mit denen man diese verändern kann. Da wäre eine zweiseitige Variante besser gewesen (Seite 1: Werte, Seite 2: die genauen Attributes und ihre Kosten).
Fazit: Big Eyes, Small Mouth 3rd Edition ist ein optisch sehr gelungenes Buch, das ein für meinen Geschmack gut spielbares, schnelles System enthält. Allerdings ist das System wegen seiner Komplexität und auch wegen der Flexibilität einiger Fähigkeiten (und der Gefahr des Ausnutzens derselben) eher für erfahrenere Spielgruppen geeignet – Anfänger könnten bei der Masse an möglichen Attributes schnell den Überblick verlieren.
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass BESM als Grundregelwerk für eine Vielzahl von Kampagnen angelegt wurde. An sich ist das wenig problematisch, aber Tatsache ist, dass dieses Buch wahrscheinlich das einzige Buch zu dem System bleiben wird. Daher gibt es weder detailliertere Settings, noch Abenteuer, oder auch nur Beispiel-NSC oder Monster. Der Spielleiter muss für seine Kampagne nahezu alle Arbeit selbst machen, und das wiederum kann dank der komplexen Erschaffung und dem Fehlen von NSC-Regeln länger dauern. Wenn man nicht (wie ich) das »Game of Thrones« hat, liegen einem zudem nicht einmal Vergleichscharaktere oder –monster vor, die einem die Punktezahlen für entsprechende Figuren zeigen.
Es gibt im Internet das BESM-Wiki und auch das GoO-Fan-Forum, wo man Hilfe und die Arbeit anderer bekommen kann. Selbst dann ist und bleibt BESM aber ein do-it-yourself-Spiel, das durchaus gelungen wirkt. Es ist aber fraglich, ob sich die Mühe wirklich lohnt, oder ob man nicht ähnlich vielseitige Systeme wie d20, Gurps, Storyteller oder wie sie alle heißen vorziehen sollte, da man dort wenigstens Zusatzmaterial bekommt. So gut ist das System nämlich nicht, dass diese Frage nur rhetorischer Natur wäre.
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