Das Jahr des GreifenInhaltsangabe Eigentlich möchte Marican, ein Inquisitor des Gottes Praios, die Stadt Greifenfurth für den Prinzen Brin befreien. Schnell sind die Orks zurückgeschlagen und Marcian wird als Held gefeiert, doch es bleibt nicht lange bei diesem Erfolg. Sobald die Orks zurückgedrängt sind, kommt es zu bestialischen Morden, für die die Bürger keine Erklärung finden. Die Opfer sind meist junge, hübsche Frauen, deren Leichen verunstaltet vorgefunden werden. Damit nicht genug, starten die Orks schon bald immer wieder neue Angriffe gegen die Stadt. Trotz der immensen Verluste geben sie nicht auf. Auch die Truppen Marcians schwinden langsam und er hofft auf Verstärkung. Weiter schwindet der Widerstandswille der Bürger langsam, denn zu groß sind die Verluste und zu fern scheint der endgültige Sieg. Dann gibt es auch noch den Henker Zerwas, gegen den Marcian immer mehr Misstrauen hegt. Hat er vielleicht etwas mit den Morden zu tun oder ist Marcian nur neidisch, dass Zerwas trotz seines niederen Standes beliebter unter den Bürgern ist als er selbst? Schnell stellen alle Beteiligten fest, dass es in dieser Schlacht keine Gewinner sondern nur Verlierer geben kann. Unterschiedliche Parteien verbinden sich miteinander, um den Gegner zu bekriegen und sich dann wieder gegenseitig zu verraten. Es scheint, dass es hier nicht mehr um die Vorherrschaft in dem Gebiet geht, sondern etwas anderes dahinter steckt. Vielleicht haben die aggressiven Zerstörungen des Praiostempel während der Herrschaft der Orks, etwas damit zu tun? Neben diesem politischen Konflikt stehen ebenfalls Freundschaft und Liebe im Mittelpunkt. Weiter wird die Geschichte durch viele detail- und facettenreiche Charaktere lebendig gestaltet. Immer wieder rückt die Hauptstory in den Hintergrund, um die individuellen Geschichten dieser Protagonisten zu erzählen.
Qualität & Stil Die Zusammenarbeit zwischen Hohlbein und Hennen ist sehr gut gelungen, man erhält hier das Beste aus beiden Lagern. Hohlbein weiß, wie er mit Spannungsbögen arbeiten muss, hat eine flüssige Schreibweise und gute Ideen. Hennen hingegen bringt liebevolle Details in das Buch ein: unerwartete Wendungen und Anti-Helden ebenso wie sympathische Bösewichte. Man würde erwarten, dass die Belagerung einer Stadt, welche sich über 700 Seiten zieht, doch sehr langweilig wird. Doch aufgrund der vielen Charaktere mit ihren individuellen Zielen und den dadurch entstehenden Wendungen gelingt es den Autoren, das Interesse des Lesers aufgrund von einzelnen Spannungsbögen aufrecht zu erhalten. Von Zeit zu Zeit tritt die Befreiung der Stadt in den Hintergrund und die unterschiedlichen Protagonisten rücken in den Vordergrund. Ihre Geschichte, Verhaltensgründe und Ziele werden meist sehr detailliert beschrieben und fügen sich gut in das Gesamtgeschehen ein.
Abenteuermaterial Es gibt zu dem Roman noch zwei Abenteuerbücher des Rollenspielsystems DSA. Die Abenteuer stammen aus Bernhard Hennens Feder, sind also ohne Zusammenarbeit mit Hohlbein entstanden. Die Abenteuerhefte sind das ‚Abenteuer Nummer 46 – Das Jahr des Greifen I – Der Sturm’ und ‚Abenteuer Nummer 56 – Das Jahr des Greifen II – Die Entscheidung’. Die Idee, Romane und Abenteuerbücher dazu herauszubringen halte ich für sehr gut, da der SL so gleichzeitig einmal einen interessanten Roman liest und andererseits Würfelhilfen, Beschreibungen und Tipps zum Leiten einer Gruppe erhält. Er kann sich durch das Lesen des Romans zunächst in die Geschichte einfinden und dann anhand des Abenteuerbuches seine Kampagne leiten. Diese Bücher lassen sich nicht nur für das System DSA verwenden, sondern auch für jegliche andere High-Fantasy-Systeme einfach umarbeiten. Leider sind die Abenteuerbücher inzwischen vergriffen und eine Neuauflage ist offensichtlich nicht geplant. Dennoch stellt schon der Roman an sich eine gute Grundlage für eine Kampagne dar, wobei es recht viel Arbeit vom SL erfordert, diesen Roman für eine Rollenspielgruppe umzuarbeiten. Wer allerdings an einem Kriegsabenteuer interessiert ist und Schwierigkeiten bei der Umsetzung hat, ist hier gut bedient.
Unterschiedliche Versionen Im Jahre 2001 ist der Sammelband ‚Das Jahr des Greifen’ (ISBN 978-3404146123) im Lübbe-Verlag erschienen. Da diese Version offensichtlich nicht mehr nachgedruckt wird, und die Lizenzen vom Nikol-Verlag übernommen wurden, erscheint das DSA-Buch nun als Dreiteiler. Der erste Band heißt ‚Das Jahr des Greifen – Der Sturm’; Band 2 ist ‚Das Jahr des Greifen – Die Entdeckung’. Und der dritte und letzte Teil ist ‚Das Jahr des Greifen – Die Amazone’. Ich würde, solange er noch verfügbar ist, den Gesamtband empfehlen, da er um einiges preiswerter ist.
Fazit: ‚Das Jahr des Greifen’ ist eines der besten Bücher, die ich seit langem gelesen habe. Zunächst stand ich dem Buch etwas kritisch gegenüber, da ich keinerlei Vorkenntnisse über die Spielwelt ‚Aventurien’ hatte. Doch ich habe festgestellt, dass diese Vorkenntnisse nicht benötigt werden, da die meisten wichtigen Götter oder Schauplätze innerhalb des Buches noch einmal kurz erläutert werden. Angenehm war, dass das Ende schon zu Beginn des Buches klar war und somit mehr die Frage im Raum stand, wie die Stadt befreit wird und welche Opfer diese Befreiung fordert. Auch treten die einzelnen Charaktere mit ihren individuellen Geschichten so in den Vordergrund, die zwar oft scheinbar unabhängig von der Grundstoryline geschehen, aber schließlich doch ihren Teil zum Krieg beitragen. Ein relativ hohes Maß an Gewalt und realistischer Darstellung ist auch in diesem Buch Bernhard Hennens zu finden. Oft ist man darüber schockiert, wie grausam einige Charaktere sich verhalten können, doch stellt er dies nicht in den Mittelpunkt. Doch der Schock darüber, dass man diesen bösen Charakter doch sehr sympathisch findet und sein Handeln meist sogar nachvollziehen kann, ist schlimmer als das eigentliche Geschehen. Obwohl das Buch sich um Marcian und die Befreiung Greifenfurths dreht, versäumt es Hennen auch hier nicht, die Geschichte auch aus der Perspektive der Orks zu erzählen. Der Leser kann sich hier für eine der beiden Seiten entscheiden, da jede Partei ihre Beweggründe besitzt. Der positivste Aspekt an dem Buch war, dass es keine geradlinige Story hat, sondern durch viele Einzelereignisse ausgeschmückt wird. Oft wird wieder auf unbedeutende Ereignisse zu Beginn des Buches zurückgegriffen, und diese treten in den Vordergrund. Es gibt wenige Ereignisse, die nur als Lückenfüller fungieren, alles trägt seinen Teil zum großen Ganzen bei, auch wenn dies dem Leser erst viel später bewusst wird. Mein größter Kritikpunkt an diesem Buch ist, dass mit Hohlbeins Namen geworben wird, wobei dieses Buch eindeutig von Bernhard Hennen stammt. Deutlich wird dies, wenn man sich die Abenteuerbücher durchliest, die schon alle Charaktere beinhalten und auch auf die gut durchdachte Story hinweisen. Ich streite zwar nicht ab, dass Wolfgang Hohlbein sicherlich seinen Teil zu diesem sehr guten Roman beigetragen hat, aber sicherlich nicht in der Form, die das Cover suggeriert. Weiter würde ich jedem begeisterten Leser dieses Buches und Spielleiter nahe legen, sich die Abenteuerbände zu Gemüte zu führen.
ISBN Nummern: 978-3404146123 (Gesamtband) 978-3937872490 (1: Der Sturm) 978-3937872506 (2: Die Entdeckung) 978-3937872513 (3: Die Amazone)
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