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Drachenbrut»Temeraire, würden Sie so freundlich sein, mich Ihnen das anlegen zu lassen? Dann können wir Sie hier am Deck festmachen und Ihnen etwas zu essen bringen.« Temeraire untersuchte das Geschirr, welches ihm Laurence entgegenstreckte, und seine schmale Zunge schnellte hervor, um den Geschmack zu prüfen. »Nun gut«, sagte er und verharrte erwartungsvoll.
Vorwort »Drachenbrut« ist der erste Teil einer bislang auf vier Romane angewachsenen Reihe um den Drachen Temeraire und seinen Reiter Will Laurence. Eigentlich müsste der Titel »Drachen Brut« heißen, da blanvalet auf den Trennstrich im Titel verzichtet hat. Darauf sei hier der Form halber hingewiesen.
Der Plot Will Laurence hat seinen Weg gemacht. Gegen den Willen seines Vaters ist er zur See gefahren und hat es geschafft, den Rang eines Kapitäns zu erreichen. Da fällt ihm als Teil der Kriegsbeute eines französischen Schiffes ein Drachenei in die Hände, das kurz vor dem Ausschlüpfen ist. Ein geschlüpfter Drache ist in der Regel weniger wert, da ihm die Luftwaffe kein Zaumzeug verpassen und ihn zähmen kann. Will bleibt nur, einen aus seiner Crew zum Drachenreiter zu machen und zu versuchen, den Drachen an Bord zu zähmen. Leider sucht sich der Drache ausgerechnet Will als Reiter aus, und so muss dieser von seinem Leben auf See Abschied nehmen und sich mit einem Leben unter den mehr oder weniger ungehobelten Drachenreitern anfreunden.
Zum Glück stellt er fest, dass die Verbindung mit einem Drachen eine sehr enge und tiefe Freundschaft bedeutet, und er findet sich auch unter den Piloten nach anfänglichen Schwierigkeiten gut genug zurecht, um mit Temeraire – so heißt der Drache – die Grundausbildung zu überstehen. Gerade rechtzeitig, bevor Napoleon mit seinem übermächtigen Drachenheer die englische Küste angreift und die neuen Piloten einer ersten Bewährungsprobe unterzogen werden...
Der Stil Naomi Novik schreibt in einer leicht distanzierten dritten Person, die zugleich sowohl die Zeit der napoleonischen Kriege widerspiegelt als auch moderne Leser nicht abschreckt. Wer »Jonathan Strange & Mr. Norrell« gelesen hat, sieht auf den ersten Blick, dass Noviks Versuch dabei wesentlich mondäner auskommt als der Stil Susanna Clarkes. Trotzdem ist es ganz amüsant, die fast schon stereotype Freundlichkeit und Höflichkeit der englischen Armee zu erleben und Wills Probleme, wenn er mit weiblichen Drachenreitern konfrontiert wird – gehören Frauen für ihn doch in ein sicheres Heim und nicht an die Front. Trotzdem gibt Will relativ schnell den modernen Anwandlungen nach, die sich in demokratischen Ideen oder auch schnellem Sex äußern. Dabei ist all das trotzdem sehr schön zu lesen.
Viel schwerer wiegt da die Konstruktion des Plots. Während Naomi Novik zwar Konflikte aufbaut und präsentiert, sind sie alle viel zu schnell und einfach überwunden. Beziehungsprobleme, die Aufgabe des Lebens zur See, Verletzungen, Misshandlungen, Meinungsverschiedenheiten, Kämpfe – alles bahnt sich bedrohlich an und ist dann mit einem Satz ausgesprochen und vorbei. Niemals gerät Will Laurence in wirkliche Schwierigkeiten oder Gewissensnöte, niemals hat er wirklich einen Feind, der ihm im Weg steht, usw. Insofern lässt sich Drachenbrut zwar angenehm lesen, ist aber fast völlig unspannend und vor allem gänzlich belanglos über den Kitzel der Grundidee hinaus, nämlich Drachen in die napoleonischen Kriege einzubauen.
Fazit Die Tatsache, dass selbst seine besten Freunde Will mit seinem Nachnamen titulieren (so dass man ab der Hälfte des Buches stillschweigend annimmt, sein Vorname sei Laurence), ist nicht der einzige Fleck auf Naomi Noviks Weste. Da sich die Konflikte wie eine Brausetablette von selbst auflösen, ist Drachenbrut eine kurzweilige, aber letztendlich unnötige und verschenkte Lektüre. Trotz des eingängigen Stils habe ich ganz eindeutig keine Absichten, mir die weiteren Bücher zu besorgen. Drachenfreunde können aber trotzdem einen Blick riskieren.
Einen Moment lang blieb Laurence reglos stehen, die Hände noch immer auf Temeraires Kopf gelegt, wo sie der warme Atem des Drachen umspielte. »Nein, mein Lieber«, sagte er schließlich leise und wusste, dass es die reine Wahrheit war. »Ich möchte lieber bei dir als auf irgendeinem Schiff der Marine sein.«
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