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Devil’s CapeDevil’s Cape
Bewertung:
(4.3)
Von: Alexander Heppe
Alias: Alexander Heppe
Am: 22.06.2008
Autor:Rob Rogers (Roman), Chris McGrath (Cover Art), Rob Lazaretti (Karte)
Typ:Roman
VerlagWizards of the Coast Discoveries
ISBN/ASIN:978-0-7869-4901-4
Inhalt:409 Seiten, Paperback
Sprache:Englisch

Der Roman Devil’s Cape erscheint in der Reihe Wizards of the Coast DISCOVERIES und kommt schön aufgemacht daher. Das Titelbild zeigt einen in einer Flammenkorona schwebenden Mann über einer Eisenfassade, die eine Hausecke des French Quarter in New Orleans sein könnte. Das Titelbild deutet schon die düstere und schmutzige Atmsphäre an, die sich in dem Roman so gänzlich von der gängigen Hochglanzoptik der meisten Superheldencomics abheben wird. Die Schriftgröße ist angenehm gewählt, der Roman ist in sehr klare Kapitel untergliedert, deren Anfang stets durch ein Zitat eingeleitet wird, auch Zeit und Ort sind angegeben. Als Einleitungstexte findet man u. a. Zitate aus Reiseführern, Medienberichten, wissenschaftlichen Abhandlungen, Verpackungstexten von Actionfiguren(!) u.v.m. Diese Texte führen sehr schön in die Atmosphäre des folgenden Kapitels ein und zeigen auf, welches Medienecho die kommenden Ereignisse, die den Leser erwarten, nach sich ziehen werden. Ergänzt wird das Ganze durch eine sehr schöne, detaillierte Stadtkarte von Devil’s Cape, anhand derer man die Handlungsorte und Stadtviertel, in denen der Roman spielt, sehr gut nachvollziehen kann.

 

Devil’s Cape ist eine (fiktive) Nachbarstadt in dem südlichen US-Bundesstaat Louisiana. Und was für eine Stadt dies ist: gegründet von (maskierten!) Piraten war sie immer ein Zufluchtsort für die kriminellen Elemente der Gesellschaft. Die Fassade des Rechtsstaats wird aufrechterhalten, die Wirtschaft floriert (auf Kosten der Schwachen), Korruption ist allgegenwärtig, in den Armenvierteln regeln Gangs die Tagesgeschäfte. Und die düstere Welt, die hier präsentiert wird, unterscheidet sich auch in einem anderen Punkt gänzlich von unserer Wirklichkeit: Superhelden existieren!

 

Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte und führt dabei die Charaktere und deren Heldwerdung, bzw. Schurkenwerdung nach und nach ein. Rahmenhandlung ist der Zwist zweier rivalisierender Gangsterfamilien, die beide um die Gunst des Oberbosses (und Superschurken) „Robber Baron“ buhlen, nachdem dieser durch den Mord an seinem Vorgänger „The Hangman“ das Machtgefüge der kriminellen Szene in Devil’s Cape nachhaltig verändert hat.

 

Im weiteren Verlauf der Handlung erfahren wir, wie die Freakshow eines Wanderzirkusses einen aus der „guten“ Stadt Vanguard City herbeigeeilten Superhelden umbringt und durch dessen freigesetzte Kräfte zum Superschurkenteam „Cirque d’Obscurité“ wird. Sie werden die Hauptantagonisten des Romans sein, denn durch den Jahre später erfolgenden Hinterhalt und die Ermordung des Helden „Dr. Camelot“ schaffen sie sich in dem aus Vanguard City stammenden Superheldenteam „Storm Raiders“ erbitterte Feinde.

 

Doch unterdessen werden auch in dem dunklen „Devil’s Cape“ Helden geboren, Julian und Jason, Zwillingsbrüder, die aus einer der rivalisierenden Familien stammen, entwickeln Superkräfte, die sie fliegen lassen, stark und nur schwer verwundbar machen. Die Brüder entwickeln sich trotz ihrer gleichgearteten Kräfte in unterschiedliche Richtungen und müssen erkennen, dass ihre Empfindungen untrennbar aneinander gekoppelt sind.

 

In den Achtzigern schließlich wird ein Ganganführer, Cain Ducett, von einer Hinterhofhexe verflucht, und entwickelt ein dämonisches Äußeres, enorm scharfe Sinne, Flugfähigkeit und enorme Körperkraft. Er wehrt sich gegen die Kräfte, wird wegen Geiselnahme verhaftet und nutzt im Gefängnis die Zeit zur Besserung – schließlich wird er Psychiater in einer Heilanstalt.

 

Als letzte entdeckt Kate Brauer ihre „Kräfte“. In einem versteckten Labor ihres Elternhauses stößt sie auf das Labor Dr. Camelots und erkennt, dass der ermordete Held ihr Vater war. Technisch äußerst versiert, beginnt sie, seine eiserne Rüstung zu modernisieren und der neue Dr. Camelot zu werden. Als sie erfährt, dass der Cirque d’Obscurité, der nach dem Mord an ihrem Vater aus Angst vor Vergeltung durch die ganze Welt geflohen ist, in Devil’s Cape offenbar sesshaft geworden ist und dort unter dem Robber Baron „arbeitet“, beschließt Kate, dorthin zu ziehen und den Kampf aufzunehmen. Die Storm Raiders hatten den gleichen Einfall und mussten ihren Vorstoß nach Devil’s Cape, kaum auf dem Flughafen gelandet, mit dem Leben bezahlen.

 

Den Leser erwartet anschließend die Geburt drei neuer Helden, der neuen Dr. Camelot, des Argonauts (Jason) und Bedlams (Cain), die in den harten Tagen nach der Ermordung der Storm Raiders nach und nach lernen, ihre Kräfte zum Guten einzusetzen und so in dieser schmutzigen Stadt einen Hoffnungsschimmer setzen können. Es steuert alles auf den finalen Showdown hin, in dem die einzelnen Schicksale der Helden und Schurken, der Gangster und der Öffentlichkeit aufgeklärt werden.

 

Der Spannung wegen werde ich an dieser Stelle nicht weiter auf die Handlung eingehen. Im Diskussionsforum zu dieser Rezi kann ich aber gerne spoilern, wenn Bedarf besteht.

 

 

Fazit:

Ich bin fasziniert. Drei Worte reichen fast aus um meine Reaktion auf diesen Roman zusammenzufassen. Der Autor schafft es nicht nur, eine dunkle, düstere, dreckige und zugleich legendäre und bisweilen auch glänzende, aber vor Hitze triefende Südstaatenmetropole zu erschaffen und diese mit zahllosen, liebevoll ausgearbeiteten Figuren zu beleben. Jede Menge Details lassen die Stadt vor dem inneren Auge lebendig werden und auch die Darstellung der Superhelden und ihrer Kräfte ist innerhalb der Logik des Settings nachvollziehbar und „realistisch“ dargestellt. Superhelden funktionieren auch im Roman - wenn man mich fragt sogar besser, da ich grafisch beschreiben kann ohne auf irgendwelche Zensoren Rücksicht zu nehmen. Dies hat der Autor ausgenutzt und wird in seinen Schilderungen der Gewalt teilweise wirklich sehr drastisch. Dies dient aber dem Image und der Glaubwürdigkeit der Stadt Devil’s Cape als Ganzes. Überhaupt scheint die Hauptfigur tatsächlich die Stadt zu sein, deren Geschichte sich dem Leser in kleinen Infohappen nach und nach erschließt, und deutlich macht, warum in dieser Stadt Schurken entstehen. Aber auch die anderen Charaktere mit ihrem Stärken und Schwächen, den familiären und privaten Problemen und dem Kampf um Anerkennung sind liebevoll und sehr detailliert ausgearbeitet.

 

In diesem Roman taucht man wirklich in eine neue Welt ein, gefangen von der Intimität, mit der der Autor die Stadt mit ihren Helden und Schurken lebendig werden lässt. Die Actionsequenzen sind rasant und nachvollziehbar geschrieben, die Dialoge wirken realistisch und nicht aufgesetzt. Moralische Fragen werden aufgeworfen und bisweilen selbst von den Helden sehr pragmatisch gelöst, ohne die Moralkeule zu schwingen oder in Pathos oder gar übertrieben aufgesetzten Patriotismus zu verfallen.

 

Nein, dieses Buch ist – unter der Voraussetzung, dass Superkräfte existieren – sehr realistisch, plastisch, düster und spannend. Ein Gangster-Thriller-Familen-Epos mit kostümierten Protagonisten. Teils hart, teils malerisch. Das ist ein sehr guter Roman, der äußerst gut unterhält und von dem man aus rollenspielerischer Sicht auch einiges über City-Settings lernen kann. Superhelden Fans sollten einen Blick riskieren. Krimi-Fans auch. Thriller-Fans auch. Aber: Superhelden-Spielleiter MÜSSEN diesen Roman lesen! Das alles mündet in einer sehr guten Gesamtnote (4,3). Abzüge erhält das Buch nur deshalb, weil die Handlung gegen Ende hin etwas gedrängt dargestellt wird, bzw. man merkt, dass der Autor seine maximale Seitenzahl allmählich erreicht haben muss. Gebe es eine Extended Version, ich würde sie kaufen.