AufmachungBei diesem Roman handelt es sich abermals um ein typisches WotC Paperback, das auf dem Einband eine undefinierbare, bläulich schimmernde, treppenhausähnliche und sich in Spiralen verdrehende Struktur zeigt, die weder auf den Inhalt des Romanes hindeutet, noch sonst irgendwie geeignet erscheint, neue Leser auf diesen Band aufmerksam zu machen. Ganz im Ernst: was sich WotC bei der Artwork Auswahl gedacht hat, erschließt sich dem Rezensenten in keinster Weise. Auch bezüglich der sonstigen Aufmachung bestehen Parallelen zu den von mir bereits besprochenen WotC Romanen: Die Papierqualität ist, dem Medium „Paperback“ geschuldet, nicht die allerbeste, Einband und Klebung sind brüchig, so dass der Buchrücken nach der Lektüre zwangsläufig verknickt im Regal sein trauriges Dasein fristen darf. Die Schrift ist sehr klein gehalten, Spalten und Zeilenabstände sind ebenfalls äußerst gering, so dass man sagen kann, dass das Buch, wenngleich es schwer zu lesen ist, doch wenigstens den Platz optimal ausnutzt. Weiteres Artwork oder gar eine Karte sucht man vergebens, lediglich ein Glossar und 5 Seiten Werbung runden das altbekannte WotC Trade-Paperback Bild in gewohnter Art und Weise ab, so dass auch hier der gewohnte Punktabzug an der Gesamtwertung vorgenommen werden wird. Schade, dass die „Darreichungsform“ zu wünschen übrig lässt, denn der Inhalt ist meinem Erachten nach einfach grandios:
InhaltWie der Name des Romans bereits dezent andeutet, findet sich der Leser im Waterdeep des Jahres 1479 wieder und wird gleich in die Action einbezogen. Samark, der amtierende, siebte Blackstaff, wird ermordet und seine designierte Nachfolgerin Vajra Safahr entführt, damit diese die Geheimnisse von Blackstaff Tower unter Folter enthüllen soll.
Gleichzeitig flieht der Hauptcharakter des Buches, Renaer Neverember, seines Zeichens Hobby-Historiker, Bücherfreund, Taugenichts und Sohn des amtierenden Open Lord, gemeinsam mit seinen ebenfalls gut betuchten Freunden mal wieder vor der Stadtwache. Ein Sport, den die adligen Tunichtgute aufgrund ihrer Straßenkenntnis und ihrer Gewitztheit wahrlich zur Kunst erhoben haben. Warum ausgerechnet der Sohn des Open Lord fliehen muss? Nun, das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater ist nicht gerade das Beste, und so leben sie zumeist getrennt, was jedoch nicht verhindert, dass Renaer Wind davon bekommt, dass offensichtlich sein Vater mit dem Gildenoberhaupt der Magiergilde (Watchful Order), Khondar „Ten Rings“ Naomal unter einer Decke steckt, welcher die „rechtmäßige Herrschaft“ der Magier über Waterdeep wiederherstellen will.
Sodann lernt man Laraelra Harsard kennen, die abenteuerlustige Tochter des Gildenführers der Cellarers and Plumbers Guild, als diese einen Söldner-Barbaren anheuert, um gemeinsam mit diesem den zwergischen Gildenmitgliedern bei der Beseitigung eines Einsturzes zu helfen und diese aus ihrer Not zu retten. Bei der Aktion öffnen sie zufällig unbekannte, längst vergessene Tunnelbereiche und hören die Schmerzensschreie der gefolterten Vajra. Augrund ihrer Kenntnis der Kanalisation weiß Laraelra, dass sie sich unter dem Gebäudekomplex befindet, der von Renaer Neverember verwaltet wird. Wutentbrannt sucht sie diesen gemeinsam mit dem Barabarensöldner Meloon auf. Renaer weiß gar nicht, wie ihm geschieht: irgendjemand missbraucht sein Anwesen für dunkle Zwecke. Gemeinsam beschließen die drei, die Frau zu befreien und das Geheimnis zu lösen. Kaum ist ihnen das, wenn auch nur knapp, gelungen, stellen sie fest, dass die Frau offensichtlich in den Stimmen aller bisherigen Blackstaffs spricht und sie selbst plötzlich die Gejagten sind. Gleichzeitig müssen sie verhindern, dass „Ten Rings“ die Geheimnisse des Blackstaff Tower an sich reißt. Eine Hetzjagd quer durch die Stadt schließt sich an, die Geschichte spinnt immer weitere Fäden, neue Charaktere werden eingeführt und das Tempo, mit der man in diese Metropole eintaucht, wird gewaltig. Mehr kann ich an dieser Stelle nicht verraten…
Fazit:Wow, was für ein Roman. Schend gelingt es als zweitem Autor überhaupt, Waterdeep vor dem geistigen Auge mit wahrem Leben zu erfüllen. Und ja, es gelingt ihm nach Auffassung des Rezensenten sogar einen Tick besser als der genialen Elaine Cunningham. Man erfährt von der Spellplague und deren Auswirkungen auf die Stadt, die insgesamt etwas düsterer und gemeiner daherkommt. Auch wird sie jetzt „Crown of the North“ genannt, denn die glänzende „Gem of the North“ ist sie sicherlich nicht mehr. Schend versteht es, die typischen Waterdeep-Themen geschickt miteinander zu verweben: die Geschichte der Stadt bis hin zu dem alten Aghairon und seinen Geheimnissen; er bezieht sich auf die Gildenkriege; man findet Schilderung des täglichen Lebens und der Politik der Stadt, einschließlich der Lords, Gilden, Adelshäuser und des gemeinen Volks. Selbst einer Gerichtsverhandlung darf man beiwohnen und etwas über das städtische Strafrecht erfahren. Selbstverständlich – und für alle FR Fans gänzlich neu – wird die Geschichte der Blackstaffs reflektiert, deren Ahnenreihe sich wie das Who-is-Who der Schwertküstenmagier (oder zumindest derjenigen mit Bezug zu den Moonstars) liest.
Schend schildert Waterdeep in einer farbenfrohen, lebendigen Art und Weise, ohne dabei auch nur eine Seite lang die Story und die Action zu vernachlässigen. Gleichzeitig hat er tiefen Respekt vor der Materie und scheut allzu radikale Änderungen am Setting. Wenn Waterdeep in der 4E so aussieht, wie Schend es beschreibt, fühlt sich jeder alte Realms-Fan sofort zu Hause, so vielschichtig und gut geschrieben ist dieser Roman. Ich kann mich auch kurz fassen: Dieser Roman ist der bislang beste Waterdeep-Roman und gehört zu den herausragenden FR-Romanen überhaupt. Jeder, der auch nur entfernt mit Waterdeep und den FR etwas anfangen kann, muss(!) dieses Buch lesen. |
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