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Transitions 1 - The Orc King
Bewertung:
(3.8)
Von: Peter Basedau
Alias: Zanan
Am: 11.07.2009
Autor:Robert A. Salvatore
Typ:Roman
System:(D&D 3.5 / 4.0)
Setting:Forgotten Realms
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:978-0-78694912-0
Inhalt:394 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

Kein Ork sollte unnötig lange am Leben bleiben.

 

Vorab

Transitions ist eine dreiteilige Reihe, die dem Anschein nach den Übergang der Vergessenen Reiche in die neue Zeit beschreiben soll. Dabei ist zunächst noch offen, ob diese Trilogie nur das Entstehen des Orkreiches oder auch den Übergang zu den Forgotten Realms der 4E begleitet. Neben The Orc King gehören The Pirate King und The Ghost King (10/2009) zur Reihe.

 

Aufmachung

Das Buch erscheint im Softcover-Großformat (etwa A5) und ist gänzlich mit einem Motiv von Todd Lockwood bedeckt, in dem Drizzt und sein Panther augenscheinlich aus einer Orkfestung auf einen Gegner herabspringen. Das dargestellte Bild hat mit dem Romaninhalt nichts zu tun, könnte eventuell zu einem früheren Drizztbuch entstanden sein. Die 394 Seiten sind gänzlich mit Text gefüllt, weder Landkarten noch eine Liste der Protagonisten findet Platz. Qualitativ entspricht das Buch dem WotC-Standard.

 

Allgemeiner Inhalt

Eingehüllt in einen Rahmen, der etwa um 1480 spielt, flechtet RAS eine Handlung, die den ersten Schritt zur Entstehung des Orkreiches von Obould Many-Arrows beschreibt. Der Winter ist vergangen und Obould ist sich im Klaren darüber, dass ein langfristiges Überleben seines Reiches nicht durch Krieg gesichert werden kann. Dazu zeigt die Geschichte zu viele negative Beispiele auf. Während der Orkkönig also auf eine günstige Gelegenheit wartet, seine Diplomaten gen Mithral Hall zu schicken, machen ihm einige seiner eigenen Unterführer und ein aus dem Unterreich gekommener Häuptling namens Grguch Ärger. Letzterer führt einen kampfstarken Stamm aus Halbogern/Halborks an und mit schnellen Erfolgen sichern sich diese den Zuspruch und Zulauf von Orktruppen, die mit der Zurückhaltung Oboulds Probleme haben. Augenscheinlich ist der König von Gruumshs Weg abgekommen und verweichlicht. Unterdessen treffen wir in Nebenhandlungen auf Wulfgar und Catti-brie, die gen Nesmé ziehen, um Wulfgars Tochter wieder zu finden. Diese floh mit einigen anderen vor dem Winter aus Mithral Hall, als die Orks die Feste des Zwergenkönigs angriffen. Der Barbar hat Erfolg und trennt sich von Catti-brie, um Colson zu ihrer rechtmäßigen Mutter zurückzubringen. Zwischen den Orklagern, den Elfen und Menschen schleicht unterdessen der Dunkelelf Tos’un del’Armgo umher, der auch noch seinen Platz in dieser Welt finden muss und will. Nachdem Obould und Drizzt seine Drowbegleiter getötet haben, ein kurzes Intermezzo bei den Elfen des Mondwaldes ebenso abrupt beendet wurde, ist To’sun auf der Flucht, die nicht ganz unähnlich jener ist, die Drizzt Jahrzehnte zuvor selbst hinter sich brachte. Bruenor und eine Gruppe treuer Begleiter machen sich unterdessen auf, um die Zwergenstadt Gauntlgrym zu finden, die den Ahnen Bruenors ein Heim war. Das, was sie finden, versetzt den Zwergenkönig zunächst in Aufregung, dann in Schrecken. Zerknirscht und nachdenklich kehrt Bruenor heim und die Nachrichten, die ihn dort erwarten, könnten nicht schlechter sein.

Von einem Magier aus dem Unterreich angestachelt, zieht Grguch in einem Blitzangriff gegen Mithral Hall’s äußere Befestigungen und die Bedrohung der Zwergenstadt bekommt einen neuen Namen.

 

Inhalt

(Vorsicht, hier gibt es Informationen, die den Lesespaß arg reduzieren!)

Die Rahmenhandlung beinhaltet eine Anzahl von „Spoilern“, die schon vor dem Erscheinen der 4E für Furore sorgten, schreibt RAS doch von vielen zerbrochenen Hoffnungen, wie beispielsweise dem Verschwinden aller Anhänger Eilistraees. (Wohl die erste Erwähnung des Namens dieser Drowgöttin in einem Drizzt-Roman.) Zudem erfahren wir, dass sowohl Drizzt wie auch To’sun in der fernen Zukunft noch am Leben sind, gleichsam der Elfenanführer Hralien.

Wie auch sonst bei RAS üblich laufen mehrere Handlungsstränge parallel, wenngleich nicht weit voneinander entfernt ab. Drizzt begleitet Bruenor auf dessen Suche nach der verlorenen Zwergenstadt Gauntlgrym, Catti-brie, die ihre Hüftverletzung pflegt, reist mit Wulfgar zwecks Tochtersuche gen Nesmé. Interessanter als dies und die gelegentlich eingestreuten Kämpfe zwischen Elfen und Orks ist jedoch das Erscheinen von Grguch und die Ränkespiele im Lager der Orks. Schnell wird klar, dass Grguch nicht gekommen ist, um an Oboulds Seite zu marschieren, sondern an seiner statt. Angetrieben wird der Halbork/Halboger von seinem Berater Hakuun, der bald selbst den Anweisungen eines weitaus mächtigeren Wesens gehorcht – dem Magier „Jack the Gnome“. Den Orks des Clans Karuck stehen des Weiteren Verräter aus Oboulds Truppen zur Seite, die den Weg, den der König beschreiten will, nicht gutheißen. Denn Obould sieht keine Zukunft für ein Orkreich, dass sich durch Krieg behaupten und erweitern will. So kommen ihm die Aktionen Grguchs und seiner stetig wachsenden Truppe bei seinen angestrebten politischen Verhandlungen in die Quere, nicht zuletzt ein überraschender Angriff auf Mithral Hall, bei dem alle äußeren, neuen Verteidigungsanlagen dem Erdboden gleichgemacht werden. Der Konflikt spitzt sich bis zum Ende des Romans soweit zu, dass ein Zweikampf der mächtigen Orkanführer unausweichlich ist.

In den Nebenhandlungen findet Bruenor eine versunkene Stadt, die zu seinem Entsetzen ein Zusammenleben von Orks und Zwergen suggeriert, ein Zusammenleben, das nicht von Krieg bestimmt wird. Dieser Ort namens Baffenburg versank nach einer Naturkatastrophe im Erdreich und seine Geschichte wird hier erstmals erzählt. Gauntlgrym bleibt also bis auf weiteres ein Wunschziel Bruenors.

Wulfgar und Cattie-brie suchen die Tochter des Barbaren, die mit den Flüchtlingen des letzten Herbstes in die Stadt Silverymoon und später gen Nesmé zog. Colson kam dabei in die Hände einer ehemaligen Weggefährtin von Wulfgars Frau und diese bereitet naturgemäß ebenso Probleme wie der amtierende Regent der Stadt. Dennoch können die beiden mit Colson im Gepäck die Nesmé verlassen, wobei Wulfgar Bruenors Tochter alsbald klarmacht, dass er nicht nach Mithral Hall zurückkehrt, sondern das Kind seiner wahren Mutter, Lady Meralda Auck von Auckney, zurückbringen will. Das tut er, auch wenn ihm der Abschied fast das Herz zerreißt. Dann zieht er nach Norden zum Eiswindtal, wo sein Volk durch die Tundra streift.

Zwischen den einzelnen Kriegsparteien treibt sich To’sun del’Armgo herum, der zwar bei den Elfen bleiben wollte, doch floh, als er vernahm, dass er dort eventuell auf Drizzt treffen würde. Und da To’sun noch immer das „böse“ Schwert Khazid-hea, vormals in Besitz von Drizzts Frau Catti-brie, bei sich trägt, zog er es vor zu verschwinden. Drizzt macht zunächst den Drow für den clever geplanten Angriff von Grguch und seinem Clan auf die Elfen des Mondwaldes verantwortlich und geht daher auf die Suche nach To’sun. Gesucht, gefunden, besiegt ... und nach einigen typisch-tiefgründigen Gesprächen zum geduldeten Verbündeten gemacht.

Den Zwergen und Elfen wird schnell klar, dass sie gegen die geballte Macht der Orks nicht bestehen können, selbst wenn Alustriel – die zum Aufbau der Befestigungen nach Mithral Hall gereist war – ihnen beistehen würde. So entschließt sich Bruenor, den Kopf des Ganzen zu beseitigen, wobei es ihm nach dem von Obould gelüstet. Erst durch To’suns Erscheinen wird ihnen klar, dass der wahre Gegner Grguch heißt – was des Zwergenkönigs Hass auf Obould nicht wirklich schmälert. Also zieht eine kleine Kampftruppe los, um sich bis zu Obould durchzuschlagen und mit der Beseitigung des Anführers auch die Orkhorde zur Auflösung zu bringen. Kurzum, im finalen Kampf treten Obould und Grguch gegeneinander an, wobei das Einschreiten von Hakuun alias Jack the Gnome dem Halboger fasst den Sieg schenkt. Doch pünktlich vor dem tödlichen Streich erreicht Bruenor das Kampfgetümmel und kann letztlich mit Hilfe von Obould die Ambitionen Grguchs auf ein eigenes Orkreich beenden. To’sun und Hralien kümmern sich um die Unterführer, Drizzt um Jack the Gnome. Nach 30 Seiten Kampf bleiben noch anderthalb weitere für eine Andeutung des Abkommens von Garumn’s Gorge, das ein neues Zeitalter für die Silbermarken einläutet. Khazid’hea geht an Hralien, der es im Auftrag Drizzts zu den Magiern und Priestern der Elfen des Mondwaldes bringt, damit diese das Schwert in ihre Obhut nehmen.

 

The world had changed, Bruenor knew.

 

Fazit:

Wer Salvatores Schreibstil mag, wird auch The Orc King mögen. Der Roman wird durch zahllose Kämpfe dominiert – augenscheinlich RASs Spezialität –, die zusammengenommen sicher mehr als die Hälfte der Seitenzahl des Buches einnehmen. Das Problem dieser Kämpfe ist ihre Vorhersehbarkeit: Man kommt sich vor wie bei einem Yu-Gi-Oh Wettbewerb – „Ich ziehe diese Karte, aber ich diese. Doch ich kann damit dies! Macht nichts, denn ich bin schneller mit XYZ ...“ Und wer hier schneller und besser ist, kann man sich an drei Fingern abzählen.

Die Handlung ist dennoch weit gefächert und unterhaltsam, nur geht es nicht wirklich in die Tiefe. Die Charaktere erfahren mal mehr, mal weniger Aufmerksamkeit. So „denken“ jetzt Catti-brie und Wulfgar weit „mehr“ als zuvor, augenscheinlich an einem Punkt in ihrem Leben angekommen, wo die besten Jahre schon oder bald hinter ihnen liegen. Insbesondere Wulfgar wandelt sich hier, hat wohl – vom Säbelschwinger abgesehen – die profundeste Entwicklung seit seinem ersten Auftritt mitgemacht. Cattie-brie hingegen wird dank eines deus-ex-machina – Tritts* seitens des Autors in Richtung Magierin geschoben, während Bruenor stur und steif daherkommt und eher wie ein bockiges Kind erscheint denn ein Zwergenkönig, der Mithral Hall gefunden und wieder aufgebaut hat. Erst zum Ende des Romans hin zeigt er ein wenig Einsicht. To’sun del’Armgo tritt in die Fußstapfen von Drizzt (als Drow an der Oberfläche) und bei ihm kann man durchaus die Gefühlswelt eines normalen, aus dem Unterreich stammenden Dunkelelfen nachvollziehen. Drizzt sinniert wie sonst auch über das Leben, die Welt und die Freunde, darf zudem im Kampf glänzen.

 

„Deeper inside, it is my prayer that King Obould Many-Arrows sees the dwarves standing higher on the ladder in pursuit of true civilization, that he sees Mithral Hall as a shining city on the hill*, and that he will have the strength to tame the orcs enough for them to scale the rungs of the same ladder.”

 

Obould nimmt eine der Hauptrollen ein, seine Gedanken und Handlungen unterscheiden sich grundsätzlich von denen anderer Orks, die in vielerlei Form daherkommen, sei es der blutrünstige Grguch, der Unterführer Dnark oder auch nur der 08/15-stereotypdumme Ork von nebenan. Was stört sind die zum Teil doch eher einfältigen Namen, die so gar nicht in ein High-Fantasy-Setting wie die Reiche passen. Ein mächtiger Orkschamane an der Seite des Oberkönigs heißt „Nukkels“, Cordio „Muffinhead“ der Kleriker an Bruenors Seite. Und „Jack the Gnome“ als der mächtige Magier im Kopf des Orkschamanen Hakuun ist ebenso misslungen. Da besteht sicher noch Korrekturbedarf, es sei denn, wie zynische Zungen behaupten könnten, RAS macht sich damit über die Leserschaft oder die Reiche lustig? Denn WotC lehnt die Romane ihres FR - Zugpferdes Nummer 1 wohl kaum ab.

 

Wie dem auch sei, der Roman als solcher ist unterhaltsam, liest sich gut und Freunde von Salvatores Schreibstil oder Drizzt geben ihm sicher eine um 0,5 höhere Bewertung. Zudem erfahren die Leser hier aus erster Hand, wie das erste Königreich der Orks an der Seite der Zwergen und Elfen entstand.

 

 

Anmerkungen

 

Informationen zu den Silbermarken / Silver Marches können im gleichnamigen deutschen bzw. englischen Quellenbuch gefunden werden, die auch Charakterstatistiken für Wulfgar und Bruenor auflisten. Allgemeinere Informationen finden sich im Forgotten Realms Campaign Setting (3E, um 1372), bzw. zu den neuformierten Gebieten im Forgotten Realms Campaign Guide (4E, um 1480).

 

- Baffenburg: Dieser Ort erscheint hier zum ersten Mal überhaupt. Augenscheinlich eine Siedlung, in der über Jahrhunderte Zwerge und Orks gemeinsam miteinander gelebt haben. So gemeinsam, dass die Orks eine eigene Schrift ähnlich den zwergischen Runen erfanden, in der sie ihre Geschichte niederschrieben. (Mitunter erinnern die Beschreibungen der Orks in diesem Roman an jene aus „Die Orks“. Während man eine solche Lebensart von D&D - Hobgoblins erwarten könnte, ist man bei den Orks doch eher überrascht.)

 

- Deus-ex-machina : Etwas, das über der Handlung / Realität steht und zum vom Autor gewünschten Effekt führt, egal welche Konventionen dabei überschritten werden. Im vorliegenden Fall ist Catti-bries Hüftverletzung (sie wurde von einem Stein getroffen, den ein Frostriese warf) nicht durch jeden x-beliebigen, stets greifbaren Zauber heilbar (was so den Regeln und nahezu allen anderen Romanen widerspricht), sondern bedarf langfristiger Ruhe und natürlicher Heilung. Das ist für RAS augenscheinlich nur Mittel zum Zweck, wobei Letzterer lautet: Catti-brie schwenkt von der Kriegerin früherer Zeiten auf die Magierlinie um, was – nach ersten Gerüchten – in The Pirate King deutlicher hervortritt. Diese „Kastration“ der Heilmagie trat bei RAS schon früher auf, als Bruenor selbst „im Sterben“ lag und seine Kleriker sich vergeblich anstrengten, ihn gesund zu pflegen. In diesem Fall brauchte RAS den Zwergenkönig einfach nicht in der Romanhandlung, wollte ihn aber auch nicht wegeditieren. Das andererseits Cordio im Endkampf sich selbst und die ihn umgebenden Zwergenkämpfer pausenlos heilt (augenscheinlich verletzen Orkklingen nicht so nachhaltig wie fliegende Steine) sei hier nur am Rande erwähnt.

 

- „Shining city on the hill“: Mithral Hall ist eine typische Zwergenstadt, unterirdisch in einen Berg gebaut. Der Satz ist ein beliebtes amerikanisches Bibelzitat und sinnbildlich für amerikanischen Exzeptionalismus (d.h., besonderes Vorbild für die restliche Welt). Gesprochen von Drizzt do’Urden, bezogen auf eine Zwergenstadt!

 

xxx - Forgotten Realms Bibliographie

 

Die nahezu zahllosen Veröffentlichungen des Autors findet man auf der ihm gewidmeten Wikipedia – Seite (vgl. Link).