Links zur Rezension InhaltSechs recht unterschiedliche Charaktere, die mehr oder weniger freundschaftlich miteinander verbunden sind, wollen gemeinsam das Ereignis einer Sonnenfinsternis erleben und mieten sich hierfür für einige Tage ein Ferienhaus auf dem Land. Eigentlich wollen alle diesen mehrtägigen Ausflug nutzen, um etwas Ruhe und Frieden zu finden. Doch letztlich entwickelt sich das Geschehen für jeden einzelnen ganz anders als erwartet und der Kurzurlaub nimmt eine überraschende Wendung.
Gemeinsam mit seiner Frau Isabelle hat sich Dominique schon vorab auf den Weg zum gemieteten Ferienhaus ins Roussillon gemacht. Bereits auf der Fahrt kommt es zu Reibereien zwischen den beiden, lastet doch der Seitensprung von Dominique von vor zwei Jahren nach wie vor über ihrer Beziehung, bei dem Isabelle ihren Mann mit Helena erwischt hat. Was Isabelle zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht weiß: Genau diese Helena macht sich ebenfalls auf den Weg in Richtung des Feriendomizils!
Während seine Frau mit den gemeinsamen zwei Kindern zu hause bleibt, macht sich auch Jean-Pierre, von seinen Freunden meist J.-P. genannt, auf den Weg, um das Wochenende für eine außereheliche Eskapade zu nutzen und endlich Jan, eine 19 jährige Internetbekanntschaft, kennen zu lernen.
Der eigentlich immer gut gelaunte und leidlich fröhliche Hubert fährt recht entspannt in Richtung Ferienhaus. Er ist schwul, hat zurzeit keine Beziehung und erwartet von dem verlängerten Wochenende auch nicht sonderlich viel, außer vielleicht etwa Spaß und Erholung. Doch dann trifft er ziemlich unvermittelt in der vermeintlich unschwulen ländlichen Umgebung auf den „Knackarsch“ seines Lebens.
Im Lauf der Geschichte kommt es zu einigen persönlichen Krisen, und so sind es beispielsweise immer wieder Zweifel, die J.-P. bei seinem Vorhaben „Fremdgehen“ einholen und verfolgen. Bei Dominique – dem „Ekelpaket“ der Runde – besteht der Kampf darin, nach einer Affäre mit Helena, die mittlerweile bereits zwei Jahre zurückliegt, wieder ins „normale Leben“ zu kommen. Hierbei muss er beständig mit seinen Ängsten und Zweifel kämpfen, die sich hinter seiner rauen Fassade verbergen. Aber auch die Frauen kommen mit ihren Problemen nicht zu kurz und so sind es nicht nur die Männer, die im Vordergrund dieses Comics stehen.
Zwischen den recht unterschiedlichen Charakteren kommt es zwangsläufig immer wieder zu Reibereien und kleineren Streitigkeiten, doch der große Knall bleibt aus. Im Vordergrund stehen neben alltäglichen Problemen, die zum Teil sehr lustig erzählt werden, Stimmungsschwankungen, Grübeleien, innere Unsicherheit und auch Unzufriedenheit mit dem bisher erreichten, die allerdings nie ins pathetische abrutschen. Erst als die Freunde - mehr oder weniger durch Zufall - in eine Art Gruppensitzung bei der örtlichen „Heilerin“ Sylvaine-Alain geraten, die den Problemen der einzelnen auf den Grund geht und sie beim Namen nennt, nimmt die Geschichte eine Wendung. Jeder reagiert anders auf den Spiegel, den er vors Gesicht gehalten bekommt...
Schreibstil & ArtworkDie Geschichte von „Sonnenfinsternis“ widmet sich in einer fast schon unspektakulären aber sehr eindringlichen Art und Weise einem besonderen Zeitabschnitt im Leben (fast) jedes Menschen: Das Alter um vierzig Jahre mit all seinen Problemen, umgangsprachlich auch gerne „Midlife-Crisis“ genannt. In diesem Alter - so ja auch schon der englische Begriff – ist das Leben eigentlich statistisch zur Hälfte gelebt und man meint, in diesem Alter eine Zwischenbilanz über das bisherige Leben erstellen zu müssen. Da die meisten Menschen ihr Dasein nach einem Lebenssinn ausrichten, egal wie unterschiedlich dieser auch gestaltet sein mag, kommt früher oder später der Punkt, an dem die Chancen zur Verwirklichung am tatsächlich erreichten reflektiert und die eigene Identität kritisch hinterfragt wird, egal ob sie beruflicher, familiärer oder sogar spiritueller Art sind. Dabei stehen, ob nun bewusst oder unbewusst, Fragen nach dem Sinn des bisher Ge- und Erlebten im Vordergrund. Manchmal entsteht das Gefühl, auf der Stelle zu treten, nicht weiter zu wissen und den Weg in die zweite Hälfte seines Lebens nicht zu finden.
Der Comic „Sonnenfinsternis“ ist von seiner Ausprägung deutlich franko-belgisch einzuordnen und Autor Thierry Terrasson (genannt Jim oder Téhy) verdient für sein unglaubliches großes Spektrum an unterschiedlichen Ideen in seinen bislang veröffentlichten Comics an dieser Stelle ein großes Lob, wobei natürlich auch Stéphane Deteindre (genannt Fane) nicht vergessen werden soll.
Ein Charakteristikum für die fast schon filmische Erzählweise ist die Tiefe der Darstellung von inneren und äußeren Konflikten, bei der zum Teil auch auf überflüssige Dialoge verzichtet und ausschließlich auf die Wirkung der Bilder gesetzt wird. Erfreulicherweise gibt es keine melodramatischen Kitsch-Elemente, und der Comic erhält hierdurch ein sehr realistisches Image. Mit dieser Kombination und einigen anderen Stilmitteln gelingt es Fan und Téhy immer wieder, dem Leser tiefe Einsichten in die Gefühlswelten der Charaktere zu offenbaren, ohne dabei ironische Distanz und eine humorvolle Leichtigkeit zu verlieren.
Die Zeichnungen von „Sonnenfinsternis“ sind allesamt schwarzweiß und so bleibt lediglich das wunderbar in Szene gesetzte Spiel von unterschiedlichen Grautönen. Zu einem großen Teil sind sie sehr gut ausgearbeitet und spielen unablässig mit Licht und Schatten, lassen aber immer etwas Freiraum für den Betrachter. Der Stil der Panels wechselt des öfteren auf einer Seite zwischen realistischer und stilisierter Darstellung der Personen, aber dieser Bruch bekommt den Figuren recht gut, da die Mimik hierdurch deutlich aufgelockert wird und die Geschichte so eigentlich erst ihre Leichtigkeit und Schwung erhält.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungPralle 288 Seiten als Hardcover mit Schutzumschlag in der Übersetzung von Tanja Krämling – in Sachen Qualität braucht sich dieser „Mega-Reader“ in der Reihe „SplitterBooks“ mitnichten zu verstecken und macht mit seinem Umfang auch dem Begriff „Book“ alle Ehre. Der Verzicht auf das sonst eigentlich übliche Hochglanzpapier bringt die Schwarzweiß-Zeichnungen erst richtig zur Geltung und ein kurzes „Interview“ mit Fan und Téhy im Vorwort gibt einige aufschlussreiche Einblicke in die Hintergründe zur Entstehung dieses Comics.
FazitDieser Comic präsentiert eine grandios erzählte Geschichte, die ausnahmsweise nicht in skurrilen Fantasy-Landschaften oder in den Weiten des Weltalls, sondern im Hier und jetzt, im zwischenmenschlichen Bereich, in den Köpfen und Herzen von Menschen stattfindet. Zum Teil als Reise in die Tiefe der menschlichen Seele angelegt, erzählen Fane und Jim mit einer gehörigen Portion Humor von Liebe, Freundschaft, Spaß und Eifersucht, die in „Sonnenfinsternis“ intelligente Unterhaltung auf sehr hohem Niveau bietet. Für mich eine absolute Kaufempfehlung und die bislang in 2009 schönste Entdeckung auf dem Comic-Markt!
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