Links zur Rezension „Ich hatte mir geschworen, nie einen Roman über die Rosenkriege zu schreiben.“ Das sagt Rebecca Gablé über sich selbst. Nun hat sie es doch getan: „Das Spiel der Könige“ ist nach „Das Lächeln der Fortuna“ und „Die Hüter der Rose“ ihr dritter Roman über das (fiktive) englische Adelshaus Waringham, und er spielt genau in der Zeit der Rosenkriege. Jener Zeit, in der die Häuser York und Lancaster um die Krone stritten und England so in einen blutigen Bruderkrieg zerrten, der 30 Jahre dauerte und dessen Ende auch gleichzeitig das Ende des englischen Mittelalters markierte.
In der folgenden Rezension soll nun also „Das Spiel der Könige“ besprochen werden. Und ich beginne damit, direkt die wichtigste Frage zu klären: Muss man die beiden vorherigen Bücher gelesen haben? Nein, muss man nicht. Ich selbst habe weder „Das Lächeln der Fortuna“ noch „Die Hüter der Rose“ gelesen, und bei „Das Spiel der Könige“ ist für mich an keiner Stelle der Eindruck entstanden, mir würde Wissen aus den ersten beiden Büchern fehlen. Insofern ist „Das Spiel der Könige“ eher als eigenständiger, in sich abgeschlossener Roman zu bezeichnen denn als Teil einer Reihe.
Erster Eindruck; Aufmachung und GestaltungDie vorliegende Ausgabe von „Das Spiel der Könige“ ist die Hardcover-Ausgabe, das Buch ist allerdings ebenso als Taschenbuch erhältlich. Egal in welcher Ausgabe: Das Buch ist ein ordentlicher Wälzer: Das Hardcover hat 1196 Seiten in einem stabilen Papp-Einband. Das Coverbild zeigt eine Krönungsszenerie, aufgemacht wie ein mittelalterliches Gemälde. Der Schutzumschlag selbst birgt eine kleine Überraschung: Er lässt sich auseinanderfalten und zeigt dann auf der Innenseite einen hübsch aufgemachten Stammbaum der Familie Waringham, der alle in allen drei eingangs erwähnten Romanen auftauchenden Familienmitglieder umfasst. Eine nette Idee, hilft ein solcher Stammbaum doch ungemein, den Überblick zu wahren. Was ich persönlich nicht ganz so schön finde, ist, dass in jede freie Ecke des ausfaltbaren Schutzumschlags Werbung für die anderen beiden Romane der Reihe gequetscht ist. Ein wenig dezenter hätte auch ausgereicht…
Die Gestaltung innen ist sehr gelungen. Zu Beginn findet man eine übersichtliche Auflistung der Personen, die die Handlung vorrangig bestimmen, getrennt nach „Fraktionszugehörigkeit“. Markiert ist auch, welche der Personen „real“ sind und welche von der Autorin erdacht wurden – und das sind gar nicht mal so viele. Danach folgen drei weitere Stammbäume der Häuser Lancaster, York und Neville, allerdings in deutlich vereinfachter Form im Vergleich zur Aufmachung des Waringham-Stammbaumes im Schutzumschlag. Perfekt wäre für mich gewesen, wenn dieser auch noch einmal vereinfacht im Inneren auftauchen würde, denn jedes Mal das Buch Auspacken und Auffalten ist schon etwas umständlich.
Die einzelnen Teile des Buchs werden durch doppelseitige Zeichnungen aus der Feder von Jan Balaz eingeleitet. Balaz zeichnete schon für die wunderschöne Gestaltung von „Die Tore der Welt“ verantwortlich, und auch für „Das Spiel der Könige“ ist sein etwas „fotorealistisch“ angehauchter Zeichenstil eine wahre Bereicherung. Ansonsten ist das Layout einfach und übersichtlich gehalten. Das Druckbild ist, wie bei der Lübbe-Verlagsgruppe gewohnt, klar und gut lesbar. Die Buchstaben verwischen auch bei festerem Reiben nicht, was wohl auch an dem qualitativ hochwertigen Papier liegt. Handwerklich mehr als solide.
InhaltUm nicht zuviel der Handlung vorwegzunehmen und so den Lesespaß zu schmälern beschränke ich mich wie üblich bei der Wiedergabe der Handlung lediglich auf die Angabe des Klappentextes:
England 1455: Der achtzehnjährige Julian of Waringham ist der Schandfleck der Familie, weil er lieber den Duke of York auf dem Thron sähe als den jämmerlichen König Henry aus dem Hause Lancaster. Erst als der Kampf um Englands Krone offen ausbricht und Julian unverhofft Earl of Waringham wird, erkennt er, auf welche Seite in diesem bitteren Konflikt zwischen Lancaster und York er gehört.
Auch Julians Zwillingsschwester Blanche ist ein schwarzes Schaf: Auf der Flucht vor dem englischen Gesetz verschlägt es sie nach Wales, wo sie ausgerechnet mit Jasper Tudor, König Henrys Halbbruder, eine Liaison eingeht. In England wie in Wales führen die Lancastrianer einen verzweifelten Kampf, bis schließlich mit Edward IV. der erste König aus dem Hause York die Krone erringt.
Für Julian und Blanche brechen schwere Zeiten an, und mit dem Widerstand gegen das neue Regime riskieren sie nicht nur ihr eigenes Leben. Denn in den Klauen der Yorkisten wächst in Wales ein Junge heran, der Englands letzte Hoffnung sein könnte ...
Dies ist der grobe Rahmen, in dem sich die Handlung bewegt. Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit englischer Geschichte auskennt, weiß, dass die Rosenkriege zu den verworrensten und unübersichtlichsten Kapiteln daraus gehören. Ständig wechseln die Allianzen, werden Treueschwüre gebrochen und neue geleistet. Nach nahezu jeder Schlacht hat eine andere Seite die Oberhand, die Heerführer wechseln munter durch, so ziemlich gar nichts ist konstant. Und dass fast jeder Beteiligte mit allen anderen irgendwie verwandt ist, dass bald jeder Mann Edward, Henry oder Richard heißt, all das macht die ganze Sache auch nicht übersichtlicher. Doch die Autorin schafft es, den Leser zielsicher durch dieses schier unentwirrbare Geflecht aus Allianzen und Verwandtschaften zu führen. Ich zumindest habe an keiner Stelle den Überblick verloren, man weiß immer genau, wer gerade zu wem gehört und was plant – das ist auch eine Leistung, der man aufgrund der Vielzahl an handelnden Personen Respekt zollen sollte.
Doch so wechselhaft wie die Rosenkriege selbst ist leider teilweise auch die Art und Weise, wie Rebecca Gablé schreibt. Hochspannende, gut erzählte Passagen, die einen regelrecht ans Buch fesseln, wechseln sich ab mit so langweiligem Geplänkel, dass man am liebsten direkt umblättern möchte. Besonders schlimm in dieser Hinsicht ist der Beginn des Buches, ungefähr die ersten 100-150 Seiten. Die Autorin malt hier eine so erbärmlich übertriebene „Heile-Welt-Idylle“, dass ich noch einmal auf dem Cover nachsehen musste, ob da nicht doch Rosamunde Pilcher stand. Ich verstehe ja durchaus, dass Rebecca Gablé hier einen Gegensatz schaffen wollte zu den ersten paar Seiten, wo zur Einführung direkt ein ganzer Haufen Leute ermordet wird, aber die angewandte Holzhammer-Methode erscheint mir doch wenig tauglich dafür. Ich war durchaus versucht, das Buch direkt wieder aus der Hand zu legen – aber in der Rückschau kann ich sagen, dass es sich gelohnt hat, durchzuhalten. Im weiteren Verlauf des Buches sind mir nämlich keine weiteren Passagen dieses Kalibers begegnet. Im Gegenteil, je weiter man liest, desto mehr nimmt einen die Handlung gefangen. Da geht Rebecca Gablé schon sehr geschickt vor, die Spannung wird immer weiter aufgebaut, bis schließlich der Höhepunkt bei der Schlacht von Bosworth kommt, dem faktischen Ende der Rosenkriege. Auch als Leser fiebert man diesem Höhepunkt entgegen, und wird vor allem nach dem Höhepunkt auch nicht im Regen stehen gelassen, was mir persönlich bei anderen Romanen immer etwas sauer aufstößt. Die Autorin nimmt sich hier die Zeit, alle noch offenen Fäden vernünftig(!) zu Ende zu führen.
Die Hauptfiguren des Romans sind, wie bereits erwähnt, die beiden Geschwister Julian und Blanche of Waringham, und aus deren Sicht wird auch die Geschichte erzählt. Die Charakterisierung der beiden gelingt auch sehr gut. Beide sind den Umständen nahezu hilflos ausgeliefert, Julian z.B. steht als Lord of Waringham trotz innerer Zweifel fest zu dem schwachen Lancaster-König Henry VI., auch wenn diese Nibelungentreue ihn das ein oder andere Mal fast den Kopf kostet – und auch zu einer ungewollten Hochzeit führt (die mich, das sei hier am Rande bemerkt, sehr lachen ließ). Dennoch bildet Julian einen netten Kontrast zu anderen prominenten Akteuren der Handlung, die ständig die Seiten wechseln. Auch die wichtigeren Nebenfiguren bekommen eine eindeutige Charakterisierung spendiert, auch wenn diese mir teilweise etwas zu eindimensional blieb: Richard III. beispielsweise ist ein machthungriges Monster, Königin Marguerite ebenso machthungrig und dabei ein gerissenes Luder, Edward of March ist ein naiv-dummer Ehrenmann. Da bleibt wenig Spielraum für Grauzonen, die einem Charakter Tiefe verleihen - Rebecca Gablé versucht jedoch in einem langen Nachwort die Gründe für ihre eindeutigen Charakterisierungen zu erläutern. Doch wenigstens bekommen diese wichtigeren Personen etwas Farbe, das ist bei den meisten der nur kurz auftretenden Nebenpersonen leider nicht der Fall. Sie bleiben oftmals blass und farblos und verschwinden fast schon auf der nächsten Seite wieder in der Versenkung ohne irgendeinen bleibenderen Eindruck hinterlassen zu haben. Das mag vielleicht durch die unüberblickbare Vielzahl an Akteuren in den Rosenkriegen bedingt sein, aber andererseits haben das andere Autoren auch schon hinbekommen, daran allein kann es also eigentlich nicht liegen.
Was Sprache und Wortwahl angeht, so gelingt es Rebecca Gablé fast immer, die Atmosphäre des ausgehenden englischen Mittelalters sehr gut einzufangen. Allerdings mit wenigen Ausnahmen: So stolperte ich relativ weit am Anfang über eine ausführliche Beschreibung eines Tennisspiels. Also nicht über die Beschreibung an sich, sondern vielmehr darüber, dass dieses Spiel einfach stumpf „Tennis“ genannt wurde. Natürlich weiß ich (dank Wikipedia), dass ein Tennis-artiges Spiel durchaus schon im 15. Jahrhundert gespielt wurde. Allerdings wird es wohl kaum „Tennis“ genannt worden sein, und so ist zumindest für mich dieser Begriff ein riesiger Störfaktor, der einfach an dieser Stelle nur unpassend ist und der Atmosphäre mehr als abträglich. Ähnlich verhält es sich weiter hinten im Buch, wo in einem Nebensatz erwähnt wird, dass ein paar Kinder Fußball spielen. Auch hier ist die pure Nennung des Begriffs „Fußball“ absolut unpassend, es wäre um Welten besser gewesen, wenn z.B. geschrieben worden wäre, dass die Kinder sich eine mit Stroh gefüllte Schweinsblase mit den Füßen zuspielten. Jedem Leser wäre klar, dass es sich hier um Fußball handelt, doch kommt diese Beschreibung ohne einen unpassenden Fremdkörper aus, der so gar nicht zum Rest der Handlung passen will. Abgesehen von diesen beiden Negativ-Beispielen sind aber die von Rebecca Gablé gewählten Beschreibungen durchaus treffend und prägnant ohne überflüssiges Geschwurbel (zumindest ab Seite 150). Insgesamt ist „Das Spiel der Könige“ sehr gut und flüssig lesbar. Dazu trägt auch das bei Lübbe gewohnt erstklassige Lektorat bei, das so gut wie keine Fehler im Text übrig lässt, über die man beim Lesen stolpern könnte.
FazitInsgesamt gesehen ist „Das Spiel der Könige“ ein guter Roman. Die zum großen Teil durch die Historie vorgegebene Handlung wurde von Rebecca Gablé sehr schön und stimmig umgesetzt. Trotz ständig wechselndem Schlachtenglück und Tausenden Akteuren, die fast alle Edward, Henry oder Richard heißen, verliert man nie den Überblick über die Geschichte. Massive Abzüge gibt es aber für die erbärmlich übertriebene „Heile-Welt-Idylle“ zu Beginn des Romans. Wer aber die ersten 150 Seiten durchhält, der wird mit einer immer spannender werdenden, gut recherchierten und atmosphärisch dichten Geschichte belohnt, die einen immer mehr fesselt. Was die Charaktere angeht, so sind die beiden Haupt-Protagonisten durchaus sehr gut charakterisiert, ihre Handlungen sind stets nachvollziehbar. Die Neben-Charaktere dagegen sind aber leider oft nur eindimensional und mit wenig Tiefe versehen oder – was leider viel zu häufig der Fall ist – nur blass und farblos.
In Punkto Gestaltung und Aufmachung bewegt man sich bei Lübbe wieder auf sehr hohem Niveau. An der Gestaltung ist nichts auszusetzen. Sowohl das Coverbild als auch die Zeichnungen innen (aus der Feder von Jan Balaz) gefallen mir sehr gut. Der ausfaltbare Stammbaum im Schutzumschlag ist ein netter Bonus, auch wenn die viele Werbung für die anderen beiden Bände der Reihe etwas dezenter hätte ausfallen können.
Vergleichen könnte man „Das Spiel der Könige“ wohl am ehesten mit „Das Lied von Eis und Feuer“ – auch wenn letzteres natürlich kein Historischer sondern ein Fantasy-Roman ist. Dennoch hinkt der Vergleich nur ein wenig, basiert doch George R.R. Martins episches Werk auf den Rosenkriegen. Beim Lesen von „Das Spiel der Könige“ kam mir an mehreren Stellen der Gedanke „Das ist aber jetzt irgendwie wie bei George R.R. Martin…“ – unterm Strich erreicht aber Rebecca Gablés Roman leider nur an wenigen Stellen die Klasse von „Das Lied von Eis und Feuer“.
Insgesamt vergebe ich für „Das Spiel der Könige“ aufgrund der Abzüge nur eine Gesamtnote von 3,8 – was in Schulnoten aber immer noch einem „gut“ entspricht. Für Fans von Rebecca Gablé oder der ersten beiden Waringham-Bücher ist das Buch sowieso ein Pflichtkauf, für alle anderen jedoch mit einem Preis von 24,95 EUR sicherlich kein Fehlkauf – sofern man denn über den Beginn hinwegkommt.
Weiterführende Informationen:Die Taschenbuch-Ausgabe ist im Bastei-Lübbe-Verlag erschienen: ISBN 978-3-404-16307-6; 10,99 EUR. |
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