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Angesiedelt in einem alternativen Paris des Jahres 1933, in dem die Kirche massiv die Staatsangelegenheiten beeinflusst und die Inquisition hart durchgreift, entführt der erste Band der Reihe „Rex Mundi“ den Leser in eine Welt, die der unseren zwar sehr ähnlich ist, aber doch ganz anders funktioniert.
Auch wenn es auf den ersten Blick keine großen Unterschiede zum technischen und zum Teil auch sozialen Entwicklungsstand zum realen Jahr 1933 gibt, so besitzt diese alternative Welt doch einige gravierende Unterschiede: Die Macht über das Volk liegt beim König, den Adelshäusern und der Kirche. Etwas Ähnliches wie die Französische Revolution hat zwar stattgefunden, aber sie endete gänzlich anders, und die Häscher der Inquisition werden im Kampf gegen das Verbrechen eingesetzt, wobei ihnen hierfür alle nur erdenklichen Mittel recht sind. Es gab noch keinen Weltkrieg, auch wenn die Konstellation der Großmächte sich in Europa ähnlich zum echten Jahr 1933 verhält. Magie und Zauberei sind allgemein bekannt und werden auch praktiziert, selbst wenn die Kirche (und damit natürlich auch die Inquisition) dies mit Argwohn beobachtet.
Inmitten dieser Rahmenbedingungen siedelt Arvid Nelson seinen Verschwörungsthriller mit christlich-religiösem Hintergrund an, deren Hauptakteure der junge und recht selbstlose Arzt Dr. Julien Saunière, der in einem ärmlichen Stadtteil von Paris eine Praxis für Allgemeinmedizin betreibt, und Dr. Genevieve Tournon (ebenfalls Ärztin) sind, die sich aus früheren Zeiten her kennen und deren Wege sich im Laufe der Geschichte wieder kreuzen sollen.
Inhalt:Eines Abends steht unverhofft Pater Gérard Marin, der Pfarrer der nahe gelegenen Kirche L’Eglise de la Madeleine und langjähriger Freund von Dr. Saunière, an dessen Tür. Aufgeregt berichtet Marin seinem Freund von einem geheimen Gewölbe unter der Kirche, in dem sich ein Archiv für alte Schriften und Bücher befindet und aus dem eine alte Schriftrolle entwendet wurde. Als wäre dieser Diebstahl nicht schlimm genug, so scheint es, als wären arkane Mächte im Spiel gewesen, da es keinerlei Hinweise auf einen Einbruch gibt – die Tür zu dem verborgenen Gewölbe ist unversehrt und verschlossen. In seiner Verzweiflung bittet Pater Marin um die Hilfe seines Freundes. Der einzige Anhaltspunkt, der sich Saunière bietet, ist eine Prostituierte namens Marie-Christine, der Pater Marin etwas über das geheime Gewölbe erzählt hat und die zu einer Gruppe von Prostituierten gehört, die dieser betreut.
Pater Marin zeigt Saunière zunächst das Gewölbe unter der Kirche und den Bestand an Büchern und Schriften, die sich vornehmlich mit dem Orden der Tempelritter beschäftigen – auf ein gewaltsames Eindringen deutet nichts hin. Zudem berichtet Pater Marin von dem seltsamen Geruch von Sandelholz und Schwefel im Gotteshaus, den er sich selbst nicht erklären kann.
Saunière entschließt sich seinem alten Freund zu helfen. Er geht dem einzigen brauchbaren Hinweis nach und begibt sich zu Marie-Christine, um diese zur Rede zu stellen. Doch in deren schäbigem Zimmer findet Saunière nur ihre grausam misshandelte Leiche. Der Körper von Marie-Christine wurde ans Bett gefesselt und ist über und über mit mystischen Zeichen versehen – ebenso wie die Wände des Zimmers. Dies war bei Weitem kein Mord an einer gewöhnlichen Prostituierten und Saunière dämmert es, dass hier noch ganz andere Kräfte am Werk zu sein scheinen.
Bevor Saunière allerdings Gelegenheit hat, noch einmal mit Pater Marin zu sprechen, wird dieser Opfer einer Gasexplosion in seinem Haus. Nur ein Zufall oder scheinen sich die seltsamen Vorkommnisse um Saunière bei seiner Suche zu häufen? Auf eine Antwort braucht Saunière allerdings nicht lange zu warten, da die Inquisition ihm recht deutlich zu verstehen gibt, er möge seine Nachforschungen einstellen.
Inmitten dieser Geschehnisse taucht Dr. Genevieve Tournon, eine alte Freundin von Dr. Saunière, wieder auf und eröffnet eine zweite Erzählebene. Im Gegensatz zu Sauniere, der ein einfaches, aber erfülltes Leben als Arzt gewählt hat, strebt sie nach Höherem. Und so hängt sie sich an den machthungrigen Herzog von Lorraine, der als Politiker eine scheinbar noch nicht zu unterschätzende Rolle in dem weiteren Intrigenspiel einnehmen soll, da er sich in offenem Streit mit dem König befindet und er unverhohlen die französischen Herrschaftsansprüche auf das Heilige Land geltend machen will.
Und so führt die Suche nach den Hintermännern und dem verschwundenen Dokument Saunière immer tiefer mitten in eine Verschwörung hinein, in der nicht nur Okkultismus und Magie auftauchen, sondern die bis in die höchsten Kreise von Adel, Politik und Klerus führt.
Schreibstil & Artwork:Der Autor und Zeichner Arvid Nelson schrieb bereits während seiner Zeit am Dartmouth College Comics, wo er auch zur Glaubensrichtung des Bahaismus konvertierte. Nach seinem Abschluss im Jahr 1999 wurde er Produktionsassistent bei Woody Allen. Während der Arbeiten an der Dokumentation für „The Paris Review“ besuchte er erstmals Paris und begann zahlreiche Eindrücke dieser Stadt zu sammeln, die später nachhaltigen Einfluss auf „Rex Mundi“ haben sollten. Nelson arbeitete unter anderem auch für Marvel und DC, wo er sich verantwortlich für die Konzeption einiger Geschichten zeigte.
Der 37-jährige Eric Johnson (EricJ) lebt in San Diego, im sonnigen Kalifornien. Er zeigt sich als Zeichner bis zur Ausgabe 13 von „Rex Mundi“ verantwortlich, nach der er dann aufgehört hat. Ein Problem dürfte sicherlich das Einhalten der Deadline des Verlages gewesen sein, bei der er sich nicht immer als unbedingt zuverlässig erwiesen hat. Seine Arbeit für „Rex Mundi“ übernahm danach Jim di Bartolo für die Ausgaben 14 und 15 bzw. ab der Ausgabe 16 Juan Ferreyra. Nach der Ausgabe 18 wechselte die Serie zudem von „Image“ zu „Dark Horse“, wobei auch hier Juan Ferreyra die Serie weitergezeichnet hat.
Der Stil von Eric Johnson zeichnet sich zunächst durch seinen Detailreichtum aus, der in Verbindung mit der überwiegend dunklen und flächigen Kolorierung von Jeromy Cox eine sehr dichte Atmosphäre schafft. Vor diesem wunderschönen Hintergrund sind allerdings die realistisch ausgestalteten Figuren nicht immer sonderlich stimmig und wirken seltsam hölzern und schemenhaft. Gesichtsausdrücke verändern sich in Nahaufnahmen kaum und erscheinen manchmal gänzlich vernachlässigt. Hierdurch leidet manchmal die durchaus dichte erzählerische Umsetzung, da Text und Bild nicht richtig zueinander passen wollen. Auf der anderen Seite ist Eric Johnson allerdings meisterhaft in der konzeptionellen Ausgestaltung und zündet ein Feuerwerk nach dem anderen: Der Seitenaufbau ist teilweise grandios und so wechseln sich Splashpages mit Split-Panels oder Insert-Panels in wunderbarer Komposition ab.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungDie Reihe „Rex Mundi“ ist nach eigener Aussage von Arvid Nelson auf 36 Einzelhefte konzipiert. Mit dem Sammelband „Der Wächter des Tempels“, der die ersten 6 Hefte beinhaltet, veröffentlicht der Ehapa-Verlag einen fast 200 Seiten umfassenden Hardcover-Band mit solider Fadenheftung und einem ansprechend gestalteten Einband. Sammler hätten wahrscheinlich ohnehin in der „Ehapa Comic Collection“ nichts anderes erwartet, ebenso wie es an der Übersetzung von Joachim Stahl nichts zu kritisieren gibt.
Die sorgfältig produzierten fiktiven Zeitungsseiten der „Le Journal de la Liberté“ zwischen den Kapiteln verraten dem Leser mit zahlreichen Artikeln über aktuelle Ereignisse, die politische Lage und die staatliche Ideologie etwas mehr über die Welt von „Rex Mundi“. Eine überaus gelungene und in sich stimmige Angelegenheit, aus der man zahlreiche Hintergrundinformationen über diese faszinierende Parallelwelt erhält.
Fazit:Insgesamt präsentiert sich in „Rex Mundi“ eine weitere Variation des Mythos der Tempelritter, doch geschieht dies in einer überaus interessant gestalteten Parallelwelt, in der manch historische Entwicklung anders gelaufen ist. Wie bereits erwähnt, existiert Magie und sie wird auch praktiziert. Dabei halten sich allerdings übernatürliche Geschehnisse dezent im Hintergrund und verleihen der gesamten Geschichte durch ihren sparsamen Einsatz sogar noch das gewisse Extra.
Autor Arvid Nelson ist es gelungen, ein sehr komplexes und anspruchsvolles Werk zu schaffen, in dem sich der Spannungsbogen langsam aufbaut: Der Leser begleitet Dr. Saunière bei seiner Suche und ist vielleicht sogar ein wenig enttäuscht, wenn er nach der Lektüre der rund 180 Seiten unter Umständen auf Nachschub warten muss.
Die Mischung aus anspruchsvollem Verschwörungsthriller, der mit dem realistischen und eindringlichen (wenn auch nicht immer überzeugenden) Zeichenstil von Eric Johnson eine insgesamt sehr schöne und geheimnisvolle Atmosphäre vermittelt, besitzt großes Potential, und man darf auf jeden Fall auf die Fortsetzungen gespannt sein darf. Für mich persönlich eine Empfehlung für alle, die auch ihren Spaß an den Romanen von Dan Brown oder ähnlicher Lektüre hatten.
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