Links zur Rezension Inhalt:Im Königreich Heidemond am Fuß der Schlosstürme, diesseits der Stadt und jenseits der Felder, liegt am Waldesrand ein Teich und in diesem lebt der Frosch Garulfo. Eigentlich sollte Garulfo mit sich und seinem Leben zufrieden sein, doch ist er zutiefst unglücklich über sein Dasein als grüne Amphibie und wünscht sich nichts sehnlicher als einer der Menschen zu sein, die er zutiefst bewundert. Als er eines Tages Zeuge wird, wie sich Prinzessin Hermina zum Baden in seinen Teich begibt, während ihre Amme Nonette ihr das Märchen vom „Froschkönig“ vorliest, bekommt Garulfo eine vortreffliche Idee: Er müsste von einer Fee verwunschen sein, dann könnte ihn eine Prinzessin küssen und er wäre endlich ein Mensch. Also macht sich der etwas einfältige Frosch auf den Weg zur Hexe Malcruella, die er irrtümlicherweise für eine Fee hält, um ihr sein Ansinnen zu berichten. Doch nur mit knapper Not schafft er es, die Hexe von seiner verrückten Idee zu überzeugen und so dem Schicksal, als Zutat für einen Zaubertrank im Hexenkessel zu enden, zu entkommen. Frisch verzaubert macht sich Garulfo auf den Weg, um von einer Prinzessin geküsst zu werden, und wo stünden die Chancen besser als am königlichen Schloss. Dort angekommen entdeckt er auch Hermina, die ihm allerdings einen derben Tritt versetzt, der ihn unversehens in den Wassereimer der Magd Pipa schleudert. Diese hat nichts Besseres zu tun, als in einem Anflug von Mitleid mit der armen Kreatur dieser einen Kuss zu geben. Und siehe da – Garulfo verwandelt sich in einen überaus stattlichen Menschen! Da er ja nun verwandelt ist, eilt er mit der Magd Pipa im Schlepptau eilends zum König, um dort um die Hand seiner vermeintlichen Tochter anzuhalten (schließlich muss sie ja eine Prinzessin sein). Der König von Heidemond (der ohnehin gerne zu cholerischen Ausbrüchen neigt) würde Garulfo ob seines Ansinnens am liebsten enthaupten lassen, zumal er eigentlich nichts von einer zweiten Tochter (außer Hermina) weiß. Oder war es vielleicht doch ein jugendlicher „Ausrutscher“ vor vielen Jahren? Zumindest ist Garulfo gerettet und schickt sich an, den Hof mit seiner schlichten und einfachen Art zu verblüffen und rasch den Zorn etlicher Leute auf sich zu ziehen: Graf Heinhard von Gross-Klappenburg (der Kämmerer und Oberste Jäger des Königs) sieht seine eigenen Ambitionen auf den Thron in Gefahr und beauftragt seine Männer, Garulfo zu töten. Nonette möchte sich für den Fußtritt rächen, den Garulfo Hermina als Ausgleich für den selbsterhaltenen verpasst, zumal er scheinbar im zweiten Anlauf das Herz der Prinzessin für sich gewonnen hat. Und so wendet sich bald einiges an Unheil gegen den frisch verzauberten Frosch in Menschengestalt, der nach und nach für sich feststellen muss, wie grausam und hinterhältig die Welt der Menschen ist. Und als wäre das noch nicht genug, so gibt es auch noch einen edlen Ritter und einen Drachen.
Schreibstil & Artwork:Der Autor Alain Ayroles wurde 1968 in der Region Lot geboren. Das Zeichnen und Erzählen von Geschichten entwickelte sich schon recht bald zu seiner Leidenschaft, und so ging er 1980 an die Kunsthochschule von Angoulême. Doch vor allem an den Rollenspieltischen – die die Studenten weit gewissenhafter besuchten als die Seminare – perfektionierte er sein Talent als Erzähler. In der Tat basieren seine Comics „Garulfo“ und „Mit Mantel und Degen“ ursprünglich auf einem selbst kreierten Spieleuniversum, das noch aus dieser Zeit stammt. Nach seinem Studium arbeitete er für diverse Zeichentrickserien und als Szenarist und Zeichner für diverse Comicmagazine wie z.B. am ersten Band von „Les Enfants du Nile“, der 1991 beim Verlag Delcourt erschien. Für denselben Verlag textete er sodann den Comic „Garulfo“, den er gemeinsam mit Zeichner Bruno Maïorana umsetzte. Parallel hierzu entstand die von Jean-Luc Masbou gezeichnete Serie „Mit Mantel und Degen“, eine Geschichte mit tierischen Protagonisten, die der klassischen Literatur und dem Theater des 17. Jahrhunderts verpflichtet ist. Sein Erzähltalent und sein Sinn für Humor machten Ayroles in Frankreich zum idealen Übersetzer von „Bone“, der Kultsaga von Jeff Smith. Im Jahr 2008 veröffentlichte er gemeinsam mit dem Zeichner Luigi Critone einen Titel der Serie „7“ („Sieben Missionare“), die ebenfalls beim Verlag Delcourt erscheint.
Der Stil von Ayroles zeichnet sich in „Garulfo“ nicht zuletzt durch eine große Gelehrsamkeit und seinen hochgradigen Sinn für Dialoge aus, ohne dabei pathetisch oder gar langweilig zu werden. Zudem spürt man in den Texten immer wieder seinen selbst bekundeten Willen, zu den Quellen der großen Erzählkunst zurückzukehren, die die europäische Kultur geprägt haben, und bedient sich dabei mit sichtlichem Vergnügen traditioneller Mythen, die er allerdings mit großem Respekt verändert. Schlicht und ergreifend: Lesevergnügen auf hohem Niveau.
Bruno Maïorana wurde am 23.12.1966 in Angoulême geboren. Nach einer klassischen Schullaufbahn machte er sein Abitur und ging dann an die Kunsthochschule, wo er sich für die Comicsektion einschrieb. Doch begann er sich dort schnell zu langweilen und fand den Unterricht für seine eigenen künstlerischen Belange ziemlich unergiebig. Er zog es vor, sich mit dem Zeichnen von Trickfilmen zu beschäftigen, einer Aktivität, die ihm zwar den Vorteil eines gesicherten Einkommens verschaffte, die ihn aber auch in das enge Korsett der Routine und der Vorgaben führte. Glücklicherweise schaffte der ebenfalls vom Rollenspiel begeisterte Maïorana rechtzeitig den Absprung aus diesem Genre und arbeitete mit Autor Alain Ayroles in der Zeit von 1995 bis 2004 an der Serie „Garulfo“.
Die Charaktere in seinem Erstlingswerk wirken – bei all ihrer Liebe zum Detail und zur Eigenständigkeit - manchmal etwas stark cartoonhaft. Dennoch ist es vielleicht gerade dieser Kontrast zu der Erzählung von Ayroles, die den Charme dieses Comics und seiner Figuren ausmacht. Insgesamt also sicherlich keine zeichnerische Höchstleistung, aber sehr gefällig und angenehm in Szene gesetzt. Getragen werden die Figuren durch die strahlenden und kräftigen Farben der Bilder in der Koloration von Thierry Leprevost.
Qualität & Übersetzung:Die ursprünglichen sechs Einzelalben erscheinen beim Splitter Verlag in drei sehr liebevoll gestalteten Doppelbänden. Vorliegend gibt es den Band „Vom Teich ins Schloss“ sowie „Vom Regen in die Traufe“. Etwas verwirrend, da das Cover des Doppelbandes den Titel (und das neu aufbereitete Cover) des zweiten Teils der ursprünglichen Albumfassung trägt. Hier wäre vielleicht eine andere Lösung schöner gewesen, zumal es ja scheinbar von Maïorana noch eine Fülle von hochwertigen Entwürfen zu „Garulfo“ gibt.
In Sachen Qualität erhält man jeweils einen rund 104 Seiten starken Hardcoverband (mit Spotlack für das Cover) in einer gewohnt guten Verarbeitung und angenehmer Druckqualität. Zudem wird es für Sammler und Fans vom Splitter Verlag zu „Garulfo“ einen exklusiven Schuber für die drei Doppelbände geben. Die Übersetzung aus dem Französischen stammt von Delia Wüllner-Schulz und das Lettering von Dirk Schulz.
Als Extra gibt es im ersten Doppelband einen Anhang, der einen kleinen Blick hinter die Kulissen von „Garulfo“ gewährt. So findet man neben einer kurzen Biografie von Ayroles und Maïorana eine Galerie aller wichtigen Charaktere, einige interessante Worte zum Thema „Märchen“ und der Entstehungsgeschichte von „Garulfo“ sowie einige sehr schöne Illustrationen für Kunstdrucke aus der Feder von Maïorana, die für den Comic „Garulfo“ gedacht waren.
Fazit:Ein Märchen als Screwball-Komödie in Comic-Form? Der Vergleich mag auf den ersten Blick etwas hinken, aber dennoch scheint dieses Konzept beim Duo Ayroles und Maïorana hervorragend zu funktionieren: geschickte Dialoge, Wortwitz und ein rasantes Tempo in einer gewitzt konstruierten Handlung vor einer zeichnerisch durchaus überzeugenden Kulisse.
Bei aller erzählerischen Leichtigkeit, welche die Story letztlich durchweht, gibt es doch einige Momente mit recht bissigem, wenn nicht so sogar recht schwarzem Humor. So beispielsweise, als Fulbert der Erpel (und guter Freund von Garulfo) der abendlichen Gesellschaft zum Diner serviert wird. Etwas geschmacklos und vielleicht auch brutal sind auch solche „schwarzen Momente“, die diesen Comic auszeichnen.
Ayroles bedient sich in seiner Geschichte um den „verwunschenen“ und etwas einfältigen Frosch Garulfo schamlos etlicher Klischees klassischer Märchen und schafft aus diesem Sammelsurium eine ganz eigene Welt. Weder Märchen noch sonst irgendwie in eine Schublade einzuordnen und dennoch vielleicht ein Stück weit „Schelmenroman“ in Comic-Form, macht es einfach diebisch Freude Garulfo zu begleiten, seine – zugegebenermaßen einfache – Sicht der Welt einzunehmen, ohne dass er eigentlich eine nennenswerte, eigene innere Entwicklung durchmacht. Insofern ist es wirklich nicht übertrieben, Ayroles eine hohe Erzählkunst zuzusprechen.
Für mich persönlich ist diese Neuauflage beim Splitter Verlag eine echte Bereicherung, da diese überaus gelungene Serie unbedingt größere Bekanntheit in Deutschland erhalten sollte – schon lange habe ich mich nicht mehr bei einem Comic auf so hohem Niveau gut unterhalten gefühlt, auch wenn es vielleicht bei den Zeichnungen hier und da etwas zu stark ins Cartoonhafte abgeglitten ist. Für mich persönlich aber auf jeden Fall eine Kaufempfehlung und einen Blick wert!
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